Wer ein Schloss besucht, erwartet Gold, Prunk, Größe und Erhabenheit. Das alles gibt es auf Schloss Sünching – aber auch Möbel vom Sperrmüll und Diamant-Graffiti. Ein Rundgang mit Johann Carl Freiherr von Hoenning O’Carroll durch sein Schloss im Süden der Oberpfalz.
Eine Schatzkammer aus Raritäten und Geschichte
Der Raum ist eine Schatzkammer. “Lauter Raritäten, alles Geschichte”, sagt der Baron. Goldene und braune Buchrücken kuscheln sich in fast deckenhohen Regalen aneinander. Karten und Papierrollen liegen auf einem großen Tisch. Eine seltene Holzbuch- und eine Pilzsammlung sind ebenso im Schrank eingesperrt wie unzählige Schwerter und Gewehre. Ein geblümter Ohrensessel lädt trotz der Kälte zum gemütlichen Lesen ein. Einzig ein rot-weiß gestreifter Segelflieger aus Holz passt nicht in die Szene. Der Baron erinnert sich nicht: Gehörte er seiner kleinen Tochter? Oder doch den beiden Enkelinnen? Die “kleine Tochter” heißt Antoinette. Sie ist eine Gräfin von Schaesberg und 51 Jahre alt. Die Enkelinnen, die Comtessen Marie-Dorothee und Sophie, sind 20 und 21.
Quietschend öffnet der Adlige die Vitrine mit den Büßerketten. Er nimmt ein schwarzes Holzkreuz heraus. Es ist ein Pilgerkreuz, keine 30 Zentimeter lang. Seine Vorfahren trugen es bei sich, als sie über die Alpen nach Rom pilgerten. “Da hast dich verteidigen können”, sagt er und stößt jäh mit einer scharfen, blitzenden Klinge aus dem Inneren des Kreuzes zu. Der Mann hat Humor – trocken wie die Holzdielen unter seinen Slippern.
Ein Schloss mit etwa 75 Zimmern
Wie viele Zimmer das Schloss hat, weiß der Baron nicht. Er schätzt 75. Nicht alle sind bewohnt. Das Schloss sei eine Lebensaufgabe. “Als kleiner Bub hat die Großmutter zu mir gesagt: ‘Das musst du machen! Das musst du übernehmen!’ Das steckt dir in den Knochen. Froh über das Schloss ist was anderes.” Eines Tages wird er diese Lebensaufgabe an seine Tochter weitergeben. Als der Baron noch klein war, lebte er mit der ganze Familie hier – 14 Geschwister plus Erwachsene. Fotos zeugen davon, dass das Schloss einst mindestens elf Angestellte beherbergte. Heute bewohnt der Baron die Mauern alleine mit seiner Tochter und einem Jack Russell Terrier.
Skulpturen für 14,99 Euro
“Aus welchem Jahrhundert stammen die?”, fragt der Baron und deutet auf die beiden Papageien, die auf einem Konsoltischchen im Festsaal stehen. Sie glänzen anders als die edle Porzellanpferdekutsche auf dem abgedeckten Flügel vis-àvis. Das Weiß ist dunkler, am Fuß hat die Glasur kleine Bläschen geworfen. “Und jetzt bitte umdrehen und nachschauen”, sagt er. “14,99. Gekauft bei Depot”. Ein Gag, mit dem der Baron Klugscheißer bei Führungen aufs Glatteis führt.
Der Baron und “seine Chefin” haben das Schloss immer gepflegt und 2013 sogar die Bayerische Denkmalschutzmedaille bekommen. Die Fenster des Fürstbischöflichen Appartements – die Prunkräume – sind mit weißen Tüchern abgehängt. Die Sonne würde die chinesischen Papiertapeten, die Gemälde und den Stuck zerstören. Orientalische Teppiche im Wert von mehreren tausend Euro schützen das braune Parkett vor den Schuhen der Besucher. In diesem Schloss passen nicht einmal Standard-Glühbirnen. Es müssen die originalen sein.
Jeder ist im Schloss willkommen
Den Filzhut auf dem Kopf und braune Lederhandschuhe an den Händen, knipst der Baron im Roten Salon das Licht an. Mindestens 24 Glühbirnen bringen den riesigen Lüster zum Strahlen. Handflächengroße Glastropfen. Neben den Porträts seiner Ahnen in den vergoldeten Rokokobilderrahmen – von Seinsheim, von Schönborn, von und zu Frankenstein –, der roten Blumentapete, dem Marmorkamin und dem Originalmobiliar wirkt der Baron völlig fehl am Platz. Wer ihn so auf der Straße trifft, würde ihn nicht in einem Schloss vermuten. Dabei ist er stets höflich und grüßt mit einem Lächeln. Während des Sünchinger Marktes trinkt er seine Mass am Tisch bei den Dorfleuten. “Jeder darf kommen”, sagt er. Jeder ist willkommen, wenn der Pfarrer einmal im Monat die Heilige Messe in der Schlosskapelle zelebriert. Auch spontane Führungen sind kein Problem. Außerdem gab er dem Burschenverein eine Heimat in der alten Schlossbrauerei.
Ein echtes Schmuckstück vom Sperrmüll
Daneben steht ein deckenhoher Weihnachtsbaum mit roten und silbernen Kugeln, allerlei Plunder und silbernem Lametta. Hier hat der Baron mit seiner Tochter, der Schwägerin und deren Familie das letzte Weihnachtsfest verbracht. Auf dem langen Tisch mit rotgoldener Tischdecke liegt zwischen drei antiken Schirmlampen noch der Rest der Geschenke: Bücher, Konfekt, eine Weingeschenketüte.
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