„Es geht nur mit den Unternehmen“ Deutsche 6G-Forschung im engen Schulterschluss mit der Industrie
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Das Bundesforschungsministerium hat 2021 eine 6G-Initiative gestartet. Die geförderten Forschungs- und Entwicklungsarbeiten zum kommenden Mobilfunkstandard mit einem Gesamtbudget von bis zu 700 Millionen Euro erfolgen im engen Schulterschluss mit der Industrie – von Großkonzernen bis zu Start-ups.
In der Forschungsförderung werden oft und gerne Akronyme verwendet. Auch bei der Erforschung des kommenden sechsten Mobilfunkstandards gibt es sie: 6G-ANNA, 6G-Health, 6G-ICAS4Mobility, 6G NeXt, 6G-TERAKOM oder 6G-TakeOff. Dass sich hinter diesen kurzen Projekttiteln große Forschungsanstrengungen verbergen, an denen vielfach maßgebliche Unternehmen ihres jeweiligen Wirtschaftssektors auch federführend beteiligt sind, ist dagegen zumeist weniger bekannt.
„Nokia agiert beispielsweise als Koordinator des Leuchtturmprojekts 6G-ANNA, die Deutsche Telekom AG ist Konsortialführer bei 6G NeXt und Vodafone leitet 6G Health“, listet der Gesamtkoordinator der deutschen 6G-Initiative, Prof. Dr.-Ing. Hans D. Schotten, nur drei der involvierten Großunternehmen auf. Airbus, Bosch, Ericsson und Infineon sind, verteilt über alle Projekte hinweg, genauso beteiligt wie kleine und mittlere deutsche Unternehmen.
Die 6G-Initiative bindet aber nicht nur thematisch führende Unternehmen in die Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen ein. Die Forschungshubs der Initiative, die aus exzellenten Hochschulen und Forschungseinrichtungen bestehen, unterstützen auch bei der Gründung von Start-ups. „Alle 6G-Forschungshubs verfolgen Strategien zur Gründung, Entwicklung und Einbindung von Start-ups. Die zielgerichtete Ausgründung von forschungsintensiven Themen wird bei uns nicht nur auf dem Papier angestrebt. Wir praktizieren dies auch“, erklärt Prof. Dr. Frank Fitzek, der dem Forschungshub 6G-life vorsteht. „Noch sind die 6G-life zuzurechnenden Start-ups wie beispielsweise HydraByte, Qucombit oder Ecologic Computing relativ unbekannt. Ich bin fest überzeugt, dass sich das in Zukunft ändern wird“, prognostiziert Prof. Fitzek.
Auch das Bundesforschungsministerium ist überzeugt, dass die Start-up-Strategie der Bundesregierung durch die Ausgründung von forschungsintensiven Themen aus der Wissenschaft befeuert werden sollte. „Wir wollen ein eigenes 6G-Ökosystem in Deutschland schaffen. Dies kann nicht nur aus Forschungsinstituten und etablierten Unternehmen erwachsen. Hierfür braucht es auch Ausgründungen“, ist sich Mario Brandenburg sicher. Mario Brandenburg ist Parlamentarischer Staatsekretär und Beauftragter für Transfer und Ausgründungen aus der Wissenschaft im Bundesforschungsministerium. Er ergänzt: „Ein führender Innovationsstandort wie Deutschland braucht eine starke Vernetzung von Forschung, Wirtschaft und Gesellschaft. Die Forschung in unserem Land ist exzellent, doch der Transfer in die Anwendung ist noch ausbaufähig. Genau hier setzen wir an.“
Marktbeobachter erwarten, dass 6G-Technologien Ende dieses Jahrzehnts bereits weiträumig vermarktet werden. Mit 6G werden lokale Datenraten von mehr als 100 Gigabit/s bis zu ein Terabit/s möglich sein. Die Verzögerung der Datenübertragung liegt bei 6G voraussichtlich unter eine Millisekunde und damit wird der sechste Mobilfunkstandard rund hundertmal schneller als sein Vorgänger 5G sein. „Ergänzt man solch ein leistungsfähiges Netz um Sensorik, die ihre Umgebung abtasten darf, werden gänzlich neue Anwendungen möglich. Erst mit 6G wird es beispielsweise gelingen, den gesamten Maschinenpark einer Fabrikhalle in Echtzeit abzubilden und faktisch von einem anderen Ort aus zu steuern. Dies wird ohne Zweifel vielfältige Auswirkungen und Möglichkeiten nach sich ziehen“, prognostiziert der Koordinator der 6G-Initiative, Prof. Schotten.
So nimmt auch die Ressourcen- und Energiesparsamkeit bei der Erforschung und Entwicklung von 6G eine zentrale Rolle ein: "6G steht vor einer großen Herausforderung: Eine Flut von Daten trifft auf Energieeffizienz. Ohne eine radikale Senkung des Energieverbrauchs pro Bit droht das zukünftige 6G-Netz wichtige Nachhaltigkeitsziele zu untergraben. Effizientere Technologien sind unerlässlich, um nicht nur einen massiven Anstieg des Energieverbrauchs, sondern auch ein deutliches Überschreiten der ökologischen Grenzen zu verhindern“, prophezeit Prof. Dr.-Ing. Slawomir Stanczak, der den Forschungshub 6G-RIC leitet. 6G-RIC erforscht die wissenschaftlich-technischen Grundlagen für die nächste Generation der Mobilfunknetze über alle Technologieebenen. Bei 6G werden die zu übertragenden Datenmengen aus vielen Gründen rasant zunehmen. Aktuell erwarten Marktbeobachter per se einen jährlichen Anstieg der Datenmenge um rund 30 Prozent. Die Leistungsparameter von 6G lassen einen noch immenseren Anstieg der Datenmenge erwarten „Nachhaltigkeit und Energieeffizienz gehören zum Pflichtprogramm jedes 6G-Forschungshubs. Erfolge in diesen Bereichen sind zukünftig ein wichtiger wirtschaftlicher Wettbewerbsvorteil“, bestätigt auch der Parlamentarische Staatssekretär Mario Brandenburg.
Wieso engagieren sich Unternehmen oder Start-ups an den 6G-Forschungsprojekten?
„Für Nokia ist eine Führungsrolle im zukünftigen 6G Mobilfunkstandard von strategischem Interesse. Daher engagiert sich Nokia in fünf national vom Bundesforschungsministerium geförderten 6G Projekten und leitet hiervon drei. Darunter befindet sich das Leuchtturmprojekt 6G-ANNA, welches aufgrund der vielfältigen Partner aus verschiedenen Bereichen und deren unterschiedlichen Anforderungen an 6G eine Vorreiterrolle einnimmt, um deutsche und europäische Interessen in einer Zukunftstechnologie zu verankern und diese mitzugestalten. Dies wäre ohne die nationale Förderung durch das Bundesforschungsministerium nicht möglich. Nokia als globaler Akteur wird hier den Brückenschlag zwischen den diversen Aktivitäten proaktiv vorantreiben.“ – Peter Merz, Vice President, Head of Nokia Standards.
„Die aktive Gestaltung des Kommunikationsstandards 6G hat für die Deutsche Telekom einen hohen Stellenwert. Wir beschäftigen uns mit der Erforschung und Prüfung von Konzepten zur 6G-Netzarchitektur bereits in einer sehr frühen Phase. Dabei berücksichtigen wir alle Aspekte für die zukünftige Standardisierung. Das erfordert auch die Mitarbeit weiterer Partner wie Startups oder mittelständischer Unternehmen aus unterschiedlichsten Branchen. Durch unsere aktuellen Aktivitäten im Projekt 6G-TakeOff bringen wir Partner aus Luft- und Raumfahrtindustrie und Telekommunikation zusammen, um bedarfsgerechte Konzepte zu entwickeln und damit die Grundlage für die sechste Generation des Mobilfunks zu schaffen.“ – Alex Jinsung Choi, Leiter der T-Labs der Deutschen Telekom.
„5G und zukünftig auch 6G Mobilfunk hält Einzug in Unternehmen. Die Möglichkeit ein eigenes Mobilfunknetz in der Produktionsstätte oder dem Klinik-Campus einzusetzen, lohnt sich schon heute, um innovative Anwendungen in bestehende Strukturen zu integrieren. Immer dort, wo zuverlässige Drahtloskommunikation benötigt wird, führt kein Weg an Mobilfunk vorbei. Zusammen mit den Forschungsplattformen bereiten wir dafür die Technologietrends von Morgen in Co-Innovation vor. Standards von morgen bereits heute auszuprobieren und gemeinsame Lösungsansätze für zukunftsfähige Produkte und Dienstleistungen zu erarbeiten, ist von besonderem Wert für uns als junges Unternehmen.“ – Dipl.-Wi.-Ing. Thomas Höschele, Geschäftsführer, CampusGenius GmbH.
„Wenn wir nicht im großen Stil an der Verbesserung und Nachhaltigkeit unsere Kommunikationsnetze arbeiten, droht unsere Infrastruktur dem Konnektivitätsbedarf nicht mehr gerecht zu werden. Das ist nicht nur eine Frage der Abdeckung und Datenrate, sondern auch der Effizienz. Viele Methoden der fünften Mobilfunkgeneration sind nahe am Limit des physikalisch Möglichen. Daher brauchen wir disruptive Innovation, die uns neue Dimensionen der weiteren Skalierung eröffnet. Zum einen sind hier alternative Rechenplattformen zu nennen, die Kommunikation energieeffizienter gestalten. Zum anderen geht es um die Effizienz der Kommunikation selbst, sprich, wieviel Nutzen wir aus jedem übertragenen Bit herauskitzeln können.“ – Caspar von Lengerke, Co-Founder und Geschäftsführer bei Ecologic-Computing GmbH, Dresden.
Beim Thema 6G nimmt das Bundesforschungsministerium seine Rolle als Impulsgeber aktiv wahr: schlagkräftige Verbünde und innovative Netzwerke sind gebildet worden und Werte wie Datenschutz und Nachhaltigkeit wurden tief in der 6G-Entwicklung verankert. Mit Blick auf die anstehende Standardisierung von 6G gilt es nun, auch weiterhin gute Voraussetzungen zu schaffen. Dafür, dass Forschungsergebnisse schnell in gesellschaftsrelevante Anwendungen überführt und, dass wissenschaftlicher Nachwuchs und Fachkräfte für die Weiterentwicklung und Beherrschung von Schlüsseltechnologien gewonnen werden.
In den nächsten fünf Jahren wird sich zeigen, ob sich die Erwartungen von Forschung, Wirtschaft und Staat erfüllen werden. „Heute ist entscheidend, wer mit wem und wie zusammen forscht und arbeitet. Ich denke, Forschungsziele wie 6G, um die ein weltweiter Wettbewerb besteht, kann man nur mit den passenden engagierten Unternehmen erreichen. Wir brauchen sowohl die großen Netzausrüster und -betreiber sowie die kleineren, innovativen Unternehmen mit disruptivem Potenzial“, ist sich Mario Brandenburg sicher.
Alle Informationen über laufende und kommende 6G-Forschungs- bzw. Förderaufträge werden vom BMBF quartalsweise über den Newsletter Vernetzung und Sicherheit digitaler Systeme oder die Webseite „Vernetzung und Sicherheit digitaler Systeme“ des BMBF zur Verfügung gestellt.
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