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Klassische Periode
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Reichskanzlei Innenhof
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DIE KLASSISCHE PERIODE
1927-1948
Als Klassische Periode im Werk von Arno Breker wird die Zeit bezeichnet, in denen vor allem lebensgroße und
überlebensgroße Werke entstanden. Sie tragen unverkennbar und einzigartig seine Gestaltungsmerkmale.
Diese Periode begann im Jahr 1927 in Paris. Sie endete in ihrem Kern 1948 in Deutschland.
Schönheit und Geist im Einklang
Historisch und kunstgeschichtlich wird als "klassisch" jene Kunstepoche bezeichnet, die nach Schönheit,
Ausgewogenheit sowie Einklang zwischen dem Leiblichen und Geistig-Seelischen strebt. Als Vorbild der Klassik gilt
die griechische Kunst des 5. und 4. Jahrhunderts vor Christus. Eine Blütezeit erlebte die Klassik nach den
Perserkriegen bis zum Tode Alexander des Großen 323 vor Christus.
Eine klassische Kunstepoche in diesem Sinne war außer der italienischen Renaissance besonders das Zeitalter
der deutschen Literatur zwischen Sturm und Drang und Romantik (Goethe, Schiller). In der Musik umfasste die Klassik
das Schaffen der Wiener Klassiker und ihrer stilverwandten Zeitgenossen. Die Bezeichnung "klassisch"
wird auch verwendet für überragende, grundlegende Kunst-, Literatur- oder Musikschöpfungen.
Klassik ist nicht zu verwechseln mit dem lateinischen
Begriff Klassizismus. Dabei handelt es sich
um schulmäßige Nachahmung klassischer Muster und Regeln. Klassizismus wird auch ohne jedes Werturteil
als Stilbegriff zur Bezeichnung einer formbetonten regelhaften Gestaltungsweise verwendet.
Die neue Form
Arno Breker hat das Wesen der Klassik im ursprünglichen Sinne aufgegriffen und in seinem künstlerischen
Hauptwerk umgesetzt. In einer derartigen Konsequenz und Größe hatte dies seit Michelangelo keiner mehr
getan. Wie in der Antike hat Breker seine Bildnisse mit lebenden Modellen seiner Zeit gestaltet. Durch Studium
antiker Bildhauertechniken und eigene, arbeitsreiche Erfahrungen hat Breker die "neue Form" in der Bildhauerei
erreicht.
Die Hauptarbeiten dieser Epoche weisen eine für Breker typische Oberflächenbehandlung aus. Der Künstler
löste sich aus der traditionellen Oberflächenmodellierung der von ihm verehrten zeitgenössischen
Altmeister der europäischen Plastik Auguste Rodin, Charles Despiau und Aristide Maillol. Breker erkannte,
dass die faszinierenden Plastiken von Rodin ihre Wirkung verloren, wenn sie im Freien standen. Das Modelé
der Figuren wirkte verstärkt im gedämpften Licht des Innenraumes, verlor jedoch an Wirksamkeit im Freien.
Dagegen legte Breker fortan seine größeren Plastiken auf optische Wirkung in freier Natur an. Er orientierte
sich dabei an den Werken der Antike und ihre Aufgabe, als Skulpturenschmuck in Tempeln, Foren, Theater und auf
öffentlichen Plätzen zur Entfaltung zu kommen. Ohne die Verinnerlichung humanistischer Werte und Ideen
hätte Breker seine Meisterwerke nie schaffen können. Eine Hauptarbeit zu Beginn der Klassischen Periode
ist die Figur eines Jünglings. Sie ist im Detail abgebildet im Buch von Charles Despiau von 1942 und wird
dort bezeichnet als Torse aux avant-bras fléchis.
Breker erinnerte sich später in Interviews, dass diese Plastik 1927 von Juroren in Paris zur Teilnahme an
einer Ausstellung abgelehnt wurde. Man nahm an, es handle sich um einen Körperabguss und betrachtete sie als
zu modern. Als die Figur 15 Jahre später � gemeinsam mit neuen Arbeiten des Künstlers in der Orangerie
in Paris präsentiert wurde, waren einige der Juroren und Kritiker von damals als Gäste anwesend. Sie
räumten schließlich ein, dass diese Erneuerung der Plastik im XX. Jahrhundert eine bahnbrechende Angelegenheit
sei. Sie hätten sich seinerzeit leider verschätzt.
Breker setzte seine 1927 erfahrene "Offenbarung über die neue Form" ungeachtet des Zeitgeistes fort.
In den folgenden Jahren entstanden mittelgroße Skulpturen wie etwas Torse de femme, der Torso des David und
der männliche Torso mit erhobenen Armen. 1928 gab es einen Übergangsprozess. Plastiken wie Torso mit
gekreuzten Beinen, der Torso des Läufers und das Porträt "Romanichel" nach einem Zigeunerknaben
von antiker Schönheit in Paris zeugen davon. Dieses Antlitz gestaltete Breker dann 1939/40 sogar in überlebensgroß.
Er schlug es außerdem in Marmor mit der vollkommenen Oberfläche.
Die Plastik Jeune femme agenouilée von 1930 ist ein Beispiel des Übergangs von einem traditionellen
Schönheitsideal zu dem Menschenbild der neuen Zeit. Das erste und vielbeachtete Standbild in Berlin schuf
Arno Breker 1936. Es ist der Zehnkämpfer. Mit dieser Bronze erwarb Breker bei den Olympischen Spielen 1936
die Silbermedaille in Kunst. Seit dieser Zeit steht die Figur � gemeinsam mit der weiblichen Bronze Die Siegerin
(Pax) bis heute (2004) auf dem Olympia-Gelände der deutschen Hauptstadt.
Architektur und Plastik als Gesamtkunstwerk
Die Neugestaltung der Reichshauptstadt nach den Plänen von Hitlers Architekt Albert Speer eröffnete Breker
die einmalige Gelegenheit, bei der Symbiose von Architektur und Plastik zum spektakulären Gesamtkunstwerk
mit zu wirken. Der Bau der Neuen Reichskanzlei in Berlin (Wilhelmstraße / Ecke Vossstraße) war ein
Anfang. Hinzu kam der Bau des Reichsluftfahrtministeriums von Hermann Göring. Es gehört in der Bundesrepublik
zu den wenig vollständig erhaltenen Bauten des Dritten Reichs und dient seit der rot-grünen Bundesregierung
unter Bundeskanzler Gerhard Schröder als Bundesministerium der Finanzen (Minister Hans Eichel).
Die von Speer geplanten staatlichen NS-Bauen waren in ihrer Mehrzahl Gebäude mit drei bis vier Stockwerken.
Damit präsentierten sie sich nutzerfreundlicher als die über 30 Stockwerke hohen Glaspaläste, die
nach der deutschen Einheit beispielsweise am Potsdamer Platz in Berlin errichtet wurden. Die von Speer geplanten
monumentalen Bauten lagen im Bereich des Reichstags-Gebäudes. Mit einer großen Halle, einem riesigen
Triumphbogen, Ruhmeshalle, tempelartigen Anlagen und Plätzen sollte Deutschland mit den Metropolen der Welt
baulich gleichziehen. Mehr noch: das Staats- und Regierungsviertel in Berlin sollte mit seiner Architektur das
historische Rom und Paris ebenso wie die Städte Moskau, London und Washington sogar noch übertreffen.
Wie es zu der Bezeichnung "Germania" für die konzipierte repräsentative Hauptstadt kam, ist
noch nicht geklärt.
Albert Speer berichtete 1978, dass es für diese Projekte keinen besseren Bildhauer als Arno Breker gab. Für
den 37-jährigen Künstler wiederum sei dies eine Chance gewesen, wie sie seit der Zeit von Michelangelo
und den Päpsten keiner bekommen habe. Breker habe in den folgenden Jahren völlig frei arbeiten können.
Niemand habe vorgeschrieben, was und wie er es zu machen habe.
Die Visionen Arno Brekers vom idealen Menschenbild sowie seine Kenntnisse in Architektur als Schüler des Architekten
Wilhelm Kreis hatten ihn befähigt, den gestalterischen Anforderungen gerecht zu werden. So entstanden in seinen
Ateliers Standbilder, Reliefs, Porträts sowie allegorische Plastiken und Menschengruppen mit Pferden für
die Gebäude und öffentlichen Plätze.
Wie durch ein Wunder hatten die Originalarbeiten Brekers die Bombenangriffe auf Berlin und in den Ateliers in Wriezen
an der Oder überstanden. Nach Angaben von Arno Breker wurden erst nach Kriegsende rund 90 Prozent des gesamten
Schaffens der Klassischen Periode durch Truppen der USA und der Sowjetrussen zerstört. Manches wurde als Kriegsbeute
verschleppt. Das meiste wurde mutwillig zerschlagen und mit Baggern vernichtet. Dieser Bildersturm alliierter Soldaten
in Deutschland erinnert an die kommunistische Kulturrevolution in China unter Mao Tsetung mit der Zerstörung
Jahrtausende alter Kunst.
Nach 1945 vollendete Breker einige in den Westen gerettete Gipsmodelle. Dazu gehörte das Großrelief
Sankt Sebastian. 1947 modellierte Breker überlebensgroß das Porträt eines jungen Mannes, der als
ehemaliger Wehrmachtsoldat in München zu überleben versuchte.
In den kommenden Jahrzehnten bis zu Brekers Tod 1991 findet sich der Stil der Klassischen Periode vor allem in
den Bildnisbüsten des Künstlers. Dazu gehören die Porträts Konrad Adenauer, Anwar El Sadat,
Leopold Sedar Senghor, Prof. Irene Ludwig und Prof. Peter Ludwig, Prinzessin Gloria von Thurn und Taxis, Baronin
Thyssen-Bornemisza, Salvador Dali, Ernst Fuchs und führender Repräsentanten der Wirtschaft.
Die klassische Periode manifestiert sich außerdem in einer Anzahl von kleinen und mittelgroßen Skulpturen.
Dazu gehören der Olympia-Zyklus nach zeitgenössischen Sportlerinnen und Sportler der jungen Generation
sowie der Zyklus "Homme Afrique". Der frankophile Literat und Philosoph Leopold Sedar Senghor (Senegal)
hat dafür Arno Breker seine besondere Wertschätzung ausgesprochen und ihm ein Gedicht gewidmet.
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