Frankfurt: Deutschlandticket füllt Bahnen – aber kaum Neueinsteiger
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„Donnerstag ist der neue Freitag“: Deutschlandticket füllt Frankfurts Bahnen – aber kaum Neueinsteiger

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Die Fahrgastzahl erreicht trotz verstärktem Home-Office wieder das Vor-Corona-Niveau, allerdings gibt es kaum Menschen, die neu zugestiegen sind.

Frankfurt – Das Deutschlandticket hat Frankfurt bis zu 30 Prozent Neukunden in Bahnen und Bussen beschert. Diese Bilanz zieht die städtische Nahverkehrsorganisation Traffiq nach einem Jahr. Dadurch hätten die Fahrgastzahlen wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht, sagt Traffiq-Geschäftsführer Tom Reinhold.

Die Zahl bezieht Traffiq allerdings rein auf die einzelne Fahrt. Tatsächliche Neukunden, also „Systemeinsteiger“, wie es Reinhold nennt, die bisher ein anderes Verkehrsmittel nutzten und nie im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) unterwegs waren, gebe es nur vier Prozent. Fahrgast-Umfragen ergaben demnach für die jeweils konkrete Fahrt, dass 70 Prozent auch ohne Deutschlandticket mit dieser Bahn oder diesem Bus gefahren wären. 15 Prozent hätten ohne das Billig-Abo Auto oder Fahrrad genutzt oder wären gelaufen. 15 Prozent der Kunden hätten den Weg gar nicht angetreten.

Viel mehr los ist nun samstags in Bahnen und Bussen in Frankfurt wie hier in der U7 an der Konstablerwache: Mit dem Deutschlandticket nutzen mehr Menschen den Nahverkehr in ihrer Freizeit.
Viel mehr los ist nun samstags in Bahnen und Bussen in Frankfurt wie hier in der U7 an der Konstablerwache: Mit dem Deutschlandticket nutzen mehr Menschen den Nahverkehr in ihrer Freizeit. © Michael Faust

Deutschlandticket bringt nach der Corona-Pandemie Bewegung in die Massen

Nachdem die in vielen Büros verlängerten Home-Office-Regelungen die Fahrgastzahlen nach dem Ende der Coronapandemie weiter niedriger hielten als zuvor, brachte das Deutschlandticket Bewegung in die Massen. Es habe sofort im Mai zu einem Plus von 20 Prozent bei der Fahrgastzahl geführt, erklärt Reinhold - das Vor-Corona-Niveau war wieder erreicht.

Das liege laut Umfragen nicht nur am günstigen Preis, sondern auch an der Werbewirkung. „Der ÖPNV ist durchs Deutschlandticket ins Bewusstsein gekommen.“ Allerdings wurde der Zuwachs nach nur wenigen Monaten wieder ausgebremst: „Die Unzuverlässigkeit hat uns ab September wieder Fahrgäste gekostet.“ Weil Personal fehlte oder Mitarbeiter krank waren, fielen zunehmend Fahrten aus.

Deutschlandticket in Frankfurt und Region: Viele Ausfälle bremsen Wachstum

Die vielen spontanen Ausfälle führten dazu, dass der Effekt aus dem Deutschlandticket sich halbierte und wieder zehn Prozent gegenüber der Zeit vor Corona fehlten. Auf die Ausfälle reagierte die Stadt mit einem Stabilisierungsfahrplan, laut dem seit Ende Januar auf mehreren Linien regulär weniger Fahrten angeboten werden. „Dadurch hat sich die Situation bei den Fahrgastzahlen wieder stabilisiert“, sagt Reinhold.

Was aber hat sich wegen des Deutschlandtickets konkret im Frankfurter Nahverkehr verändert? Klar: Statt 85,50 Euro je Monat für die persönliche Jahreskarte fürs Stadtgebiet fahren Kunden nun für 49 Euro gleich durch ganz Deutschland. Noch viel günstiger sei es für Pendler mit weiten Strecken geworden, etwa aus Fulda, Aschaffenburg und Mainz. „Dort kommen viele Neukunden aus dem Auto“, sagt Reinhold. Was durchaus eine Frankfurter Spezialität ist, schließlich pendeln täglich eine Dreiviertelmillion Menschen zum Arbeiten in die Stadt.

Im städtischen Nahverkehr selbst lasse sich die Wirkung des Billigbillets nur schwer herausfiltern. „Der Deutschlandticket-Effekt überlagert sich mit dem Home-Office-Effekt“, erläutert der Traffiq-Geschäftsführer.

Samstags mehr, montags und freitags weniger los

Besonders im Freizeitverkehr in die Region sei durchs Deutschlandticket allerdings zweifelsfrei mehr los. Im Stadtgebiet genügten die Kapazitäten abends und an den Wochenenden dafür aber bisher.

Tagesgenaue Zahlen für die Veränderungen unter der Woche hat Reinhold noch nicht. „Donnerstag ist der neue Freitag“, erklärt Knut Ringat, Geschäftsführer des Rhein-Main-Verkehrsverbundes (RMV). Wegen Home-Office sei der Betrieb in Bahnen und Bussen besonders freitags, aber auch montags geringer als von Dienstag bis Donnerstag. „Und samstags ist mehr los als freitags.“

Das wiederum ist der Freizeitverkehr-Effekt des Deutschlandtickets. Der gefällt den Verantwortlichen auch sehr: Denn gerade am Wochenende hatten Bahnen und Busse noch viel freie Kapazität zu bieten, die nun genutzt wird. „Diese Glättung der Verkehrsnachfrage kommt uns entgegen“, sagt Tom Reinhold. Lediglich bei einzelnen Regionalzugverbindungen, etwa ins Rheintal oder nach Würzburg, seien Züge überfüllt - aber nicht in Frankfurt. „Das Deutschlandticket sprengt unsere Kapazitäten nicht“, sagt Reinhold.

Ziel: Längere Reisezeiten verkürzen

Könnte es angesichts der unterschiedlichen Nachfrage unter der Woche nicht sinnvoll sein, das Angebot an einzelnen Tagen anzupassen? „Dafür ist die Nachfrage noch zu ähnlich“, winkt der Traffiq-Chef zunächst ab. Das gut merkbare Angebot an allen Tagen der Woche sei für die Kunden wichtiger.

Stattdessen arbeitet Traffiq daran, Tempo zu machen: Überall dort, wo Menschen in Frankfurt von A nach B mit Bahn und Bus viel längere Reisezeiten hätten als mit anderen Verkehrsmitteln, sei die ÖPNV-Nutzung gering. Dieses Potenzial wolle man als Nächstes heben, kündigt Reinhold an. Neue direkte, schnelle Buslinien könnten dafür schnelle Lösungen sein. (Dennis Pfeiffer-Goldmann)

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