Helmut Kohl: Warum das neue Urteil wegen des Skandalbuches richtig ist - WELT
WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Geschichte
  3. Helmut Kohl: Warum das neue Urteil wegen des Skandalbuches richtig ist

Meinung Vertrauensbruch

Warum das neue Urteil gegen das Kohl-Enthüllungsbuch richtig ist

Der Ghostwriter Heribert Schwan hat sich die dritte Niederlage wegen des Vertrauensbruchs durch sein Buch „Vermächtnis. Die Kohl-Protokolle“ eingefangen. Für Journalisten und Zeithistoriker ist das eine gute Nachricht.
Leitender Redakteur Geschichte
Heribert Schwan, Autor des Buches ' Vermaechtnis - die Kohl-Protokolle ', bei einer Pressekonferenz im Berliner Hotel Westin Grand. Berlin, 07.10.2014. Copyright: Thomas Trutschel/ picture alliance/photothek Heribert Schwan, Autor des Buches ' Vermaechtnis - die Kohl-Protokolle ', bei einer Pressekonferenz im Berliner Hotel Westin Grand. Berlin, 07.10.2014. Copyright: Thomas Trutschel/ picture alliance/photothek
Heribert Schwan 2014 mit seinem Skandalbuch „Vermächtnis. Die Kohl-Protokolle“. Jetzt sind weitere Passagen daraus gerichtlich untersagt worden
Quelle: picture alliance / photothek
Hier können Sie unsere WELT-Podcasts hören
Um eingebettete Inhalte anzuzeigen, ist deine widerrufliche Einwilligung in die Übermittlung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten notwendig, da die Anbieter der eingebetteten Inhalte als Drittanbieter diese Einwilligung verlangen [In diesem Zusammenhang können auch Nutzungsprofile (u.a. auf Basis von Cookie-IDs) gebildet und angereichert werden, auch außerhalb des EWR]. Indem du den Schalter auf „an“ stellst, stimmst du diesen (jederzeit widerruflich) zu. Dies umfasst auch deine Einwilligung in die Übermittlung bestimmter personenbezogener Daten in Drittländer, u.a. die USA, nach Art. 49 (1) (a) DSGVO. Mehr Informationen dazu findest du hier. Du kannst deine Einwilligung jederzeit über den Schalter und über Privatsphäre am Seitenende widerrufen.

Natürlich gibt der sanktionierte Täter die verfolgte Unschuld. Heribert Schwan, einst WDR-Journalist, zudem produktiver Buchautor und Ghostwriter, nennt das Urteil „unfassbar“. Dabei hat das Oberlandesgericht Köln am 6. Februar 2024 lediglich weitere Passagen aus seinem vor gut neun Jahren erschienenen Buch „Vermächtnis. Die Kohl-Protokolle“ verboten – wie schon zuvor eine Reihe von wörtlichen Zitaten Helmut Kohls (1930–2017).

Die Richter stellten nur fest, was seit Jahrzehnten gängige Praxis von Journalisten wie Zeithistorikern ist: Es bedarf keiner schriftlichen Schweigeverpflichtung, um die Pflicht zur Verschwiegenheit bei privilegiertem Zugang zu Informationen und Meinungen einer historisch wichtigen Person zu begründen. Unter dem Kürzel, ein Gespräch finde „unter drei“ statt, lernt das jeder Volontär in den ersten Wochen seiner Ausbildung.

Schwan stellt sich wohl naiver als er ist. Denn er behauptet über das Arrangement mit Helmut Kohl, dessen 2000 bis 2007 erschienenen Erinnerungsbücher er auf Grundlage von selbstverständlich vertraulichen Gesprächen mit dem ehemaligen Bundeskanzler schrieb: „Wenn man mir eine Verschwiegenheit angetragen hätte, wäre ich weggelaufen.“ Der heute 78-jährige Schwan negiert damit eine Grundlage des journalistischen Handwerks, das er ein halbes Jahrhundert ausgeübt hat – und weil es gegen Kohl geht, bekommt er dafür auch noch Beifall.

Ex Bundeskanzler Helmut Kohl am 3. November 2014, bei der Buchpräsentation "Aus Sorge um Europa Ein Appell" in der Villa Kennedy in Frankfurt.
Der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl 2014
Quelle: picture alliance / BERND KAMMERER

Deshalb ist das Urteil des Kölner Gerichts vollkommen richtig: Schwan hat das Vertrauen Kohls massiv missbraucht, als er aus mehreren hundert Stunden Gesprächsmitschnitten für die Arbeit an dessen Memoiren ohne Autorisierung knallige Zitate zu einer Chronique Scandaleuse auf 256 Seiten montierte, gerichtet klar gegen seinen einstigen Auftraggeber, mit dem er sich zerstritten hatte.

Erstaunlich daran ist eigentlich nur, dass Schwan damit Unterstützung finden konnte. Dass der Heyne-Verlag eingestiegen ist, mag noch nachvollziehbar sein – Verlage wollen und müssen Geld verdienen, weshalb ein Skandalbuch willkommen sein kann. Knapp eine Viertelmillion Exemplare sollen verkauft worden sein. Doch dass Schwans Vertrauensbruch ohne Konsequenzen bleiben könnte, dürfte auch dort niemand erwartet haben.

Alle Journalisten und alle Zeithistoriker jedoch hätten eigentlich vor Schmerzen aufschreien müssen über Schwans Umgang mit seinem Gesprächspartner. Wenn er sich mit seiner Masche durchgesetzt hätte, würde kein ehemaliger Politiker Journalisten oder Historikern noch offen Rede und Antwort stehen (und erst recht kein amtierender). Was als Kampf für Transparenz daherkam, hätte in der Konsequenz also nur noch mehr Floskeln hervorgebracht. Politikersprech, der niemandem wehtut, aber auch keinen relevanten Wert hat.

Richtigerweise hat Schwan schon 2014, 2015 und 2017 verloren: Erst wurden Zitate verboten, dann ein erheblicher Schadensersatz auferlegt. Wegen Kohls Tod musste das Geld allerdings nicht gezahlt werden, wie letztinstanzlich 2022 das Bundesverfassungsgericht feststellte.

Seit dem Beginn der Schwan-Affäre 2014 sind die formalen schriftlichen Verschwiegenheitsverpflichtungen immer detaillierter und auch schärfer geworden. Inzwischen dürfte es eine seltene Ausnahme sein, wenn ein Gesprächspartner, der wirklich offen reden will, darauf verzichtet.

Jetzt hat das Kölner Gericht auch Passagen in Schwans Buch untersagt, die fraglos seine eigenen Formulierungen sind. Und wieder jammert der Täter. Doch hätte er ohne das Vertrauen seines Gesprächspartners niemals die Einblicke bekommen, die er so verarbeitet hat – es ist konsequent, auch solche Stellen zu sperren.

Lesen Sie auch
Anzeige

Was ist die Lehre aus der hässlichen Affäre? Gewährtes Vertrauen ist zu wahren, egal ob es formal zugesagt wurde oder nicht. Wer das nicht will (wofür es gute Gründe geben kann, gerade bei einer so überragenden und umstrittenen Figur wie Helmut Kohl sowie angesichts der mindestens schwierigen Rolle seiner Witwe), muss sich mit dem Blick von außen begnügen. Auch aus dieser Perspektive gibt es genügend Recherche- und Erkenntnismöglichkeiten – man muss sich halt etwas mehr Arbeit machen.

Aber sich Vertrauen zu verschaffen und denjenigen, der es gewährt hat, anschließend in die Pfanne zu hauen, ist ein Verstoß gegen journalistisches wie zeithistorisches Handwerk. Menschlich verwerflich ist es ohnehin: Wer will schon mit jemandem zu tun haben, der so vorgeht?

An dieser Stelle finden Sie Inhalte von Drittanbietern
Um eingebettete Inhalte anzuzeigen, ist deine widerrufliche Einwilligung in die Übermittlung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten notwendig, da die Anbieter der eingebetteten Inhalte als Drittanbieter diese Einwilligung verlangen [In diesem Zusammenhang können auch Nutzungsprofile (u.a. auf Basis von Cookie-IDs) gebildet und angereichert werden, auch außerhalb des EWR]. Indem du den Schalter auf „an“ stellst, stimmst du diesen (jederzeit widerruflich) zu. Dies umfasst auch deine Einwilligung in die Übermittlung bestimmter personenbezogener Daten in Drittländer, u.a. die USA, nach Art. 49 (1) (a) DSGVO. Mehr Informationen dazu findest du hier. Du kannst deine Einwilligung jederzeit über den Schalter und über Privatsphäre am Seitenende widerrufen.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema