Boxring Bundestag: Scholz gegen Merz in der Generaldebatte | BR24
Bundeskanzler Olaf Scholz (l, SPD) verfolgt die Ausführungen des Unionsfraktions-Vorsitzenden Friedrich Merz (CDU)
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Heute im Bundestag: Bundeskanzler Olaf Scholz (l, SPD) verfolgt die Ausführungen des Unionsfraktions-Vorsitzenden Friedrich Merz (CDU)

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Boxring Bundestag: Scholz gegen Merz in der Generaldebatte

Generaldebatte im Bundestag: Vor allem Kanzler und Oppositionsführer schenken sich wenig. Von Olaf Scholz und Friedrich Merz weiß man, dass sie einander in herzlicher Abneigung verbunden sind. Scholz' Credo: "Wer boxt, darf kein Glaskinn haben."

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Dass Abgeordnete von SPD, FDP und Grünen während einer Rede des Kanzlers johlen, kommt eher selten vor im Bundestag. Aber Olaf Scholz (SPD) hatte sich einiges vorgenommen. Und tatsächlich schaffte er es, seine Ampelkoalition zu Beifallsstürmen hinzureißen. Was viel mit Friedrich Merz zu tun hatte. Aber der Reihe nach.

Eine Rede zum Haushalt? Irrtum!

Wie immer in der Generaldebatte zum Bundeshaushalt beginnt der Oppositionsführer, das ist in dieser Legislaturperiode Friedrich Merz (CDU). Und Merz versucht, ganz europäischer Staatsmann, einen großen Bogen zu schlagen, für den er tief in die europäische Geschichte eintauchte. Eine zentrale Rolle: das deutsch-französische Verhältnis, um das es nach Merz‘ Meinung nicht zum Besten steht. Merz fordert daher eine strategische Neuausrichtung Europas, erinnert an die industriepolitische Airbus-Initiative zwischen Deutschland und Frankreich aus dem Jahr 1965.

Dann springt er ins Hier und Jetzt. Er schimpft über das System Bürgergeld und über Sozialleistungen an jene, die sie nicht wirklich brauchten, nennt die SPD eine "Partei der subventionierten Arbeitslosigkeit". Hatte man also eine Rede zum Bundeshaushalt und den Irrungen und Wirrungen, die zu diesem Haushalt geführt haben, erwartet, sah man sich schwer getäuscht. Merz selbst bringt dies zur Sprache, als er in die Runde fragt: "Was hat das mit Haushalt zu tun?" und auch gleich die Antwort liefert: "Gar nichts."

Oppositionsarbeit ist Mist

Und dann erklärt Merz, warum er sich so gar nicht zum Thema einlassen will: Die Union habe keine Änderungsanträge zum Haushalt gestellt, weil das ja eh nichts bringe. Opposition als mühsame Kärrnerarbeit, man merkt Merz an, wie sehr ihn das wurmt. So sehr, dass er ein Versprechen abgibt in Richtung Scholz und Ampelregierung: "Sparen Sie sich Aufrufe zur Zusammenarbeit". "Kaltschnäuzig" und "rücksichtslos" treibe die Ampelkoalition ihre Vorhaben voran, daher will Merz jetzt nicht mehr mitspielen, er schließt eine Reform der Schuldenbremse mit Hilfe seiner Fraktion aus.

Für eine Reform ist eine Änderung des Grundgesetzes notwendig, und das geht nur mit der Union. Dennoch kann die Ampel nicht auf Merz‘ Hilfe hoffen: "Sie sind gewählt, die Probleme des Landes zu lösen", sagt Merz in Richtung Scholz, aber: "Sie kriegen das nicht in den Griff". Was irgendwie auch für den Umgang der Ampel mit der AfD gilt. Merz sieht indirekt bei der Ampel eine Mitschuld für die Verdoppelung der AfD-Umfragewerte. Er selbst hatte einst verkündet, die AfD halbieren zu wollen, davon ist längst keine Rede mehr. An die AfD richtet der CDU-Chef dann noch folgende Botschaft: "Sie wären der endgültige Abstieg Deutschlands, wirtschaftlich und moralisch." Was ihm - bis auf die AfD - parteiübergreifende Zustimmung einbringt.

Ein völlig losgelöster Kanzler

Scholz hat sich ganz offenbar vorgenommen, seinen Leuten zu beweisen, dass er nicht nur leise und kontrolliert in der Öffentlichkeit auftreten kann. Sein Kommunikationsverhalten ist ja durchaus kritisiert worden, sogar innerhalb der SPD. Nun aber legt er los. Zunächst bekommt die AfD eine Breitseite ab: Deren Vertreibungspläne, die das Rechercheportal Correctiv offengelegt hat, erinnerten an dunkelste Zeiten der Geschichte. "Wir müssen als Demokraten zusammenhalten", wirbt er bei Merz gemeinsam gegen die AfD, die sei die "größte Wohlstandsvernichtung".

Im Video: Scholz und Merz gegen Rechtsextremismus

Bundeskanzler Olaf Scholz
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Bundeskanzler Scholz (Bild) und CDU-Parteichef Merz haben sich im Bundestag deutlich gegen rechtsextreme Umtriebe geäußert.

Dann aber ist es auch schon vorbei mit dem Schmusekurs. Mit seltenem Feuer hält Scholz Merz dessen politische Abwesenheit in den vergangenen Jahren vor. Scholz habe als Finanzminister mit Angela Merkel gut zusammengearbeitet, etwa bei dem europäischen Wiederaufbaufonds. Und Scholz setzt eine vergiftete Spitze: "Man muss auch mal stolz darauf sein, was eine eigene Regierungschefin zustande gebracht hat. Es war eine CDU-Kanzlerin, mit der das gemeinsam gelungen ist."

Wer auf die Oppositionsbank blickt, sieht einen zusammengeklappten Merz, der sichtlich nicht weiß, wie er auf diese Belehrungen reagieren soll.

Scholz attackiert Merz und wird bejubelt

Scholz hat aber noch lange nicht genug. Er nimmt Merz‘ rhetorische Frage auf und fragt selbst: "Was hat Ihre Rede mit der gegenwärtigen Lage und dem Haushalt zu tun?" und antwortet: "Nichts. Da haben Sie recht." Aber man müsse die Frage erweitern: "Was hat eigentlich Ihr politisches Programm mit der Zukunft Deutschlands zu tun? Nichts, das ist die Antwort, die wir darauf geben müssen", schleudert Scholz Merz entgegen, sein Satz geht fast unter im Johlen der SPD-Abgeordneten.

Und Scholz legt nach: Die Union habe nichts hinbekommen, während die Ampel Tempo gemacht habe, wo Tempo notwendig war. "Ökonomischer Sachverstand: null, keine Perspektive für Deutschland", attestiert Scholz der Union, und erntet auch hier langanhaltenden Beifall von begeisterten Abgeordneten der Ampel-Koalition. Deutschland habe den höchsten Beschäftigungsstand in der Geschichte, was Unternehmen in Deutschland besorge, sei der Fachkräftemangel. Und mit den jüngsten Gesetzen wie dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz schaffe die Regierung eine Perspektive für die Zukunft Deutschlands.

"Wer boxt, darf kein Glaskinn haben"

Einen Deutschland-Pakt mit der Union hat Scholz allerdings wohl abgeschrieben, beim Thema Migration attestiert der Kanzler Merz gar "Hasenfüßigkeit", der habe sich aus dem Staub gemacht, weil er das Thema weiter am Köcheln halten wolle. Es scheint Scholz Spaß zu machen, den Oppositionsführer mit seltener Stamina zu attackieren. Merz teile jeden Tag gegen die Bundesregierung aus, zum Teil unter der Gürtellinie, könne aber nicht einstecken. Auch hier der Rat an Merz: "Wer boxt, darf kein Glaskinn haben."

Am Ende seiner Rede findet Scholz dann wieder zurück zum gewohnten überlegten, ruhigen, gesetzten Kanzlerduktus. Er versichert der Ukraine die deutsche Unterstützung, blickt mit Sorge und Zuversicht auf die Wahlen in den USA. Und wirbt zum Schluss noch einmal vehement für ein starkes und souveränes Europa. Das zumindest dürfte Merz mit unterschreiben.

Im Video: Interview zum Holocaust-Gedenken im Bundestag

Marcel Reif
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Marcel Reif

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