Das Video zum 55. Geburtstag klingt hoffnungsfroh: "Wir sehen uns bald wieder", sagt der junge Umweltaktivist und Journalist Victor Vegener am Ende der Aufnahme ins Handy, gratulieren will er damit seinem Onkel Max Grosz, einem Kripobeamten in Deutschland, zu dem er eine ganz besondere Verbindung hat. Aufgenommen wurde es im norwegischen Spitzbergen, Victor hat dort nämlich etwas zu tun, etwas, das Auswirkungen auf die gesamte Menschheit haben könnte. Seine Recherchen zum globalen Agrarkonzern BSG führten ihn in den Svalbard-Saatguttresor, einem Bunker, in dem mehr als 800.000 Saatgutsorten aus aller Welt gelagert sind. Dieser Bunker existiert real in Spitzbergen, gedreht werden durfte für die ARD-Serie "Die Saat - Tödliche Macht" - zu sehen ab Samstag um 20.15 Uhr im Ersten - dort nicht. Für die Innenaufnahmen wich das Team rund um Regisseur Alexander Dierbach in einen U-Bahn-Versorgungsschacht in Prag aus.

In der sechsteiligen Serie geht es um nicht weniger als die Frage nach der Zukunft der weltweiten Ernährung und um skrupellose Kapitalisten, die mit Saatgut viel verdienen und hohe Erträge erwirtschaften wollen. Und es geht um politische Machenschaften in Brüssel, um gefinkelte Lobbyisten, die alles dafür tun würden, um Entscheidungen der EU zu ihren Gunsten zu drehen. Und es geht auch um Beziehungen und um alte Traumata. Genetik, Aktivismus, Korruption, Geld, Gier, Macht und dann noch persönliche Krisen: Klingt nach viel Stoff für eine Miniserie? Ist es auch.

Heino Ferch als Polizist Max Grosz
Polizist Max Grosz (Heino Ferch)Spurensuche nach seinem verschwundenen Neffen Victor, im Svalbard-Saatguttresor hofft er auf Hinweise.
Foto: ARD Degeto/Odeon Fiction GmbH/NR

Heino Ferch spielt den desillusionierten, ein wenig grantigen Polizisten, der sich auf macht nach Spitzbergen, um seinen vermissten Neffen zu suchen. Und dort mit seiner Arroganz zunächst ziemlich aneckt. Vor allem bei der norwegischen Polizistin Thea Koren (Ingrid Bolsø Berdal) die selbst mit einem Ereignis aus der Vergangenheit hadert. Doch die beiden raufen sich zusammen und werden bald merken, dass ihre Recherchen einigen Mächtigen so gar nicht gefallen. Diese geldgierigen Mächtigen sitzen in ihren Konzerntürmen aus Glas, in denen es alles andere als transparent zugeht.

Kalt ist es nicht nur in Norwegen, auch die Stimmung in Brüssel ist oft eisig. Dort versucht BSG-Mann Jon Hoffmann (Rainer Bock) mit allen unlauteren Mitteln die Fusion der BSG mit einem weiteren Global Player durchzubringen. Sein Gegenüber ist die integre Politikerin Jule Kronberg (Friederike Becht), die diese Übernahme nicht zulassen will. Aber Hoffmann - Lobbyist ohne Skrupel - wird sich wohl auch gegen die EU-Wettbewerbshüterin etwas einfallen lassen, um sie umzustimmen.

Jon Hoffmann (Reiner Bock) will von Jule Kronberg (Friederike Becht) die Zustimmung für die geplante Fusion der Agrarriesen. Im Hintergrund: David Bowles als korrupter EU-Politiker Imre Laszlo.
Böser Lobbyist und gute Politikerin: Jon Hoffmann (Reiner Bock) will von Jule Kronberg (Friederike Becht)die Zustimmung für die geplante Fusion der Agrarriesen. Im Hintergrund: David Bowles als korrupter EU-Politiker Imre Laszlo.
Foto: ARD Degeto/Odeon Fiction/NRK

Skrupelloser Lobbyismus und naive Politikerin

Die norwegische Weite gegen Brüsseler Glaspaläste, der junge idealistische Aktivist gegen mächtige Konzernbosse, der windige Lobbyist gegen die ein bisschen naive Politikerin, ein Wissenschafter, der Gutes tun will und doch korrupt ist, eine eiskalte Killerin, die ihr Handwerk als Söldnerin gelernt hat und ein Journalist, der zu viel weiß und mit Slapp-Klagen kaltgestellt werden soll: Die Bilder, die die Autoren und Regisseur Alexander Dierbach bedienen, scheinen manches mal zu viele Klischees zu bedienen. Aber vielleicht die Fiktion auch gar nicht so weit entfernt von der Wirklichkeit.

"Drei Großkonzerne kontrollieren fast zwei Drittel des auf 50 Milliarden geschätzten Weltmarktes. Gleichzeitig fanden wir Belege, dass die Reichsten dieser Welt längst Milliarden in Ackerland investieren. Das Beunruhigende aber ist: Wer über die Produktion unserer Nahrung entscheidet, entscheidet über die Politik", so die Drehbuchautoren Christian Jeltsch und Axel Hellstenius über den Hintergrund der Serie. In "Die Saat" wollen sie einen Blick hinter die Kulissen der Agrar-Macht und ihrer Verquickung mit politischen Interessen werfen.

Ihnen ist jedenfalls eine solider Thrillerserie gelungen, die über weite Teile unterhält und auch aufklärt. Und die eines der großen Themen unserer Zeit herunterbricht auf persönliche Schicksale. Sehenswert, auch wenn so mancher privater Schnick-Schnack nicht hätte sein müssen und man sich von Heino Ferch mehr als nur den einen, leidenden Gesichtsausdruck wünschen würde. (Astrid Ebenführer, 9.12.2023)