Sieghardt Rupp: Der seltsame Tod des „Tatort“-Ermittlers - WELT
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Kultur „Tatort“-Legende

Das seltsame Sterben des Kult-Inspektors Kressin

Filmredakteur
Er war der James Bond unter den „Tatort“-Ermittlern: Sieghardt Rupp (1931 bis 2015) als Zollinspektor in „Kressin und die zwei Damen aus Jade“ Er war der James Bond unter den „Tatort“-Ermittlern: Sieghardt Rupp (1931 bis 2015) als Zollinspektor in „Kressin und die zwei Damen aus Jade“
Er war der James Bond unter den „Tatort“-Ermittlern: Sieghardt Rupp (1931 bis 2015) als Zollinspektor in „Kressin und die zwei Damen aus Jade“
Quelle: Getty Images
Sieghardt Rupp erwarb als ruppiger Tatort-Ermittler Kultstatus: Er rauchte, prügelte, fuhr Sportwagen und schleppte die Damen ab. Nun wurde bekannt, dass er schon vor einem Jahr gestorben ist.

Im Frühjahr 1971 wurde das Kölner Zollamt von einer Bewerbungswelle überschwemmt. Dafür war ein einziger Mann verantwortlich, von dem wir nicht einmal den Vornamen kennen: der Zollfahnder Kressin aus dem dritten (!) Tatort und ein Ermittler, wie ihn das deutsche Fernsehen nie zuvor sah – und auch später nicht mehr sehen sollte.

Zolloberinspektor Kressin war so gut wie nie am Schreibtisch vorzufinden, sondern ständig unterwegs, von Köln bis Kopenhagen. Seine Dienstreisen ließ er sich manchmal genehmigen und manchmal auch nicht, und seine Vorgesetzten unterrichtete er kurz per Telefon, wenn ihm das in den Kram passte.

Kressin war ein hartnäckiger Ermittler und schnappte nicht nur die kleinen Fische, sondern auch die Hintermänner. Dabei blieb er konsequenter Einzelgänger, und die Kripo konnte ihm „den Buckel runterrutschen“. Den ihn ermahnenden Tatort-Ur-Kommissar Trimmel fertigte er einmal ab: „Die Dienstvorschrift müssen Sie mir erst mal zeigen!“

„Die Dienstvorschrift müssen Sie mir erst mal zeigen!“

Kressin – gespielt vom gebürtigen Bregenzer Sieghardt Rupp, dem der volle Schurkenbart besser stand als die zivilisierende Krawatte – war ein glatter Verstoß gegen das Tatort-Konzept der väterlichen Kommissare. Seine Tatort-Karriere verdankte er der Eile, mit der die ARD ihre neue Serie gegen den „Kommissar“ vom ZDF in Stellung bringen wollte; der WDR hatte diesen Zollfahnder in der Schublade, der eigentlich eine eigene Serie werden sollte und nun in den „Tatort“ integriert wurde.

Das heißt: Integrieren ließ sich diese Figur nicht. Raucher, Prügler, Frauenheld, das waren seine Haupteigenschaften. Stets eine Chauvi-Anmache auf den Lippen, wechselte er schneller als James Bond von einer Gespielin zur anderen; „jede Frau will erobert sein“ lautete sein Motto, und er wusste, dass es ihm leicht fiel, sie abzuschleppen.

Sein Dienstwagen war ein Opel Rekord C. Den benutzte er allerdings nur im absoluten Notfall. Zum Glück hatten seine flotten Bienen dauernd flotte Sportwagen zur Verfügung, die sie ihm gern überließen: einen roten Sunbeam Tiger, einen gleichfarbigen Triumph TR4A, einen weißen MG B, einen blauen MG A oder den weißen Porsche 356 C.

Kressin war ein großer Junge, ein Rüpel, ein Lümmel

Kressin genoss sein Leben als deutsche Bond-Ausgabe, doch die Analogie stieß an ihre Grenzen. 007 hätte zwar Billard gespielt, aber nicht mit einer Autorennbahn. Bond könnte man sich zwar beim Fußball vorstellen, aber nicht mit einer Dauerkarte für den 1. FC Köln. Kressin war einfach ein großer Junge, ein Rüpel, ein Lümmel.

Kressins Erfinder war der große Wolfgang Menge, und dem stand ursprünglich Heinz Bennent vor dem geistigen Auge. Mit Rupp konnte er sich nie richtig anfreunden und gab ihm im Nachhinein folgendes vors Schienbein: „Rupp als Kressin – das ist, als ob man die Rolle für Kirk Douglas schreibt, und hinterher spielt sie Peter Alexander.“

Das ist zwar ein zackiges Zitat, aber ungerecht. Rupp besaß sowohl diesen Jungencharme (zu Beginn seiner Karriere hatte man versucht, ihn als „Tommy Rupp“ zum Mädchenschwarm aufzubauen) als auch das verrucht Schurkische (er hatte ein halbes Dutzend Italowestern glorreich nicht überlebt, darunter „Für eine Handvoll Dollar“).

Nach neun „Kressins“ sah er sich abgestempelt

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Nach neun „Kressin“-Auftritten sah er sich abgestempelt und flüchtete ins Theater; er lehrte am Reinhardt-Seminar und erhielt die Kainz-Medaille. Seine letzten Lebensjahre lebte er zurückgezogen in Wien und sollte jetzt im Juni mit einer Retrospektive zu seinem 85. Geburtstag geehrt werden.

Bei den Vorbereitungen fand das Filmarchiv Austria jedoch heraus, dass Rupp schon vor einem Jahr, am 20. Juli 2015, verstorben war. Die letzte Betreuerin von der Caritas hatte ihm versprechen müssen, seinen Tod nicht bekannt zu machen.

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