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Der letzte Bluff des großen Blenders

Zehn Jahre nach dem Tod des Medientycoons Robert Maxwell wird sein Sohn schwer belastet

Nachdem der Medientycoon Robert Maxwell im November 1991 tot im Mittelmeer aufgefunden worden war, überschlugen sich die britischen Zeitungen mit glorrifizierenden Nachrufen. Kein Wort über die mysteriösen Umstände des Unglücks, nur wenige Blätter wagten es, Böses über den Toten anzudeuten. Tatsächlich hatte Maxwell Respekt heischendes geleistet: Innerhalb von 40 Jahren hatte er aus dem Nichts einen der größten Medienkonzerne Europas aufgebaut. Dass er persönlich selbst von Wohlgesonnenen als Scheusal bezeichnet wurde, spielte keine Rolle: Reich war der Mann, was wollte man da an seinen Umgangsformen mäkeln?

In die Legende der wundersamen Geldvermehrung mischten seine Kritiker schon immer unschöne Episoden. Recht gibt ihnen jetzt ein offizieller Untersuchungsbericht, der nach neunjähriger Recherchearbeit vorgelegt wurde und dunkle Schatten auf den schillernden Medienunternehmer und dessen Sohn Kevin wirft. Über 450 Millionen Pfund (1,5 Milliarden Mark) soll Maxwell veruntreut und sein jüngster Spross, der seit 1990 die Geschäfte leitet und die Schuldenlast erbte, dabei "entscheidende Verantwortung" getragen haben. 1996 hatte ein englisches Gericht Kevin und seinen Bruder Ian vom Vorwurf des Betrugs freigesprochen.

Robert Maxwell stand für den Aufstieg vom Tellerwäscher zum Millionär:1923 als Jan Ludvik Hoch in der Tschechoslowakei geboren, kam er als 17-Jähriger nach England, diente mit Bravour in der Armee und stieg nach dem Krieg, durch verschiedenste Geschäfte wohlhabend geworden, beim kleinen Wissenschaftsverlag Pergamon Press ein, den er zur Grundlage seines phänomenalen Aufstiegs machte.

In den fünfziger und sechziger Jahren mehrte Maxwell senior durch kluge Schachzüge sein Vermögen, wagte mutige Deals, die nicht alle in Erfolg mündeten: Anfang der siebziger Jahre beurteilte ihn das britische Handelsministerium als ungeeignet, ein Unternehmen zu leiten. Was Maxwell nicht daran hinderte, weiter zu machen.

1984 gelang Robert Maxwell sein größter Triumph: Nachdem er hatte erleben müssen, wie Rupert Murdoch ihm Zeitungsjuwelen wie die "Sun" und die "Times" weggeschnappt hatte, kam er bei der Mirror-Gruppe zum Zuge. Der geltungsbewusste Maxwell entstaubte das Flaggschiff der Gruppe, den "Daily Mirror": Die Wirtschaftsseiten waren stets wohlgefüllt mit positiven Nachrichten aus dem eigenen Imperium. Chefredakteure wurden am Stück verschlissen, nur wenige wagten es, ihm zu widersprechen; etwa, wenn er die mittelmässigen Erfolge seiner Fußballmannschaft Oxford United zum Aufmacher stilisierte.

Mehr als fünf Milliarden Pfund Umsatz schrieb der Konzern zu seinen Bestzeiten. Doch bei aller Glorie keimte schnell der Verdacht, dass Maxwell die wundersame Geldvermehrung nur mit illegalen Mitteln gelang. Das Wort vom Hasardeur, Betrüger und Dieb machte die Runde. Mit mehr als drei Milliarden Pfund stand er bei diversen Geldgebern in der Kreide.

Nur mit dubiosen Methoden gelang es, das Imperium am Leben zu erhalten: Um den rutschenden Börsenkurs der Mirror-Gruppe zu stützen, ließ Maxwell über Umwege Aktienpakete aufkaufen. Zur Finanzierung dieser halbseidenen Aktionen aktivierte er alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel und schreckte nicht einmal davor zurück, den Pensionsfonds der Mirror-Gruppe zu plündern.

Nach Maxwells Tod flog die Schieflage des Konzerns schnell auf - innerhalb weniger Monate wurde das Konstrukt zerschlagen, um wenigstens die Substanz der wichtigsten Tochterunternehmen zu erhalten. Auf mehr als 450 Millionen Pfund wird der Schaden beziffert, den Maxwell an Banken, Aufsichtsräten und Wirtschaftsprüfern vorbei allein bei der Mirror-Gruppe angerichtet hatte.

Der Untersuchungsbericht des britischen Handelsministeriums geht zwar höflich, aber sehr bestimmt um mit großen Namen in der Londoner City: Goldman Sachs, das Brokerhaus, habe sich an Maxwells Aktionen beteiligt, den Aktienkurs der Mirror-Gruppe künstlich in die Höhe zu treiben. Und die Wirtschaftsprüfer von Coopers & Lybrandt - heute Teil der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers - hätten brav abgezeichnet, was immer Maxwell und seine Finanzleute vorlegten. All die hoch bezahlten Experten in Banken, Brokerhäusern und Prüfungsfirmen hätten in den vergangenen Jahren ihre besondere Auffassung von analytischer Kompetenz und prüferischer Sorgfalt wieder einmal eindrucksvoll nachgewiesen, spotten nun britische Kolumnisten.

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Nicht nur Journalisten fragen sich, wie hoch bezahlte Manager jahrelang dem offensichtlich hoch begabten Blender auf den Leim gehen konnten. Die Erklärung eines Sprechers von Goldman Sachs, man habe ja nicht ahnen können, welch schlimmer Finger dieser Mensch gewesen sei, sorgte jedenfalls für hohles Gelächter.

Kevin Maxwell, immer noch Chef der angeschlagenen Mirror-Gruppe, hat sich inzwischen bei den geschädigten Anlegern entschuldigt, wies aber Rücktrittsforderungen zurück. Ob eine vergleichbare Pleite noch einmal passieren könnte? Kevin Maxwell sagt: "Na kar, immer wieder."

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