Milt Jackson: Bodycheck an der Vierer-Bande

Wie wohl sonst nur noch der Sport, so steckt auch der Jazz knallvoll von Spitznamen f�r seine Fl�gelst�rmer: Charlie "Bird" Parker und Lester "Prez" Young, Julian "Cannonball" Adderley, "Brother" Jack McDuff und Thelonious "Sphere" Monk, Eddie "Lockjaw" Davis, den man kurzerhand auch nur "Jaws" nannte, Gene Ammons, dem das doppeldeutige "Jug" sogar f�r so manchen Plattentitel gut war, und bei Bix Beiderbecke, Duke Ellington und Count Basie m�ssen sogar Kenner gelegentlich einen Augenblick nachdenken, um auf Leon Bismarck, Edward Kennedy und William zu kommen. Auch Milt Jackson reiht sich da ein in die lange Liste derer, deren "nom de guerre" mindestens ebenso popul�r ist wie der in der Geburts-Urkunde verbriefte: Vom Milit�r entlassen, feierte der damals 21j�hrige seine wiedergewonnene Freiheit ausgiebig und mit so viel Alkohol sowie so wenig Schlaf, da� hervorgetretene Tr�nens�cke, auf Englisch "bags", �berdeutlich von dem tagelangen Zug durch die Gemeinde zeugten. Und wo "Bags" hinfort zum Synonym f�r den Vibraphonisten mit dem differenzierten Anschlag wurde, da fand es mit "Bag�s Groove" seinen Niederschlag auch im Titel einer seiner bekanntesten Kompositionen, deren Aufnahme mit Miles Davis und den "Modern Jazz Giants" vom Heiligabend 1954 eine der ersten in einer ziemlich langen Liste von klassischen Interpretationen bildete.

Manche finden auf direktem Weg zu ihrer Bestimmung, manche erst nach Umleitungen: Geboren am 1. Januar 1923 in Detroit, lernt Walter Milton Jackson, da er als Asthmatiker kein Blas-Instrument spielen kann, als Kind zun�chst Gitarre, erh�lt mit elf Privat-Stunden am Klavier, absolviert auf der Miller High School eine volle Musik-Ausbildung, die ihm das Schlagzeug als drittes Instrument hinzubeschert, und kommt als Mitglied der Schul-Band erstmals und auch das nur ansatzweise mit seiner sp�teren Berufung in Ber�hrung, als die Schule ein Xylophon anschafft. Nach dem Studium an der Michigan State University jedoch lassen fr�he musikalische wie religi�se Einfl�sse der Familie Jackson ihn zun�chst als Tenor einer Gospel-Gruppe durch die Lande ziehen, bevor er Ende der 30er nach eigenem Bekunden eine "innere Explosion" erlebt, als er mit Benny Goodmans Band das erste Mal Lionel Hampton h�rt. Vom Vater daraufhin mit einem eigenen Vibraphon f�r 130 Dollar beschenkt, erweitert Jackson dennoch zun�chst einmal die Liste seiner Instrumente um den Ba�, schiebt sich aber durch Auftritte mit lokalen Bands als Vibraphonist ins Bewu�tsein jazz-begeisterter Kreise und hat 1943 schon einen Kontrakt f�r die Earl-Hines-Band fast in der Tasche, als ihn die Army einzieht. Nach der Entlassung nach nur wenigen Monaten Mitglied des Dizzy-Gillespie-Quintetts, wo er auf Charlie Parker trifft, tr�gt der Vibraphonist auf Tourneen mit dazu bei, den Bebop popul�r zu machen, sammelt nach dem Ausscheiden weitere Erfahrungen unter anderem bei Thelonious Monk, Tadd Dameron und Woody Herman und kann sich bereits 1947 mit dem Sieg in der Sparte "New Star" des US-Magazins "Esquire" den ersten von sp�ter unz�hligen Poll-Gewinnen an die Brust heften. Ende der 40er kehrt Jackson zur�ck zu Dizzy Gillespie, der mittlerweile eine Big Band leitet, und trifft dort mit dem Pianisten John Lewis, dem Bassisten Percy Heath und dem Schlagzeuger Kenny Clarke mit der Rhythmus-Gruppe zusammen, die zur Keimzelle dessen wird, was wenige Monate danach f�r 23 Jahre in die Legende "Modern Jazz Quartet" m�nden soll.

So ist es denn auch ein Paukenschlag, mit dem 1974 die Nachricht von der Aufl�sung des "Modern Jazz Quartet" die Jazz-Welt trifft, und als sich Milt Jackson kurz darauf als die treibende Kraft des Splits bekennt, scheint er zun�chst zu best�tigen, was Unkenrufer als musikalische Differenzen schon lange ausgemacht zu haben glauben. Denn auch w�hrend seiner 23 Jahre als neben John Lewis zweitem spiritus rector der Gruppe, die den Kammer-Klang im Jazz etablierte, hatte sich der nebenberufliche Lehrer an der Lenox Jazz School in New York sowohl als Star unter eigenem Namen wie als Co-Star anderer Zelebrit�ten auch au�erhalb des Quartetts umgetan, mit Musikern der unterschiedlichsten Couleur zusammengearbeitet und so ganz nebenbei unter anderem mit Horace Silver auch das mit angeschoben, was dann als "Funk Jazz" fast schon ein eigenes Sub-Genre werden sollte.

Aus der Trennung des Quartetts als der vielseitigste der �berlebenden hervorgegangen, nutzt denn auch Jackson seinen klingenden Namen, stellt immer wieder neue Gruppen zusammen, wobei sich auch weiterhin das klaviergest�tzte Quartett als seine bevorzugte Formation erweist, kann mit moderat an Rock und Pop angen�herten Alben wie "Olinga" und "Sunflower" auch eine neue Generation von Jazz-H�rern f�r sich begeistern und stellt sich mit Count Basies Band zwischendurch einmal mehr auch in den Kontext der Gro�-Gruppe. Doch alte Liebe rostet nicht, und so kann der inzwischen zum Super-Star avancierte Vibraphonist 1979 bei einem Konzert zu seinem 40j�hrigen B�hnenjubil�um in der New Yorker Carnegie Hall nicht nur jede Menge anderer Gr��en als G�ste begr��en, sondern spinnt mit John Lewis auch alte F�den fort, die sich 1983 vor�bergehend zur Reformierung des "Modern Jazz Quartet" verweben. Seit Ende der 80er wieder definitiv auf Solo-Pfaden, bescheinigt der "Penguin Guide To Jazz On CD" dem privat exzellenten Ping-Pong- und Billard-Spieler: "Wenn �berhaupt, so unterl�uft er nur �u�erst selten ein �beraus hohes Niveau in einem � mittlerweile allerdings eingefahrenen � Gleis von reiner Vorz�glichkeit", und als er am 9. Oktober 1999 im Alter von 76 Jahren in New York an Krebs stirbt, da verliert die Jazz-Welt einen ihre letzten Gro�en der alten Garde, dessen Nachruf die "S�ddeutsche Zeitung" mit der Formulierung "Die Entdeckung der Zartheit" �berschrieb.

"Obwohl es viele B�cher �ber den Jazz und seine Musiker gibt, wird Milt Jackson doch nur selten erw�hnt, wenn es nicht gerade um das �Modern Jazz Quartet� geht, und auch da kommt er nur kurz weg", schrieb Don DeMicheal einst in "Down Beat". Das freilich war 1961, doch schon ziemlich bald hatte sich herumgesprochen, da� Jackson eben doch mehr war als nur der Vibraphonist und sogar auch noch mehr als nur der heimliche Co-Chef der legend�ren Gruppe. Und zwar nicht nur ein bi�chen mehr � wollte man, so k�nnte man in den Elogen, mit denen er inzwischen nahezu �bersch�ttet worden ist, durchaus auch fast schon so etwas wie eine Climax erkennen, die � im Gegensatz zu den nat�rlichen biologischen Prozessen � mit zunehmen dem Alter immer strahlender statt matter wurden. Denn wo � vielleicht � im Alltagsleben jeder f�r sich Priorit�ten setzen mag zwischen jugendlichem Feuer und Altersreife, da liegen im Fall Jackson so wie bei jeder ver�u�erlichten Innenwelt die Wertigkeiten so leuchtend klar zutage wie ein Regenbogen im Sonnenglanz: "Sein einzigartiger Stil verf�gt �ber H�rte und Sanftheit, H�rte bei seinen muskul�sen Exkursionen in den Blues und Sanftheit in seinen Balladen, und beide sind stets beherrscht von Durchsichtigkeit, Offenheit und Tiefe", hatte Star-Kritiker Ira Gitler schon 1952 bescheinigt, Gitler-Kollege Nat Hentoff attestierte bereits zehn Jahre sp�ter: "Sogar im �beraus disziplinierten Kontext des �Modern Jazz Quartet� bleibt Jacksons Konzeption doch immer seine ureigene. Er hat einen so ausgepr�gten Personal-Stil entwickelt, da� er ihm so zur zweiten Natur geworden ist wie seine Art zu laufen". "Jacksons au�erordentliches K�nnen kommt mit seinen eigenen Ensembles ebenso zur Geltung wie in der stilistisch festgelegten Zusammenarbeit mit dem �Modern Jazz Quartet�", urteilte schlie�lich Reclams "Jazz-F�hrer" Mitte der 70er Jahre, und das bislang verbindlichste abschlie�ende Wort schrieb Joachim Ernst Berendt im "Jazz-Buch": "Mehr als jede andere Art Jazz verdienen die Improvisationen Jacksons das Pr�dikat �flie�end�. Das Frappierende ist die ihm selbst unbewu�te Art, mit der er selbst die kompliziertesten Harmonien selbstverst�ndlich erscheinen l��t".

�ber Schlagzeug und Piano, Trompete und Saxophon l��t sich viel erz�hlen, �ber das Vibraphon hingegen schon sehr viel weniger, denn zu ausgefallen war das Instrument � zumindest bis zu einem gewissen Zeitpunkt �, als da� es mit seinen beiden Exponenten Red Norvo und Lionel Hampton mehr h�tte sein k�nnen als nur eine exotische Fu�note des Jazz. Was sich freilich mit dem Auftauchen Jacksons auf der Szene �ndern sollte, denn zwar hat er � anders als beispielsweise Jimmy Smith die Hammond-Orgel � sein Instrument nicht revolutioniert, ihm aber doch einige Facetten ab- beziehungsweise dazugewonnen, die es vom Rand des Spiel-Spektrums ein ganzes St�ck mehr in Richtung Mitte r�ckte: "Er schraubte die Geschwindigkeit des Oszillators herunter, unterlegte seine Noten mit einem warmen Vibrato und beseitigte dadurch den nerv�sen Schimmer fr�herer Vibraphonisten", spezifiziert der "New Grove Dictionary Of Jazz" eine der bahnbrechenden Neuerungen Jacksons, w�hrend ihm Martin Kunzler in seinem "Jazz-Lexikon" bescheinigt: "Er l�ste das Instrument aus seiner perkussiven Rolle und entwickelte eine gebundene Spielweise mit beliebig gemischten Notenwerten".

Und das blieb nicht ohne Folgen, denn zwar l�ste der � so der englische Publizist John Fordham in seinem Buch "Jazz" � "herausragende Bebop-Vibraphonist" keinen Boom an Epigonen aus, ermutigte aber doch von Cal Tjader �ber Bobby Hutcherson bis hin zu Gary Burton gleich eine ganze Reihe von jungen Vibraphonisten. "So weit sich auch die nach ihm kommenden Vibraphonisten von seinem Stil entfernt haben m�gen: Wer auch immer im modernen Jazz Vibraphon spielt, spricht voller Respekt und Verehrung von Milt Jackson, und es ist nicht wahrscheinlich, da� sein Erbe so bald vergessen werden wird", urteilt denn auch Berendt im "Jazz-Buch", und Gary Burton erwies einst dem Vorbild auch expressis verbis seine Reverenz: "Er kam, benutzte weiche Schlegel und spielte das Vibraphon in einer derma�en ausdrucksvollen Art, da� er jeden beeinflu�te, der nach ihm kam, ob er nun seinen Stil spielte oder nicht", attestierte der sicherlich popul�rste Jackson-Sch�ler und warf zugleich einen Blick zur Seite: "Selbst Lionel Hampton und Red Norvo fanden so zu einem weicheren Anschlag, nachdem Milt gekommen war und gezeigt hatte, was man mit diesem Instrument alles machen kann".

Spricht man �ber Milt Jackson, ohne n�her und detaillierter auf das "Modern Jazz Quartet" einzugehen, so w�re das, als wolle man die Glanzzeit der Goldschmiede-Kunst f�r den Hof der letzten Romanows abhandeln, ohne auch nur einmal den Namen "Faberg�" zu erw�hnen. Denn zwar war das Quartett � so der renommierte Hamburger Musik-Kritiker Werner Burkhardt im Oktober 1983 im "Spiegel" � "mehr als nur die Summe seiner Teile", aber doch bezog die langlebigste Jazz-Gruppe aller Zeiten ihre Trieb- und Schubkraft aus der kreativen Spannung ihrer beiden Pole John Lewis und Milt Jackson, die bei aller grunds�tzlichen �bereinstimmung doch grundverschiedener kaum h�tten sein k�nnen. "Es war die fruchtbare Konfrontation des Kopfes Lewis mit dem Bauch Jackson", diagnostizierte Burkhardt und leuchtete das mentale Innenleben der Konstellation aus: "Daf�r, da� diese Musik nicht nur den Kopf anspricht, sorgen die S�fte aus den afroamerikanischen Wurzeln. Sie verhindern, da� das empfindliche Gleichgewicht ins Wanken ger�t, der Feinsinn triumphiert, das prezi�se Klingeling die Alleinherrschaft antritt, und diesen st�ndig lauernden Gefahren begegnet mit beherztem Kl�ppel Milt Jackson". Und so war es auf der einen Seite die Integration des � so noch einmal Burkhardt � "vornehm planenden Pianisten und seines Blues-Feuer speienden Antipoden am Vibraphon", doch auf der anderen immer zugleich auch ein Kr�ftemessen. Denn da� Gegens�tze sich anziehen, wissen wir nicht erst seit der Festschreibung der Volksweisheit zum gefl�gelten Wort: "Die Spannung zwischen Lewis und Jackson besa� gelegentlich durchaus Charakteristika der Feindschaft", merkt Berendt in seinem Essay-Band "Ein Fenster aus Jazz" an und nimmt im "Jazz-Buch" den Vibraphonisten zugleich gegen den Vorwurf in Schutz, er habe sich dominieren und domestizieren lassen: "Man hat oft gesagt, da� die Gestalt und Form, die Lewis dem Ensemble gab, den Ideenflu� und die improvisatorische Freiheit Jacksons beschnitten h�tten. Tatsache ist aber, da� Milt die sch�nsten Soli seiner Laufbahn als Mitglied des �Modern Jazz Quartet� gespielt hat".

In allen miserablen Synchron-�bersetzungen amerikanischer Filme hei�t es, wo es im Original lautet: "I want the divorce", auf deutsch nicht "Ich will mich scheiden lassen", sondern unbeholfen und undeutsch "Ich will die Scheidung", und es war Milt Jackson, der 1974 seinen drei Compadres nach 23 Jahren gl�cklicher Ehe das "I want the divorce" um die Ohren haute und damit ein Ereignis ausl�ste, dessen Wirkung auf die Jazz-Welt das US-Fachmagazin "Down Beat" mit der Nachricht vom Einsturz des Mount Rushmore mit seinen Pr�sidenten-Reliefs verglich. Doch die Gr�nde lagen nicht da, wo sie voreilige Kassandras schon immer gesehen haben wollten, und wo wohlfeile Spekulationen von �berm�dungserscheinungen raunten, da stellte der � so "Down Beat" im November 1958 � "Z�ndfunke des �Modern Jazz Quartet�" im Mai 1975 an gleicher Stelle die Wahrheit vom Kopf auf die F��e: "Nach 23 Jahren hatte ich das Gef�hl, wir sollten mindestens eine Million auf der Bank haben", diktierte Jackson Interviewer Len Lyons in den Block, "urspr�nglich wollte ich nur dazu beitragen, das Projekt �Modern Jazz Quartet� anzuschieben, weil ich glaubte, wir w�rden in jeder Richtung Erfolg haben. Musikalisch war das ja auch so. Aber ich sage es noch einmal: Ich hatte das Gef�hl, da� es sich nach all den Jahren finanziell nicht ausgezahlt hat, nicht einmal ann�hernd so, wie es h�tte sein sollen".

So spielten denn auch musikalische Differenzen wenn �berhaupt, dann eine eher untergeordnete Rolle � Jackson erw�hnte beil�ufig, er habe f�r eine �beraus behutsame Ann�herung an das aktuelle Jazz-Rock-Idiom pl�diert �, und Lyons selbst go� die Bilanz seines Drei-Seiten-Interviews in eine Art Kompaktformel: "Jackson �bernahm die volle Verantwortung f�r die Aufl�sung der Gruppe, die zu einem Zeitpunkt kam, als ihr musikalischer Horizont so offen wie eh und je schien, wenn er nicht sogar im Begriff war, sich noch zu erweitern. Mit der Intention, als unabh�ngiger Band-Leader Platten einzuspielen, und in der Hoffnung, mit einer eigenen Gruppe auf Tourneen zu gehen, war Jacksons Motivation in erster Linie finanzieller Art."

"Jazz � geh�rt und gesehen" hie� eine Fernseh-Serie Joachim Ernst Berendts in den 50er Jahren und brachte schon im Titel einen weiteren Aspekt der schwarz-wei�en Musik auf den Punkt, und auch Milt Jackson kann durchaus als der lebende Bewis daf�r durchgehen, da� Jazz nicht nur Sinneslust f�r die Ohren, sondern und in seinen besten Momenten auch noch f�r die Augen ist. Und war es beispielsweise ein Erlebnis sondersgleichen, beim Jazzfest 1983 die Schwingungen zwischen Jackson und Lewis beim Auftritt des reformierten "Modern Jazz Quartet" auch optisch in Mienenspiel und Minimal-Gestik mitzuverfolgen, da liest sich eine der sch�nsten Beschreibungen des fr�hen Milt Jackson fast schon eher wie eine Reportage denn wie eine Musik-Kritik: "Die Zipfel seiner Smoking-Jacke schleudern herum, je lebhafter seine Bewegungen werden, seine F��e gr�tschen weiter auseinander, seine wie auf Kugellagern rollenden Handgelenke werden zu anmutig verwischten Punkten und sein Kopf neigt sich immer tiefer �ber sein Instrument", schilderte Don DeMicheal im Juli 1961 nach einem Auftritt des Quartetts in "Down Beat" die B�hnen-Pr�senz des Vibraphonisten zwischen Blues und Sch�nklang, "hat er eine Phrase gespielt, die ihm offensichtlich gefallen hat, schaut er �ber seine Brillengl�ser hinweg, um zu sehen, ob es jemand anderen ebenso ber�hrt hat wie ihn selbst, und wenn sein Solo zu Ende ist, zieht er sich offensichtlich entspannt in den Hintergrund zur�ck".

Doch freilich: Man t�te Milt Jackson unrecht, wollte man in ihm � bei aller Faszination � nur den Interpreten sehen. Denn auch, wenn besonders zu "Modern Jazz Quartet"-Zeiten der gr��te Teil des Materials, so es nicht aus der Feder von John Lewis stammte, von "But Not For Me" �ber "How High The Moon" bis hin zu "Willow Weep For Me" Standards waren, so hat "Bags" neben seinem "Groove" nicht nur seiner einstigen Gruppe, sondern der Jazz-Welt insgesamt mit beispielsweise "Bluesology", "The Cylinder" und "Ralph�s New Blues" einige Kompositionen geschenkt, die immer wieder auch Kollegen zu Nach- und Neu-Interpretationen angeregt haben und deren � wie der "New Grove Dictionary Of Jazz" treffend anmerkt � "einfaches formales Design oft scharf mit der Komplexit�t seiner Improvisation kontrastiert". Und auch das macht seinen Sinn: "Ich habe eine einfache Lebens-Philosophie � ich w�rde nie etwas Kompliziertes tun, es sei denn, es ist absolut unumg�nglich", hatte Jackson ebenfalls 1961 in "Down Beat" zu Protokoll gegeben.

Es war im September 1961, da� Milt Jackson Oscar Peterson einen heimlichen Herzens-Wunsch erf�llte: "Peterson hat seinem Trio Charakteristika des �Modern Jazz Quartet� gegeben. Manche St�cke scheinen wie eine liebensw�rdige und charmante Verneigung", hatte Joachim Ernst Berendt 1960 in einer der fr�hen Auflagen seines "Jazz-Buchs" noch festgestellt und nicht ahnen k�nnen, wie nahe der vitale Pianist schon ein Jahr sp�ter mit Jackson und der gemeinsamen LP "Very Tall" an den legend�ren Gruppen-Sound herankommen sollte. Doch Peterson war beileibe nicht der einzige, mit dem der Allround-Vibraphonist zusammentraf, denn nicht nur Kritiker und Fans waren schon bald in den Sog von Jacksons �berbordender Musikalit�t geraten, sondern auch und erst recht Kollegen quer durch alle Instrumente, die deshalb regelrecht Schlange standen vor der Studio-T�r und damit auch gleich noch offene T�ren einrannten: "Nach Feierabend hat es ihn immer mal wieder auf die Blues-Piste getrieben. Ausrasen wollte er sich, wenn keiner zusieht", res�mierte Burkhardt im "Spiegel" die au�erehelichen Beziehungen Jacksons zu "Modern Jazz Quartet"-Zeiten.

Und so buchstabiert sich denn auch der Blick in den "Bielefelder Katalog" mit seinen rund 80 Platten unter Jacksons eigenem oder unter fremdem Namen so illuster wie sonst nur � auf anderer Ebene � die G�ste-Liste des Diplomatischen Korps zum Neujahrs-Empfang des Papstes. Als da w�ren, in Ausz�gen: Miles Davis und Coleman Hawkins, Dinah Washington und Art Blakey, Lucky Thompson und Frank Wess, Cannonball Adderley und Joe Newman, John Coltrane und Art Farmer, Benny Golson, Barney Kessel, Kenny Burrell und schlie�lich sogar Ray Charles f�r das gemischte Doppel Vibraphon-Voice unter dem Titel "Soul Brothers". "Eigentlich besteht Jackson aus zwei Personen � dem ruhigen, reservierten Professor des �Modern Jazz Quartet� und dem deutlich animierteren Virtuosen in einem anderen als dem Kontext seiner Heimat-Gruppe", konstatierte denn auch einst "Jazz At The Philharmonic"-Impresario und "Verve"-Chef Norman Granz, und als Jackson in den 70ern kurzfristig ebenfalls im CTI-Stall des umtriebigen Produzenten Creed Taylor heimisch wurde, da profitierte neben anderen auch Stanley Turrentine f�r seine LP "Cherry" von den ungebrochen agilen Schlegeln und Schl�gen des Plinkerers mit dem in der Tiefe gl�henden Funk-Feuer.

Milt Jackson, der musikalische Fahrtrichtungsanzeiger, der mit seinem Tandem-Partner John Lewis das "Modern Jazz Quartet" zu der Legende machte, die es war und heute noch immer ist, der Vibraphonist, der mit seinen gezielten Schl�gen gleich eine ganze Generation von Schlegel-Schwingern erst so richtig auf den Trip brachte, der Komponist, der im Vergleich zu manchem anderen Kollegen ein zwar nur kleines Werk an Klassikern in die Welt gesetzt hat, dessen "Bag�s Grove" allein jedoch ihm schon allemale seinen Platz auch in den Noten-Annalen gesichert h�tte, und der Blues-Brother, der, wenn auch nicht durchg�ngig, so doch schon in Ans�tzen "funky" spielte, als au�er ein paar Insidern und eingefleischten Aficionados noch kein Mensch so richtig wu�te, was das denn eigentlich sei.