ARD-Talker Frank Plasberg spricht über seinen Abschied vom TV
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ARD-Talker Frank Plasberg über seinen Abschied vom TV: „Der Abgang ziert die Kür“

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Letzte «hart aber fair» Sendung mit Frank Plasberg
Frank Plasberg moderiert am Montag zum letzten Mal „Hart aber fair“ © Henning Kaiser

Über 20 Jahre hat Frank Plasberg „Hart aber fair“ in der ARD moderiert, Politiker zum Schwitzen, „normale“ Menschen zum Reden und die Zuschauer zum Nachdenken gebracht. Damit ist nun Schluss. Am Montag, 14. November 2022, begrüßt er Gäste und Publikum zum letzten Mal. Vorher nahm er sich Zeit für ein Gespräch über die Gründe für seinen Abschied, die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt und das Abenteuer Nichtstun.

Herr Plasberg, „Hart und voll unfair“ war unsere Überschrift, als Sie bekannt gaben, dass Sie aufhören. Das war damals die Stimmung in der Redaktionskonferenz. Welche Reaktionen haben Sie bekommen? Die Nachricht war eine Überraschung.

Frank Plasberg: Ja, es war für viele eine Überraschung – und das ist doch das Beste, was man sich wünschen kann: dass die Überraschung gelingt. Die Reaktionen beim Sender waren zunächst Erstaunen, sogar so etwas wie Rührung. Dann aber auch viel Verständnis. Das war sehr schön.

War das bei Ihnen ein langer Entscheidungsprozess oder sind Sie morgens aufgewacht und haben gedacht: Jetzt ist Schluss?

Plasberg: Nein, wir haben im Oktober vergangenen Jahres angefangen, mit dem WDR, unserem Auftraggeber, zu reden. Den Plan, aufzuhören, hatte ich also schon länger. Ich wollte den richtigen Zeitpunkt finden. Ich habe in meinem Leben ein paar richtige Entscheidungen getroffen, aber meistens zu spät und dann aus einem Frust heraus. Sodass es eher ein Befreiungsschlag war. Ich wollte einmal etwas mit Plan und aus einer ehrlichen Lust heraus entscheiden. Das ist jetzt ganz gut gelungen. Sie sehen mich vor der letzten Sendung am Montag also, sagen wir, heiter-bewegt. Es gibt diesen schönen Spruch „Der Abgang ziert die Kür“, und ich kann mir im Moment nichts Besseres vorstellen.

Dass es der für Sie richtige Zeitpunkt ist, ist ein guter Grund. Aber das war es doch nicht nur.

Plasberg: Nein, das war es nicht nur, da haben Sie Recht. Ich habe mit 16 angefangen, als freier Mitarbeiter bei der „Bergischen Morgenpost“ in Wermelskirchen zu arbeiten. Ich wollte Journalist werden. Nicht, weil ich die Welt verändern wollte, sondern weil ich neugierig war und auch, weil ich etwas gesucht habe, wo ich wirken konnte.

Was heißt das für Sie: wirken können?

Plasberg: Na ja. Ich war immer der Jüngste in der Klasse, hatte nicht mal ein Mofa, als die anderen schon mit dem Motorrad durch die Gegend fuhren. Ich war schlecht in Sport. Aber Menschen wollen gesehen werden. Die einen weniger, die anderen mehr. Für mich war das jedenfalls ein Motiv – und als Lokalreporter wirst du gesehen. Aber jetzt bin ich 65. Die Geschichte ist für mich auserzählt.

Wenn man zu den wichtigsten Talkern des Landes gehört – und buchstäblich sehr viel gesehen wird –, gibt es vermutlich auch keine Herausforderung mehr, die einen beruflich noch reizen könnte, oder?

Plasberg: Was sollte das sein? Eine neue Sendung? Format-Entwicklung? Nee. Ich liebe Herausforderungen, aber meine ist jetzt: nichts zu machen. Einfach mal zu gucken, was mit mir passiert.

Haben Sie eine Ahnung?

Plasberg: Ich orientiere mich da an meinem Sohn, der ist jetzt elf. Wenn man dem das iPad wegnimmt oder die Playstation, fängt er mit seinen Jungs an, Verstecken zu spielen. Die holen das Lego noch mal raus und haben einen Riesenspaß. Aus einer ersten Langeweile entsteht irgendwann Kreativität. Und mit der Einstellung schaue ich jetzt auf mich. Das kann natürlich auch schiefgehen und in den Absturz führen.

Wenn man den Absturz einkalkuliert, passiert er ja meistens nicht.

Plasberg: Ja, vielleicht. Hinzu kommt: Ich habe nie nach dem Motto gelebt: Wenn ich in Rente bin, mache ich das und das. Ich habe mir die größten Wünsche schon erfüllt. Dazu gehört auch mein Sohn, den ich im späten Alter bekommen habe.

Das klingt alles gut. Ich habe mich nur gefragt, ob Ihr Entschluss, aufzuhören, auch damit zu tun hat, dass die Arbeit in und mit den Medien immer anstrengender wird. Überall Aufregung, überall Empörung, aufgeheizte, aggressive Stimmung.

Plasberg: Ich habe mich ehrlich gesagt schon vor langer Zeit dagegen immunisiert. Ich lese auch nicht mehr alle Wut- Einträge in unserem Online-Gästebuch, ebenso wenig verfolge ich jeden Twitter-Sturm. Wenn ich das alles lesen und noch dazu für repräsentativ für unsere Zuschauer nehmen würde, hätte ich mir einen anderen Job suchen müssen.

Fake-News sind in diesem Zusammenhang ein Riesenthema. Sie haben den Faktencheck quasi erfunden.

Plasberg: Ich habe das nie als Patent angemeldet. Aber ich kann Ihnen erzählen, wie das entstanden ist. Ulla Schmidt war Gesundheitsministerin und zu Gast in der Sendung. Ich weiß nicht mehr genau, worum es ging, aber ich bin sie hart angegangen – auf einer Faktenbasis, die allerdings seit acht Stunden nicht mehr stimmte. Wir hatten eine neue Entwicklung in der Sache einfach nicht mitbekommen. Ulla Schmidt konnte dann süffisant auftreten und sagen: „Ich weiß gar nicht, warum Sie sich so aufregen, Herr Plasberg, das ist doch alles längst schon geregelt.“ Das war ein sehr peinlicher Moment für mich. Anschließend haben wir den Faktencheck eingeführt. Für uns vor der Sendung und für die Gäste nach der Sendung. Heute ist es ein geflügeltes Wort. Ich freue mich immer, wenn bei Maybrit Illner jemand sagt: Da müssen Sie aber den Faktencheck machen. (Lacht.)

Seit 2001 sind Sie als Talkmaster im TV. Wie haben Sie sich in der Zeit verändert?

Plasberg: Weniger Haare ist als Antwort bisschen billig, oder?

Bisschen.

Plasberg: Ich will es nicht unbedingt Altersmilde nennen. Aber im Grunde ist es schon ein bisschen das.

In Bezug worauf?

Plasberg: Auf Politiker. Wenn ich mir anschaue, welche Opfer Menschen bringen, die in die Politik gehen. Sie engagieren sich und haben in Zeiten wie diesen dann doch ständig die Torte im Gesicht. Die Familien werden zum Teil angegangen. Die Bezahlung ist okay, aber in der Wirtschaft könnten viele mehr verdienen. Karl Lauterbach kann ohne Sicherheitspersonal nicht mal mehr zum Bäcker. Und dann müssen sich diese Menschen ständig anhören, was sie für Idioten und, Entschuldigung, Arschlöcher sind. Anstatt dass sie mal ein Danke kriegen, dass sie den Job machen. Kurzum: Mein Verständnis für Politiker ist in den Jahren gewachsen. Und diese Haltung wirkt sich manchmal in der Sendung aus. Da will ich einfach nicht mehr jeden billigen Punkt machen. Weil man aber als Journalist auch nicht zu verständnisvoll sein sollte, ist es auch in dieser Hinsicht ein guter Zeitpunkt, aufzuhören.

Die Sendung geht weiter mit Louis Klamroth als Moderator. Ihre Firma produziert weiterhin, entsprechend hatten Sie bei der Wahl Ihres Nachfolgers ein Wort mitzureden.

Plasberg: Mitzureden trifft es genau. Entscheider ist der WDR. Aber wir haben ihn zusammen ausgesucht.

Warum ist er der Richtige?

Plasberg: Ich wollte gerne einen Mann. Es gibt so viele Frauen in dem Bereich. Anne Will, Sandra Maischberger, Maybrit Illner.

Klamroth ist der Quotenmann? Das hat was!

Plasberg: Sozusagen. (Lacht.) Aber im Ernst: Er fand die Sendung immer schon toll, er konnte sie „lesen“, das hat uns beeindruckt. Er ist unfassbar cool, schnell im Kopf. Er ist besonders. Er hat Kante. Wir haben eine Probe-Sendung mit ihm gemacht. Und er kann das. Nun geht es am 9. Januar für ihn los.

Wird sich die Sendung an sich verändern?

Plasberg: Ich denke, dass es eine Diskussionssendung bleiben sollte, die Menschen ins Gespräch bringt, gerne auch konfrontativ. In einer Gesellschaft, die sich immer blockartiger gegenübersteht, ist eine Debattensendung nach wie vor wichtig.

Hat Ihre Frau Anne Gesthuysen eigentlich Angst, dass Sie ihr auf den Geist gehen? Davor fürchten sich ja viele Frauen, deren Männer frisch in Rente sind.

Plasberg: Pappa ante portas?

Ja genau, Plasberg ante portas!

Plasberg: Anders als viele Menschen glaubt meine Frau mir zumindest schon mal, dass ich das ernst meine mit dem „Abenteuer Nichts“. Die einzige Sorge, die sie hat, ist, dass ich anfange, an meinen Kochkünsten zu arbeiten und sie alles probieren muss und entsprechend gemästet wird.

Und was wird aus Brigitte Büscher, der Frau, die von Beginn an bei „Hart aber fair“ an Ihrer Seite ist?

Plasberg: Brigitte Büscher wird jedenfalls nicht der Witwen-Verbrennung anheimfallen. (Lacht.) Louis und Brigitte reden miteinander. Dabei wird Gutes herauskommen.

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