1 Motivation

Mit den Wälzlagern steht und fällt die Funktion in nahezu jeder Maschine, in denen sie eingesetzt werden. Durch die stetige Weiterentwicklung von Lagerdesign, Werkstoffen, Schmierung und Fertigungsprozessen werden immer höhere Lebensdauern sowie Drehzahl- und Lastbereiche erreicht. Die Auslegung anhand der Ermüdungslebendsdauer findet mittels streng genormter Berechnungsverfahren statt. Häufig kann hierdurch sichergestellt werden, dass die Lebensdauer der Wälzlager die Produktlebensdauer überschreitet. Deshalb nimmt die Zuverlässigkeit einen immer höheren Stellenwert beim Einsatz von Wälzlagern ein.

Obwohl nur ca. 0,335 % der Lager frühzeitig ausfallen [1], ist dies aus wirtschaftlicher Sicht von großer Bedeutung. Während bei Großlagern alleine der Austausch schon mit großen Kosten verbunden ist, sind ansonsten vor allem Verluste durch Montage- und Stillstandszeiten ausschlaggebend. Im ungünstigsten Fall führt ein Lagerversagen zu gravierenden Schäden am Produkt.

Tab. 1 Formel- und Abkürzungsverzeichnis
Abb. 1
figure 1

Einseitige Anschmierungen durch Schiefstellung nach 2 h [2]. a Außenring, b Innenring, c Wälzkörper

Vorzeitige Lagerausfälle resultieren meist aufgrund verschleißbedinger Ursachen, für welche bis heute keine gültige Auslegungsrichtlinie zur Verfügung steht. Dies liegt an den komplexen und häufig überlagerten Mechanismen, welche sich über weite Bereiche der Mechanik, Chemie, Physik und Thermodynamik erstrecken.

Zu einer bis heute nicht vollständig verstandenen Ursache für Lagerausfälle zählen Anschmierungen. Hiltscher [3] definiert diese als „eine Veränderung der Oberfläche von unter Relativbewegung stehenden metallischen Wälzlagerbauteilen durch einen beginnenden (in statu nascendi befindlichen) adhäsiven Verschleißmechanismus“.

Die diesem Review zu Grunde liegende Motivation basiert auf Ausfällen vollrolliger Zylinderrollenlager durch einseitige Anschmierungen auf Rollen und Ringen (siehe Abb. 1). Da es keine allgemein gültigen Auslegekritieren gibt, ist bisher zur Eingrenzung anschmierkritischer Betriebsbereiche ein außerordentlich hoher Versuchsaufwand – mit dazu vergleichsweise geringer Aussagekraft und Interpolierbarkeit – erforderlich. Als sehr gut funktionierende Abhilfemaßnahme bei den betroffenen vollrolligen Zylinderrollenlagern gilt Brünieren, welche allerdings mit zusätzlichen Kosten verbunden ist und bestenfalls durch wirtschaftlichere Alternativen ersetzt werden soll.

Es wäre wünschenswert, das Anschmierrisiko zukünftig durch aussagekräftige Versuchs- und Berechnungsrichtlinien, wie sie beispielsweise zur Bestimmung der Fresstragfähigkeit bei Zahnrädern (siehe Kap. 4.2) Anwendung finden, abschätzen und gezielt in den erforderlichen Fällen durch Abhilfemaßnahmen vermeiden zu können. Als Grundlage hierfür wird nachfolgend zunächst ein allgemeines Verständnis über den grundsätzlichen Anschmiermechanismus vermittelt. Im Anschluss erfolgt eine zusammenfassende Darstellung bisheriger Forschungsarbeiten zum Thema Anschmieren, welche sowohl mögliche Auslegekritieren als auch potentielle Abhilfemaßnahmen behandeln. Des Weiteren werden anhand einer ausführlichen Literaturrecherche die Betriebsbedingungen eingegrenzt, welche aufgrund hoher Schlupfwerte oder Schiefstellungen ein erhöhtes Anschmierrisiko vorweisen. Darüber hinaus werden die bekanntesten Verschleißmodelle, welche auch zur Erklärung von Anschmierung dienen können, vorgestellt. Anhand der bisherigen Forschungsarbeiten und den derzeitigen Auslegungsrichtlinien für Zahnrädern wird das Potential bezüglich der Anwendung dieser Ergebnisse auf Anschmierungen diskutiert. Zuletzt werden die Herausforderungen aber auch die vielversprechenden Potentiale betrachtet, welche sich aus den vorgestellten Ergebnissen ableiten und als Ausgangspunkt für zukünftige Forschungsarbeiten verwenden lassen.

2 Anschmierungen in Radial-Zylinderrollenlagern

2.1 Mechanismus und Schadensbild

Bei Anschmierungen handelt es sich um Schäden, welche bei hohen Schlupfwerten und Gleitgeschwindigkeiten entstehen. Wälzlager lassen sich bezüglich der Wälzkörperkinematik in drei Bereiche unterteilen (siehe Abb. 2). Im Bereich der Lastzone übertragen die Wälzkörper die Kraft vom rotierenden auf den stehenden Lagerring. Hierbei entstehen tangential antreibende Kräfte, welche für die Eigenrotation des Wälzkörpers sorgen. Auf der lastabgewandten Seite wirken lediglich bremsende Kräfte durch den Schmierstoff, Borde, benachbarte Wälzkörper oder den Käfig. In dieser Verzögerungszone ist es dem Wälzkörper nicht möglich seine kinematische Solldrehzahl aufrecht zu erhalten. Durch die Fortbewegung des Wälzkörpersatzes wird der Wälzkörper zurück in den lastübertragenden Bereich bewegt. Durch den wiedereintretetenden Kontakt mit den Ringen kommt es zu einer äußerst schnellen und die Anschmierungen verursachenden Beschleunigung im Bereich von wenigen Millisekunden. In diesem Fall liegt die kritische Anschmierbedingung in beiden Ring-Rollen-Kontakten vor. Durch die Punktbelastung wird hierbei der stehende Ring des Lagers durch die Erwärmung und gleichzeitig sinkende Viskosität des Schmierstoffs höher belastet. Aufgrund des kontraformen Kontakts zwischen Lagerinnenring und Rolle herschen höhere Pressungen im Vergleich zum Außenring, welche zu einem höheren Anschmierrisiko führen [3,4,5]. Seltener werden auch Anschmierungen im kontraformen und mit entgegengesetzten Geschwindigkeitskomponenten behafteten Wälzkörper-Wälzkörper-Kontakt beschrieben. Hierbei handelt es sich vor allem um vollrollige Zylinderrollenlager in Planetengetrieben, welche aufgrund der Zentrifugalbeschleunigung höhere Normalkräfte zwischen den Wälzkörpern erfahren. [6, 7]

Abb. 2
figure 2

Kinematik der Wälzkörper im radial belasteten Wälzlager

Anschmierungen werden als adhäsive Verschleißart eingeordnet. Es handelt sich um in Umfangsrichtung plastisch verformte Oberflächenregionen, welche häufig von Materialübertragungen begleitet werden [8,9,10,11,12,13,14]. Darüber hinaus werden mit Anschmierungen auch Gefügeänderungen, sogenannte Neuhärtungen, verbunden. [9, 10, 15]

Anschmierungen entstehen, wenn alle als Schutz wirkenden Filme und Grenzschichten zwischen den Werkstoffen der Wälzpartner zerstört werden. Hierbei handelt es sich im ersten Schritt um die Schmierung des Kontakts. Zum einen wird der Aufbau eines Schmierfilm bei hohen Gleitanteilen aufgrund des fehlenden hydrodynamisch wirkenden Geschwindigkeitsanteils eingeschränkt.[3] Zum anderen führt die Gleitreibung zu einem erhöhten thermischen Eintrag im Kontakt, welche in einer Verringerung der Viskosität und folglich der Schmierfilmhöhe resultiert. Diese vollständigen Schmierfilmzusammenbrüche lassen sich durch kapazitive Messungen in Modellprüfständen nachweisen. Hierdurch sowie durch Unstetigkeiten im Beschleunigungsverhalten der dort untersuchten Wälzkörper lässt sich zudem der Anschmierzeitpunkt für den Ring-Wälzkörper-Kontakt auf den Beginn der Beschleunigungsphase eingrenzen [5, 9, 16].

Wird kein vollständig tragfähiger Schmierfilm aufgebaut, liegt Misch- oder sogar Grenzreibung vor. In diesem Fall wird der wesentliche Anteil der Last nicht durch den Schmierstoff oder die gesamte Oberfläche sondern nur durch die im Kontakt stehenden Rauigkeitsspitzen getragen. Dies führt zu einem Anstieg des Reibkoffezienten und folglich zu einer erhöhten Temperatur im Kontakt. Zu diesem Zeitpunkt verhindert lediglich die äußere Grenzschicht (siehe Abb. 3) ein sofortiges Verschweißen der Rauigkeitskontakte. Diese setzt sich zusammen aus der Adosprotions- und Reaktionsschicht. Erstere besteht aus physikalisch oder chemisch abgelagerten Molekülen aus dem Schmierstoff mit geringen Bindungskräften. Die darunterliegende Reaktionsschicht bildet sich durch Reaktionen mit der Atmosphäre sowie Bestandtteilen des Schmierstoffs, vor allem den aus diesem Grund hinzugefügten Additiven. Die innere Grenzschicht unterscheidet sich fertigungsbedingt in der chemischen Zusammensetzung, dem kristallinen Aufbau und mechanischen Eigenschaften vom Grundwerkstoff. Hierbei nimmt die Orientierung des Kristallgitters zudem Einfluss auf die Ausbildung darüber liegender Reaktionsschichten. Materialübertragungen entstehen nach Zerstörung der äußeren Grenzschicht durch mechanische oder thermische Überlastung des Kontakts, wenn die blanken metallischen Rauheitsspitzen in Kontakt treten, bevor die sehr schnell ablaufene Regeneration der Reaktionsschicht abgeschlossen ist [17,18,19,20,21].

Abb. 3
figure 3

Zusammensetzung der Grenzschicht nach [19]

Die dabei entstehende kurzzeitige Ausbildung eines gemeinsamen Kristallgitters der Rauigkeitskontakte wird als Adhäsionsbrücke oder auch Verschweißung bezeichnet. Durch die Fortbewegung der Bauteile werden diese umgehend wieder voneinander getrennt. Hieraus folgen plastisch verformte Bereiche auf den Wälzpartnern, Materialübertrag zwischen den beiden sowie lose Verschleißpartikel [3, 22, 23]. Innerhalb der Modellprüfstände ist es durch umgehende Unterbrechung der Versuche möglich, Einzelanschmierungen direkt nach deren Entstehung zu identifizieren (siehe Abb. 4). In diesem Fall handelt es sich um pfeilförmigen Materialab- und übertrag mit bis zu 150 µm Breite, 500 µm Länge und zwischen 5 und 25 µm Tiefe [9].

Abb. 4
figure 4

Einzelanschmierungen [9]. a Prüfrolle, b Prüfscheibe

Die ersten Anschmierungen verursachen meist aufgrund der veränderten Oberfläche eine lawinenartige Ausbreitung des Schadens in Umlaufrichtung. Hierdurch entstehen umlaufende Anschmierbänder mit einer matten, aufgerauhten Oberfläche (siehe Abb. 5) [3, 5, 16].

Abb. 5
figure 5

Schäden durch Anschmieren [24]. a Lagerinnenring, b Wälzkörper

Des Weiteren sind auch Veränderung der Gefügestrukturen aufgrund der im Kontakt entstehenden Temperatur und der sehr schnell ablaufenden Abschreckung des Materials durch das Öl bei Verlassen des Kontakts zu beobachten. Hierbei entstehen an der Oberfläche häufig Neuhärtungen (siehe Abb. 6), welche aus einem sehr spröden Reibmartensit bestehen und von einem darunter liegenden angelassenem Bereich begleitet werden [15, 25]. Die neugehärteten Materialübertragungen wirken dabei wie Feilen auf den Gegenkörper und rufen Abrasion hervor [26].

Abb. 6
figure 6

Geätzter Querschliff von Anschmierungen an Wälzkörpern: Neuhärtungen (weiß) und angelassene Zone (schwarz). a Wälzlager-Prüfstand [2], b 3‑Scheiben-Prüfstand [9]

Neben den Anschmierungen selbst können zusätzlich die neugehärteten Bereiche durch Rissbildung und Abblätterung zu großem Materialverlust und veränderten Ring- und Rollenprofilen führen. Dies hat zur Folge, dass die Last über eine reduzierte Länge der Wälzkörper übertragen wird. Das verändertere Tragbild durch Abtrag des Profils aber auch durch die punktuellen Erhöhungen durch Materialübertragungen führen zu äußerst hohen Pressungen, welche zu einem Ausfall des Lagers durch Ermüdung führen. Der Vergleich der Lager mit 36h und 2h Laufzeit (siehe Abb. 7 und 1) zeigt den erheblich fortschreitenden Verschleiß durch die anfänglichen Anschmierungen. Deutlich zu erkennen sind in Abb. 7 vor allem die aufgerauhte Anschmierspur im Bereich der Beschleunigungszone (a) sowie die beginnende Oberflächenermüdung in der Lastzone des Außenrings (b). Neben sichtbaren Anschmierungen sind am Innenring (c) eine beginnende Ermüdung und an dem Wälzkörper (d) Gefügeänderungen ersichtlich [2, 22, 23, 25].

Abb. 7
figure 7

Anschmierungen und beginnende Ermüdung nach 36 h [27]. a AR – Beschleunigungszone: Materialübertrag, b AR – Lastzone: Oberflächenermüdung, c IR – Materialübertrag, Oberflächenermüdung, d WK – Materialübertragungen, Neuhärte‑, Anlasszone

2.2 Einflüsse

Da die im Lager vorliegenden Kinematik- und Lastverhältnisse des Wälzkörpers als äußerst wichtiger Einfluss auf die Entstehung von Anschmierungen gelten, werden diesbezügliche Modellversuche zur Nachbildung und Untersuchung der Einflussgrößen an 3‑Scheiben-Prüfständen durchgeführt [5, 9, 10, 16]. Das diesen Modellprüfständen zugrunde liegende Konzept ist in Abb. 8 dargestellt. Durch den beweglichen Antriebsstrang kann dem zwischen den beiden Innenringen gelagerten Wälzkörper ein Lastzyklus aufgeprägt werden. Hierdurch lässt sich dessen kinematisches Verhalten analog den Bedingungen im realen Lager entsprechend der antreibenden Tangetialkräfte in den Reibkontakten einstellen. Häufig werden statt der Innenringe abgezogene Scheiben und gesondert angefertigte Prüfrollen verwendet. Zusätzlich finden Komplettlagerprüfstände Anwendung, um einerseits Einflussgrößen bestimmen und andererseits Ergebnisse der Modellprüfstände abgleichen zu können [2, 4, 9, 10, 12, 13].

Abb. 8
figure 8

Konzepthafter Aufbau der 3‑Scheiben-Prüfstände

2.2.1 Schlupf, Geschwindigkeit und Belastung

Hamer [16] verwendet in seinen Versuchen ballige Rollen ø 30 mm Durchmesser, welche zwischen zwei Innenringen ø 105 mm positioniert werden. In der lastfreien Phase wird der unbelastete Wälzkörper auf eine definierte Drehzahl abgebremst. Hierdurch können beliebige Schlupfwerte für den Wiedereintritt in die Lastzone eingestellt werden. Der Schlupf ist nach Gl. 10 definiert als Differenz der tatsächlichen zur kinematischen Solldrehzahl für ideales Abrollen. Grundsätzlich entstehen die Anschmierungen bei diesen Versuchen zu Beginn des Lastzyklus bei noch geringen Kräften und hohem Schlupf. Auch wenn zu diesem Zeitpunkt in Summe nicht die größte Wärmemenge im Kontakt generiert wird, liegt zu diesem Moment das Maximum der Temperatur im Eingangsbereich vor. Hierdurch nimmt die Höhe des Schmierfilms ab und folglich ist die Wahrscheinlichkeit eines Schmierfilmzusammenbruchs am größten. Bei sinkenden Drehzahlen und Schlupfwerten resultiert ein geringeres Anschmierrisiko. Ab einem Schlupf von unter 80 % werden keinerlei Anschmierungen erzeugt. Durch die Rotation der Rolle sinkt der Wärmetransfer zum Eingangsbereich des Schmierkontaktes und die Wahrscheinlichkeit eines Schmierfilmzusammenbruchs nimmt ab [16].

Übereinstimmend zu Hamer [16] stellt Wadewitz [9] an dem von Hiltscher [3] entwickelten 3‑Scheiben-Prüfstands fest, dass mit sinkendem Schlupf Anschmierungen erst bei höheren Scheibenumfangsgeschwindigkeiten entstehen. Dies steht allerdings nicht in direkten Zusammenhang mit einer erforderlichen Geschwindigkeitsdifferenz. Während bei 80 % Schlupf und einer Geschwindigkeitsdifferenz von 6,4m \(\text{s}^{-1}\) keinerlei Anschmierungen auftreten, werden diese bei derselben Geschwindigkeitsdifferenz aber 90 % Schlupf reproduzierbar herbeigeführt [9]. Dies untermauert die zuvor erwähnte Theorie Hamers [16], dass die direkt vom Schlupf abhängige Rückwirkung der Wärmeentwicklung im Kontakt auf den Eingangsbereich einen wesentlichen Einflussfaktor auf Anschmierungen darstellt.

Hambrecht [11] untersucht, ebenfalls am Prüfstand von Hiltscher [3], Anschmiererscheinungen in Wälzlagern bei Fettschmierung. Für Umfangsgeschwindigkeiten zwischen 3 bis 6m \(\text{s}^{-1}\) stellt er das größte Anschmierrisiko fest. Unter 1m \(\text{s}^{-1}\) und über 10m \(\text{s}^{-1}\) werden keinerlei Anschmierungen generiert. Bei zu geringen Geschwindigkeiten reicht der Wärmeeintrag in die Kontaktzone nicht aus um Anschmierungen zu verursachen und bei zu hohen führt der verbesserte elasto-hydro-dynamische-(EHD)-Schmierfilmaufbau zu selteneren Schmierfilmzusammenbrüchen.

Scherb [4, 12] präsentiert Ergebnisse zu Kinematik- und Anschmierversuchen mit dem Fokus vollrolliger Zylinderollenlager der Baureihe SL192332. Neue Lager schmieren ab dem Durchmesserbereich 16 mm bei einer nach oben liegenden Lastzone ab 60 % der Grenzdrehzahl unabhängig der Last an. Mit einer nach unten liegenden Lastzone werden keine Anschmierungen bei 10 bis 120 % der Drehzahlgrenze erzeugt. Die Ursache hierfür ist der deutlich höhere Schlupf bei oben liegender Lastzone (siehe Kap. 3).

Darüber hinaus zeigt sich bei Versuchen am 3‑Scheiben-Prüfstand bei 100 % Schlupf, dass die anschmierkrtische Scheibengeschwindigkeit für eine steigende Lastanstiegsgeschwindigkeit minimal abnimmt. Die Maximalkraft, welche ein Wälzkörper erfährt, hat allerdings keinen Einfluss, da die Anschmierungen direkt zu Beginn der Beschleunigungsphasen bei hohem Schlupf und kleiner Last auftreten [5, 9, 16].

2.2.2 Massenträgheit

Während Hamer [16] den Einfluss der Massenträgheit am 3‑Scheibenprüfstand durch zusätzliche am Wälzkörper angebrachte Schwungscheiben untersucht, variiert Wadewitz [9] die Abmessungen der Rollen. Erwartungsgemäß nimmt das Anschmierrisiko für steigende Trägheiten sowie auch mit größeren Wälzkörpern zu. Ohne Manipulation der Trägheit oder des Bremsmoments schmieren nicht ballige Wälzkörper lediglich ab ø 50 mm an [9]. Im Vergleich hierzu ist es Scherb [4] möglich, für vollrollige Zylinderrollenlager ab dem Durchmesserbereich 16 mm Anschmierungen zu erzeugen. Unter der Annahme, dass diese deutlichen Unterschiede nicht allein durch die Verwendung verschiedener Schmierstoffe resultieren, deutet dies daraufhin, dass auch die 3‑Scheibenprüfstände keine vollständige Nachbildung der Anschmierbedingungen gewährleisten. Mögliche Ursachen für die Unterschiede können nicht berücksichtigte bremsende Reibkräfte während des Beschleunigungsvorgangs im Lager oder auch Schiefstellungen sein.

2.2.3 Kippen der Wälzkörper (Axialkraft, exzentrische Radialkraft)

Stichprobenartige Versuche am 3‑Scheiben-Prüfstand mit Schiefstellungen zeigen, dass bereits ein Kippen des Wälzkörpers um 6’ ausreicht, um das Risiko für Schmierfilmzusammenbrüche sowie auch einseitige Anschmierungen für den gesamten Geschwindigkeitsbereich von 2 bis 14m \(\text{s}^{-1}\) zu erhöhen. Dementgegen werden keinerlei Anschmierungen bei einer parallelen Ausrichtung unter denselben Betriebsbedingungen generiert [11].

Ebenfalls einseitige Anschmierungen sind an dem kombiniert belasteten, vollrolligen Lager in Abb. 1 zu erkennen. Hierfür wird neben der exzentrischen Radialkraft, welche zu einer Verkippung des Innenrings führt, vor allem die Axialkraft verantwortlich gemacht [2].

Der axiale Kraftfluß verläuft vom Innenringbord zum Wälzkörper und von dort an das Bord des stehenden Außenrings. Das hierbei entstehende Moment führt zum Verkippen des Wälzkörpers. Dieser Effekt ist desto stärker ausgeprägt, je größer das Verhältnis von Axialkraft zu Radialkraft ist. Die größten Kippwinkel entstehen hierbei immer an den Rändern der Lastzone, also auch im Bereich der Beschleunigung. Die Neigung des Wälzkörpers gegenüber des Außenrings wird durch ein zusätzliches Kippen des Innenrings in dieselbe Richtung größer und umgekehrt kleiner. Auf den Winkel zwischen Innenring und Wälzkörper nimmt die zusätzliche Neigung des Innenrings in dem Beispiel Kochs (siehe Abb. 9) nur geringen Einfluss [28].

In Abb. 10 ist dargestellt, welchen wesentlichen Einfluss die Verkippung auf die Flächenpressung in der Beschleunigungsphase besitzt. Dies ist augenscheinlich die Ursache, für das erhöhte Anschmierrisiko in verkippten oder axial belasteten Lagern. Durch die Reduzierung der effektiv tragenden Länge des Wälzkörpers in der Beschleunigungsphase, wird die zu übertragende Beschleunigungsenergie in eine deutlich kleinere Kontaktfläche eingebracht [11]. Die thermische Belastung des Kontakts steigt und es sind auch häufiger Schmierfilmzusammenbrüche zu beobachten [29]. Schiefstellungen werden neben exzentrischen Radialkräften auch durch Fertigungstoleranzen oder Montagefehler hervorgerufen. Axialkräfte können durch die steigende Reibkraft am Bordkontakt allerdings auch schlupfmindernd wirken [30].

Abb. 9
figure 9

Kippwinkel der Wälzkörper entlang der Lastzone für unterschiedliche Kippwinkel des Innenrings \(\varphi_{\text{IR}}\) (NJ 2210, \(n=500\,\text{min}^{-1}\), \(F_{\text{a}}/F_{\text{r}}=0{,}3\)) [28]

Abb. 10
figure 10

Flächenpressung entlang der relativen Wälzkörperlänge am Lastzonenrand für unterschiedliche Axial‑/Radialkraft-Verältnisse (NJ 2210, \(\varphi_{\text{IR}}\) = 0\({}^{\circ}\), \(n=500\,\text{min}^{-1}\)) [28]

2.2.4 Kontaktzeit

Bei Zahnrädern wird eine kritische Schwelle von 20 bis 30 \(\mu\)s bezüglich der Kontaktzeit, welche ein Oberflächenpunkt benötigt um den Kontakt zu durchlaufen, beobachtet, unterhalb welcher die Fressen verursachende Kontakttemperatur zunimmt (siehe Kap. 4.2). Hambrecht [11] macht ebenfalls zu kurze Kontaktzeiten für fehlende Anschmierungen bei hohen Umfangsgeschwindigkeiten verantwortlich. Mögliche Ursachen für die Zeitabhängigkeit sind die chemische und physikalischen Zerstörung der Grenzschicht sowie die Ausbildung von Adhäsionsbrücken [17, 31].

Hinsichtlich verkippter Wälzkörpern bedeutet dies, dass durch die erhöhte Flächenpressung auch die Kontaktbreite in Abrollrichtung und folglich auch die Kontaktzeit und das Anschmierrisiko steigt. Vor allem für kleine Lager kann dies ein ausschlaggebender Faktor für die Entstehung von Anschmierungen sein, da aufgrund der kleinen Rollen nur schmale Kontaktflächen und folglich kurze Kontaktzeiten vorliegen.

2.2.5 Schmierstoff und Temperatur

Bezüglich des Schmierstoffs gelten die Viskosität, die Art sowie die enthaltenen Additive als maßgeblich. Eine Erhöhung der Betriebsviskosität verringert die Anschmierneigung an den 3‑Scheiben-Prüfständen deutlich. Allerdings ist auch festzustellen, dass ab 56 \(\text{mm}^{2}\,\text{s}^{-1}\) eine weitere Verringerung der Viskosität mit keiner weiteren Erhöhung des Anschmierrisikos einhergeht [5, 10, 11]. Eine steigende Viskosität führt allerdings auch zu höheren Schlupfwerten im Lager und folglich zu einer Erhöhung des Anschmierrisikos (siehe Kap. 3).

Versuche am 3‑Scheiben-Prüfstand zu verschiedenen Ölen zeigen wie erheblich deren Einfluss ist. Keine messbaren Verbesserungen sind bei Mineralöl mit Tricresylphosphat- oder Zinkdithiophospat-Additivierung festzustellen. Im Gegensatz dazu verhindert eine Additiviertung desselben Grundöls mit Anglamol A99 oder auch der Einsatz synthetischer Schmierstoffe Anschmierungen über den kompletten Drehzahlbereich. Zudem treten seltener Schmierfilmzusammenbrüche auf und der Reibfaktor ist um das zwei- bis dreichfache niedriger. Diese Effekte werden durch die Bildung einer schütztenden Reaktionsschicht begründet [10]. Beim Betrieb mit Minimalmengenschmierung verlieren auch zuvor sehr gut schützende Schmierstoffe ihre Wirkung. Durch die Erhöhung der Temperatur von 55 \({}^{\circ}\)C auf 65 \({}^{\circ}\)C zeigt sich bei additivierten Mineralöen eine deutliche Verbesserung, welche auf eine verbesserte Reaktionsfähigkeit der Additive zurückgeführt wird [10]. Dies wird auch im Rahmen von umfangreichen Fresstragfähigkeits-Untersuchungen bei Zahnrädern festgestellt, bei welchen für zunehmende Massentemperaturen durch eine verbesserte Reaktionsschichtbildung die Fresslast steigt [32].

2.2.6 Modellbildung und Auslegungskriterien

Bei der Untersuchung potentieller Anschmierkennwerte stellt Wadewitz [9] keine aufschlussreiche Korrelation zur Gesamttemperatur nach Block [33], der Fresslast-Kenngrößen \(\bar{p}\cdot u_{\text{G}}\) nach Potthoff [6] oder dem neu eingeführten Kenngröße \(F_{\text{u}}\cdot u_{\text{G}}\) fest. Deshalb wird die lokale Reibenergie zur Einbeziehung der Kontaktzeit und zur Bestimmung der in eine Kontaktlinie eingebrachten Energie während des Beschleunigungsvorgangs eingeführt:

$$W_{\text{R}}(t)=\int_{t}^{t+t_{2b}}F_{\text{u}}(\tau)\cdot|u_{\text{G}}(\tau)|\mathrm{d}\tau=\int_{t}^{t+t_{2b}}F_{\text{u}}(\tau)\cdot|u_{\text{IR}}-u_{\text{WK}}(\tau)|\mathrm{d}\tau$$
(1)

Der zusätzlich eingeführte Parameter der Summen-Reibenergie spiegelt die vollständige auf die Rolle übertragene Beschleunigungsenergie wieder:

$$\int W_{\text{R}}=\int_{t_{\text{BA}}}^{t_{\text{BE}}}W_{\text{R}}(t)\mathrm{d}t=\int_{t_{\text{BA}}}^{t_{\text{BE}}}\int_{t}^{t+t_{2b}}F_{\text{u}}(\tau)\cdot|u_{\text{G}}(\tau)|\mathrm{d}\tau\,\mathrm{d}t$$
(2)

Die Untersuchungen zeigen, dass sich für die dort untersuchte Kombination aus Rollenwerkstoff, Oberflächenbeschaffenheit, Versuchstemperatur und Schmierstoff eine Anschmiergrenze für die lokale Reibenergie bei 10 bis 15 mJ und die Summenreibenergie bei 150 bis 250 mJ ms angeben lässt. Vergleiche mit Versuchen an kompletten Lagern zeigen sehr gute Übereinstimmungen mit der Summenreibenergie. Dahingegen lässt sich für die lokale Reibenergie, womöglich durch die Verwendung eines additivierten Schmierstoffs, keine Übereinstimmung zu dem Grenzwert aus den Modellversuchen feststellen.

Bei Eglingers [10] Untersuchungen stellt sich die Summenreibenergie als nicht aussagekräftig heraus. So treten bei einem niedrigviskosen Schmierstoff bereits Anschmierungen bei 700 mJ ms auf, während für einen hochviskosen eine Summenreibenergie von 1600 mJ ms zu keinerlei Schäden führt. Die Analyse der lokalen Reibenergie zeigt, dass diese sich zwar besser zur Beschreibung verwenden lässt, allerdings ist sie mit einer Anschmiergrenze von 100–120 mJ eine Größenordnung höher als die im Vorgängervorhaben ermittelten 10–15 mJ. Diese Abweichung wird auf die Vereinfachung innerhalb der Berechnung der lokalen Reibenergie zurückgeführt, bei welcher angenommen wird, dass die Kontaktbreite ausreichend klein ist und somit die komplette Energie in eine eindimensionale Mantellinie eingebracht wird. Folglich gilt diese Annahme nicht bei hohen Belastungen und einer damit steigenden Kontaktbreite. Deshalb wird bei der neu eingeführten spezifischen Reibenergie die vollständige in der Kontaktfläche entstehende Reibleistung auf die Hertz’sche Kontaktbreite bezogen und über die Kontaktzeit integriert:

$${}W_{\text{R,spez}}=\int_{t}^{t+t_{2b}}P_{\text{R,spez}}(\tau)\mathrm{d}\tau=\int_{t}^{t+t_{2b}}\frac{F_{\text{u}}(t)\cdot u_{\text{G}}(t)}{2b(t)}\mathrm{d}\tau$$
(3)

Der ermittelte kritische Wert, über welchem für alle Betriebsbedingungen ohne Additive, Einlauf oder Beschichtung Anschmierungen auftreten, liegt für eine Reibpaarung aus 100 CrMo73 bei 0,35 bis 0,45 J \(\text{mm}^{-1}\). Dieser Wert verdoppelt sich für die Paarung der zwei verschiedenen Werkstoffe 100CrMo73/80MoCrv4216.

Die zuvor eingeführten Grenzwerte von Wadewitz und Eglinger spiegeln das fallende Anschmierrisiko bei hohen Geschwindigkeiten im 3‑Scheiben-Prüfstand nicht wieder. Diese steigen trotz Fernbleiben von Anschmierungen nahezu proportional mit der Scheibenumfangsgeschwindigkeit an. Deshalb führt Hambrecht [11] die spezifische Reibleistung ein, welche sich aus der Beschleunigungsleistung sowie der Dissipationsleistung zusammensetzt. Diese beiden bezieht er dabei auf die Kontaktfläche sowie den die Schmierbedingungen beschreibenden Faktor \(C_{\text{Ot}}\):

$$P_{\text{R,spez}}(t)=\frac{\frac{\theta_{\text{WK}}}{d_{\text{WK}}}\cdot\dot{\omega}_{\text{WK}}(t)+\mu(t)\cdot F_{\text{WK}}(t)\cdot(u_{\text{IR}}-u_{\text{WK}}(t))}{A(t)\cdot C_{\text{Ot}}(t)}$$
(4)

Durch Integration über der Kontaktzeit berechnet sich die spezifische energetische Belastung:

$$E_{\text{B,spez}}(t)=\int_{t}^{t+t_{2b}}\frac{\frac{\theta_{\text{WK}}}{d_{\text{WK}}}\cdot\dot{\omega}_{\text{WK}}(t)+\mu(t)\cdot F_{\text{WK}}(t)\cdot(u_{\text{IR}}-u_{\text{WK}}(t))}{A(t)\cdot C_{\text{Ot}}(t)}$$
(5)

Durch die Einführung des Faktors \(C_{\text{Ot}}\), der die Effekte der verbesserten EHD-Schmierung bei hohen Geschwindigkeiten miteinbezieht, wird das erhöhte Anschmierrisiko bei mittleren Geschwindigkeiten besser wiedergegeben.

$$C_{\text{Ot}}=\frac{h_{\text{min,isoth}}}{C_{\text{RS}}\cdot\bar{R}_{Z}}$$
(6)

Trotz fehlender Anschmierungen bei hohen Umfangsgeschwindigkeiten überschreitet die spezifische Reibleistung wie auch die spezifische energetische Belastung den für mittlere Geschwindigkeiten ermittelten Grenzwert von 100 mJ \(\text{mm}^{-2}\). Eine Vermutung hierfür lautet, dass durch die hohen Geschwindigkeiten die Kontaktzeit derart abnimmt, dass diese nicht für die Entstehung von chemischen Verbindungen und Verschweißungen zwischen den Wälzpartnern ausreicht.

Als Abgleich seiner Versuche führt Evans [13] dynamische Simulationen durch. Als Anschmierkriterium wird der von Dyson [34] eingeführte Parameter „Frictional Power Intensity“ (FPI) mit \(p=p_{\text{max}}\) herangezogen:

$${}\text{FPI}=\mu\cdot p\cdot u_{\text{G}}$$
(7)

Diesem Kriterium zufolge ist der Kontakt Rolle-Innenring am höchsten belastet. Dies stimmt überein mit den beobachteten Schädigungen. Der höchste Wert entsteht beim Einlaufen des Wälzkörpers in die Lastzone, wenn zeitgleich ein zügiger Wechsel der Lastrichtung durchgeführt wird. Als Grenzwert werden 260 MW \(\text{m}^{-2}\) ermittelt.

Fowell [5] untersucht mit Hilfe eines 3‑Scheiben-Prüfstands Anschmierungen eines balligen Wälzkörpers ø 30 mm zwischen zwei Innenringen ø 105 mm. Die Versuche werden mit additivfreiem PAO5-Öl und ausschließlich 100 % Schlupf durchgeführt. Durch starke Geräuschbildung und Vibration aber vor allem Spitzen im Beschleunigungsverlauf und durch eine kapazitive Schmierfilmhöhenmessung grenzt Fowell [5] den Zeitpunkt der Anschmierungen auf den Beginn der Beschleunigung ein. In Übereinstimmung hierzu wird das Maximum der FPI nach Gl. 7 mit \(p=\bar{p}\) erreicht, wenn die Rolle 5 bis 8 % ihrer Solldrehzahl besitzt. Für alle Bedingungen, bei welchen Anschmierungen erzeugt werden, liegt das Maximum der FPI zwischen 105 MW \(\text{m}^{-2}\) und 140 MW \(\text{m}^{-2}\).

Mittels einer stationären Simulation (siehe Abb. 11) werden für den Zeitpunkt der maximalen FPI die Kontakttemperaturen berechnet. Die Rollentemperatur am Kontakteingang ist gegenüber deren Massentemperatur erhöht. Dies führt zu einer Reduzierung der Viskosität und der Schmierfilmhöhe. Unter der Annahme, dass ein Schmierfilmzusammenbruch erforderlich ist für Anschmierungen, stellt sich die Erwärmung des Öls direkt am Kontakteingang als Faktor mit großem Potential heraus. Dies spiegelt sich auch im Vergleich der relativen Schmierfilmhöhe \(\lambda\) wieder. Diese liegt berechnet für die Zulauftemperatur des Öls zwischen 1,7 und 4,7. Durch Einbezug der Schmierstofferwärmung im Einlauf des Kontakts reduziert sich \(\lambda\) auf 0,6 bis 1,6. Unterstreichend hierzu wird die fresskritische relative Schmierfilmhöhe von 0,5 bis 1,7 bei Zahnrädern hervorgehoben [18].

Abb. 11
figure 11

Simulierte Kontakttemperatur für Wälzkörper und Innenring zum Zeitpunkt des Maximums der FPI [5]

2.2.7 Abhilfemaßnahmen

Die Hersteller empfehlen hierzu eine Verbesserung der Schmierungsbedingungen, Verringerung des Betriebsspiels sowie die Vermeidung schlupfbehafteter Betriebsbedingungen [22,23,24]. Ist dies nicht möglich, können Anschmierungen auch durch gezieltes Einlaufen vorgebeugt werden. Anhand unterschiedlicher Einlaufzyklen am 3‑Scheiben-Prüfstand wird ein deutlich verringertes Anschmierrisiko belegt. Geringe Verbesserungen können durch einen Einlauf von 600 s mit gleichbleibender Last und ohne Schlupf bei einer Scheibenumfangsgeschwindigkeit von 2m \(\text{s}^{-1}\) festgestellt werden. Wesentlich bessere Ergebnisse werden durch einen Einlaufzyklus mit einer Lastrampe und einem maximalen Schlupf von 100 % bei derselben Drehzahl erreicht. Hierbei zeigt sich, dass ein Einlaufen von 800 s bzw. 1000 Lastzyklen den Verschleißschutz noch einmal deutlich erhöht im Vergleich zu 400s bzw. 500 Lastzyklen [10].

Die Untersuchung eingelaufener Rollen ohne Anschmierungen zeigen nur sehr geringe Glättungen. Diese können durch herkömmliche Rauigkeitskennwerte kaum beschrieben werden und liefern somit auch keine direkte Erklärung für das deutlich sinkende Anschmierrisiko. Durch eine kapazitive Schmierfilmhöhenmessung wird allerdings gezeigt, dass der Schmierfilm sich für eingelaufene Rollen im Gegensatz zu denen im Neuzustand nach einem Zusammenbruch wieder aufbaut. Bezüglich des Einlaufverhaltens ohne Additive werden Analysen zu Rauigkeits‑, Härte- und Gefügeänderungen sowie zur Bildung von Reaktions- und Grenzschichten durchgeführt. Wesentliche Unterschiede zeigen sich allerdings nur bei der Zusammensetzung der Oberfläche, welche im eingelaufenen Zustand eine ca. 5 nm dicke kohlenstoffarme Schicht besitzen. Der schützende Effekt wird durch den wesentlichen Einfluss von Kohlenstoff auf die Adhäsionskraft zwischen Oberflächen zurückgeführt. Bei geringeren Kohlenstoffanteilen sinkt die Anziehungskraft und folglich auch, wie die Messungen bestätigen, der Reibfaktor [10].

Bei den additivierten Schmierstoffen lässt sich in der Zusammensetzung der Grenzschicht keine Änderung vorfinden. Das geringere Anschmierrisiko resultiert im Vergleich zu den untersuchten unadditiverten Schmierstoffen aus einer verringerten Neigung zum Schmierfilmzusammenbruch. Welche Eigenschaft zu dieser Verbesserung führt, ist hierbei nicht feststellbar [10].

Dünnschichtverchromen, Zinkphosphatieren und Brünieren verhindern bei Eglinger das Auftreten von Anschmierungen vollständig. Dies lässt sich unter anderem auf einen sinkenden Reibfaktor zurückführen, welcher sich durch die Messung von verringerten Umfangskräften wiederspiegelt. Dies führt bei geringen Umfangsgeschwindigkeiten unter anderem auch zu einer verringerten spezifischen Reibenergie nach Gl. 3. Bei höheren Drehzahlen treten keine Anschmierungen trotz hoher spezifischer Reibenergie auf. Dies wird auf die höhere Festigkeit der Beschichtung gegenüber des Basismaterials zurückgeführt [10].

Die Modellversuche decken sich mit Ergebnissen am Komplettlagerprüfstand. Eingelaufene sowie brünierte Lager verhindern in diesen Versuchen Anschmierungen vollständig. Letzteres vermindert darüber hinaus das Reibmoment um 10 bis 20 % [4, 12].

Evans et al. [13] führt Versuche zu Zylinderrollenlagern der NU-Baureihe mit den Hauptambmessungen \(160\times 290\times 98\) durch. Als geeignetster Schutz gegenüber Anschmierungen stellt sich eine amorphe Wolframkarbid-Kohlenwasserstoff-Beschichtung heraus. Entgegen der Erwartung verringert Brünieren das Schädigungsrisiko nicht. Der generierte Verschleiß ist sogar stärker als bei den Standardlagern.

3 Schlupf in Radial-Zylinderrollenlagern

In den Veröffentlichungen zu Anschmierungen herrscht Einigkeit darüber, dass der Schlupf als maßgebliche Grundvorraussetzung für die Entstehung von Anschmierungen gilt. Anhand der Lagergeometrie kann die kinematisch ideale Drehzahl für reines Abrollen für Käfig und Wälzkörpersatz nach

$$n_{\text{WS}}=n_{K}=\frac{{n_{\text{IR}}}}{2}\cdot\left(1-\frac{d_{\text{WK}}}{d_{\text{IR}}+d_{\text{WK}}}\right)$$
(8)

und der Wälzkörper nach

$$n_{\text{WK}}=-\frac{{n_{\text{IR}}}}{2}\cdot\left(\frac{d_{\text{IR}}+d_{\text{WK}}}{d_{\text{WK}}}-\frac{d_{\text{WK}}}{d_{\text{IR}}+d_{\text{WK}}}\right)$$
(9)

bestimmt werden [35]. Der Schlupf ist definiert als die Differenz der tatsächlichen zur kinematischen Solldrehzahl in Prozent:

$$S=\left(1-\frac{n_{\text{ist}}}{n_{\text{ideal}}}\right)\cdot 100\,\%$$
(10)

Auch wenn ein gänzlich schlupffreier Betrieb unerreichbar ist [36], sollte es das Ziel sein, diesem so nahe wie möglich zu kommen. Hierzu gibt der Hersteller Schaeffler [37] zur Vermeidung schlupfinduzierter Schäden für Zylinderrollenlager die auf Basis der statischen Traghzahl berechnete Mindestlast an:

$$P_{\text{min}}=\frac{C_{0r}}{60}$$
(11)

Die Berechnung nach SKF [38] bezieht den Minimallastfaktor, die Referenzdrehzahl sowie den mittleren Lagerdurchmesser als lagerspezifische Parameter sowie die tatsächlich vorliegende Wellendrehzahl in die Ermittlung der Mindestlast mit ein:

$$P_{\text{min}}=k_{r}\cdot\left(6+\frac{4\cdot n}{n_{\text{ref}}}\right)\cdot\left(\frac{d_{\text{m}}}{100}\right)^{2}$$
(12)

Aus diversen Veröffentlichung geht hervor, dass Schlupf [12, 15, 39,40,41,42] sowie Anschmierungen [2, 4, 16, 43] auch im Bereich über diesen berechneten Mindestlasten auftritt. Bei Betrachtung aller relevanten Einflussfaktoren in Tab. 2 wird die Herausforderung deutlich, welche sich bei der Vorhersage von schlupf- und somit anschmierkritischen Betriebsbedingungen für den gesamten Einsatzbereich von Zylinderrollenlagern stellt.

Tab. 2 Einflussfaktoren auf den Schlupf in Zylinderrollenlagern nach [39] und erweitert um Ergebnisse der Literaturrecherche

3.1 Zylinderrollenlager mit Käfig

In Tab. 3 sind die aus der Literaturrecherche abgeleiteten Auswirkungen, welche bei einer Erhöhung der quantitativ und einer Verschlechterung der qualitativ beschreibbaren Parametern resultiert, auf den im Lager auftretenden maximalen und minimalen Wälzköperschlupf sowie den maximalen Käfigschlupf zusammengefasst.

Die Literaturrecherche zeigt Einigkeit über den schlupfreduzierenden Einfluss steigender Radiallasten. Die hierdurch resultierende Aufweitung der Lastzone führt zu einer Vergrößerung des Bereichs der Tangentialkraftübertragung zwischen Ringen und Wälzkörpern. Dies ist ebenfalls die Ursache für sinkenden Schlupf bei Lagern mit reduziertem Betriebsspiel durch Wahl einer niedrigeren Lagerluftklasse oder auch durch thermische Ausdehnung während des Betriebs [12, 15, 39, 44,45,46].

Allgemein wird der sinkende Wälzkörperschlupf außerhalb der Lastzone bei hohen Drehzahlen auf die sinkende Verweildauer sowie die steigenden Fliehkräfte, welche zu antreibenden Tangentialkräften am Außenring führen, zurückgeführt. Diesen beiden Hypothesen stellt van Lier [15] aufgrund seiner Messungen entgegen, dass der Wälzkörperschlupf für höhere Drehzahlen lediglich wegen dessen Definition sinkt und die absoulte Drehzahldifferenz unabhängig der Drehzahl nahezu konstant ist. Die Erklärung hierfür lautet, dass die Verweildauer indirekt proportional und das Bremsmoment aufgrund der Scherkräfte des Schmierstoffs direkt proportional zur Innenringdrehzahl ist. Demzufolge würden sich beide Effekte aufheben. Entgegen des maximalen Wälzkörperschlupfes fällt der Käfigschlupf sowie der minimale Wälzkörperschlupf für niedrige Drehzahlen, da die erforderlichen Tangentialkräfte zur Erreichung der Solldrehzahl sinken [12, 15, 39, 47,48,49].

Bezüglich der Schiefstellung von Lagern ist zwischen einer Verkippung – der Neigung einer der Ringe um die senkrechte Achse zur Radialkraft – und einer Schränkung – der Verdrehung einer der Ringe um die Achse der Radialkraft – zu unterscheiden (siehe Abb. 12). Beide führen grundsätzlich zu einer schlupfreduzierenden Aufweitung der Lastzone und erhöhtem Bordkontakt. Hierbei wirken antreibende Borde schlupfreduzierend und stillstehende schlupffördernd.

Durch ein Schränken des Lagers wird den Wälzkörpern im Bereich des Lagerumfangs senkrecht zur Lastrichtung ein Kippwinkel aufgeprägt. Dieser vergrößert die Zone in dem ein Rolle-Ring-Kontakt vorliegt und folglich auch die Lastzone, weshalb sowohl der Käfig- als auch der Wälzkörperschlupf abnimmt. Auf der lastabgewandten Seite dahingegen erfährt der Wälzkörper einen Schränkwinkel, welcher zu verstärkten Bordkontakten führt. Insofern es sich hierbei um stillstehende Borde handelt, ist von einem bremsenden Effekt auf den Wälzkörper auszugehen. Allerdings scheint im Fall des Schränkens der schlupfmindernde Effekt der Lastzonenaufweitung zu überwiegen. Der Effekt des erhöhten Bordkontakts durch Wälzkörperschränken tritt bei einem Lagerkippen im gesamten Bereich der lastfreien Zone und vor allem senkrecht zur Lastrichtung am Lagerumfang auf (Lastzonen-Anfang und -Ende). Stillstehende Borde wirken hierdurch schlupffördernd und antreibende Borde schlupfmindernd [15, 39, 48, 50]. Letzteres gilt auch bei Erhöhung der Axialkraft, welche aufgrund des erhöhten Bordkontakts mit dem treibenden Ring zu einer Reduzierung des maximalen Wälzkörperschlupfs führt [30].

Die Art der Käfigführung beeinflusst ebenfalls wesentlich die Kinematik im Lager. Innenringgeführte Käfige zeigen in den zitierten Veröffentlichungen, welche ausschließlich Lager mit rotierendem und damit antreibendem Innenring beinhalten, einen deutlich reduzierten Käfig- und Wälzkörperschlupf im Vergleich zu außenring- oder wälzkörpergeführten Käfigen [15, 45,46,47, 51].

Abb. 12
figure 12

Kippen und Schränken von Zylinderrollenlagern

Die Einflüsse durch Variation der Grundviskosität und der Öl- oder auch Lagertemperatur sowie die sich daraus einstellende Betriebsviskosität stellen den mit am schwierigsten zu beurteilenden Faktor dar. Hierbei ist vor allem zu berücksichtigen, dass Schlupf im Lager selbst zu einer nicht zu vernachlässigenden Erwärmung führen kann [46] und diese wiederum zur Verringerung des Betriebsspiels durch thermische Ausdehnung [48]. Des Weiteren sind auch gegenläufige Effekte durch die Änderung der Schmierungsbedingungen sowohl in den antreibenden als auch in den bremsenden Kontakten zu berücksichtigen. Durch die fallende Viskosität sinkt zunächst die Scherspannung in den Schmierkontakten und folglich die Reibfaktoren, bis diese bei Erreichen einer Misch- oder Festkörperreibung wieder ansteigen [15, 39, 44, 46, 47].

Bei einer Variation des Schmierstoffs ist der Einfluss auf den Schlupf nicht nur auf die Viskosität und deren Temperaturverlauf sondern auch auf den Druckkoeffizienten, der den Reibungszustand in den Kontakten wesentlich beeinflusst, zu beziehen. Grundsätzlich entstehen durch eine sinkende Viskosität des Schmierstoffs geringere Planschverluste durch das im Lager vorhandene Öl. Allerdings ist hierbei auch die Höhe des Ölstands, welcher bei Anstieg grundsätzlich als schlupffördernd anzusehen ist, sowie die Art und Geometrie des Käfigs zu berücksichtigen [15, 39, 46].

3.2 Vollrollige Zylinderrollenlager

Trotz des höheren Anschmierrisikos aufgrund der allgemein größeren Schlupfwerte durch den bremsenden Wälzkörper-Wälzkörper-Kontakt bei vollrolligen Zylinderrollenlagern, sind die Veröffentlichungen bezüglich des kinematischen Verhaltens im Vergleich zu den Käfiglagern begrenzt (siehe Tab. 4).

Das Ausmaß des deutlichen erhöhten Wälzkörperschlupfs einer vollrolligen Ausführung (SL) gegenüber Zylinderrollenlagern mit Kunststoffzwischenstücken (ZSL) sowie mit Scheiben- (LSL) und Fenster-Messing-Käfig (NJ) trotz der einheitlichen Baureihe 192332 ist in Abb. 13 zu erkennen [12]. Auch der Vergleich unterschiedlicher Zylinderrollenlager der Baugröße 1064 zeigt bei vollrolliger Ausführung wesentlich höheren maximalen Rollenschlupf als mit Messing- oder Stahlkäfig. Bei der untersuchten Drehzahl von 400 \(\text{min}^{-1}\) ist der Schlupf außerhalb der Lastzone für niedrige als auch hohe Lasten nahezu konstant bei 100 % [47]. Auch im Bereich von 120 % der Mindestlast nach Gl. 12 werden bei vollrolligen Zylinderrollenlagern abhängig von der Drehzahl ein maximaler Wälzkörperschlupf von 60 bis 100 % festgestellt [40].

Das qualitative Verhalten vollrolliger Zylinderrollenlagern für eine Veränderung von Drehzahl und Last entspricht dem der zuvor vorgestellten Ergebnisse bei Käfiglagern. Hervorzuheben sind der experimentell ermittelte geringfügig erhöhte Wälzkörpersatzschlupf [40] und vor allem der deutlich steigende Rollenschlupf bei obenliegender Lastzone [12]. Im Gegensatz dazu werden für Käfiglager nur geringe bis keine Unterschiede in der Richtung der Lastzone sowohl für die Wälzkörper als auch den Käfig festgestellt [15, 39]. Scherb und Giese [42] stellen an Versuchen zu dem vollrolligen Zylinderrollenlager SL 192332 analog zu den Ergebnissen veröffentlicher Käfigschlupfmessungen fest, dass für eine steigende Drehzahl und Viskosität die Radiallast erhöht werden muss, um den Wälzkörpersatzschlupf zu reduzieren. Für dasselbe Lager veröffentlichen Scherb und Giese [12] Messungen zum Wälzkörperschlupf. Dieser sinkt für steigende Drehzahlen außerhalb der Lastzone und steigt, insofern die Radiallast nicht ausreicht, innerhalb der Lastzone. Eine unzureichende Radiallast führt zu erhöhtem Schlupf sowohl innner- als auch außerhalb der Lastzone.

Vor allem bezüglich des Kinematikverhaltens vollrolliger Zylinderrollenlager bei Schiefstellungen gibt es bisher keine gezielten Untersuchungen. Lediglich in [41] wird eine durch Kippen vermutete Reduzierung des maximalen Wälzkörperschlupfs beobachtet. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Schiefstellung der Wälzkörper zu erhöhten Kontaktkräften zwischen diesen führen. Folglich ist hier im Vergleich zu den Käfiglagern ein weiterer schlupffördernder Effekt durch Schiefstellungen zu erwarten.

Tab. 3 Auswirkungen untersuchter Einflussfaktoren auf den Schlupf in Radial-Zylinderrollenlagern mit Käfig
Tab. 4 Auswirkungen untersuchter Einflussfaktoren auf den Schlupf in vollrolligen Radial-Zylinderrollenlagern
Abb. 13
figure 13

Zeitlicher Verlauf der Wälzkörpergeschwindigkeit für verschiedene Zylinderrollenlager der Baureihe 19332 [12]

4 Temperaturmodelle zur Vorhersage von Fressen (Scuffing)

4.1 Allgemein

In der Tribologie wird bei Schadensarten, die auf adhäsiven Mechanismen beruhen und zu Materialübertrag sowie plastischen Verformungen der Oberfläche führen, überwiegend von Fressen oder dem englischen Begriff Scuffing gesprochen. Im Vergleich zum Anschmieren gibt es hierzu eine Vielzahl an Veröffentlichungen zu diversen Verschleißmodellen. Dennoch zählt diese Art des Verschleißes weiterhin zu den am wenigsten verstandenen Phänomen der Tribologie. Im Laufe der Zeit haben sich eine Vielzahl an unterschiedlichen Vorstellungen entwickelt, welche physikalischen oder chemischen Effekte hauptverantwortlich für das Auftreten von Scuffing sind. Einen hierüber bis heute weitestgehend unveränderten Überblick liefern die Reviews von Bowman und Stachowiak [18] sowie von Dyson [34, 53].

Allgemein wird Scuffing als thermischer Mechanismus angesehen. Deshalb basieren die meisten Versuche der Vorhersage auf Temperaturmodellen. Diese haben ihren Ursprung in Bloks kritischer Kontakttemperatur [33]. Hiernach soll Scuffing einsetzen, sobald eine von den Werkstoff‑, Oberflächen- und Schmierstoffeigenschaften abhängige Temperatur im Zentrum der Kontaktzone überschritten wird. Im Schmierkontakt können unterschiedliche physikalische Effekte auftreten, die aufgrund des Überschreitens einer kritischen Temperatur in Kraft treten. Eine durch Gleitreibung steigende Temperatur im Eingangsbereich führt zu einem Abfall der Viskosität, welche zu einem Schmierfilmzusammenbruch und folglich zu Scuffing führen soll. Dies wird auch bei Versuchen zu Anschmierungen am 3‑Scheiben-Prüfständen beobachtet (siehe Kap. 2.2.6) [5, 16]. Außerdem begünstigen hohe Temperaturen eine thermische sowie oxidative Zersetzung des Schmierstoffes, wodurch die Bildung oberflächenschützender Schichten beeinträchtigt wird. Zudem kann ein Überschreiten einer kritischen Temperatur zu einem schnelleren Ab- als Aufbau schützender Adsorptions- und Reaktionsschichten führen. Im Fall einer ausreichenden Kontaktzeit führt dies zur vollständigen Zerstörung der Grenzschichten und zu ungeschützten Rauigkeitsspitzen, welche als Ursprung für das Scuffing angesehen werden [18].

4.2 Fresstragfähigkeit von Zahnrädern

Wie eine praktische Anwendung eines Temperaturkritierums hinsichtlich der Auslegung gegen Anschmierungen aussehen kann, zeigt sich bei der Bestimmung der Fresstragfähigkeit von Zahnrädern. Dort stehen im Gegensatz zu Wälzlagern gültige Normen zur Auslegung bezüglich adhäsivem Verschleiß zur Verfügung. Anhand dieser lässt sich eine Sicherheit gegenüber Warmfressen bestimmen, welches bei hohen Geschwindigkeiten und Drehmomenten aufgrund thermischer Überlastung des Kontakts auftritt. Kaltfressen dahingegen beschreibt den Fressschaden bei kleinen Umfangsgeschwindigkeiten von unter 4m \(\text{s}^{-1}\) für meist hochbelastete, vergütete Zahnräder mit geringer Qualität [54]. Kaltfressen erzeugt ein den Fertigungsprozessen Hobeln oder Stoßen ähnliche Schädigung der Oberfläche [26]. Dahingegen erinnert das Warmfressen sowohl vom makroskopischen Schadensbild (b) als auch der veränderten Gefügestruktur (a) (siehe Abb. 14) an Anschmierungen bei Wälzlagern (siehe Abb. 5 und 6).

Die akutellesten Versionen zur Berechnung der Fresstragäfigkeit stellen die ISO/TS 6336-20 [54] für das Blitztemperaturverfahren und die ISO/TS 6336-21 [55] für das Integraltemperaturverfahren dar. Ähnliche Vorgehensweisen anhand der beiden Methoden sind darüber hinaus auch in den Normen AGMA 925-A03 [56] und DIN 3990-4 [57] zu finden.

Für die Berechnung müssen zunächst die Geschwindigkeits- und Pressungsverhältnisse über die Zahneingriffsstrecke anhand der bekannten Geometrie und Betriebsparameter für beide Zahnräder bestimmt werden. Zusätzlich ist die mittlere örtliche Reibungszahl im Kontakt erforderlich. Diese kann entweder über Versuche oder anhand von zur Verfügung gestellten Formeln abgeschätzt werden. Darüber hinaus sind die thermischen und mechanischen Werkstoffeigenschaften notwendig. Neben weiteren Geometrie- und Belastungsfaktoren, wird bei Berechnung der Blitztemperatur zusätzlich durch einen Näherungsfaktor das erhöhte Fress-Risiko zu dem Zeitpunkt der ersten Berührung der Zahnflanken, zu welchem noch kein Schmierfilm aufgebaut wurde, berücksichtigt. Bei Bestimmung der Integraltemperatur wird außerdem der Einlaufzustand miteinbezogen. Nicht eingelaufene Zahnräder führen zu höheren Blitz- und Integraltemperaturen im Kontakt, welche ursächlich für das häufig beobachtete höhere Fress-Risiko neuer Maschinenelemente sind.

Die für eine Material-Werkstoff-Paarung gültige Blitz- und Integraltemperatur, bei welchen Fressen auftritt, wird anhand genormter Versuche ermittelt. Für weite Bereiche der Betriebsbedingungen wird für nicht additivierte Schmierstoffe angenommen, dass die Fresstemperatur konstant ist. Vor allem bezüglich des Blitztemperaturverfahren wird allerdings darauf hingewiesen, dass Schmierstoffe mit verschleiß- und reibungsminderenden Additiven, die tatsächliche Fresstemperatur in Abhängigkeit der Betriebsbedingungen wesentlich und derzeit nicht vorhersagbar beeinflussen. Deshalb sollten die Versuchsbedingungen möglichst übereinstimmend zu den späteren Einsatzbedingungen gewählt werden. Für sehr kurze Kontaktzeiten, welche eine Zerstörung der Grenzschichten vorbeugt, ist es außerdem in Abhängigkeit von deren Wert möglich, eine Zunahme der zulässigen Fresstemperatur abzuschätzen. Die gültigen Normen stellen lediglich einen Zwischenstand der derzeitigen Forschung dar. Weiterführende Untersuchungen und hierauf aufbauende Methoden sind erforderlich, um die komplexen Zusammenhänge von hydrodynamischen, thermodynamischen und chemischen Vorgängen in der Berechnung der Fresstragfähigkeit zu berücksichtigen.

Das Berechnungsverfahren anhand der Blitztemperatur geht dabei auf die Untersuchungen Bloks [33] zurück. Das Integraltemperaturverfahren stellt eine Weiterentwicklung von Michaelis [26] dar, welches auf der Annahme basiert, dass ein mittleres, thermisches Energieniveau für das Versagen der schützenden Schmierfilme und Grenzschichten verantwortlich ist. Der Einbezug der Kontaktzeit, durch welche die temperaturabhängige Reaktionssgeschwindigkeit der chemischen Prozess in der Grenzschicht berücksichtigt wird, leitet sich von Collenbergs Kontaktzeit-Methode [17] ab. Hierdurch wird der beobachtete Wiederansteig der Fresslast-Geschwindigkeitskurve bei hohen Geschwindigkeiten berücksichtigt. Eine zusätzliche Weiterentwicklung stellt die Temperatur-Zeit-Methode nach Schlenk [32] dar, welche die erhöhte Fresstragfähigkeit aufgrund der gestiegenen Reaktionsfreudigkeit der Additive bei größeren Massentemperatur miteinbezieht. Für eine ausführliche Zusammenfassung der zitierten Normen und Veröffentlichungen bezüglich der Berechnung der Fresstragfähigkeit wird auf [58, 59] verwiesen.

Abb. 14
figure 14

Warmfressen bei Zahnrädern. a Querschliff [17], b Makroskopisches Schadensbild [58]

5 Fazit

Anschmierungen sind eine adhäsive Verschleißart, wozu auch die Schadensart Fressen – im englischen als Scuffing bezeichnet – zählt. Als Schäden entstehen Materialübertragungen, plastische Verformungen sowie Änderungen der Gefügestruktur an der Oberfläche. Hieraus resultiert Materialverlust, welcher zu einem veränderten Tragbild der Rollen und Ringe führt. Nachfolgend entstehen hohen Pressungen, welche durch die zyklische Belastung zu einer Ermüdung des Werkstoffs führen. Der zu Beginn vorgestellte Anschmiermechanismus lässt sich in die folgenden fünf Schritte unterteilen:

  1. 1.

    Betriebsbedingungen mit hohen Schlupfwerten

  2. 2.

    Schmierfilmzusammenbruch

  3. 3.

    Zerstörung schützender Grenzschichten

  4. 4.

    Bildung von Adhäsionsbrücken

  5. 5.

    Zerstörung der Adhäsionsbrücken: Materialab-, übertrag, plastische Deformation und thermische Gefügeänderungen

Anhand der Literaturrecherche zeigt sich, dass folgende Bedingungen Anschmierungen begünstigen:

  • hoher Schlupf

  • große Massenträgheit der Wälzkörper

  • vollrollige Rollenlager

  • mangelhafte Schmierung

  • ungünstiger oder verunreinigter Schmierstoff

  • Schiefstellung der Wälzkörper durch verkippte Lager oder Axialkraft

  • fehlender Einlauf

Trotz dieser Kenntnisse stellen sich die Vorhersage und Vermeidung von Anschmierungen als schwer dar, da vor allem Kinematik- und Kontaktverhältnisse im Lager nur mit großem Aufwand bestimmt werden können. Während der Schlupf optisch oder mit Messsystemen bestehend aus Spule und Magnet oder Hall-Sensoren gut zu erfassen ist, stellt sich vor allem die Bestimmung der Kontaktbedingungen aufgrund der vielen interagierenden Kräfte als messtechnische Herausforderung oder nicht möglich dar. Als vollumfassende Alternative bieten sich Mehrkörpersimulationen an. Allerdings stehen diese nicht kommerziell zur Verfügung. Darüber hinaus begrenzen die hohen Rechenzeiten die Möglichkeit, vollumfängliche Parameterstudien zu simulieren, um anschmierkritische Betriebsbedingungen zu identifzieren. Versuchsreihen zum Freitesten der Lager sind ebenfalls nicht sinnvoll, da hierzu ein äußerst hoher Versuchsaufwand erforderlich wäre, vor allem wenn aufgrund des Einlaufs für jede Betriebsbedingung neue Lager benötigt werden.

Dahingegen sollte die versuchstechnische Bestimmung schlupfkritischer Betriebesbedingungen mit moderater Versuchsanzahl möglich sein, da ein Einlaufen dieses kaum beeinflusst und zudem je Betriebsbedingung nur eine kurze Einschwing- und Messzeit erforderlich ist. Zudem wird anhand der Literaturrechereche bezüglich Schlupf in Zylinderrollenlagern in Kap. 3 ersichtlich, dass häufig qualitative Rückschlüsse zwischen Lagern unterschiedlicher Baugröße aber derselben Baureihe möglich sind. Hierdurch sollte eine Reduzierung des Versuchsaufwands realistisch sein, vor allem wenn die erkannten Lücken im Kinematikverhalten von Zylinderrollenlagern geschlossen werden. Hierbei handelt es sich vor allem um:

  • Kippen und Schränken

  • Axialkraft

  • kombiniert belastete Lager

  • vollrollige Lager

Zudem gibt es bezüglich der Entstehung von Anschmierungen weiterhin Parameter, deren Einfluss bisher nicht oder nur wenig untersucht wurde. Hierzu zählen vor allem der Kippwinkel der Wälzkörper, die Kontaktzeit, die Massen- und Öltemperatur sowie die Berücksichtigung von Reibmomenten während des Beschleunigungszyklus. Zusammen dienen diese als Erklärung, weshalb in den Modellversuchen an den 3‑Scheiben-Prüfständen ohne weitere Trägheitsmassen zylinderische Rollen erst ab Durchmesser ø 50 mm anschmieren, während dies in vollrolligen Lagern bereits mit deutlich kleineren Wälzkörpern beobachtbar ist [2, 4]. Durch weitere Modellversuche sollte es möglich sein, die Auswirkungen von Kippwinkeln, Kontaktzeiten sowie zusätzlichen Bremsmomenten bestimmen und diese hierdurch in möglichen Auslegungskriterien berücksichtigen zu können.

Bisher wurde mittels der in Kap. 2.2.6 vorgestellten Anschmier- und Fresskritieren versucht, die zum Anschmieren führenden Bedingungen als thermische Belastung des Kontakts in Form von Leistungs- oder Energiewerten auszudrücken. Das umfangreichste Kriterium stellt die energetische Belastung in Gl. 5 dar [11]. Als wesentliche Vereinfachung haben diese Kriterien gemeinsam, dass diese lediglich gemittelt über die Wälzkörperlänge berechnet werden. Hierdurch werden lokale Spannungsmaxima durch Profilierungen oder Verkippungen nicht berücksichtigt. Folglich wird auch die Kontaktzeit, die Schmierfilmhöhe und der Reibfaktor nicht über die Wälzkörperlänge oder Kontaktbreite aufgelöst. Dementsprechend stellen diese Anschmierparameter lediglich eine gemittelte Näherungslösung der gesuchten physikalischen Kenngrößen dar. Deshalb scheint es durchaus sinnvoll, durch die Anwendung geeigneter Berechnungsmodelle oder Kontaktsimulationen die bisher eingeführten Anschmierkennwerte auch als den Kontakt diskretisierende Lösung aufzusetzen. Als Vorbild hierfür dienen beispielsweise die Temperatursimulation in [5] oder die Berechnung einer der FPI ähnlichen Kenngröße zur Abschätzung der Neuhärtungsgefährdung in [15, 25].

Die Entstehung von Fressen (engl. Scuffing) wird ebenfalls als thermisches Phänomen angesehen und in einer Vielzahl an Veröffentlichungen in Form von Temperaturmodellen behandelt. Die hieraus gewonnenen Kenntnisse sowie zahlreiche weitere Forschungsarbeiten führen im Rahmen der Fresstragfähigkeitsauslegung von Zahnrädern zur Verwendung der Blitz- und Integraltemperaturverfahren. Anhand dieser Berechnungsvorschriften wird die Temperatur im Kontakt der auszulegenden Zahnräder berechnet und mit genormten Fress-Versuchen abgeglichen. Wie bei nahezu jeder Auslegung, beinhaltet auch die Fresstragfähigkeitsauslegung von Zahnrädern Abschätzungen und erforderliche Sicherheitsfaktoren. Zudem kann bisher vor allem das Verhalten additivierter Schmierstoffe nur unzureichend vorhergesagt werden. Dennoch stellt die hierbei angewandte Methodik anhand von Versuchen und Berechnungen ein positives Vorbild dar, welches durchaus Potential besitzt auch auf Wälzlager angewandt zu werden. Obwohl mittlerweile vor allem durch Kontaktsimulationen statt einfacher Näherungsgleichungen die Möglichkeit einer verbesserten Kontakttemperaturberechnung besteht, wurde nach heutigem Stand der Literatur kein Versuch unternommen, anhand dieser ein Anschmierkriterium zu entwickeln. Lediglich in [5] ist eine detaillierte Temperatursimulation von Anschmierbedingungen veröffentlicht, anhand welcher ein deutlicher Zusammenhang zwischen Erwärmung des Kontakts und Reduzierung der Schmierfilmhöhe im Kontakteingang zu erkennen ist.

Unabhgänig davon, ob ein auf der Kontakttemperatur oder auf physikalischen Formeln basierendes Anschmierkriterium zur Auslegung herangezogen wird, sind Versuche zur Festlegung der Anschmiergrenzen vor allem bei Änderung einer der nachfolgenden Parameter unumgänglich:

  • Wälzlager-Werkstoff

  • Schmierstoff: Schmierfilm- und Grenzschichtbildung

  • Massentemperatur: Reaktionsschichtbildung

  • Rauigkeit

Insofern keine Reduzierung des Schlupfs durch veränderte Betriebsbedingungen oder eine verbesserte Schmierung möglich sind, gelten Beschichtungen und hierunter Brünieren als bekannteste Abhilfe bei Anschmierungen. Diese bedeuten allerdings einen erheblichen wirtschaftlichen Mehraufwand. Darüber hinaus helfen eine Verringerung des Betriebsspiels sowie ein Einlaufzyklus. Letzteres stellt vor allem bei Wälzlagern in Produkten, welche über einen Serienprüfstand oder unter kontrollierbaren Bedingungen in Betrieb genommen werden, eine äußerst kostengünstige Alternative dar. Allerdings zeigen Modellversuche, dass nur mit einem Einlauf unter Schlupf der größtmöglichste Schutz erreichbar ist. Daher ist hierbei auch das Risiko gegeben, Anschmierungen zu erzeugen. Um das große Potential eines Einlaufs zugänglich zu machen, sind deshalb durchaus weitere Forschungsarbeiten sinnvoll, um die erforderlichen Bedingungen für einen möglichst kurzen und wirtschaftlichen aber dennoch effektiven Einlaufzyklus gewährleisten zu können.