VfB Stuttgart: Sasa Kalajdzic und Borna Sosa im Interview - kicker
Bundesliga

VfB Stuttgart: Sasa Kalajdzic und Borna Sosa im Interview

Stuttgarts Duo spricht im kicker

Kalajdzic und Sosa im Interview: "Wir wissen, dass wir etwas Besonderes haben"

Zwei, die sich gut verstehen: Sasa Kalajdzic (l.) und Borna Sosa.

Zwei, die sich gut verstehen: Sasa Kalajdzic (l.) und Borna Sosa. imago images

Ein junger Linksverteidiger, der mehr durch Leichtfertigkeit als Leichtigkeit auffällig wurde. Den diverse Verletzungen noch dazu stoppten, wenn er es gerade nicht selbst tat. Und ein Angreifer, den, kaum angekommen, eine Knieverletzung der Kategorie Totalschaden um die Karriere bangen ließ. Heute zählen Sosa und Kalajdzic zu den Topspielern der Schwaben - und sprachen vor dem 0:4 in München mit dem kicker.

Herr Kalajdzic, Herr Sosa, wer hat den größeren Entwicklungsschritt gemacht?

Spielersteckbrief Kalajdzic
Kalajdzic

Kalajdzic Sasa

Spielersteckbrief Sosa
Sosa

Sosa Borna

Sasa Kalajdzic: Man kann uns nicht wirklich vergleichen. Borna hat einen Riesensprung gemacht, hat sich nicht nur wegen seiner Flanken und Standards als Topspieler etabliert. In dieser Saison zeigt er konstant, was wirklich in ihm steckt. Für mich ist das nach meiner schweren Knieverletzung im Sommer 2019 dagegen die erste richtige Spielzeit. Mit Höhen und Tiefen. Es hätte besser laufen können, aber auch schlechter. Ich bin trotzdem sehr zufrieden. Mit mir und mit uns.

Borna Sosa: Wir hatten vorher nicht so viel zusammengespielt. Es hat eine Weile gebraucht, bis wir uns aneinander angepasst haben. Ich musste mich auf Sasas Bewegungen und Laufwege einstellen und er sich auf mich und meine Flanken und Standards. Mittlerweile klappt es glänzend.

Eine perfekte Symbiose?

Sosa: Wir ergänzen uns sehr gut. Sasa als starker Strafraumstürmer und Kopfballspieler und ich als Vorlagengeber. Entscheidend war aus meiner Sicht, dass wir viele Spiele gemeinsam bestritten haben und die Abstimmung so immer besser wurde.

Kalajdzic: Anfangs gab es auch Situationen, in denen es nicht reibungslos lief. Aber wir haben uns immer wieder abgesprochen. Ich habe Borna gefragt, in welchen Räumen im Strafraum ich mich bewegen soll. Er hat mich gefragt, wie ich die Bälle zugespielt haben will. Wir haben uns immer mehr angenähert, und mit jedem Spiel wurde es besser. Mittlerweile hat sich vieles automatisiert.

Wie viel Zielwasser und wie viel Glück gehören zur perfekten Flanke?

Sosa: Wenn ich Sasas Bewegung im Strafraum sehe, habe ich eine Vorstellung davon, wo er ein, zwei Sekunden später vor dem Tor sein wird.

Kalajdzic: Als Stürmer sollte man ständig in Bewegung sein. Es ist zum Beispiel schwierig, aus dem Stand ein Kopfballtor zu erzielen. Wenn Borna sieht, wie ich den ersten Schritt mache, weiß er in etwa, wohin der Ball kommen muss, damit ich mich vom Verteidiger lösen und die Kugel erreichen kann. Mit der Zeit bekommt man ein Gefühl dafür, wie stark und wohin der Ball kommen muss.

Borna, Ihre Flanken werden sehr gelobt. Woher kommt diese Passion?

Meine Begeisterung für David Beckham kam erst später.

Borna Sosa

Sosa: Das hat sich erst später in meiner Jugendzeit ergeben, als es vom Kleinfeld aufs Großfeld ging. Nach dem Training habe ich öfter mal Freistöße geschossen und gemerkt, dass es gut klappt. Das hat der Trainer gesehen und hat mich dann auch im Spiel die Standards ausführen lassen. So kam eins zum anderen. Und natürlich steckt bis heute auch noch viel Training dahinter. Jeder Spieler sollte seine Stärken kennen und ständig daran arbeiten, diese zu verbessern.

Welche Rolle spielte David Beckham, dessen Flanken Sie so bewundern?

Sosa: Als Kind habe ich noch nicht auf David Beckham geschaut. Meine Begeisterung für ihn kam erst später.

Wie entdeckten Sie Ihre Stärken, Sasa?

Kalajdzic: Ich habe zwar schon früh Kopfballtore erzielt, habe aber auch viele Chancen liegen gelassen, weil mir die nötige Präzision gefehlt hat. Deshalb habe ich mir viele Spiele und Spieler auf Topniveau angeschaut und versucht zu erkennen, worauf es beim Kopfballspiel ankommt. Das habe ich dann im Training geübt, geübt, geübt. Aus jeder Position, jeder Spielsituation heraus.

Sagen Ihnen Rüdiger Abramczik und Klaus Fischer oder Manfred Kaltz und Horst Hrubesch etwas?

Kalajdzic: Die Namen sind mir schon ein Begriff. Aber ich habe sie nie selbst spielen gesehen.

Sosa: Auch ich kenne die Namen. Aber das war ja lange vor unserer Zeit.

Glauben Sie, dass Sie sich ebenfalls in der Bundesligahistorie verewigen?

Kalajdzic: Das wäre natürlich wünschenswert. Aber es wäre anmaßend, davon auszugehen, dass wir solche Legenden werden. Zumindest könnten wir es schaffen, dass wir den Fans positiv in Erinnerung bleiben.

Sie verstehen sich nicht nur auf dem Rasen blind, sondern auch privat. Wie kommt's?

Sosa: Aufgrund unserer Herkunft sprechen wir dieselbe Sprache, das war sozusagen der Anfang unserer Freundschaft.

Kalajdzic: Das verbindet. Man fühlt sich gleich ein Stück weit zusammengehörig. Wenn sich Menschen im Ausland treffen und feststellen, dass sie die gleiche oder eine ähnliche Herkunft haben, fühlen sie sich automatisch durch die Sprache verbunden.

Sosa: Es fühlt sich an wie ein Stück Heimat.

Ihre Heimatländer beziehungsweise die Ihrer Eltern, Kroatien und Bosnien-Herzegowina, standen sich vor nicht allzu langer Zeit verfeindet gegenüber. War das ein Thema zwischen Ihnen?

Sosa: Wir sind frei und unbelastet davon aufgewachsen. Mir persönlich ist es völlig egal, welcher Nationalität Menschen angehören. Ich bewerte niemanden nach seiner Herkunft. Für mich sind alle Menschen gleich, ganz egal, woher sie kommen.

Kalajdzic: Es geht immer nur um den Menschen selbst. Meine Freundin kommt aus Kroatien, damit ist aus meiner Sicht alles gesagt.

Ihnen beiden fliegen die Herzen der weiblichen Fans des VfB Stuttgart entgegen. Vor welchen Eigenschaften Ihres Freundes würden Sie die Damen warnen?

Sosa: Ehrlich gesagt wüsste ich keine negativen Eigenschaften an Sasa.

Kalajdzic: Mir geht es nicht anders. Höchstens, dass wir beide vergeben sind (lacht).

Teilen Sie in Hotels eigentlich ein Zimmer?

Kalajdzic: Manchmal, je nachdem, was sich unser Teammanager Günther Schäfer bei der Zimmereinteilung wieder einfallen lässt.

Ihre Zeit beim VfB war auch durch teils schwere und langwierige Verletzungen geprägt. Haben Sie diese komplett abgeschüttelt?

Kalajdzic: Ich denke eigentlich nicht mehr daran. Ich habe mir meine Knieverletzung damals nach einem Ausfallschritt zugezogen, und in der einen oder anderen ähnlichen Spielsituation hält mich mein Unterbewusstsein vielleicht manchmal noch davon ab, unnötig ins Risiko zu gehen.

Sosa: Knieverletzungen sind die schlimmsten. Die Verarbeitung braucht einfach ihre Zeit.

Sie ließen sich einmal auswechseln, weil Sie die Befürchtung hatten, dass sich das Ödem im Knie zurückmelden würde.

Sosa: Das war vielleicht der von Sasa angesprochene innere Alarm. Aber solche Situationen sind sehr selten.

Ihre Anfangszeit beim VfB war auch von kleinen Sünden geprägt, mal ein verpasstes Frühstück im Trainingslager, mal die falsche Schuhwahl auf matschigem Boden. Haben Sie das hinter sich gelassen?

Sosa: Da kam viel zusammen: Verletzungen, wenig Spielzeit, Abstiegskampf, Unruhe im Verein, mein erstes Jahr im Ausland. Es lief einiges schief. Ich habe daraus gelernt und meine Lehren gezogen.

Sasa, Sie gelten von Tag eins an als Musterprofi, werden zudem für Ihre Freundlichkeit und Positivität geschätzt. Können Sie auch mal böse sein?

Manchmal bringen mich Kleinigkeiten auf die Palme.

Sasa Kalajdzic

Kalajdzic: Fragen Sie die Kollegen, Gregor Kobel zum Beispiel. Die bekommen den bösen Kalajdzic durchaus zu spüren.

Bei welcher Gelegenheit?

Kalajdzic: Beim Zwei-Kontakt-Spiel, wenn man den Ball hochhalten muss, oder beim Rondo ist das zu sehen und zu hören.

Rumpelstilzchen Kalajdzic?

Kalajdzic: Wenn ich einen Ball zugespielt bekomme, der praktisch nicht zu verwerten ist, und ich deswegen den Fehler auf mich nehmen muss, kann ich schon mal stinkig werden. Da bin ich ein Prinzipienreiter. Es gibt viele Dinge, über die ich hinwegsehen kann. Aber manchmal bringen mich auch Kleinigkeiten auf die Palme.

Das muss die Ausnahme sein. Sie sprühen gerade vor Lebensfreude.

Kalajdzic: Ich behandle andere, wie ich behandelt werden möchte. Das ist einfach die beste Art des Umgangs miteinander. Ich möchte meinem Gegenüber ein freundliches, angenehmes Gefühl vermitteln. Ich habe auch keinen Grund, schlechte Laune zu haben, und habe selbst während meiner Verletzungszeit immer versucht, positiv zu bleiben. Vielleicht ist dieses Verhalten für manche deswegen so überraschend, weil sie keine Österreicher kennen. Wir sind halt so (lacht).

Als Sie, Borna, beim VfB vorgestellt wurden, wirkten Sie wie ein typischer Surferboy. Lange Haare, lockeres Auftreten, immer ein Lächeln im Gesicht ...

Sosa: Ich habe zwei Gesichter (lacht). Beim Fußball und privat. Im Spiel bin ich sehr konzentriert und fokussiert. Abseits des Platzes bin ich dagegen fröhlich und aufgeschlossen.

Kalajdzic: Borna kann in gefühlt zehn verschiedenen Sprachen Witze reißen oder Späße machen. Er kann alle möglichen Stimmen imitieren und verzieht dabei keine Miene.

Verraten Sie uns bitte, woher die Idee stammt, sich auf Instagram den Namen Superrman007 zu geben?

Sosa: Als ich mich vor mehreren Jahren registriert habe, habe ich mir keine großen Gedanken darüber gemacht und mir diesen Namen ausgesucht. Es ist natürlich nicht wirklich ernst gemeint und hat keine ernste Bedeutung. Aber mir gefällt die Zahlenfolge 007, die hatte ich auch früher auf dem Nummernschild am Auto.

Kalajdzic: Und es passt perfekt zu ihm. Es wäre auch seltsam, wenn er den Namen jetzt plötzlich ändern würde. Für mich ist er sowieso Superman ...

Sosa: (lacht) Ich will den Namen auch nicht ändern. Er gefällt mir nach wie vor.

Das Stuttgarter Spiel zeichnet ebenfalls eine gewisse Leichtigkeit, ein gewisser Spaßfaktor aus. Wie lange kann das so gehen? Oder ist irgendwann mal Schluss mit lustig?

Sosa: Zu Saisonbeginn wussten wir nicht wirklich, wo wir stehen. Mittlerweile haben wir bewiesen, welches Potenzial in uns steckt, und ich traue uns zu, dass wir weiterhin auf diesem Niveau spielen werden.

Kalajdzic: Wir wollen einfach jede Woche aufs Neue unsere bestmögliche Leistung abrufen und uns als Mannschaft Schritt für Schritt entwickeln.

Sosa: Wir haben uns eine gute Ausgangsposition geschaffen, hätten vielleicht sogar den einen oder anderen Punkt mehr auf dem Konto haben können. Aber wir sollten auch dankbar sein für das, was wir bislang erreicht haben.

Kalajdzic: Vielleicht haben uns vor der Saison manche Beobachter unterschätzt oder nicht so ernst genommen. Das hat sich mittlerweile geändert. Unser Hauptziel, nichts mit dem Tabellenende zu tun zu bekommen, konnten wir bis jetzt umsetzen. Selbst in Phasen, in denen wir mehr Unentschieden als Siege geholt haben. Ich hatte nie das Gefühl, dass wir abrutschen könnten. Wir sollten uns aber nicht zurücklehnen, sondern die Sinne schärfen, weil wir unser Ziel noch nicht erreicht haben. Wir dürfen nicht vergessen, wo wir herkommen, und sollten wachsam bleiben, um nicht auf die Nase zu fallen.

Was nicht weniger auch auf Sie als Überflieger zutrifft.

Sosa: Ich hätte nicht gedacht, dass es so gut laufen würde. Ich bin sehr glücklich mit der Entwicklung. Mit meiner persönlichen wie mit der der Mannschaft. Ich hoffe, dass es so weitergeht und keine Verletzungen dazwischenkommen.

Kalajdzic: Ich bin vorsichtig und rede grundsätzlich nicht davon, was nächstes Jahr sein könnte. Ich will nur, dass wir souverän die Klasse halten. Dass das bisher so gut geklappt hat, habe ich vor der Saison gehofft, sicher war ich mir aber natürlich nicht. Und auch für mich steht über allem, von Verletzungen verschont zu bleiben.

Wie sieht denn Ihre persönliche Karriereplanung aus? Haben Sie sich ein Zeitfenster vorgenommen, in dem Sie die Champions-League-Hymne auf dem Rasen hören wollen?

Kalajdzic: Früher habe ich mir schon ab und zu Gedanken gemacht, wie es weitergeht. Aber eine Verletzung genügt, um alles auf den Kopf zu stellen, womöglich sogar die ganze Karriere zu gefährden. Deswegen sehe ich es relativ gelassen. Ich bin ehrgeizig, habe Ziele und Träume, mache mich aber nicht verrückt.

Sosa: Ich habe mit Dinamo Zagreb bereits in der Champions League gespielt. Das ist der beste und aufregendste Wettbewerb im Fußball. Das werde ich nie vergessen und möchte ich auch definitiv noch mal erleben.

Sie beide werden bereits auf dem Transfermarkt heiß gehandelt. Haben Sie zu früh bis 2025 verlängert, Borna?

Sosa: (lacht) Es ist schön, zu lesen und zu hören, dass man umworben ist. Das ist Lohn und Anerkennung für die Leistungen, die man bringt. Alles andere beschäftigt mich nicht.

Und Sie, Sasa? Sind Sie dagegen froh, dass Ihr Vertrag 2023 ausläuft?

Das kann ich mir durchaus vorstellen.

Sasa Kalajdzic auf die Frage nach einer eventuellen Vertragsverlängerung

Kalajdzic: Ich bin froh, beim VfB zu sein. Weil ich gerne beim VfB spiele und weiß, dass ich geschätzt werde. Ich bin mit Kopf und Herz in Stuttgart.

Würden Sie verlängern, wenn Sportdirektor Sven Mislintat auf Sie zukäme, wovon im Normalfall demnächst auszugehen ist?

Kalajdzic: Das kann ich mir durchaus vorstellen.

Es könnte aber auch passieren, dass Sasa und Sosa womöglich nur eine kurze Episode darstellen?

Kalajdzic: Wir wissen, dass wir derzeit etwas Besonderes haben. Auf dem Platz und privat. Aber im Fußball lässt sich nichts ausschließen. Ich bin froh, dass wir uns getroffen und kennengelernt haben. Wenn es weitergeht, freue ich mich. Wenn sich die Wege eines Tages trennen sollten, dann bin ich dankbar für die Zeit, die wir beim VfB hatten.

Sosa: Das kann ich so unterschreiben.

Interview: George Moissidis

Dieses Interview erschien zuerst in der kicker-Printausgabe Nummer 24 vom 22. März 2021.