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Film Robert Rodriguez

„Alle meine Filme sind Komödien“

Chefkorrespondent Feuilleton
„Alita: Battle Angel“ – Manga-Verfilmung des Kult-Klassikers

Nach dem großen Krieg liegt die Welt in Trümmern. Müll, Ruinen, Schrott – mittendrin lebt der Mechaniker Dr. Dyson Ido. Eines Tages findet er Kopf und Torso eines zerstörten Cyborgs, baut die Maschine wieder zusammen und zieht sie wie eine Tochter auf.

Quelle: Twentieth Century Fox

Autoplay
Robert Rodriguez ist Hollywoods abgefahrenster Filmemacher. Sein neues Werk „Alita: Battle Angel“ hat er von einem großen Kollegen geerbt. Ein Gespräch darüber, wie man James Cameron wird.

Robert Rodriguez („Sin City“, „From Dusk till Dawn“) sitzt entspannt da, in T-Shirt und Baseballcap. Man könnte mit ihm sofort zu einem Footballspiel gehen oder einen Burger essen. Obwohl er „family-owned restaurants“ bevorzugt, wie er gleich erzählen wird. Die Unterhaltung läuft genauso locker, wie er aussieht und wie sich seine Filme anfühlen. Der neueste ist „Alita: Battle Angel“, ein 200 Millionen Dollar teurer Blockbuster, dessen Drehbuch Rodriguez von James Cameron geerbt hat.

WELT: Man kennt Sie von „From Dusk Till Dawn“ und „Sin City“ – düsteren, zynischen, stylishen Filmen. „Alita: Battle Angel“ sieht auch super aus, fühlt sich aber viel familienfreundlicher an, ein bisschen wie Steven Spielbergs „A.I.“ oder „Die Goonies“. Also irgendwie gar nicht wie ein Robert-Rodriguez-Film. Wissen Sie, was ich meine?

Robert Rodriguez: Na ja, ich habe das Skript auch von Jim Cameron geerbt. Wir sind seit Ewigkeiten befreundet, ich kenne ihn schon aus der Zeit vor „Desperado“ (1995). Wir verstehen uns blind, weil wir beide einen ähnlichen Hintergrund haben. Wir kommen beide aus Low-Budget-Welten, sind gewohnt, alles eigenhändig zu machen. Während er sich „Desperado“ anschaute, ließ er mich eines seiner Drehbücher lesen, das war „Avatar“ – zehn Jahre, bevor er ihn drehen würde! Dass er „Alita“ machen wollte, wusste ich auch schon seit dem Jahr 2000!

Vor ein paar Jahren saßen wir zusammen beim Lunch, und er erzählte, dass er jetzt „Avatar“ bis ans Ende seiner Karriere machen würde. Als Fan hat mich das enttäuscht; ich wollte schließlich „Battle Angel“ sehen. Da wartete ich doch schon so lange drauf. „Worum geht’s denn da bloß?“, fragte ich ihn. „Ich hab extra nie den Comic gelesen. Du willst das wirklich nie machen?“ Und er sagte: „Ich hab das Skript geschrieben und wollte loslegen, aber dann kam ‚Avatar‘ dazwischen. Willst du dir das vielleicht mal angucken?“ Und ich sagte: „Shit, klar, machst du Witze, ein verlorener Jim-Cameron-Film!“

Er hat mir dann das Artwork gezeigt und das Mädchen mit den Manga-Augen. „Wow“, dachte ich, „er hat eine fotorealistische Manga-Verfilmung geplant!“ Er macht immer etwas, das es noch nie gab. Er meinte: „Wenn du das Skript knacken kannst, gehört der Film dir.“ Ich dachte: „Verdammt, das ist er, der Heilige Gral.“ Ich schmiss dann 60 Seiten aus dem Skript, ich wusste, worauf es ihm wirklich ankam, war die Figurenentwicklung.

Die Leute glauben, es geht ihm immer nur um Action, dabei geht es in Wahrheit um die Figuren. Vater-Tochter-Beziehung, Liebesbeziehung, dass sie von einem Müllplatz kommt und denkt, sie wäre bedeutungslos, dann aber herausfindet, dass sie große Veränderung bewirken kann. Jim schaute sich das an und sagte: „Keine Ahnung, wie du das hingekriegt hast, du bist 60 Seiten losgeworden, lass uns loslegen.“ Und ich wollte es dann in seinem Stil machen. Ich wollte nicht einfach den nächsten Robert-Rodriguez-Film machen. Die mache ich sowieso die ganze Zeit. Alle meine Filme sind Komödien, sogar „From Dusk till Dawn“, der ja als Horrorfilm gilt.

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WELT: „Sin City“ ist auch eine Komödie?

Rodriguez: Klar, und ich war regelrecht gezwungen, das alles lustig zu machen. Das hätte sich sonst keiner ansehen können. Schon vom Transkribieren des Comics habe ich Albträume bekommen. Bei Jim war das alles anders. Mir reicht es völlig, wenn da ein Typ mit einem Gitarrenkoffer steht, aus dem Raketen fliegen. Die Leute im Kino gehen da mit, sie lassen sich einfach auf diese Fantasie ein. Jim nicht. Er sagt: „Wait a minute, wie soll das denn gehen? Wie feuert das Teil, wie lädt es, was für eine Mechanik steckt dahinter? Das holt mich aus dem Film raus, und ich hab dann keinen Spaß mehr daran. So geht das nicht.“

WELT: Und wie macht man also einen Jim-Cameron-Film?

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Rodriguez: Erst mal: kein Green Screen, sondern echte Sets, echte Schauspieler um sie herum. Wenn sie dasitzt und mit ihrem Vater spricht, sieht sie so echt aus wie die Dinge in ihrer Umgebung. Mich hat es regelrecht schockiert, als ich den fertigen Film das erste Mal gesehen habe. Dass sie in jeder einzelnen Szene ist und dabei menschlicher als ein Mensch aussieht, hat einen krassen akkumulativen Effekt. Du bist in einer anderen Welt. Es ist eine komplette Vision einer Zukunft. Und die zerbricht nicht, weil ich alle Skurrilitäten weglasse, die ich normalerweise benutzt hätte. Es fühlt sich an wie ein Jim-Cameron-Film. Ich nehme das überhaupt nicht persönlich, das war Teil des Jobs, und es hat Spaß gemacht.

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WELT: Reden wir über den Clash von Teenager-Romanze und extremer Gewalt. Wie haben Sie da eine Balance hinbekommen?

Rodriguez: Wir haben ein PG-13-Rating, es fließt kein Blut. Das ist wichtig dafür. Außerdem kann man wenig davon nachmachen, es spielt in einer Fantasiewelt, da kommt man mit wesentlich mehr durch.

WELT: Puh, ich denke an diese Spinnenfrau mit den Stahlklingen.

Rodriguez: Sie verletzt niemanden.

WELT: Aber sie könnte!

Rodriguez: Stimmt, jederzeit. Die Gefahr ist da. Die Idee war, sie mit diesen unschuldigen Augen eine dunkle Welt sehen zu lassen. Die Motorball-Sequenz hat einen tollen Twist. Alle sind hinter ihr her, um sie zu töten, und man kann sich nicht vorstellen, wie sie ihrem Schicksal entkommen soll. Der Comic ist übrigens viel brutaler.

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WELT: Wie autobiografisch ist der Film?

Rodriguez: Wie meinen Sie das?

WELT: Na ja, das Cyborg-Mädchen … Sie haben doch auch mal Ihren Körper verkauft, um einen Film zu machen.

US director, screenwriter, producer and composer Robert Rodrigues poses during a photocall as part of the 22nd edition of the "Festival international du film fantastique de Gerardmer", in Gerardmer, on January 29, 2015. The festival runs from January 28 to February 1, 2015. AFP PHOTO / JEAN-CHRISTOPHE VERHAEGEN (Photo credit should read JEAN-CHRISTOPHE VERHAEGEN/AFP/Getty Images)
"Ich habe immer Distanz zu Hollywood gehalten" – Robert Rodriguez
Quelle: AFP/Getty Images

Rodriguez: Ah, ja, richtig. „El Mariachi“, vor rund 25 Jahren. Ich habe damals ein Buch über die Entstehung gemacht, „Rebel Without A Crew“, sozusagen das Filmtagebuch. Für meinen Fernsehsender, den ich in Amerika habe, habe ich das jetzt noch mal als Serie aufleben lassen. Ich gebe fünf angehenden Filmemachern je 7000 Dollar – so viel hatte ich damals zur Verfügung. Ich leite sie an, und sie drehen in 14 Tagen ganz allein einen normal langen Spielfilm. Danach haben sie noch anderthalb Monate, um ihn für die Festivals in Form zu bringen. Aber der Dreh dauert nur 14 Tage. Ich bringe ihnen in dieser kurzen Zeit bei zu schreiben, drehen, schneiden, beleuchten, komponieren. Währenddessen drehe ich auch einen Film unter den gleichen Bedingungen, und sie dokumentieren mich. Er handelt von einem Typen, quasi mir damals, der in ein Krankenhaus geht und für 7000 Dollar an medizinischen Experimenten teilnimmt. Die ganze Atmosphäre ist seltsam, er weiß nicht, ob sie ihn killen wollen oder ob das Nebenwirkungen von den Drogen sind. Es verwandelt sich also in einen Thriller, was mir Gelegenheit für allerlei Kameratricks gibt, die ich den Kids beibringen kann. Erst sieht man den Film und dann, wie ich ihn gemacht habe.

WELT: Sprechen wir über Christoph Waltz. Kann es sein, dass er mehr und mehr zum Liebling von den, sagen wir mal, spezielleren Filmemachern in Hollywood wird?

Rodriguez: Haha, kann sein. Ich meine, ich hab den Typen nicht erfunden. Er hat in „Inglourious Basterds“ diesen wirklich miesen Nazi gespielt. Aber in „Django“ wurde auch klar, dass er sehr väterlich sein kann. So wusste ich, dass man ihn nicht nur für Schurkenrollen besetzen kann. Er ist enorm wandelbar, ein richtiges Radiergummi. Sobald er eine Rolle hinter sich lässt, verschwindet sie, man kann ihn sich sofort als jemand anderes vorstellen. Wir saßen drei Stunden lang zusammen, haben über unsere Töchter geredet, darüber, Vater zu sein. Er war warmherzig und toll. Er war meine erste und einzige Wahl für die Rolle. Es ist einzigartig, wie er mit Worten umgeht. Er klingt sehr schlau, prononciert detailliert. In Camerons Skript gibt es jede Menge technischen Kram: „Das ist ein Berserkerkörper, der kann dies und das.“ Wenn Christoph das sagt, glaubt man jedes Wort. Toller Schauspieler.

WELT: Interessieren Sie sich eigentlich fürs europäische Kino?

Rodriguez: Klar. Ich habe immer Distanz zu Hollywood gehalten. Ich glaube, wir stecken gerade in einem großen Demokratisierungsprozess. Von einigen der Filme, die Sie erwähnt haben, wusste ich gar nicht, dass es europäische Filme waren. Heute ist es egal, ob Sie ein europäischer Filmemacher sind, der in den Staaten arbeitet, oder ob der ganze Film woanders gemacht wurde, solange die Qualität stimmt. Früher hieß es: „Das ist ein ausländischer Film“, und er bekam nur ganz bestimmte Verleiher. Das ist heute anders. Die Grenzen verschwinden. Wenn ein Film fantastisch ist, bekommt er, was ihm gebührt.

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WELT: Hollywood scheint immer noch ziemlich auf dem Marvel- und Blockbuster-Trip. Alles, was keine Hunderte von Millionen Dollar kostet, wird kaum ernst genommen.

Rodriguez: Tja, früher bin ich zu den Studios gegangen und habe gesagt, ich bin in der Lage, einen Film günstig zu drehen, für 30, 40 Millionen. Da haben sie gesagt: „Wow, super!“ Heute hält sich die Begeisterung in Grenzen, sie brauchen eh 100 Millionen fürs Marketing. Deshalb vermarkten sie dann lieber einen fetteren Film. Die Konkurrenz ist so groß geworden, mit Streaming und Bezahlsendern. Heute guckt doch keiner mehr normales Fernsehen. Du musst überall werben. Das ist teuer.

WELT: Ein Film, für den Sie definitiv kein Marketing brauchen, ist der, der erst in 100 Jahren herauskommen wird.

Rodriguez: Haha, stimmt. Sie wissen aber schon, dass es selbst eine Werbung ist, oder? Für Louis XIII, den Cognac. Das Zeug ist so teuer, weil es 100 Jahre lagert und reift, bevor sie es verkaufen. Die Idee war, das mit anderen Kunstformen zu vergleichen, indem Robert Rodriguez und John Malkovich einen Kurzfilm schreiben und drehen und ihn dann für 100 Jahre wegsperren. Wir haben auch eine Werbung gedreht, aber der Kurzfilm, ein sehr seelenvoller Zehnminüter, der sich mit meinen besten Arbeiten messen kann (lacht), wurde eingeschlossen. Er ist echt super, John hat ihn geschrieben!

Ich hatte das erst falsch verstanden und dachte, dass der kommerzielle Teil, die kurze Werbung, weggeschlossen werden würde, aber so war es nicht, es ging um den Kurzfilm. Sie haben uns Tickets und eine Medaille gegeben, für unsere Nachfahren, die sich in 100 Jahren die Premiere anschauen dürfen, um zu beweisen, dass einige Sachen das Warten wert sind. Ich habe allerdings einen Rohschnitt davon. Der Junge aus „Alita“ war besessen davon, er wollte ihn unbedingt sehen. Ich habe ihn aufgezogen und gesagt: „Eines Tages machen wir eine Party, da zeige ich ihn.“ Aber ehrlich gesagt macht es so viel Spaß, die Leute damit zu triezen, ich glaube, ich behalte ihn für mich.

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