Das Urteil • Lektürehilfe

Das Urteil

Titel
Das Urteil
Autor
Gattung/Textsorte
Erscheinungsjahr
1913
Originalsprache
Deutsch
Literarische Epoche oder Strömung

Über das Werk

Die Erzählung »Das Urteil« (entstanden 1912, veröffentlicht 1913) ist oft als der erste Text Franz Kafkas (1883-1924) verstanden worden, der als typisch für seine weiteren Erzählungen gelten kann. 

 Die Umstände der Niederschrift sind besonders gut dokumentiert. Die Erzählung entstand in einem Zug in der Nacht vom 22. auf den 23. September. Zur Niederschrift verwendete Kafka sein Tagebuch. Kafka selbst erwähnt den hohen Stellenwert, den die Produktionsumstände für den Text gehabt hätten. So notiert er: »Nur so kann geschrieben werden« (Kafka, 2002, S. 461).

Kafka ist zu diesem Zeitpunkt 29 Jahre alt und lebt mit seinen Eltern und Schwestern in einer Wohnung in Prag, das damals noch zu Österreich-Ungarn gehört. Gleichzeitig befindet er sich in einer Beziehung mit der Berlinerin Felice Bauer, mit der sich zwar eine Verlobung, niemals aber eine Ehe ergibt. Felice Bauer widmet Kafka »Das Urteil« (41).

Der Protagonist der Erzählung, Georg Bendemann, denkt an einem Sonntagvormittag über einen Brief nach, den er gerade an einen nach Russland ausgewanderten Freund geschrieben hat. Er geht in das Zimmer seines Vaters, um ihm von dem Brief zu erzählen, und von der Entscheidung, dem Freund nun endlich seine Verlobung anzuzeigen. Der so gebrechliche wie übermächtige Vater verurteilt den Sohn nach einem Streit, der immer wieder den Freund zum Gegenstand hat, zum Tod durch Ertrinken und Georg vollstreckt das Urteil, indem er gleich aus dem Haus läuft und sich von einer Brücke in den Fluss wirft.

»Das Urteil« steht in der Rezeption etwas im Schatten anderer, meist umfangreicherer Texte Kafkas, etwa »Die Verwandlung« oder »In der Strafkolonie«, ist aber in der Literaturwissenschaft besonders vielfältigen Bemühungen zur Interpretation unterzogen worden. Der Titel evoziert die in Kafkas Werk zentrale Gesetzes- und Gerichtsthematik, die hier in Verbindung mit einem Vater-Sohn-Konflikt gebracht wird. Typisch sind weiter die stilistische Prägung und das plausible Raisonnement des Protagonisten inmitten unwahrscheinlicher Wendungen und Ereignisse.

Die geschilderten Handlungen erscheinen nicht zur Gänze aus kausalen Zusammenhängen erklärbar. Plötzliche Handlungsumschwünge, Brüche in der Logik von Gesprächen und Ausbrüche von Emotionen, deren Motivation problematisch bleibt, bilden typische Motive. »Das Urteil« erinnert in seiner alogischen Handlung an das Geschehen innerhalb eines Traums (vgl. Anz, 2010, S. 66).

»Das Urteil« ist in einer eher einfachen Sprache geschrieben. Gleichzeitig zeichnet diese Sprache eine nur schwer zu bestimmende Eigenart aus. Dieses Spiel zwischen Unauffälligkeit und Unverwechselbarkeit findet seine Entsprechung auf der Ebene der Handlung. Auch hier ist es schwierig, eindeutig zu bezeichnen, was eigentlich das Besondere an der Handlung sei. Das bedeutet nicht, in »Das Urteil« würde nichts geschehen. Es passiert recht viel, aus einem handfesten Streit entwickelt sich ein Selbstmord. Aber all das ist auf eine so eigenartige Weise geschildert, dass die große Handlung eher zum Gerüst wird. Mikrohandlungen, also die Art und Weise der Interaktionen, rücken in den Vordergrund.

Veröffentlicht am 26. Juli 2012. Zuletzt aktualisiert am 13. Mai 2024.

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