Guillaume Travers

Werner Sombart ist einer der wichtigsten Autoren der ›Konservativen Revolution‹ in Deutschland und der Vordenker eines authentischen ›Dritten Weges‹ zwischen Kapitalismus und marxistischem Sozialismus.

Er ist einer der Gründerväter der Soziologie. Seine Werke wie ›Der moderne Kapitalismus‹, ›Der Bourgeois‹ oder ›Die Juden und das Wirtschaftsleben‹ bieten eine der reichhaltigsten und tiefgründigsten Analysen des Kapitalismus. Das letztgenannte Buch sowie ›Der deutsche Sozialismus‹, der ein Jahr nach Hitlers Machtübernahme erschien, wurden verdächtigt, antisemitische Thesen zu vertreten und sogar dem Nationalsozialismus nachzugeben, was zwar nicht stimmte, ihm aber nach dem Krieg eine Ächtung einbrachte. Der ausgezeichnete ›Pardès-Verlag‹ bietet uns in der Reihe ›Wer bin ich?‹ unter der Federführung von Guillaume Travers eine spannende Biografie dieses immensen Denkers, den es dringend (wieder) zu entdecken gilt.

Werner Sombart wurde am 13. Januar 1863 in Sachsen geboren. Sein Vater übernahm im Laufe seines Lebens verschiedene politische Ämter, u. a. als Reichstagsabgeordneter, und legte dabei eine tiefe soziale Fürsorge an den Tag, die einen großen Einfluß auf seinen Sohn haben sollte.

Er war ein überzeugter Befürworter der “inneren Kolonisation”, d. h. der staatlichen Aufteilung der großen Landgüter der Junker, die seiner Meinung nach die Bauern in Armut hielten. Er ging sogar bis zum Äußersten seiner Ideale, indem er den Familienbesitz zugunsten mehrerer Bauern aufteilte.

So verbrachte der junge Werner seine ersten Jahre damit, die organische Welt des Familienhofes vor Augen zu haben, mit seiner materiellen, sozialen und technischen Einheit, einem hohen Grad an Selbstversorgung, mit seinem eigenen Geist, seinen Arbeitsregeln und seiner Ethik, die über Generationen hinweg weitergegeben worden waren.

Der junge Sombart hinterließ nicht das Bild eines besonders brillanten Schülers. Er träumte davon, als Offizier in die Handelsmarine einzutreten. Sein Traum zerbrach an Augenproblemen. Er studierte in Rom und Pisa, weshalb er bis zu seinem Lebensende eine tiefe Verbundenheit mit Italien verspürte.

Die “soziale Frage” nahm in seinem Denken einen zentralen Platz ein. Er vertiefte seine Überlegungen, allerdings nicht durch die Lektüre von Marx, sondern indem er sich in Zolas ›Rougon-Macquart-Reihe‹ vertiefte. Er promovierte 1888, entdeckte Marx und schrieb die erste Fassung seines Meisterbuches ›Der moderne Kapitalismus‹.

In dieser Zeit erlangt Sombart den Ruf des “roten Professors”. Er sorgte für einen Skandal, als er mit seinen Studenten Fabriken und Bergwerke besuchte, um ihnen einen Einblick in die Lage der Arbeiter zu geben. Sombart empfand eine aufrichtige Bewunderung für Marx, die allerdings nicht grenzenlos war.

Der Ökonom Hayek wird über Sombart sagen, er habe “mehr als jeder andere getan, um die sozialistischen Ideen zu verbreiten und antikapitalistische Ressentiments in ganz Deutschland zu wecken”.

1902 erschien die erste Ausgabe von ›Der moderne Kapitalismus‹, ein bahnbrechendes Werk, in dem die Verwendung des Wortes ›Kapitalismus‹ eingeführt wurde. In den folgenden Jahren vertiefte er seine Gedanken durch die Veröffentlichung mehrerer Studien über ›Die Juden‹ und ›Das Wirtschaftsleben‹ (1911), ›Der Bourgeois‹ (unbedingt lesen!), ›Luxus und Kapitalismus‹ und ›Krieg und Kapitalismus‹ (alle drei 1913).

Sombart, der umgeben von Tausenden von Bücherbänden lebt, die er gewissenhaft mit Anmerkungen versieht, erscheint als einer der Gründerväter der Soziologie.

Im Alltag, so Guillaume Travers, verkörperte Sombart eine preußische Ethik, der er immer treu bleiben sollte. In seinen Augen sind es die die freiwillig übernommenen Verpflichtungen, die den Aufstieg ermöglichen. Um nicht zu verweichlichen, müssen sich Männer seiner Meinung nach einer strengen Disziplin unterwerfen: Sie müssen in der Kälte schlafen und dürfen nur im Sitzen und mit dem Bleistift in der Hand lesen.

 Als gereifter Mann fand er in den “revolutionär-konservativen” Kreisen ein großes Publikum. Die ›Große Depression‹ und der Börsenkrach von 1929 veranlaßten ihn, sich verstärkt in öffentlichen Debatten zu Wort zu melden.

Befindet sich der Kapitalismus in seiner letzten Krise? Viele Kommentatoren sahen den Entwurf eines “reaktionären” Programms in Sombarts politischstem und umstrittenstem Werk  ›Der deutsche Sozialismus‹, das 1934, also nur ein Jahr nach der Machtübernahme Adolf Hitlers, erschien. Manche werden darin ein Regierungsprogramm für die NSDAP sehen. Das ist es nicht. Zwar propagiert er einen radikalen Bruch mit dem Kapitalismus, doch dieser unterscheidet sich deutlich von dem des nationalsozialistischen Programms. Tatsächlich wurden Sombart und sein Werk während des gesamten Dritten Reiches marginalisiert. Er war zutiefst betrübt über die Lage seines Landes. In seinem 1938 erschienenen Buch ›Vom Menschen‹ versucht er zu definieren, was der Mensch ist, und zieht damit den Zorn des NS-Regimes auf sich, insbesondere weil er die Reduzierung des Menschen auf seine Rasse offen kritisiert. Das Werk wird nicht im Buchhandel verbreitet.

Sombart und der Sozialismus

Sombart schöpft aus Karl Marx viele neue Fragestellungen, ist aber alles andere als ein sklavischer Jünger. Er erneuert dessen Analyse und distanziert sich von einigen zentralen Ideen des Marxismus. Sombart sieht im Kapitalismus ein Regime, das früher oder später überwunden werden muß. Reformistische Anpassungen wären nur ein “Rückschritt in einem kleinbürgerlichen Sinne”.

Was die soziale Bewegung nährt, ist seiner Meinung nach nicht so sehr das objektive Elend, sondern der Kontrast zwischen den Klassen und das Gefühl der Unsichertheit, das die Arbeiter befällt. Sombart zeigt, daß es eine “Psychologie” des Proletariats gibt, die eine Folge seiner Entwurzelung ist.

Das Proletariat erlebt einen völligen Bruch mit der Vergangenheit, die Zerstörung aller Bindungen, die es mit dem Heimatland, dem Dorf und der Familie verbindet. Tatsächlich steht für Sombart hinter dem Unbehagen der Arbeiterklasse nicht nur materielle Not, sondern auch eine Sinnentleerung.

Er entwickelte seine Idee des “nationalen Sozialismus” weiter: Wo die moderne “Gesellschaft” ein loser Zusammenschluß von Individuen ist, die alle ihr eigenes Interesse suchen, steht bei der “Gemeinschaft” die organische Solidarität im Vordergrund.

Sombart glaubt wie Marx an die Realität des Klassenkampfes. Aber er ist der Meinung, daß die Geschichte der Gesellschaft nicht nur aus Klassenkämpfen besteht. Er ist der Meinung, daß nationale Antagonismen eine wichtige Rolle spielen und daß es drei nationale Typen des Sozialismus gibt: den französischen, den englischen und den deutschen.

Sombart wird schon bald den Vorrang geistiger Formen vor materiellen Kräften behaupten (marxistischer Materialismus). Für ihn manifestiert sich in kulturellen, ästhetischen, politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Tatsachen immer der “Geist” eines Volkes. Wenn der Kapitalismus wie auch der Sozialismus eher ein Geist als eine Produktionsweise ist, dann reicht es nicht aus, die Produktionsweisen umzuwerfen, um sie loszuwerden, sondern es muß ein neuer Geist in den Gesellschaftskörper eingehaucht werden.

Marx behauptet, daß zwei verschiedene Völker unter denselben materiellen Bedingungen dieselben geistigen Vorstellungen entwickeln. Daher werden kulturelle und nationale Besonderheiten relativiert, und der Materialismus führt fast automatisch zum Internationalismus (“Proletarier aller Länder, vereinigt euch!”).

Sombart denkt das Gegenteil. Jedes Volk wird von einem bestimmten Geist beherrscht. Folglich könne der Sozialismus nur national sein und der Internationalismus sei verurteilt. Im Sommer 1904 hatte Sombart auf einer Reise mit Schrecken die amerikanische Zivilisation entdeckt, die als “kulturelle Hölle” charakterisiert wurde und von einer “Götterdämmerung der Kultur” geprägt war. Er stellte fest, daß sich das Fehlen einer sozialistischen Bewegung insbesondere aus dem Lebensstandard der Arbeiter und ihren sozialen Aufstiegsmöglichkeiten erklärt.

Seine Schlußfolgerung: Die Tatsachen widerlegen Marx’ Ansicht, daß der Sozialismus sich zuerst dort durchsetzen sollte, wo der Kapitalismus am weitesten fortgeschritten ist, auf frappierende Weise.

Sombart und der Kapitalismus

Sombart erklärt in ›Der Bourgeois den Unterschied zwischen dem vorkapitalistischen und dem kapitalistischen Geist. In der vorkapitalistischen Wirtschaft ist die Idee, daß man immer mehr anhäufen sollte, bedeutungslos. Man muß lediglich über das verfügen, was man braucht.

Sombart stellt fest, daß “der Handwerker und der Bauer einen instinktiven Widerwillen gegen das Fälschen, gegen den Ersatz, gegen die Schundarbeit” empfand. Außerdem fehlte die Vorstellung, daß man seine Zeit gewinnbringend nutzen müsse, wie die große Zahl der Feiertage oder arbeitsfreien Tage im Mittelalter beweist.

Der kapitalistische Geist ist das Gegenteil der vorkapitalistischen Mentalität. Er zielt auf eine immer größere Anhäufung von quantitativen Werten ab. Im Gegensatz zur reinen Bedürfnisbefriedigung preist er das Streben nach Profit. In Bezug auf den Unternehmergeist und den Abenteuergeist stellt Sombart fest, daß ein grundlegender Bruch entsteht, wenn dieser Abenteuergeist nicht mehr in den Dienst von Zweckbestimmungen wie Größe oder Ehre gestellt wird, sondern in den Dienst der reinen materiellen Akkumulation.

Hier tritt der bürgerliche Geist auf den Plan. Es ist ein Geist, der aus Berechnung, Vorsicht und entnervter Rationalität besteht. Der Autor stellt fest, daß das Aufkommen des Handelsbürgertums im 15. Jahrhundert die soziale Ordnung umwälzte, indem es das Verhältnis zwischen politischer Macht und Reichtum umkehrte. Traditionell war man aufgrund einer politischen Vorrangstellung reich; zunehmend wurde es möglich, mächtig zu sein, nur weil man reich war. Sombarts Analyse ist, wie Guillaume Travers richtig feststellt, von unermesslichem Wert.

Sombart nennt als Quellen des kapitalistischen Geistes ethnische Veranlagungen bei Völkern wie den Juden, Etruskern oder Schotten, die utilitaristische Philosophie, den Einfluß der jüdischen und in geringerem Maße der katholischen Religion, das Wachstum des Staates und die Entwicklung der modernen Kriegsführung, die Völkerwanderung, Ketzerei, die Entdeckung von Goldminen, die Umwälzung der Geschlechterverhältnisse und die Entwicklung des Luxus. Es ist unmöglich, diese wenigen Punkte hier zusammenzufassen.

Erwähnt werden soll jedoch die Beziehung, die Luxus und Kapitalismus haben können. Die Erschließung ferner Märkte ab dem 16. Jahrhundert wurde zu einem großen Teil durch die Suche nach Luxusgütern motiviert. Da die Transportkosten hoch waren, lohnte es sich nur, hochpreisige Waren zu transportieren. So ist der Aufschwung der internationalen Märkte und damit des Kapitalismus historisch mit der Entwicklung des Marktes für Luxusgüter verbunden.

In ›Liebe, Luxus und Kapitalismus stellt Sombart fest, dass nun der Bourgeois mehr glänzen kann als der Adlige. In diesem Sinne wird der Luxus zu einer wahrhaft revolutionären Kraft, die geeignet ist, die gesamte gesellschaftliche Ordnung umzugestalten.

Die religiösen Ursprünge des Kapitalismus

Sombart untersucht die Beziehung zwischen Religion und Kapitalismus in seinem 1911 erschienenen Buch ›Die Juden und das Wirtschaftsleben‹. Er zeigt die Verbindungen zwischen den Juden und der materiellen Realität des Kapitalismus auf und analysiert, indem er zu den Tatsachen geistiger Natur aufsteigt, die Verbindungen zwischen dem Judentum und der kapitalistischen Weltanschauung, die er als von der “Idee des Profits” beherrscht beschreibt.

Sombart verbindet die “Grundideen” dieser Religion mit dem kapitalistischen Geist. Seiner Meinung nach ignoriert die jüdische Religion das Mysterium, das Jenseits, und präsentiert sich stattdessen als ein rationaler Plan mit kalten und kalkulierten Lösungen, der auf die totale Kontrolle des Lebens abzielt und die instinktive und primitive Dimension des Menschen verleugnet.

Sombart schreibt:

Die jüdische Religion erscheint uns von Anfang bis Ende als ein mechanischer und künstlicher Organismus, der darauf abzielt, die materielle Welt zu zerstören und sich untertan zu machen.

In diesem Sinne

verhält sich die jüdische Religion genau wie der Kapitalismus, der ebenfalls eine fremde Formation ist, von der man nicht weiß, woher und wie sie gekommen ist.

Sombart zeigt außerdem, daß bestimmte Merkmale des jüdischen Geistes zum praktischen Aufschwung des Kapitalismus beigetragen haben. Zunächst einmal die starke Trennung zwischen Juden und Nichtjuden, die es letzteren ermöglicht, Praktiken auszuüben, die sie untereinander ablehnen (insbesondere den Zinskredit), sowie eine liberale und undifferenzierte Weltanschauung, die mit einer großen Neigung zur Mobilität einhergeht. Er stellt die Frage, “wie sich die spezifischen jüdischen Charaktere herausbilden”. Er bringt die letztgenannten Merkmale mit dem Leben in der Wüste in Verbindung, das mit Nomadentum und der Praxis des Raubzugs einhergeht, und stellt sie dem stärker verwurzelten Leben in den Wäldern der europäischen Völker und insbesondere der Germanen gegenüber.

Der Aufstieg des Kapitalismus sei daher unter dem Einfluß des jüdischen Geistes eine Unterwanderung der Waldwelt durch exogene Kräfte, die aus der Wüste kommen. Sombart stellt jedoch fest, daß der jüdische Geist zwar im jüdischen Volk wurzelt, sich aber nicht biologisch auf dieses reduzieren läßt, sodaß jeder von diesem Geist durchdrungen sein kann.

War Sombart ein Antisemit? In einer sehr detaillierten Studie hat Alain de Benoist diese Anschuldigungen entkräftet. Er stand vielen jüdischen Intellektuellen nahe und entwickelte zionistische Positionen, die in zionistisch-jüdischen Kreisen gelobt wurden. So bezog er Stellung gegen die Assimilation der Juden, denen er riet, ihre eigenen Besonderheiten zu bewahren, indem sie sich in einem Land innerhalb einer politischen Ordnung verwurzelten.

Sombart widmete auch einige Seiten, um die Rolle bestimmter Strömungen des Katholizismus bei der Entstehung des Kapitalismus zu belegen. Dies gilt insbesondere für den ›Thomismus‹ in Bezug auf die von ihm propagierte Lebenseinstellung, in der er den Rationalismus hervortreten sieht. Er fügt jedoch hinzu, daß katholische Grundsätze wie das Armutsideal, das Mißtrauen gegenüber dem Geld und die Ablehnung des Individualismus die Entwicklung des Kapitalismus behindert haben. Für die Entstehung des Kapitalismus war neben anderen Faktoren auch der Einfluß des Judentums notwendig.

Guillaume Travers schließt mit der Feststellung, daß das Werk von Sombart, der einer der Hauptvertreter der ›Konservativen Revolution‹ in Deutschland war, als ein authentischer ›Dritter Weg‹ zwischen den beiden Materialismen Kapitalismus und marxistischer Sozialismus gelesen werden kann, der vom Thema ›Gemeinschaft‹ durchdrungen ist.

Sombart zitiert James Bryce mit den Worten: “Es gibt heute eine Tendenz, große Größe als Großartigkeit zu betrachten”. In seinem Text ›Händler und Helden‹ stellt er die beiden Figuren ›Händler‹ und ›Held‹, das ›bürgerliche Temperament‹ und das ›herrschaftliche Temperament‹ einander gegenüber.

Dort heißt es:

Der Kaufmann tritt dem Leben mit der Frage entgegen, was es ihm geben kann. Er will so viel wie möglich für sich selbst bekommen, indem er so wenig wie möglich zurückgibt. Er will das Leben zu einem profitablen Geschäft machen. Der Held geht an das Leben heran, indem er sich fragt, was er ihm geben kann. der Kaufmann spricht nur von ›Rechten‹, der Held nur von ›Pflichten‹.

Quelle: https://www.terreetpeuple.com/philosophie-reflexion-72/4796-werner-sombart-le-penseur-d-une-troisieme-voie.html

 

 

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