Entfessle deine Helden und Heldinnen: Ein Leitfaden zur Einführung des Heldenarchetyps in deine Geschichte! - Storyanalyse.de

Entfessle deine Helden und Heldinnen: Ein Leitfaden zur Einführung des Heldenarchetyps in deine Geschichte!


Der Archetypus des Helden ist nach wie vor ein mächtiges Werkzeug für die Erzählung von Geschichten, die zeitlose Themen wie Mut, Selbstlosigkeit und den Sieg des Guten über das Böse behandeln. Ob in der magischen Welt von Harry Potter oder den epischen Abenteuern von Star Wars, diese Archetypen inspirieren und fesseln das Publikum weltweit. Wenn wir als Schriftsteller den Archetypus des Helden verstehen und nutzen, können wir fesselnde Geschichten schreiben, die nachhallen und der Welt Freude, Hoffnung und Veränderung bringen - eine Erzählung nach der anderen.

Entfessle deine Helden und Heldinnen

Spätestens seit Joseph Campbell ist der Heldenarchetyp das Fundament, auf dem fesselnde Erzählungen aufgebaut werden. Ein gut ausgearbeiteter Held treibt nicht nur die Handlung voran, sondern fesselt auch das Publikum auf einer tiefgreifenden Ebene und in jeder Szene. Hier zeige ich dir, wie du deine Helden und Heldinnen ausarbeiten kannst und du erhältst praktische Tipps, um deinen Protagonisten Leben einzuhauchen.

Keine Geschichte ohne einen Helden oder eine Heldin, die vor eine Aufgabe gestellt wird und diese lösen muss. Dabei ist es egal, ob du mit der Heldenreise plottest, der Schneeflockenmethode oder dem 3-Akt-Modell. Es ist egal, ob deine Figuren mit inneren oder äußeren Widersachern kämpfen, gegen ein System oder eine Naturgewalt aufbegehren müssen. 

Wichtig ist nur, dass deine Helden und Heldinnen sich einer Herausforderung stellen, sich auf die Socken machen und Entscheidungen treffen, damit sie sich im Laufe der Geschichte verwandeln. 

Die Reise des Helden: Ein universelles Muster

Die Heldenreise, die von Joseph Campbell popularisiert wurde, stellt ein gemeinsames Erzählmuster in allen Kulturen und Zeiten dar. Trotz der Kritik an der zu starken Vereinfachung und dem männerzentrierten Ansatz ist die Heldenreise nach wie vor ein Modell mit großer Resonanz. Sie besteht aus 17 Stufen, wie sie Campbell vorschwebten, und wurde von dem Hollywood-Story-Analysten Christopher Vogler auf 12 Stufen verkürzt.

Die Heldenreise ist nicht exklusiv, sondern erfasst die menschliche Erfahrung auf universelle Weise. Ihr Wiedererkennen löst oft eine tiefe Verbindung aus, so als würde man eine Glocke läuten hören. Wir werden von diesen Archetypen angezogen, weil sie in unserem ursprünglichen Selbst verankert sind und unsere innersten und geheimen Wahrheiten widerspiegeln.

Charakter-Archetypen: Acht Beispiele und ihre Rolle auf der Reise des Helden

In der Literatur und im Film spielen acht Archetypen eine zentrale Rolle, die sich an den Stufen der Heldenreise orientieren. In den nächsten Artikeln werde ich die verschiedenen Archetypen vorstellen.

Der Held ist oft der Protagonist und begibt sich auf eine transformative Reise. Er stellt die Brücke zwischen dem Bewussten und dem Unbewussten dar und sucht nach einer unabhängigen Identität.

Der Mentor leitet und hilft dem Helden, indem er Weisheit und Unterstützung bietet. Er erleichtert das Wachstum des Helden durch Lektionen und Herausforderungen.

Der Schatten ist oft der Antagonist, der die dunkleren Aspekte des Helden verkörpert. Er wingt den Helden, sich seinen Ängsten und Schwächen zu stellen, und fördert so sein persönliches Wachstum.

Der Herold ruft zum Abenteuer auf und stört die gewöhnliche Welt des Helden. Er treibt den Helden in den Hauptkonflikt und leitet die Transformation ein.

Der Schwellenwächter bewacht den Übergang zum Unbekannten und stellt die Entschlossenheit des Helden auf die Probe. Er oder sie symbolisiert die Herausforderungen und Hindernisse auf der Reise des Helden.

Der Gestaltwandler repräsentiert die Zweideutigkeit, die die Grenzen zwischen Verbündeten und Feinden verwischt. Diese Figur fordert die Wahrnehmungs- und Anpassungsfähigkeit des Helden heraus.

Der Trickster bringt Humor und Unvorhersehbarkeit in die Erzählung. Er stört den Status quo und zwingt den Helden, über den Tellerrand hinauszuschauen.

Der Verbündete unterstützt den Helden auf seiner Reise, oft als Gefährte oder Handlanger. Er oder sie bietet Unterstützung und Kameradschaft und hilft dem Helden, Herausforderungen zu meistern.

 

Der Heldenarchetyp

Der Heldenarchetyp ist ein Muster von Eigenschaften und Verhaltensweisen, das in allen Kulturen und Geschichten zu finden ist. Fast immer ist dieser Archetyp an den Protagonisten der Geschichte gebunden. 

Helden begeben sich auf eine Suche oder eine Reise, auf der sie sich oft Prüfungen und Schwierigkeiten stellen müssen, um ein Ziel zu erreichen oder ein Hindernis zu überwinden. Sie besitzen Eigenschaften wie Mut, Selbstlosigkeit und sind getrieben vom Wunsch, anderen zu helfen. Sie haben eine besondere Fähigkeit oder ein besonderes Talent, das sie von anderen abhebt, und setzen diese Fähigkeit ein, um ihre Ziele zu erreichen. 

Der Archetyp des Helden wird oft mit dem Monomythos in Verbindung gebracht, der auch als Heldenreise bekannt ist, einer Erzählstruktur, die verschiedene Etappen umfasst, die der Held durchlaufen muss, um sein Endziel zu erreichen.

  1. Erstelle eine überzeugende Hintergrundgeschichte

Jeder Mensch (und auch jede fiktive Figur) hat eine Hintergrundgeschichte, eine Biografie, die uns zu dem Menschen gemacht hat, der wir sind. Meine Hintergrundgeschichte ist, dass ich in einer aktiven katholischen Familie mit drei Schwestern aufgewachsen bin und schon als Kind schwerhörig war. Das hat mich geprägt. Meine Behinderung ist sowohl ein Geschenk als auch eine Aufgabe. Genauso hat mich das religiöse Umfeld meiner Familie geprägt und hat mich zu der Frau reifen lassen, die ich heute bin.

So wird es auch bei dir sein. Und natürlich sollte es bei deinen Figuren genau so sein. Niemand ist eine Insel und niemand taucht aus dem Nichts auf. Wir sind alle irgendwo verwurzelt, gewachsen, oft auch beschnitten worden und haben uns unserem Himmel entgegengestreckt. 

Bonustipp: 

Was hat deinen Helden geprägt? Welchen Einfluss hat diese Prägung auf seine Motivation? Seine Weltsicht? Seine Handlungskraft?

  1. Baue Motivation auf

Unser Leben prägt uns und oft wird das Leben uns auch gerade die Wünsche und die Visionen ans Herz legen, die wir im Laufe der Geschichte umsetzen oder erreichen wollen. Das Want und das Need sind tief mit der Geschichte der Figur verbunden und darum liegt das Fundament eines jeden Helden in seiner Biografie, die ihm oder ihr mehr Tiefe verleiht. Die Hintergrundgeschichte sollte die Wurzeln der Motivationen des Helden offenbaren und Einblicke in seine vergangenen Erfahrungen geben, die seine gegenwärtigen Entscheidungen beeinflussen.

Zentral für die Identität des Helden ist eine klare und definierte Motivation. Ob es sich nun um eine persönliche Mission, das Streben nach Gerechtigkeit oder ein angeborenes Pflichtgefühl handelt, der Leser sollte verstehen, was deinen Helden antreibt, seine Reise anzutreten. 

Diese Motivation treibt nicht nur die Handlung voran, sondern dient auch als Bezugspunkt für dich als AutorIn, damit du den roten Faden deiner Erzählung und der Geschichte nie aus den Augen verlierst. 

Die Motivation hängt oft mit dem Inhaltsgenre deiner Geschichte zusammen. Hier kannst du mehr dazu lesen. 

Bonustipp:

Was will deine Figur erreichen? Was braucht sie? Was treibt sie an? Gibt es einen Zusammenhang?

  1. Erforsche interne Konflikte

Die besten Geschichten verbinden eine äußere Herausforderung des Helden mit einer inneren Herausforderung. Beim Story Grid sagen wir, das gelingt dir, wenn du ein internes und externes Genre verbindest.

Dein Held wirkt menschlicher, wenn er sich auch mit inneren Konflikte auseinandersetzt. Ängste, Zweifel und Unsicherheiten machen die Figur vielschichtig, verleihen ihr mehr Tiefe. Indem du die inneren Kämpfe des Helden erforschst, hast du die Möglichkeit, mit den Lesern auf einer intuitiven Ebene in Verbindung treten und ein intensiveres Erlebnis zu schaffen. Aber die inneren Konflikte sollten immer in Bezug zu den äußeren Konflikten stehen.

Bonustipp:

Welche inneren Konflikte können deiner Figur noch mehr Tiefe verleihen? Woher kommen diese inneren Konflikte? Und wie wird dein Held sie überwinden?

  1. Führe Schwächen ein

Auch im realen Leben erliegen viele Menschen immer noch der Illusion, dass sie glauben, sie könnten Leute dadurch beeindrucken, wie erfolgreich sie sind, wie vollkommen oder welche Überflieger sie sind. Aber die Verbindung entsteht durch unsere Verletzlichkeit - und so sollte es auch bei deinen Helden sein. 

Unvollkommenheiten vermenschlichen den Helden und machen ihn für die Leser sympathischer. Wir fühlen uns in der Gesellschaft eines Menschen, der auch mit Herausforderungen kämpft, viel wohler. 

Führe Schwächen ein, mit denen der Held auf seiner Reise konfrontiert wird und die er überwinden muss. Diese Herausforderungen verleihen der Geschichte nicht nur mehr Tiefe, sondern schaffen auch Raum für Wachstum, ein entscheidendes Element bei der Transformation des Helden. 

Und Wachstum, Veränderung ist wichtig. Auch hier zeigt sich wieder, dass fiktive Figuren wie reale Menschen sind: Wir werden als Menschen vom Leben herausgefordert, reagieren und entwickeln uns. Oft sind unsere größten Schwächen auch unsere Stärken. 

Bonustipp

Welche Schwäche hat dein Held? Wie wird er sie überwinden?

  1. Finde das Gleichgewicht zwischen Verletzlichkeit und Stärke

Das empfindliche Gleichgewicht zwischen Verletzlichkeit und Stärke zu finden, ist der Schlüssel zu einer nuancierten Darstellung des Helden. Ein unbesiegbarer Held wird nicht für Spannung sorgen - da ist der Sieg ja vorprogrammiert. Der Leser wird sich von deinem Helden distanzieren, während übermäßige Verletzlichkeit seine Fähigkeit, zu inspirieren, schmälern kann. 

Hier geht es - wie überall im Leben - darum, die richtige Balance zu finden. Nur so wirst du einen dreidimensionalen, komplexen Charakter schaffen. 

Sogar James Bond hat sich in den letzten Filmen von seiner verletzlichen Seite gezeigt, indem er liebt und leidet und sich für seine Liebe opfert. Das hat dem charmanten Alleskönner und Schürzenjäger viel mehr Tiefe verliehen. 

Bonustipp

Wie wird meine Figur herausgefordert? Inwiefern ist ihre Schwäche ihre Stärke?

  1.  
  2. Rufe zum Abenteuer auf

Die Erzählung nimmt Fahrt auf, wenn der Held eine klare Aufforderung zum Abenteuer erhält. 

Diese Herausforderung unterbricht sein gewöhnliches Leben und setzt eine Reihe von Ereignissen in Gang, die den Kern der Geschichte bilden. Der Ruf zum Abenteuer treibt den Helden mitten in den Konflikt hinein und markiert den Beginn seiner Reise, auf der er sich entwickeln und verändern wird. 

Und auch hier geht es nicht immer nur um einen äußeren Konflikt oder eine äußere Herausforderung, sondern oft auch um ein inneres Need, ein tiefes Bedürfnis, das der Held hat. 

Bonustipp

Ist das auslösende Moment ein zufälliges Ereignis (Naturkatastrophe) oder eine bewusste Entscheidung (eine Frau verlässt ihren Partner)? 

  1. Baue Beziehungen auf

Wir leben in Beziehungen, die uns begrenzen oder wachsenlassen. Führe wichtige Beziehungen im Leben des Helden ein. Ob es sich um Familie, Freunde oder Mentoren handelt, diese Verbindungen dienen als emotionale Anker und Motivation für die Handlungen des Helden. Gut entwickelte Beziehungen fügen dem Charakter zusätzliche Ebenen hinzu und tragen zur allgemeinen Tiefe der Geschichte bei. In Heldengeschichten findet sich oft die Figur des Mentors. Hier kannst du mehr zu dieser Figur lesen.

Bonustipp: 

Wie kannst du die wichtigsten Figuren in die Anfangsszene einbauen?

Wen kannst du im Laufe der Geschichte nicht entbehren? Und was ist die Aufgabe/Relation dieser Figur zum Helden?

  1. Schaffe Einfühlungsvermögen

Die Leser müssen sich in den Helden einfühlen können. Die Kämpfe und Handlungen des Helden verstehen können - sie müssen sie nicht gutheißen, aber sie müssen verständlich und nachvollziehbar sein. 

So schaffst du Empathie für deine Figuren, dein Leser wird sich mit ihr identifizieren oder zumindest aus ihren Erfahrungen etwas für sein Leben mitnehmen. Durch gemeinsame Erfahrungen und nachvollziehbare Herausforderungen wird der Held zu einem Gefäß für die eigenen Hoffnungen und Ängste des Publikums.

Beispiele für den Heldenarchetyp in Geschichten

Hier sind zehn Beispiele aus verschiedenen Genres, die dich inspirieren können:

  1. Harry Potter in der Harry-Potter-Reihe von J.K. Rowling: Ein verwaister Zauberer, der den dunklen Zauberer Lord Voldemort besiegen will.
  2. Katniss Everdeen in Suzanne Collins' Hunger Games: Eine erfahrene Bogenschützin, die eine Rebellion gegen eine korrupte Regierung anführt.
  3. Luke Skywalker in Star Wars: Ein Bauernjunge kämpft gegen das böse Imperium und wird dabei von Mentoren und Freunden unterstützt.
  4. Mulan in Disneys Mulan: Eine junge Frau, die sich als Mann verkleidet, um ihr Land zu retten.
  5. Neo in The Matrix: Ein Computerprogrammierer, der dazu bestimmt ist, die Menschheit vor den Maschinen zu retten.
  6. Odysseus in Homers Die Odyssee: Ein griechischer Held, der nach dem Trojanischen Krieg eine gefährliche Reise nach Hause unternimmt.
  7. Bilbo Beutlin in J.R.R. Tolkiens Der Hobbit: Ein Hobbit, der sich mit Zwergen auf eine epische Reise begibt, um einen Schatz zu bergen.
  8. Rocky Balboa in der Rocky-Reihe: Ein Boxer, der Hindernisse überwindet, um ein Champion zu werden.

5 Tipps, wie du den Heldenarchetyp umsetzen kannst 

  1. Bestimme ein klares Ziel für den Helden: Eine Suche oder Reise gibt Richtung und Zweck.
  2. Entwickle Stärken und Schwächen: Sorge für ein Gleichgewicht zwischen edlen Eigenschaften und nachvollziehbaren Schwächen, um einen abgerundeten Charakter zu schaffen.
  3. Schaffe herausfordernde Hindernisse: Der Held muss schwierige Prüfungen bestehen, was der Erzählung Spannung verleiht.
  4. Stelle dem Helden Mentoren oder Verbündete zur Seite: Unterstützung und Führung durch andere tragen zur Entwicklung des Helden bei.
  5. Zeige die Wandlung des Helden: Veranschauliche, wie sich der Held durch Herausforderungen und Lektionen weiterentwickelt.

Fazit: Die anhaltende Wirkung des Heldenarchetyps

Der Archetypus des Helden ist nach wie vor ein mächtiges Werkzeug, wenn du Geschichten mit zeitlosen Themen wie Mut, Selbstlosigkeit und den Sieg des Guten über das Böse schreiben willst.

Ob in der magischen Welt von Harry Potter oder den epischen Abenteuern von Star Wars, diese Archetypen inspirieren und fesseln das Publikum weltweit. Nutze den Archetypus des Helden, um eine fesselnde Geschichte zu schreiben, die nachhallt und den Lesenden gut unterhält, Freude, Hoffnung und Veränderung bringt. 

Ganz nach den Worten von Joseph Campbell: Du musst das Leben, das du geplant hast, aufgeben, um das Leben zu haben, das auf dich wartet.

Das gilt für deine Helden und Heldinnen, aber auch für dich. Trau dich! 

 

Quellen:

Christopher Vogler: Die Odyssee der Drehbuchschreiber, Romanautoren und Dramatiker. Mythologische Grundmuster der Heldenreise für Schriftsteller. 

https://storygrid.com/story-grid-and-the-heros-journey/

https://storygrid.com/wp-content/uploads/2021/01/heroicjourney20-2.pdf

https://storygrid.com/hero-archetype/

https://storyanalyse.de/blog/aufbau/heldenreise/

Eva Maria Nielsen ist Story-Grid-Nerd, Autorencoach und gehört zum Team des Bookerfly Clubs. Wenn sie nicht gerade Romane schreibt, unterrichtet und coacht sie andere Autorinnen und Autoren, wie sie ihr Handwerk verbessern können. Sie ist die Gründerin des Bookerfly Buchclubs für Autoren. Du kannst sie regelmäßig auf dem Bookerfly Podcast hören - zusammen mit ihren wunderbaren Kolleginnen. Erhältst du schon den Newsletter? Wenn nicht, dann geht es hier entlang.