Miss Sara Sampson | Analyse
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Analyse

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Gotthold Ephraim Lessings bürgerliches Trauerspiel Miss Sara Sampson widersetzt sich der klassizistischen Dramentheorie, indem es sich nicht mehr an die Ständeklausel und die Einheit des Ortes hält. Hier repräsentieren Menschen aus dem Mittelstand die Hauptpersonen und die Handlung findet in verschiedenen Zimmern in zwei verschiedenen englischen Landgasthöfen statt. Doch ist das Bühnenstück in jeder anderen Hinsicht ein geschlossenes Drama, dessen Handlung sich in fünf Akten vollzieht, die dem Schema Exposition, Komplikation, Peripetie, Retardation und Katastrophe folgen. Auch die Einheit der Handlung und die Einheit der Zeit werden gewahrt. Daher ist auf diese Art „Miss Sara Sampson“ eine Mischung aus Altbewährtem und radikal Neuem. 

In unserer Analyse des Dramas erklären wir, warum bereits der Titel den Zuschauer auf ein neuartiges, empfindsames Theatererlebnis vorbereitet und wie sowohl der Titel als auch die Wahl des Schauplatzes einen Beitrag dazu leisten, die Handlung glaubwürdig zu gestalten und das neue Genre des bürgerlichen Trauerspiels zu legitimieren. 

Im Folgenden gehen wir den Aufbau durch und legen dar, wie sich die fünf Akte nach dem klassischen Schema richten. Dabei folgen wir den drei Konflikten, in denen Sara sich zu Beginn der Geschichte befindet: In dem Konflikt mit ihrem Vater, in dem Konflikt mit ihrem heiratsunwilligen Geliebten Mellefont sowie in dem Konflikt mit ihrer Rivalin Marwood.

Anschließend betrachten wir die Sprache der handelnden Personen und gehen besonders darauf ein, wie Gefühle geäußert und analysiert werden. Zum Abschluss vergleichen wir „Miss Sara Sampson“, das im Jahr 1755 geschrieben und uraufgeführt wurde, mit „Emilia Galotti“, Lessings zweitem bürgerlichen Trauerspiel aus dem Jahr 1772. Dabei gehen wir der Frage nach, wie sich die beiden Stücke in ihrer sprachlichen Gestaltung und der Darstellung der Stände voneinander unterscheiden.

 

Auszug aus der Analyse:

Nach den klassizistischen Regeln soll sich ein Drama u.a. an einem einzigen Ort abspielen. Doch Lessing fordert die klassizistische Tragödientheorie nicht nur im Hinblick auf die Ständeklausel heraus, sondern auch im Hinblick auf die Einheit des Ortes. Die Einheit des Ortes wird in Miss Sara Sampson schon in der dritten Szene des ersten Aktes gebrochen. ”Der mittlere Vorhag wird aufgezogen” (III,3 / S. 8), heißt es in der Regieanweisung, sodass der Blick auf Mellefonts Zimmer frei wird.

Die Tragödie spielt jedoch nicht nur in verschiedenen Zimmern desselben englischen Landgasthofs, sondern auch in zwei unterschiedlichen Gasthöfen. Der junge Autor mutet es dem Publikum zu, sich mithilfe der Fantasie in verschiedene Räume zu versetzen, obwohl es selbst im Theatersaal auf der gleichen Stelle sitzen bleibt.

Für die Glaubwürdigkeit der neuen bürgerlichen Tragödie ist es nicht unbedeutend, dass das Stück in England spielt. Im Gegensatz zum Bürgertum in Frankreich oder Deutschland übt das britische Bürgertum in der Mitte des 18. Jahrhunderts politischen Einfluss aus und besitzt damit ein stärkeres Selbstbewusstsein, das sich auch im philosophischen und literarischen Bereich niederschlägt. Ein bürgerliches Trauerspiel, das in England spielt, hat damit für die zeitgenössischen Zuschauer in den deutschen Landen, die mit den englischen Verhältnissen und der zeitgenössischen englischen Literatur vertraut sind, eine höhere Wahrscheinlichkeit und damit Glaubhaftigkeit.

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