Filmarchivar Henri Langlois: Im Porträt von Georg Stefan Troller - WELT
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Literatur Henri Langlois

„Ohne mich gäbe es diese Filme ja überhaupt nicht mehr“

Der französische Filmarchivar Henri Langlois lebte von 1914 bis 1977 Der französische Filmarchivar Henri Langlois lebte von 1914 bis 1977
Legendärer Filmarchivar: Henri Langlois (1914–1977)
Quelle: Getty Images/Archive Photos/Jack Robinson
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Henri Langlois war ein Pionier. Er gründete die Pariser Kinemathek und rettete viele Filme vor dem ewigen Vergessen. Trotzdem wurde ihm 1968 gekündigt. Unser Autor traf Langlois – und bekam französische Filmgeschichte zum Anfassen.

An die 80 Prozent aller je gedrehten Filme müssen als verschollen gelten. Dabei begann das professionelle Sammeln von Filmwerken aller Art bereits im Jahr 1936. Und zwar durch den dickeren der zwei kugelrunden Typen, die auf der Bühne der Pariser Cinémathèque stehen: Es sind der allbeliebte Alfred Hitchcock und der weithin unbekannte Erfinder des Filmsammelns überhaupt, der berüchtigte Murrkopf und Querulant Henri Langlois. Schon hat dieser auch einen Vorwand gefunden, um jetzt nicht wie angesagt eine Diskussion über den Filmkrimi zu beginnen. Und die beiden verschwinden in Richtung irgendeines Pariser Gourmettempels.

Einige Zeit später, wir haben 1968. Aufstand der französischen Jugend gegen den „verfaulenden Staat“. Eben diesen historischen Moment hat sich Kulturminister André Malraux, sonst ein lebensnaher Typ, dazu ausgesucht, um Langlois wegen „Schlamperei in seiner Verwaltung“ zu kündigen. Gerade ihn, dank dessen Ideenreichtum wir alle Wochen auf den harten Bänken seines Minikinos in der Rue d’Ulm sitzen, um drei von ihm ausgesuchte Filme hintereinander zu betrachten. Sie aufzufinden muss einem Wunder gleichen, laut Personal.

Und habe ich nicht selber im offenen Hinterhof ganze Stapel von Filmbüchsen aufgetürmt gesehen wie blecherne Schachtelhalme? Die vom Regen abgewaschenen Etiketten mit Aufschriften wie „Tom Mix“ oder „Rintintin“ werden dann von der genialen Kuratorin des Hauses, der Filmwissenschaftlerin Lotte Eisner, mit meiner Hilfe wieder zurecht geklebt. Sie zeigt mir auch einige der Protestbriefe gegen des Meisters Entlassung, unterzeichnet von internationalen Größen wie Chaplin oder Fritz Lang. Gleichzeitig findet eine lautstarke Protestversammlung vor dem Eingang statt, mit solchen von Langlois geförderten jungen Genies wie Godard, Truffaut oder Chabrol.

Mein williger Einsatz dabei führt stracks zu einem Interview mit dem sonst so sperrigen Meister Langlois. Frage: „Gibt es noch immer Filmverstecke im Hause, die nur Sie kennen?“ „Nun ja, ohne mich gäbe es diese Filme ja überhaupt nicht mehr.“ – „Und wie steht das mit den berühmten Badewannen, in denen ja einiges gespeichert sein soll?“ „Leider sind die Dachfenster über den Wannen leck geworden, danach mussten wir uns anders behelfen.“ – „Was haben Sie gegen die Ordnung in Ihrem Laden?“ „Ich fürchte nicht die Ordnung, aber die Ordnung als Selbstzweck. Je mehr Leute eine Sache verwalten, desto unverwaltbarer wird sie.“ – „Warum haftet Ihrem Hause, das sich mit der jüngsten aller Künste befasst, so viel von der Atmosphäre des 19. Jahrhunderts an?“ „Weil ich nicht an das 20. Jahrhundert glaube. Film ist der letzte Ausdruck des Neunzehnten. Fixiertes Theater.“

„Heutzutage wird so viel gefilmt, dass man manchmal das Gefühl hat, es bleibt nichts mehr übrig auf dieser Welt. Wo wird das enden?“ „Da wo es angefangen hat, bei der Unerklärlichkeit des menschlichen Herzens. Genauer, bei seiner Unbeeinflussbarkeit durch die Darstellung.“

Drei Monate später wird Langlois wieder zurückberufen, wenn auch mit vermindertem Budget. Heute ist die Kinemathek in einem stimmungslosen Betonblock (geschaffen von Frank Gehry) untergebracht. Alles toll organisiert, sogar meinen eigenen Namen konnte ich im Katalog auffinden, leider falsch buchstabiert. Ob sich auch in Zukunft junge Filmemacher als „enfants de la Cinémathèque“ ausgeben werden, wie zu meiner Zeit?

Der Filmemacher und Schriftsteller Georg Stefan Troller, 1921 in Wien in eine jüdische Familie geboren, lebt in Paris. Zu seinen wichtigsten Werken gehören rund 1500 Interviews, u. a. im Rahmen des „Pariser Journals“ (ARD) und der „Personenbeschreibung“ (ZDF).

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