Neuer Gesundheitsminister: Staffel�bergabe im Ministerium
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POLITIK

Neuer Gesundheitsminister: Staffel�bergabe im Ministerium

Beerheide, Rebecca

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Sein Name war in aller Munde, doch bis zuletzt war unklar, ob Karl Lauterbach wirklich von der SPD ins Amt des Gesundheitsministeriums berufen wird. Bei der offiziellen Amts�bergabe zog Jens Spahn eine erste Bilanz zu seiner Zeit im Ministerium, das er nun mitten in der Pandemie verl�sst.

Übergabe der Verantwortung: Jens Spahn und Karl Lauterbach bei der offiziellen Amtsübergabe. Zusammenarbeiten werden sie weiterhin. Foto: BMG/Thomas Ecke
�bergabe der Verantwortung: Jens Spahn und Karl Lauterbach bei der offiziellen Amts�bergabe. Zusammenarbeiten werden sie weiterhin. Foto: BMG/Thomas Ecke

Zwei M�nner, die immer Gesundheitsminister werden wollten, haben es beide geschafft � allerdings nacheinander. Als sie 2013 den Koalitionsvertrag der damaligen gro�en Koalition quasi im Alleingang verhandelten, gingen beide fest davon aus, dass sie jeweils Gesundheitsminister werden w�rden: Nun, acht Jahre sowie zwei Amts�bergaben sp�ter, tritt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ab und der neue Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) �bernimmt das Haus mitten in der vierten Pandemiewelle. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte Lauterbach zwei Tage zuvor vorgestellt: �Viele Menschen in Deutschland w�nschen sich ihn als Gesundheitsminister. Er wird es.� Noch wenige Stunden davor sagte Lauterbach in der Sonntagabend-Talkshow von Anne Will, es gebe viele gute Menschen in der SPD, die das Amt ausf�llen k�nnten. Beobachter bewerteten dies, als ob er �ber die Personalentscheidung zu diesem Zeitpunkt nicht im Bilde gewesen sei.

Die Last des Amtes

Bei der Vorstellung in der SPD-Parteizentrale zeigte Lauterbachs K�rpersprache bereits die Last, die angesichts der gro�en Aufgabe in der Pandemie auf seinen Schultern liegen wird. H�nde in den Hosentaschen, gesenkter Blick, kaum ein fr�hliches Grinsen wie bei seinen anderen k�nftigen SPD-Ministerkolleginnen und -kollegen.

Ein �hnlich ernstes Gesicht zwei Tage sp�ter bei der Amts�bergabe: Spahn und Lauterbach � zwei Gesundheitspolitiker, die sich seit 15 Jahren kennen und sich gegenseitig den fairen und wertsch�tzenden Umgang in dieser Zeit bezeugen. Dabei haben sie sehr unterschiedliche Charaktere: der eine jung und auf der Karriereleiter der Macht aufstrebend, der andere als Arzt, Epidemiologe, Gesundheits�konom erfahren in der Welt der Wissenschaft. Detailkenntnisse �ber die Unw�gbarkeiten der Gesundheitspolitik haben sie beide.

Bilder einer Ministerlaufbahn: Jens Spahn hatte sich beim Amtseid (links) im März 2018 viel vorgenommen. Dann starteten die Auseinandersetzungen mit der Ärzteschaft (mit KBV-Chef Andreas Gassen sowie BÄK-Präsident Klaus Reinhardt). Fotos: picture alliance/Eibner-Pressefoto Uwe Koch; picture alliance/dpa Soeren Stache; picture alliance/dpa Bernd von Jutrczenka;
Bilder einer Ministerlaufbahn: Jens Spahn hatte sich beim Amtseid (links) im M�rz 2018 viel vorgenommen. Dann starteten die Auseinandersetzungen mit der �rzteschaft (mit KBV-Chef Andreas Gassen sowie B�K-Pr�sident Klaus Reinhardt). Fotos: picture alliance/Eibner-Pressefoto Uwe Koch; picture alliance/dpa Soeren Stache; picture alliance/dpa Bernd von Jutrczenka;

Lauterbach galt vielen in der Bundespolitik zwar als Fachkenner, aber eben auch als Einzelg�nger, der sich nicht in Teams oder in Parteilinien einf�gen k�nne. Bei der Amts�bergabe sowie einige Tage sp�ter im Bundestag betonte Lauterbach ausdr�cklich, wie wichtig ihm das Team im Ministerium sei, gerade bei der Bek�mpfung der Pandemie. �Wir werden es nur als Team schaffen. Wir werden so lange boostern und impfen, bis die Pandemie vorbei ist�, sagte Lauterbach. �Die wichtigste Aufgabe f�r das Haus ist, die Pandemie f�r Deutschland zu beenden.�

Daf�r will er auch die zweite Arbeitsebene des Ministeriums vergr��ern: Eine weitere beamtete Staatssekret�rin f�r das Bundesgesundheitsministerium soll Antje Draheim (SPD) aus Mecklenburg-Vorpommern werden und den bisherigen Staatssekret�r Thomas Steffens unterst�tzen. Steffens, der auf Ernennung von Spahn aus dem Bundesfinanzministerium kam, werde auf Bitten von Lauterbach noch einige Zeit im Haus bleiben, so der neue Minister.

In der Mitte der Amtszeit begann die Pandemie, die er mit vielen Experten (hier RKI-Präsident Lothar Wieler sowie Christian Drosten von der Charité) erklärte. Seine Arbeit wurde immer wieder von Protesten begleitet, führte ihn aber auch aufs internationale Parkett, beispielsweise mit der EU-Ratspräsidentschaft. Fotos: picture alliance/SZ Photo Metodi Popow; picture alliance/dpa Robert Michael; picture alliance/photothek Xander Heinl
In der Mitte der Amtszeit begann die Pandemie, die er mit vielen Experten (hier RKI-Pr�sident Lothar Wieler sowie Christian Drosten von der Charit�) erkl�rte. Seine Arbeit wurde immer wieder von Protesten begleitet, f�hrte ihn aber auch aufs internationale Parkett, beispielsweise mit der EU-Ratspr�sidentschaft. Fotos: picture alliance/SZ Photo Metodi Popow; picture alliance/dpa Robert Michael; picture alliance/photothek Xander Heinl

Auch erkl�rte Lauterbach seinen Dank an Amtsvorg�nger Spahn, dass auch er noch in der �ein oder anderen Frage weiterhin mit Rat und Tat� zur Seite stehen werde. Denn eigentlich seien die Aufgaben zu gro� f�r nur einen Minister: �Eben wurde Jens Spahn als Minister Spahn angesprochen. Da hatte ich die Hoffnung, er w�rde weitermachen. Denn zwei Minister kann das Haus eigentlich gut brauchen.�

Lauterbach k�ndigte an, f�r ihn m�sse �Gesundheitspolitik evidenzbasiert sein�, er werde wissenschaftliche Erkenntnisse in seine Arbeit immer einbringen. Ab wann er Zeit findet f�r die Umsetzung des von ihm mit ausgehandelten Koalitionsvertrag (D� 48/2021), wird sich zeigen � erst m�sse das ganze Ministerium an der Pandemiebek�mpfung arbeiten.

Spahn: Gr��te Herausforderung

Spahn bezeichnete seine Zeit als Minister als die �bisher gr��te Aufgabe meines Lebens � mit allen H�hen und mit allen Tiefen. Und dennoch w�rde ich keinen Tag tauschen wollen.� Als er am 14. M�rz 2018 das Amt angetreten habe, h�tten nur Fachleute die Begriffe Herdenimmunit�t oder Kreuzimpfungen gekannt. Nun kenne es jeder, es sei unvorstellbar, was in den vergangenen zwei Jahren passiert sei.

Die Arbeitstaktung im Ministerium war unter der Leitung von Jens Spahn auch schon vor der Pandemie hoch: Insgesamt 38 Gesetze und 148 Verordnungen � Spahn bekam sie zum Abschied als Sammelband von der Belegschaft geschenkt � wurden vom Ministerium erarbeitet. Das ist deutlich mehr als in den Amtszeiten seiner Vorg�ngerinnen und Vorg�nger.

Die Parlamentarier der sechs Bundestagsfraktionen, die Interessensvertreter und viele andere konnten ein Lied davon singen, wie viele Pl�ne der Minister in Sonntagszeitungen, Podcasts oder andern TV-Interviews verk�ndete und schon bald als Gesetzestext auf den Schreibtischen landeten. �ber �Gesetzgebung auf dem Flur� und der �Hyperaktivit�t des Gesetzgebers� wurde geschimpft. Spahn trieb die Digitalisierung des Gesundheitswesens in gro�er Geschwindigkeit voran. Die Pandemie habe gezeigt, wie viele Schritte noch n�tig seien und was noch fehle, sagte Spahn beim Abschied. Er gr�ndete eine neue Abteilung in seinem Ministerium f�r die Digitalisierung, setzte einen Thinktank ein, der das sonst schwerf�llige Ministerium agiler beraten sollte.

Spahn legte sich auch mit der Selbstverwaltung an, ver�rgerte �rztevertreter ebenso wie die von den Krankenkassen, wollte die Eigenst�ndigkeit des Gemeinsamen Bundesausschuss beschneiden und eine gr��ere Krankenhausreform auf den Weg bringen. Bei einigen Vorhaben scheiterte er an den Bundesl�ndern, bei vielen anderen Gesetzen wurde viel Geld ausgegeben, das in der Zukunft den gesetzlichen Krankenkassen fehlen wird. Eine gro�e Pflegereform stand noch auf seiner Agenda � doch die Pandemie raubte daf�r die Zeit und die politische Kraft.

In seiner Amtszeit hat Spahn eine Achterbahnfahrt bei den Zustimmungswerten zu seiner Person und Politik hinter sich: Zu Beginn 2020 fand er sich als erster Gesundheitsminister mit Zustimmungswerten von mehr als 50 Prozent auf der Beliebtheitsskala kurz hinter der Bundeskanzlerin Angela Merkel. In den ersten Wochen der Pandemie konnte er seine Beliebtheitswerte sogar noch steigern � er hatte es zuvor geschafft, die oft trockene und komplizierte Gesundheitspolitik sogar im Fr�hst�cksfernsehen zu platzieren. Er zeigte sich immer wieder mit Expertinnen und Experten, diskutierte und verhandelte oft pers�nlich Vertr�ge aus. Er sei immer �unser Corona-General�, sagt sein Staatssekret�r Steffens �ber ihn.

Minister unter Personenschutz

Je intensiver die Pandemiewellen wurden, desto mehr verschlechterte sich sein Ansehen in der Bev�lkerung. �Wir werden uns in den n�chsten Monaten viel verzeihen m�ssen� � ein Satz von Spahn aus einer Fragestunde im Bundestag, der bis heute gilt. Der Unmut und auch Hass, der Spahn zun�chst auf den digitalen Kan�len, sp�ter aber auch im Wahlkampf und bei �ffentlichen Auftritten entgegenschlug, wuchs immer weiter. Seit Monaten bewegt er sich nur mit Personenschutz � selbst bei den �ber 50 Auftritten vor Journalisten in der Bundespressekonferenz ist er nicht ohne zwei oder drei Sicherheitspersonen. Diese Beeintr�chtigung des Alltags teilt er mit seinem Nachfolger: Auch Lauterbach kann sich seit der Pandemie nicht mehr ohne Personenschutz bewegen.

Im ersten R�ckblick auf die Amtszeit sagte Spahn: �Vieles ist uns gelungen, aber nat�rlich habe auch ich einiges falsch eingesch�tzt. Wir konnten uns nicht darauf zur�ckziehen, im Nachhinein schon alles vorher gewusst zu haben. Allerdings w�rde ich mit dem Wissen von heute manches anders entscheiden und manches anders kommunizieren. Ja, bei der n�chsten Pandemie w�sste ich manches besser zu machen�, sagte Spahn, sichtlich bewegt.

Als Minister habe er sich immer als Leiter des �Team BMG� gef�hlt und als dessen Au�enverteidiger. Mit der enormen Arbeitsleistung des Hauses w�hrend der Pandemie, in Sitzungen am Abend und am Wochenende, habe das Haus Aufgaben �bernommen, f�r das man gar nicht ausgestattet gewesen sei. Man habe keine operativen Einheiten wie ein Innenministerium, man sei eher f�r Gesetzesarbeit zust�ndig. Dennoch wurde das Beschaffen von Masken, von Tests sowie von Intensivbetten im Ministerium �bernommen. Die �berteuerten Eink�ufe sowie die �berpr�fungen durch Gerichte erw�hnte Spahn allerdings nicht.

In den vergangenen Jahren sei die Arbeit im Bundesgesundheitsministerium relevanter geworden, allein in seiner Amtszeit seien mehr als 250 neue Stellen geschaffen worden, erkl�rte Spahn. Das deutsche Gesundheitswesen geh�re zu den besten Systemen der Welt, wenn es um den individuellen Schutz und die individuelle Versorgung gehe. �Aber beim allgemeinen Katastrophenschutz m�ssen wir besser werden und aus der Krise lernen�, mahnte Spahn. Dass die Coronapolitik gelinge, sei auch Spahn weiterhin ein Anliegen, es sei derzeit keine Zeit f�r politische Karrieren. Eine Einstellung, die Spahn und Lauterbach teilen.

Unterschiedliche Karrieren

Dabei sollte das Bundesgesundheitsministerium in Spahns politische Karrierepl�nen eigentlich nur ein Zwischenschritt: Er bewarb sich Ende 2018 erfolglos, aber mit viel innerparteilichem Respekt f�r den CDU-Parteivorsitz. In eine Art Duo bei der folgenden Vorsitzwahl Anfang 2020 trat er mit Armin Laschet (CDU) an � zeigte sich im Bundestagswahlkampf aber kaum an der Seite von Laschet, errang mit 40 Prozent zum sechsten Mal sein Direktmandat. Auch Lauterbach, der nicht auf der SPD-Landesliste gesetzt war, gewann mit 45,6 Prozent zum f�nften Mal f�r seinen Wahlkreis Leverkusen-K�ln.

W�hrend der Pandemie suchte Spahn nicht den Dialog oder die Befragung in den Talkshows. Er sei nicht verf�gbar daf�r, merkte einmal Anne Will in ihrer Sendung an. Ganz anders Lauterbach: Seine Popularit�t in der Bev�lkerung zieht er vor allem von den vielen Auftritten bei Lanz, Maybritt Illner, Anne Will oder Sandra Maischberger. Die Talkshows werden neben dem Kurznachrichtendienst Twitter und Interviews in Nachrichtensendungen zu seinem au�erparlamentarischen Wirkungskreis. Im Bundestag dagegen l�sst ihn seine SPD-Fraktion in keiner der Debatten �ber die Pandemie sprechen. Am dritten Tag seiner Amtszeit als Minister darf er erstmals zu dem Thema ans Rednerpult. Und verspricht: �Wir werden das schaffen, wir m�ssen fest daran glauben und uns vertrauen.� Rebecca Beerheide

K�nftige Leitungsebene des Bundesgesundheitsministeriums


Foto: SPD/Photothek
Foto: SPD/Photothek

Edgar Franke wird parlamentarischer Staatssekret�r. Er ist seit 2009 im Bundestag, war zwischen 2014 und 2018 Vorsitzender des Gesundheitsausschusses. Ab 2019 war er Beauftragter der Bundesregierung f�r die Opfer von terroristischen Straftaten.

Foto: SPD/Photothek
Foto: SPD/Photothek

Sabine Dittmar war in der vergangenen Legislatur gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion. Die Haus�rztin aus Schweinfurt ist seit 2013 im Bundestag. Sie hatte allerdings 2021 nicht den Koalitionsvertrag f�r die SPD mitverhandelt.

Foto: Thomas Trutschel
Foto: Thomas Trutschel

Antje Draheim wird beamtete Staatssekret�rin. Die SPD-Politikerin aus Rostock war seit 2019 Bevollm�chtigte des Landes Mecklenburg-Vorpommern beim Bund. Im November 2021 sollte sie eigentlich als Staatssekret�rin nach Schwerin zur�ckkehren.

Foto: BMG
Foto: BMG

Thomas Steffen wurde im Mai 2019 als beamteter Staatssekret�r ins BMG berufen. Zwischen 2012 und 2018 war er in gleicher Funktion im Bundesfinanzministerium und hatte dort vor allem die Europ�ische Staatsschuldenkrise mitgemanagt.

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