Heinrich Hertz (I) und die elektromagnetischen Wellen
Heinrich Hertz: Entdecker der elektromagnetischen Wellen (I)
Ein Aufsatz von Dipl.Ing. Joachim Kniestedt, Bonn - Abdruck mit freundl. Genehmigung des Verfassers und der
Redaktion der "Telekom Unterrichtsblätter" - Fotos + Grafiken: Dipl.Ing J. Kniestedt

Am Neujahrstag 1894 starb der große Physiker Heinrich Hertz in Bonn, wenige Wochen vor Vollendung seines 37. Lebensjahres. Ihm gelang es, in den Jahren 1887/1888 die elektromagnetischen Wellen zu entdecken und sie bei seinen Versuchen an der Technischen Hochschule Karlsruhe auszusenden und zu empfangen.
Nach dem Tod von Hertz würdigte sein Lehrer, großer Förderer und naher Freund, Hermann von Helmholtz, die Persönlichkeit und das Werk des großen Gelehrten mit den Worten: �Hertz hat sich durch seine Entdeckung einen bleibenden Ruhm in der Wissenschaft gesichert. Ihm selbst war es nur um der Wahrheit zu tun, die er mit äußerstem Ernst und mit aller Anstrengung verfolgte, nie machte sich die geringste Spur von Ruhmessucht oder persönlichem Interesse bei ihm geltend.�  Hier wird beschrieben wie es zu der Entdeckung der elektromagnetischen Wellen gekommen ist.

Bild 1: Heinrich Hertz

1. Faraday und Maxwell schufen die theoretischen Grundlagen für die Entdeckung der Wellen
Was wusste man zu Beginn des vorigen Jahrhunderts von der Elektrizität und dem Magnetismus? Dass beide Kräfte zusammenwirken, entdeckte der dänische Physiker Hans Christian Oerstedt (1777-1851) im Jahre 1820. Er stellte fest, dass sich in der Nähe eines von Elektrizität durchflossenen Drahtes ein Magnetfeld bildet. Die Stärke des Magnetfeldes hängt von der Stärke der Elektrizität ab. Er hatte damit den Elektromagnetismus entdeckt.

Der Engländer Michael Faraday (1791 -1867) hatte sich in wenigen Jahren vom Buchbinderlehrling ohne Studium zum bedeutenden Wissenschaftler seines Landes emporgearbeitet. Schon mit 23 Jahren führte er selbständige wissenschaftliche Versuche mit der Elektrizität durch. Er stellte sich dabei die Frage, wenn ein elektrischer Strom um sich ein Magnetfeld erzeugt, müsste umgekehrt ein Magnetfeld in einem Draht, der sich in dem Magnetfeld befindet, auch einen elektrischen Strom hervorrufen. Aber bei mehreren Versuchen mit einem konstanten Magnetfeld konnte er einen solchen Strom nicht feststellen. Durch Zufall bemerkte er, dass beim Verändern des Magnetfeldes, das auf den Draht wirkte, doch ein elektrischer Strom floss. Er hatte damit die elektromagnetische Induktion entdeckt und einen ersten Weg gewiesen, wie man elektrischen Strom erzeugen könnte.
Aus seiner Entdeckung entwickelte Faraday in den Jahren 1836/ 1837 die Theorie des elektrischen und magnetischen Feldes. Er nahm an, dass - ähnlich wie sich um die Pole eines Magneten ein Magnetfeld bildet - um elektrische Ladungen, zum Beispiel zwischen Platten eines Kondensators, ein elektrisches Feld entstehen müsste. Auch in Nichtleitern, insbesondere im Äther, müsste das Feld vorhanden sein und dort magnetische Wirkungen hervorrufen, die sich durch den Raum fortpflanzen. Die damaligen Wissenschaftler vermochten dieser umwälzenden Theorie des Hindurchwirkens der elektrischen und magnetischen Kräfte durch den Raum nicht zu folgen. Da Faraday wenig mit der höheren Mathematik vertraut war, konnte er seine Theorie nicht durch Gleichungen darstellen und damit beweisen.

Das gelang erst 30 Jahre später dem schottischen Mathematiker und Physiker James Clerk Maxwell (1831-1879). Er entwickelte in den Jahren 1864/1865 seine bedeutenden Differentialgleichungen über das Zusammenwirken des elektrischen und magnetischen Feldes sowie die dadurch im Äther hervorgerufenen Erscheinungen. Rein aus den Gleichungen erkannte er, dass jedes sich ändernde Magnetfeld ein elektrisches Feld erzeugen und umgekehrt jedes sich ändernde elektrische Feld ein Magnetfeld hervorrufen müsste. Das elektro- magnetische Feld würde sich dadurch wellenartig wie das Licht und mit derselben Geschwindigkeit ausbreiten.
Maxwell hatte mit seinen mathematischen Gleichungen die Theorie von Faraday bestätigt und behauptet, dass es die elektromagnetischen Wellen tatsächlich geben müsse. Maxwell hat es nicht mehr erlebt, als es 22 Jahre später Hertz gelang, die Wellen zu entdecken und nachzuweisen, dass sie sich wie das Licht wellenartig ausbreiten.


Bild 2 : Überblick über den zeitlichen Ablauf bei der Entdeckung der elektromagnetischen Wellen.

2. Schulzeit und Studienjahre von Hertz
Heinrich Rudolf Hertz wurde am 22. Februar 1857 als erster Sohn des Rechtsanwalts und späteren Justizsenators Gustav Ferdinand Hertz in Hamburg geboren. Der junge Heinrich zeichnete sich in der Privatschule, die er besuchte, durch eine ungewöhnliche Begabung für Mathematik und Naturwissenschaften aus. Mit 18 Jahren legte er die Abiturprüfung in der Gelehrtenschule des Hamburger Johanneums ab. In Mathematik erreichte er die Note "sehr gut". Bemerkenswert ist, dass damals noch elf von 25 Prüflingen die Abiturprüfung nicht bestanden.
Trotz der ausgezeichneten Note in Mathematik begann Hertz zuerst ein Studium der mehr auf die technische Anwendung ausgerichteten Ingenieurwissenschaften. Nach einem Semester leistete er seinen einjährigen Militärdienst ab. Er bestand die Abschlussprüfung für eine spätere Berufung als Reserveoffizier, obwohl damals die Hälfte der Bewerber durchfiel. Als er danach das Studium in München wieder aufnehmen und Vorlesungen auswählen wollte, erkannte er, dass Mathematik und Naturwissenschaften eher seinen Neigungen entsprachen. Aber vor dem Wechsel des Studienfaches und dem Obergang zur Universität bat er seinen Vater um Zustimmung dazu. Das war damals noch üblich. Sein verständnisvoller Vater erlaubte den Studienwechsel.
Nach einem Jahr Studium an der Universität München reiste Hertz im Herbst 1878 nach Berlin, um dort sein Studium bei so berühmten Gelehrten wie Hermann von Helmholtz (1821-1894) und Robert Kirchhoff (1824-1887) fortzusetzen. Besonders von Helmholtz erkannte sehr bald die ungewöhnliche Begabung von Hertz und beschloss, ihn behutsam an die wissenschaftlichen Arbeiten heranzuführen. So erhielt Hertz bald den Auftrag, eine wissenschaftliche Preisaufgabe zu lösen. Er sollte untersuchen ob die Elektrizität, die sich in einem Draht bewegt, eine nachweisliche Masse und damit Trägheit besitzt. Hertz löste die Aufgabe mit sorgfältigen Untersuchungen und erhielt die Preismedaille. Man bewertete seine Arbeit weit höher, als er es erwartet hatte.

3. Mit 23 Jahren Doktor der Philosophie
Bereits am Ende des zweiten Studienjahres begann Hertz mit Versuchsreihen für seine Doktor-Dissertation. Er hatte das Thema "Über die Induktion in rotierenden Kugeln" gewählt. Die Versuche dauerten nur wenige Wochen. Kurz darauf legte er das Examen ab. Er bestand es mit der damals in Berlin seltenen Note "mit großem Lob� (magna cum laude). Hertz war gerade erst 23 Jahre alt geworden, als man ihm im März 1880 das Doktor-Diplom der Philosophie aushändigte. Auf den "Berliner Doktor��, der allgemein einen heiligen Respekt auslöste, war er stolz.

4. Entdeckung der Wellen in den Jahren 1887/1888
Nach dieser Ehrung dachte Hertz zunächst daran, in seinem Beruf weiterzukommen und eine Professur zu erhalten. Dass er sich trotzdem bald mit den Theorien von Faraday und Maxwell beschäftigte, ist seinem Förderer von Helmholtz zu verdanken. Er war ein begeisterter Anhänger dieser Theorien und bemühte sich, Hertz dafür zu gewinnen, durch Versuche herauszufinden, ob es die von Maxwell vorausgesagten Wellen tatsächlich gibt.
Nach zweijähriger Dozententätigkeit in Kiel erhielt Hertz im Jahre 1883 die Berufung als ordentlicher Professor für Experimentalphysik an dem Karlsruher Politechnikum. Noch im selben Jahr wurde diese Lehrstätte in den Rang einer Technischen Hochschule erhoben. In der mathematisch-physikalischen Fakultät konnte sich Hertz endlich den Forschungen widmen, zu denen ihn von Helmholtz angeregt hatte.
Schon die ersten Versuche mit elektrischen Entladungen führten zu einer Entdeckung. Es war bekannt, dass elektrische Schwingungen entstehen, wenn solche Entladungen über eine Spule (Induktivität) geleitet werden. Unterbricht man die Spule, so bilden sich dort Funken aus. Hertz wollte die Funken an der Unterbrechungsstelle näher untersuchen. Durch Zufall bemerkte er, dass an einer zweiten, ebenfalls unterbrochenen Spule auch winzige Funken übersprangen. Diese Spule war aber nicht mit dem Stromkreis der Entladungen verbunden. Hertz schloss daraus, dass von der Funkenstrecke der ersten Spule elektrische Schwingungen oder Strahlungen ausgegangen sein mussten, die durch den Raum in der zweiten Spule die winzigen Funken ausgelöst hatten. Ob es Hertz bewusst war, dass er damit die elektromagnetischen Wellen, die die Schwingungen zur zweiten Spule übertrugen, schon entdeckt hatte?
Hertz wollte die Übertragung der Schwingungen durch den Raum und die dadurch ausgelösten Funken näher untersuchen. Zur besseren Beobachtung der Funken benutzte er statt der Spule nur einen Drahtring, der an einer Stelle unterbrochen war. Wenn Hertz den Ring, den er als Resonator bezeichnete, in unmittelbarer Nähe der Entladungsfunkenstrecke hielt, sprangen an der Unterbrechungsstelle winzige Funken über. Um sie überhaupt erkennen zu können, brachte er an dieser Funkenstrecke ein kleines Mikroskop an und dunkelte den Raum für die Versuche ab. Auch wenn der Resonator weiter von der Entladungsfunkenstrecke entfernt wurde, rissen die kaum wahrnehmbaren Funken nicht ab.
Die Bezeichnung "Resonator" erinnert daran, dass Hertz die Erscheinung der Resonanz zwischen zwei Schwingungskreisen als erster entdeckt hat. Von den Funken, die Hertz beobachtete, wurden später die Begriffe "Funktechnik" und "Rundfunk' abgeleitet. Man verwendet sie noch heute, obwohl Funken seit langem nicht mehr benötigt werden, um Schwingungen und Wellen zu erzeugen.
Zur weiteren Untersuchung der Ausbreitung der elektrischen Schwingungen baute sich Hertz einen einfachen, aber stärkeren "Sender" für die Erzeugung der Schwingungen. 

Bild 3

Er bestand aus zwei gestreckten Drähten mit der Funkenstrecke in der Mitte und Metallkugeln an den Enden als Kapazität (Bild 3). 


 

Kondensatorkreis (Oszillator)
 
 

Kodensatorkreis aufgebogen
 
 

Grosser Oszillator gestreckt.
 

Grosser Oszillator für 9 m Wellenlänge
 

Dipol, nur aus Drahtenden mit Funkenstrecke

Dipol für 60 cm Wellenllänge mit Parabol-Reflektor

Den Sender bezeichnete Hertz als "Großen Oszillator�. Damit hatte er aus dem geschlossenen Stromkreis mit Induktivität und Kapazität, in dem elektrische Schwingungen auftreten, einen offenen Stromkreis gemacht. 
 

Das war die Grundform des Zweipols oder Dipols, für den man später die Bezeichnung "Hertzscher Dipol" eingeführt hat (Bild 4).
 

Die von der Funkenstrecke des Dipols in den Raum ausgestrahlten elektrischen Schwingungen konnte Hertz mit dem Resonator noch in 10 m Entfernung nachweisen.

Durch Einstellung der Funkenstrecke am Resonator mit einer Mikrometerschraube 
(Bild 5) und Beobachtung durch das Mikroskop waren die Veränderungen in der Stärke des Funkens in Abhängigkeit von der Entfernung vom Sendedipol sogar messbar.

Bild 5
Die von Hertz benutzte Funkenstrecke mit Mikrometerschraube am Resonator.

Aus den Messwerten war eindeutig die wellenartige Eigenschaft der Ausbreitung der elektromagnetischen Kräfte von der Funkenstrecke zu erkennen. Damit hatte er den Nachweis erbracht, dass es die von Maxwell vorausgesagten elektromagnetischen Wellen tatsächlich gibt.

5. Reflexion der Wellen
Bei den langen und mühseligen Versuchen in dem abgedunkelten kleinen Laborraum erkannte Hertz, dass die Wellen von der in Ausbreitungsrichtung liegenden Wand reflektiert wurden. Um die Reflexion deutlicher zu erkennen und störende Einflüsse zu vermeiden, ließ er in einem größeren Laborraum zur besseren Reflexion große Zinkplatten an der Wand anbringen und die störenden Gaskronleuchter einschließlich Zuführungsrohre entfernen. So konnte er schließlich durch zahlreiche Messungen feststellen, dass sich die reflektierten Wellen den ausgesendeten Wellen überlagerten und so stehende Wellen entstanden. Die Erscheinung ist von den Schallwellen her allgemein bekannt. Durch die Überlagerung der Wellen waren ihre Maxima oder Höchstwerte stärker ausgeprägt. Aus deren Abständen konnte Hertz sogar die Wellenlänge ermitteln, die etwa 9 m betrug. Die Ausbreitung der Wellen im freien Raum verglich Hertz dann mit der Fortpflanzung der Wellen an einem aufgespannten Draht. Daraus erkannte er, dass die Ausbreitungsgeschwindigkeit dieselbe ist und etwa der Lichtgeschwindigkeit entspricht.

6. Bündelung der Wellen durch Parabol-Reflektoren
Mit dem Nachweis, dass die Wellen wie Licht reflektiert werden, begnügte sich Hertz nicht. Er wollte auch untersuchen, ob man die Wellen ebenso wie Licht bündeln konnte. Er baute sich für die Versuche zwei zylindrische Parabol-Reflektoren mit einer stützenden Holzkonstruktion. In dem einen der 2 m hohen Reflektoren mit 1,5 m Öffnungsbreite brachte er den Sendedipol (Bild 6) und in dem anderen Reflektor den Empfangsdipol an. 
Beide Dipole hatte er nach vorheriger Berechnung entsprechend der Reflektorgröße verkleinert. So gelang es ihm, Wellen von etwa 60 cm Länge zu erzeugen und zu bündeln. Dadurch war die Reichweite größer. Sie betrug 16 m. Da außerhalb des Strahls zwischen Sender

und Empfänger keine Wellen mehr feststellbar waren, hatte Hertz mit dem Versuch bewiesen, dass sich die elektromagnetischen Wellen wie Licht bündeln lassen. Dieser Versuchsaufbau von Hertz kann als erste, wenn auch sehr kurze Richtfunkverbindung bezeichnet werden.

Bild 6: Von Hertz benutzter Sendedipol im Parabolreflektor für die Wellenlänge 60 cm.

7. Beugung und Polarisation der Wellen
Für die Untersuchung der Beugung der Wellen verwendete Hertz ein großes Prisma aus Hartpech. Es hatte eine dreieckige Grundfläche von 1,3 m Seitenlänge und wog etwa 600 kg. Als er das Prisma im Strahl der Wellen aufstellte, wurde der Strahl abgelenkt, das heißt gebeugt wie ein Lichtstrahl durch ein Glasprisma. Der ermittelte Grad der Beugung entsprach etwa der Vorausberechnung für das Prismamaterial.
Zur ersten Untersuchung der Polarisation drehte Hertz den Reflektor mit dem Empfangsdipol um 90 Grad. Dann waren keine Funken und damit kein Empfangssignal mehr feststellbar. Daraus war zu erkennen, dass die vom Sendedipol ausgehenden elektrischen Schwingungen linear in der Ebene parallel zum Dipol polarisiert waren. Durch die Drehung hatte Hertz den Empfangsdipol gegenüber dieser Ebene entkoppelt. 
Um die Polarisation weiter zu untersuchen, baute sich Hertz ein Gerät, das er Polarisator nannte. Es bestand aus einem 2 m hohen und breiten Holzrahmen, in dem parallel Kupferdrähte mit geringem Abstand eingespannt waren. Wenn der Polarisator in dem Strahl der Wellen so angebracht wurde, dass die Drähte senkrecht zum Sendedipol und damit zur elektrischen Schwingungsebene standen, wurden die Wellen nicht beeinflusst. Hielt man die Drähte des Polarisators parallel zum Dipol, wurden die Wellen vollständig reflektiert. Sie konnten dann im Empfangsdipol nicht mehr wahrgenommen werden.
Zur Fortsetzung in Teil 2:
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Version: 03-Okt-01 / Rev.: 14-Aug-06 / 11-Jun-11 / HBu