Third
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Informationen
Allgemeine Angaben
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Label: |
CBS |
Durchschnittswertung: |
14.5/15 (2 Rezensionen) |
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Besetzung
Mike Ratledge |
keyboards |
Hugh Hopper |
bass guitar |
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Robert Wyatt |
drums,vocal |
Elton Dean |
alto sax and saxello |
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Gastmusiker
Nick Evans |
trombone |
Jimmy Hastings |
flute and bass clarinet |
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Rab Spall |
violin |
Lyn Dobson |
flute und soprano sax |
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Tracklist
Disc 1 |
1. |
Facelift
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18.54
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2. |
Slightly All The Time
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18.14
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3. |
Moon In June
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19.18
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4. |
Out-Bloody-Rageous
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19.17
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Gesamtlaufzeit | 75:43 |
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Rezensionen
Rosa, definitiv rosa, und gelb, und rot, knatschrot, vielleicht etwas braun, ein zartes lindgrün und schwarz, oder zumindest Dunkelheit. Drehende Sterne, kadeiloskopartig tanzende Lichter, überblendende, verschwommene Bilder.
Etwa so müßte das Setting für eine Hörsitzung des Canterbury-Flaggschiffes 'Third' von "Soft Machine" sein, damit die Pychedelik dieser Platte volle Durchschlagkraft bekommt. Aber auch ohne Lichteffekte und verbotene bewußtseinserweiternde Substanzen bleibt jedes Hören dieser CD ein Erlebnis.
Alleine schon die Eröffnungsnummer 'Facelift' wirkt eher als 'Brainlift'. Obschon zusammengestückelt aus zwei unterschiedlichen Livenummern kenne ich kaum einen 'Song', der mehr Spannung aufbaut, mit Ausnahme vielleicht der ersten Hälfte von 'Tubular Bells'. Ein dumpfer Orgelton fängt langsam an zu vibrieren, Geige und Orgel beginnen ganz leise, darüber zu wabern, zu jaulen, zu kratzen, zu kreischen und zu quietschen, sanfte Saxophon-Töne stimmen ein, eine Intensitätssteigerung über gut fünf Minuten, wahrlich keine leichte Kost. Alles wartet in einem Moment der Besinnung darauf, daß jetzt endlich der erlösende Krach losgeht, daß das Stück so richtig losfetzt, aber stattdessen wird die behutsam aufgebaute Spannung zerstört, ein recht sanfter Teil (maximal viertel Kraft) beginnt, strukturierter und konziser, auch Robert Wyatts Schlagzeug mischt jetzt mit, aber beinahe versteckte Töne im Hinter- und Untergrund sorgen dafür, daß statt süßer Entspannung das Gefühl drohenden Unheils nur noch stärker wird als vorher: irgendetwas mußpassieren! Und plötzlich kommt das Tutti-Gekrächze, nicht so infernalisch wie befürchtet, um sich genau in dem Moment, in dem man dies erleichtert denkt, nocheinmal zu steigern, um aber dann sofort einem seltsamen Orgelsolo mit darüber hinwegfahrendem Saxophon-Geschimpfe zu weichen, unterfüttert von pulsierendem Baß und Schlagzeug. Auch nach dem jähen Bruch beim Übergang zu der anderen Aufnahme bleibt die Nummer reichlich seltsam und zwischen E-Piano und fauchenden Flöten gibt es noch einiges zu entdecken. Insbesondere Ratledges so charakteristischer bienenartig-summender oder fuzz-verzerrter Orgelsound bleibt hervorstechend (gottseidank hatte Mike Ratledge anfangs nicht genug Geld, sich eine echte Hammond-Orgel zu kaufen, deren fetter Sound hier vielleicht sogar fehl am Platze wäre: die billigere Lowrey-Orgel klingt hier perfekt).
Man sieht bzw. hört: die psychedelische Seite Soft Machines äußert sich nicht bloß in Spielereien mit Soundeffekten und sanftem Dahinplätschern, sondern in schrägen Kompostionen und langen, erregenden Improvisationen, die zur Entfaltung ihrer vollen Wirkung einiges an Aufmerksamkeit verlangen. Und die restlichen drei Songs des Doppelalbums (!) passen voll in dieses Bild:
'Slightly All The Time' ist eher durchkomponiert und -instrumentiert, mehr auf der swingenden als der freien Seite, aber dennoch durch ungewöhnliche Melodie-Linien und Tempo- bzw. Rhythmuswechsel aufregend und seltsam genug. Und natürlich gibt es wieder einige Improvisationen, hauptsächlich der Bläser, die ja eigentlich nur als Verstärkung des Soft Machine Kerns Hugh Hopper (b), Mike Ratledge (p, org) und Robert Wyatt (dr, voc) gedacht waren. Aber deren pulsierendes Ensemble-Spiel bildet das Herz dieser Musik, insbesondere Wyatts Schlagzeug treibt und pumpt ohne Ende.
Die dritte Nummer, 'Moon In June', ist fast eine Wyatt Solo-Nummer, beherrscht von seinem Gesang und Schlagzeug mit nur minimalen Beiträgen von Ratledge und Hopper und ganz ohne die Bläser und die Violine. Angeblich trug die Weigerung der beiden, sich an dieser Nummer stärker zu beteiligen, sowie ihre generelle Abneigung gegen Stücke mit Gesang nicht unwesentlich zum Ausstieg Wyatts gut ein Album später bei. Nichtsdestotrotz hat Wyatts Montage über das Leben, gesehen von einem New Yorker Hotelzimmer aus, einiges an Charme, nicht zuletzt wegen seiner ganz eigenen, etwas quäkigen Stimme und dem manchmal eher abgedrehten Text ('Just before we go on/ with the next part of our song/let's all make shure/ we've got the time...'). Insgesamt erinnert dieser Song noch am ehesten an die Lockerheit und die DADA-Tendenzen der ersten beiden Soft Machine-Alben.
'Out-Bloody-Rageous' beschließt das insgesamt fabelhafte Album wieder mit Psychedelischem: Schier nicht enden wollendes Orgel-Gesummse und Geplinge, teilweise rückwärts geschnitten, das viele der Klangexperimente späterer Krautrock-Künstler à la Klaus Schulze und "Tangerine Dream" vorweg nimmt, rahmt einen jazzigen Teil mit der obligatorischen elektrifizierenden Improvistion ein und bildet einen hypnotischen Ausklang.
Alles in Allem ist 'Third' eine überaus aufregende, heute immer noch hörenswerte Platte, die übrigens schon damals, um 1970, von vielen Jazzern als einer der wenigen brauchbaren Beiträge aus dem Rock-Lager zur Vermählung von Jazz und Rock angesehen wurde. Der einzige Wermutstropfen beim Genuß dieses Meisterwerks ist die überaus lausige Klang-Qualität (zumindest meiner Columbia-Kopie), die aber natürlich den musikalischen Wert keineswegs schmälert.
Also, auf ins 'Arts-Lab'...
Anspieltipp(s): |
Slightly All The Time (jazzlastigstes Stück; vielleicht am repräsentativsten für den Soft Machine-Sound der nächsten Platten) |
Vergleichbar mit: |
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Veröffentlicht am: |
3.6.2002 |
Letzte Änderung: |
3.6.2002 |
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Die Jahre 1969-1970 waren sehr wechselhaft für Soft Machine. Anfang 1969 war man als Trio tätig, wuchs dann zum Septett an, welchen aber schnell wieder zum Quintett wurde, dann zum Quartett. Nach den Aufnahmen zu "Volume 2" im Februar und März 1969 legten sich Mike Ratledge, Robert Wyatt und Hugh Hopper eine Hornabteilung zu, bestehend aus Elton Dean (Sax), Lyn Dobson (Sax und Flöte), Marc Charig (Trompete) und Nick Evans (Posaune). Diese "Big-Band" bestand aber nur zweieinhalb Monate lang und gab zwei Handvoll Konzerte, vornehmlich in Frankreich, und spielte eine BBC-Session ein (siehe "BBC Radio 1967-1971"). Ende 1969 verließen Evans und Charig Soft Machine. Das verbliebene Quintett gab weitere Konzerte, in Breda in Holland z.B. (siehe "Breda Reactor"), aber auch in den Fairfield Halls in Croyden und im Mothers Club in Birmingham. Im März 1970 ging dann auch Dobson seiner Wege.
Als sich Soft Machine im April 1970 in die IBC-Studios in London begaben um ihr drittes Album einzuspielen waren sie offiziell nur noch zu viert, mit Dean als einzigem Überbleibsel der Bläsersektion (von denen zwei weitere allerdings noch als Gäste beteiligt waren). Im Beiheft von "Third" (dem des neuesten CD-Reissues) ist Dean allerdings noch als Gast geführt, zusammen mit Dobson und Evans, dem Geiger Rab Spall und Jimmy Hastings (der Bruder von Pye, des Gitarristen von Caravan). Erst nach Erscheinen des Albums wurde Dean die feste vierte Kraft in der Band.
"Third" ist das ambitionierteste Album von Soft Machine, und eines der ambitioniertesten Alben überhaupt, die in der ersten Hälfte der 70er Jahre von einer Rockband veröffentlicht wurde. Vier fast 20-minütige Nummern gibt es hier zu hören, angefüllt mit komplexem, psychedelisch-freakigem Jazzrock, schrägem Krach, minimalistischen Tonkonstrukten, endlos dahinwabernden E-Orgelexkursen, repetitiven Rockschemen und einem überlangen Song. "Facelift" wurde aus den beiden Konzerten des Quintetts in Croyden und Birmingham zusammengebastelt. Hier ist Dobson noch dabei, an Flöte und Sopransax. Die restlichen Stücke des Konzerts in den Fairfiled Halls ist auf der Archiv-CD "Noisette" zu finden. "Slightly All The Time" entstand dann im Studio. Hier ist das zukünftige Soft-Machine-Quartett zu hören, unterstützt von Hastings an Flöte und Bassklarinette.
"Moon In June" ist Robert Wyatts Gewächs. Das Lied geht auf zwei Wyatt-Nummern zurück, die schon 1967 im Repertoire von Soft Machine zu finden waren: "That's How Much I Need You" und "You Don't Remember". Beide sind auf dem Album "Jet Propelled Photographs" zu finden. 1968 hatte Wyatt eine erste Demoversion dieses langen und komplexen Lieds aufgenommen, welches später mit Hopper und Ratledge vervollständigt wurde. Dieses "Moon-In-June"-Demo ist auf dem Archivalbum "Backwards" zu finden. Auch die für "Third" eingespielte Neuaufnahme wurde zu großen Teilen von Wyatt bestritten, an Schlagzeug, E-Piano und Orgel. Dazu kommt sein charakteristischer Gesang (das letzte Gesangsstück auf einer Soft-Machine-LP), Hopper am Bass, und vor allem im zweiten Teil auch Ratledge an der verzerrten Orgel. Gegen Ende ist zudem der Geiger Rab Spall an der verfremdeten Violine zu hören.
"Out-Bloody-Rageous" beginnt wie eine Komposition von Terry Riley. Repetitiv dahinwabernde Orgel- und E-Pianoschleifen hallen aus den Boxen, ehe sich das Ganze nach 5 Minuten in einen flotten Jazzrocker verwandelt. Ratledge ist nun auch an einem Piano tätig. Dazu kommt Nick Evans an der Posaune. Hier sind Soft Machine sehr jazzig unterwegs, ehe nach 10 Minuten wieder das Orgel-E-Pianowabern einsetzt. Mit sehr entspanntem Jazzrock geht das Stück dann weiter, um dann mit sonor brummendem Bass und wirren, sich endlos wiederholendem E-Pianogeklimper auszuklingen. Mit diesen Ausflügen in die Minimalmusik erregte Ratledge auch in "E-Musik"-Kreisen Aufsehen.
Das neueste CD-Reissue von "Third" ist nicht nur remastert, was im Vergleich zum etwas mumpfigen Klang der alten CD-Ausgabe zu deutlichen Verbesserungen geführt hat, sondern die Scheibe kommt nun mit einer Bonus-CD (und sollte daher zum Preis einer Einzel-CD verkauft werden!). Diese enthält das Konzert, welches die Softs (als Quartett) am 13. August 1970 im Rahmen der Promenadenkonzerte in der Royal Albert Hall gegeben haben. Diese Aufnahmen wurden erstmals Ende der 80er Jahre mit dem Titel "Live at the Proms 1970" auf LP veröffentlicht. Auch hier hat das digitale Bearbeiten zu einer deutlichen Klangverbesserung geführt.
"Third" ist sicher DER Klassiker von Soft Machine und auch der ganzen Canterbury-Szene. Zudem ist das Album eine der progressivsten Leistungen einer Rockformation, die in den 70er Jahren entstanden ist. Wer wirklich progressive Kläange schätzt, aber keine Aversionen gegen Jazzeinflüsse hat und Freieres ertragen kann, der sollte die Platte kennen. Für Canterbury-Liebhaber ist das Album natürlich ein Muss!
Anspieltipp(s): |
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Vergleichbar mit: |
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Veröffentlicht am: |
31.3.2007 |
Letzte Änderung: |
21.4.2012 |
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