YT Industries-Gründer Markus Flossmann im Porträt
Gründer Markus Flossmann, 48, mischt mit „YT Industries“ den Bike-Markt auf
© Mike Meyer

YT Industries-Gründer Markus Flossmann: Ein Mann wirft sich selber raus

Vom Bodybuilding-Meister zum Champ im Bike-Business: Markus Flossmann schmiss sich selbst aus seinem alten Leben. Eine Geschichte über die Kraft der Veränderung. Erzählt in sieben Lektionen.
Autor: Christian Eberle-Abasolo
7 min readveröffentlicht am
Baseball-Cap, Vollbart, Tattoos vom Handrücken bis zum Hals. Und dazu ein Brustumfang, der Türsteher zur Seite treten lässt. Nein, dieser Markus Flossmann entspricht nicht den gängigen Gründer-Klischees. Denn Markus Flossmann wollte auch nie Gründer sein – sondern Bodybuilder.
Erst als ein Unfall beim Training seinen Traum detonieren ließ, eröffnete sich ihm ein neuer Weg, der ihn zum erfolgreichen Unternehmer machte: In Taiwan lässt er seine selbst entwickelten Rahmen fertigen, die er seit 2008 unter der Marke YT (Young Talent) Indus­tries vertreibt. Direkt an den Kunden. Ohne Zwischenhändler. Mit einem 200-Mann-Unternehmen mit Niederlassungen auf drei Kontinenten. Tausende Kunden und zahlreiche Stars der Szene vertrauen auf Mountain- und Gravelbikes aus Flossmanns Heimat Forchheim im bayerischen Ober­franken.
Hier zeichnet Markus Flossmann seinen Lebensweg nach. Es ist nicht die glamouröse Geschichte eines Stars, der von ganz unten kam und ganz nach oben flog. Es ist die Ge­schichte eines Mannes, der sich – ­beispielgebend für eine Welt grund­legender Veränderungen – selbst neu erdachte. „Und das“, sagt er, „kann jeder schaffen.“ Aber wie?
In Forchheim in der Nähe von Nürnberg liegt der Firmen-Hauptsitz.

In Forchheim in der Nähe von Nürnberg liegt der Firmen-Hauptsitz.

© YT Industries

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Lass die alten Bürden los!

„Ich war 20 Jahre alt und auf dem Höhepunkt meiner Bodybuilding-Laufbahn. Fränkischer, bayerischer und deutscher Meister. Während des Trainings für die WM ist es passiert: Kniebeugen mit 212 oder 215 Kilo auf der Stange, einen Moment lang unkonzentriert – und die Stange rollte aus dem Nackenschutz. Es knallte, ich brach zusammen. Doppelter Band­scheibenvorfall! Ein Dreivierteljahr lang musste ich mich zweimal die Woche fitspritzen lassen, um überhaupt sitzen zu können. Mein Arzt hat gesagt: ‚Markus, lass die Gewichte liegen, mach etwas anderes. Borg dir ein Fahrrad, geh mountainbiken!‘ Ich hab auf ihn gehört und mir von meinem Schwager ein Rad geborgt. Und bald festgestellt: ‚Fuck, das ist geil!‘ Die Jahre davor hatte ich meistens allein im Kellerstudio trainiert, ohne Tageslicht, bis spät in die Nacht. Plötzlich Natur, eine geile Zeit mit Freunden und Sport ohne Schmerzen. Ich hätte mir damals noch nicht ausgemalt, dass das einmal mein Leben wird.“
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Kein Aufstieg ohne Basis!

„Ich bin auch nach dem Bandscheibenvorfall in der Fitnessbranche geblieben, habe eine Traineraus­bildung gemacht und bei einer deutschen Fitnesskette begonnen. Der Chef hat mich nach kurzer Zeit zum Bezirksleiter gemacht. Klingt gut, war aber eine richtig harte Zeit. Ich war nur im Auto unterwegs, als Bezirksleiter in der Aufbauphase war ich Mädchen für alles: Standorte finden, Mietverträge verhandeln, Baugenehmigungen einholen, Umbauten organisieren, Mitarbeiter einstellen, Eröffnungswerbung machen und so weiter. Was ich in wenigen Monaten gelernt habe, ist unfassbar. Das lernst du an keiner Uni. In dieser Phase habe ich verstanden, was Marketing heißt. Warum ist jemand bereit, für ein Produkt derselben Qualität mehr Geld auszugeben? Da geht es oft um ein Gefühl der Zugehörigkeit oder einen gewissen Lifestyle. Mein Chef hat mich zum Marketingleiter gemacht, ich hab viel gelesen, viel ausprobiert, viel Lehrgeld bezahlt.“
Seit 2018 sitzt das Unternehmen in zwei Gebäuden.

Seit 2018 sitzt das Unternehmen in zwei Gebäuden.

© YT Industries

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Der Reichtum muss warten!

„Nachdem Fitness zu meinem Beruf geworden war, war sie nicht mehr mein Hobby, Mountainbiking dafür umso mehr: Ich habe mich mit Freunden getroffen, ein bisschen den Wald umgepflügt und ein paar Bierchen getrunken. Das war ein Leben! 2008 sah ich dann zwei Jungs auf dem Dirt-Platz bei uns in Forchheim, zwei Fünfzehnjährige, die richtig gut fahren konnten, auf richtig schlechten Bikes. Warum? Weil sie sich ein Dirt Bike nicht leisten konnten. Ich dachte mir, das muss doch möglich sein, und hab mir mit einem Freund eine Alternative überlegt. Wir haben den ersten Rahmen auf ein Butterbrotpapier gezeichnet, Kontakt nach Taiwan hergestellt und unser Bike direkt an Kunden vertrieben. Nachdem ein Bike-Magazin uns im Test zum Preis-Leistungs-Sieger erklärt hatte, war die ganze Tranche von 150 Bikes ausverkauft. Es blieb zwar nicht viel für uns übrig, aber du musst erst etwas aufbauen, um Traktion zu gewinnen. Im nächsten Jahr haben wir bereits 550 Bikes verkauft, im Jahr darauf 1700. Dass wir dennoch chronisch unterfinanziert waren, ist eine andere Geschichte. Es war damals halt schwierig, die Banken zu überzeugen. Ich weiß noch, wie ein Typ von der Sparkasse mich anschaut und sagt: ‚1800 Euro für ein Fahrrad? Das gibt doch kein Mensch aus.‘ Dabei waren wir stolz, dass wir das dreimal so günstig wie die Konkurrenz hinbekommen haben.“
Markus war auf dem Weg zum zweiten Arnie – doch dann sattelte er um. Und wie!
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Nichts gut können ist perfekt!

„Nach all den erfolgreichen Designs, Ideen und Kampagnen von YT habe ich gedacht, ich wäre ein unglaublich kreativer Mensch. Bis ich ein HBDI-Profil (eine Analyse des Denkstils; Anm.) erstellen ließ. Die Auswertung hat ergeben, dass ich nicht kreativ im eigentlichen Sinne bin, sondern meine Kreativität durch Logik ausschöpfe. Ich sehe Dinge, kombiniere Dinge, adaptiere und schaffe so in meinem Bereich etwas Neues. Ich erfinde nichts Neues. Klingt traurig, aber das ist meine Stärke: Ich kann nichts richtig gut, bin aber auch nirgends richtig schlecht. Ich kenne mich überall so ein bisschen aus, und wenn ich etwas sehe, schießt mir sofort durch den Kopf, wie wir das für uns umsetzen könnten. Daraus macht unser Creative Director dann ein rundes Ding. Dabei ist der Grundgedanke oft simpel: Ich finde etwas geil – und denke, wenn es mir so geht, gibt es vielleicht noch andere.“
Jeffsy Uncaged 8, ein Sondermodell der All‑Mountain-Bikes von YT Industries

Jeffsy Uncaged 8, ein Sondermodell der All‑Mountain-Bikes von YT Industries

© peterjamisonmedia.com

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Greif oben ins Regal!

„Viele unserer Ideen sind abends bei einem Bierchen entstanden. Wie bei anderen auch. Aber während viele am nächsten Morgen sagen: ‚Ganz nett, aber lass gut sein‘, sagen wir: ‚Wir machen es!‘ Ich habe gelernt, oben ins Regal zu greifen, wenn ich etwas haben will. Vielleicht kann ich es mir nicht leisten, vielleicht ist es eine Nummer zu groß, aber ich will zumindest wissen, was draufsteht. Zurückstellen und eine Etage tiefer greifen geht immer noch. Genau so haben wir etwa Christopher Walken für unsere Kampagne gewonnen: Wir haben einen Text über echte Freundschaft geschrieben und gedacht, wie geil es wäre, den von Christopher Walken einsprechen zu lassen. Mit seiner Gänsehaut-Stimme. Unsere Agentur hat mehrmals gemeint, dass wir es gar nicht zu versuchen brauchen. Der macht keine Werbung, ist zu alt für so was. Wir haben geschafft, dass er das Skript bekommt. Er hat mitgemacht – um eine Summe, die weit niedriger war als erwartet. Bei Mads Mikkelsen lief es ähnlich. Das sind für mich Beweise, dass man erst groß denken soll und sich nicht gleich wieder einschränken.“
Die Auswertung seines Denkprofils ergab: „Ich bin nicht kreativ!“ Von da an ging es steil bergauf …
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Attackiere Probleme frontal!

„Wir sind mit YT sehr schnell gewachsen. Die Nachfrage nach unseren Bikes war immer hoch, wir haben uns nur nie die Zeit genommen, Strukturen und Prozesse aufzu­bauen. So schlitterten wir 2013 fast in die Insolvenz. Wir waren online ausverkauft, und dann meldete sich der Produzent in Taiwan und sagte, es gibt einen ,kleinen Delay‘ von drei Monaten. Eine Katastrophe! Wir hatten Gehälter und Miete zu zahlen, aber keine Einnahmen. Das war eine ungemütliche Zeit, aber eine große Lehre. Jedes Mal, wenn ich nach­gefragt habe, ob alles auf Schiene ist, habe ich gehört: ‚No problem!‘ Bis ich gemerkt habe: ‚No problem!‘ heißt anscheinend ‚No! Problem!‘. Kurz danach haben wir eine Niederlassung in Taiwan gegründet, mit Mitarbeitern, die sich ausschließlich um die Produktionssicherung vor Ort kümmern. Mittlerweile arbeiten allein dort fünfzehn bis zwanzig Leute.“
Markus Flossmann – vom „Lauch" zum Bodybuilder zum Bike-Businessman.

Markus Flossmann – vom „Lauch" zum Bodybuilder zum Bike-Businessman.

© Mike Meyer

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Ego geht auch ohne CEO!

„Nachdem das Unternehmen so stark gewachsen war, habe ich bemerkt, dass ich mich nur noch mit Dingen beschäftige, die mir nicht liegen und auch keine Freude machen. Finanzierungsgespräche, Supply-Chain-Management und Ähnliches – das waren nicht die Gründe, warum ich mich damals selbständig gemacht hatte. Mein Herz schlägt für Markenaufbau, Produktdesign, Strategie. Ich wusste, dass ich als CEO nicht mehr der Richtige war. Ein guter Unternehmer sollte sich immer Leute mit an Bord holen, die in einzelnen Bereichen besser sind als er. Darauf kommt es an. Pfeif auf dein Ego und hol dir ­bessere Leute!“