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„Am Ende ist Glück eine Entscheidung“ : Neurowissenschaftler Tobias Esch sagt, wie Sie das Glücklichsein trainieren
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Two happy female friends lying on a meadow in the mountains, Achenkirch, Austria
Getty Images/Westend61 Die Motive für Glück und Zufriedenheit ändern sich über die Lebenszeit.
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Donnerstag, 16.05.2024, 12:34

Was macht uns wirklich zufrieden? Neurowissenschaftler Tobias Esch erklärt, was Glück überhaupt ist und welche Faktoren unser Glücksempfinden beeinflussen. Heute weiß die Wissenschaft: Die Gene haben weniger Einfluss als gedacht - und Glück lässt sich trainieren.

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Welche Faktoren haben den größten Einfluss auf das persönliche Glücksempfinden eines Menschen? 

Wir kennen heute eine ganze Reihe solcher Faktoren. Neben den schon bekannten Aspekten eines gesunden Lebens wie ausreichend Bewegung, gesunde Ernährung, ausreichend Schlaf , sind es vor allen Dingen Fragen der Haltung und der Perspektive , die zählen.

So sind Menschen, die besonders zufrieden sind, oft in der Lage, Dinge, die nicht mehr sind oder die ihre Zeit gehabt haben, loszulassen. Sie sind dankbar. Sie geben gern, auch ohne direkt eine Gegenleistung zu erwarten. Sie haben eine Aufgabe, geben sich einer Sache ganz hin, können aber Dinge, die nicht mehr sind oder die ihren Zweck erfüllt haben (oder die ihnen genommen wurden), schließlich loslassen. Sie empfinden sich weniger als Opfer denn als Gestalter.

Und dann ist da die Dimension des Glaubens – Menschen, die besonders glücklich oder zufrieden sind, haben häufig einen expliziten oder impliziten Glauben, eine Spiritualität und damit verbunden eine Antwort auf die Frage von Sinnhaftigkeit: Sie finden einen Sinn im Leben, eine Bedeutung.

Die Königsdisziplin ist zweifellos die Liebe – das Gefühl, verbunden mit anderen Menschen zu sein, ein Zuhause zu haben, einen Ort, an dem man geliebt wird. Ich spreche hier auch von der kulturellen Dimension der Gesundheit, neben der spirituellen, die ich zusammen als „Bedeutungsdimension“ oder eben „Vierte Dimension“ der Gesundheit neu definiere. Es geht hier generell um die Verbundenheit mit der Welt, dem Boden, auf dem ich stehe, den Menschen um mich herum, aber auch mit etwas „Höherem“.

Über den Experten Tobias Esch

Tobias Esch
Lukas Schulze Tobias Esch

Seit 2016 ist Tobias Esch tätig als Universitätsprofessor und Institutsleiter für Integrative Gesundheitsversorgung an der Universität Witten/Herdecke, inkl. Leitung der von ihm gegründeten Universitätsambulanz. Prodekan für Organisationsentwicklung, zusätzlich aktuell Co-Chair des Mind-Body Medical Research Councils. Davor Gastprofessur an der Harvard Medical School (2013-2015) und Harkness Fellow in New York (2013-2014) sowie Neurowissenschaftler an der State University New York (2001-2015). Tobias Esch ist Bestsellerautor, Facharzt und Gesundheitsforscher mit Schwerpunkten u.a. im Bereich der Glücks- und Zufriedenheitsforschung.

Gibt es eine Glücksformel, die für alle Menschen gleichermaßen funktioniert? 

Das Grundprinzip des Glücks, das heißt die universellen Motive - die Dinge, für die wir morgens aufstehen - , sind prinzipiell zwischen den Menschen gleich. Das liegt darin, dass unsere Biologie, das Belohnungssystem im Gehirn, uns anzeigt, wofür es sich lohnt zu leben. Lebensgeschichtlich kommen dann später die individuellen Inhalte hinein, die sich sehr von Mensch zu Mensch unterscheiden können, aber das Prinzip bleibt gleich.

Wichtig jedoch: Die Motive für Glück und Zufriedenheit ändern sich über die Lebenszeit.

Steht etwa in der Jugend eher das ekstatische, lustbetonte Glück im Vordergrund, das Vergnügen, die Vorfreude, was oftmals mit äußeren Ereignissen verbunden ist, so ist es in der mittleren Lebensphase eher die Erleichterung, wenn der Druck des Lebens, die Rush Hour - das Tal der Tränen, wie ich es manchmal nenne - eine Pause einlegen. Wenn ein Konflikt, ein Schmerz, eine Krankheit uns einen Moment ruhig sein lassen.

Und dann gibt es, vor allem - aber nicht nur - in der zweiten Lebenshälfte, ein zunehmendes Gefühl von innerem Frieden. Wir nennen es auch Glückseligkeit oder eben Zufriedenheit, wenn man nicht mehr zwingend etwas von außen erwartet oder erkämpfen muss, oder sich mühsam vor etwas schützen muss, sondern wenn man das Gefühl hat, genau am richtigen Ort, zur rechten Zeit zu sein, eben: angekommen zu sein.

Und so sind es, je nach Phase, unterschiedliche Dinge, die glücklich machen: Von Abenteuern in der Jugend, dem Verliebtsein, über die Familiengründung bis zum Glauben...

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Wie hat sich unsere Definition von Glück im Laufe der Jahre verändert? 

Wie schon beschrieben verändert sich Glück im Laufe eines Lebens. Man könnte sagen, es geht vom ekstatischen, eher jugendlichen Glück hin zu einer inneren Zufriedenheit, Glückseligkeit. Auch vom „Ich“ zum „Wir“, vielleicht sogar zu einer „Transzendenz“. Der berühmte Nervenarzt Viktor Frankl sprach hier von einer „Selbsttranszendenz“ – wenn das Ego sich allmählich auflöst und aufgeht in etwas Größerem.

Das Motiv findet sich auch schon bei Immanuel Kant. Ganz wichtig aber, aus heutiger wissenschaftlicher Sicht, ist, dass Glück nicht irgendeine oberflächliche Erinnerungen ist, ein „Hauch“ oder eine Vorstellung von etwas, auch keine Interpretationsleistung oder eine Erklärung in Bezug auf ein Erleben, sondern Glück ist das unmittelbare, rohe Gefühl – wenn sich etwas gut anfühlt.

Dafür ist das Belohnungssystem in unserem Gehirn zuständig, das uns anzeigt, wofür es sich lohnt zu leben.

Welche Rolle spielen genetische Faktoren bei der Veranlagung für Glück oder Unzufriedenheit? 

Die Gene spielen eine Rolle, wie auch die Herkunftsfamilie oder Kultur, in die man hineingeboren wird. Letztlich aber ist die Bedeutung der Gene in der Wissenschaft immer weiter heruntergestuft worden, heute gehen wir etwa von einem Drittel der Lebenszufriedenheit aus, die an unserer Werkseinstellung oder Grundausstattung liegt. Der Rest scheint gestaltbar.

Anders gesagt: Glück ist primär nichts Äußeres , das uns in den Schoß fällt, oder ein Zufall, die angeborene Genetik etc., sondern zuallererst ein Gefühl und wie dieses sich über die Lebenszeit wandelt. Hier fließen zentral unsere Erfahrungen ein, unsere Schlüsse, die wir aus ihnen ziehen, letztlich unsere Bereitschaft, das Leben anzunehmen und aus ihm zu lernen. Wir sollten dafür unsere Beweggründe und Motive kennen - eben: wofür wir morgens aufstehen - und daran arbeiten. Am Ende ist Glück eine Entscheidung - zum Leben .

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"Wofür stehen Sie morgens auf?" von Tobias Esch

Welche Rolle spielen materieller Wohlstand und finanzielle Sicherheit im Streben nach Glück? 

Zu behaupten, dass materieller Wohlstand keinerlei Bedeutung für das Glück hätte, wäre falsch. Jedoch beobachten wir seit langem in der Forschung, dass der Einfluss von Einkommen etwa auf das Glück mit zunehmenden Maße, das heißt mit höherem Einkommen, tendenziell abzunehmen scheint. Lange dachten wir, dass es sogar zu einem Sättigungspunkt kommt, wonach mehr Einkommen schlicht kein weiteres Glück generiert.

Heute schauen wir da differenzierter drauf, aber eines können wir dennoch festhalten: Der Mensch hat drei Grundbedürfnisse – das nach Sicherheit und Überleben, das nach innerem Wachstum und Entwicklung, schließlich das nach Liebe und Verbundenheit, nach Bezogenheit. Aber zur Sicherheit und zum Überleben gehört eben auch die Existenzsicherung, und ohne Frage ist hier ein vernünftiges Einkommen und ein ausreichender materieller Wohlstand von existenzieller Bedeutung.

Kann man Glück trainieren? Welche Verbindung besteht dabei zwischen Gesundheit und Glück? 

Wie beschrieben können wir den übergroßen Teil unseres Glücks tatsächlich trainieren. Durch einen gesunden Lebensstil, Bewegung, Schlaf, gute Ernährung, Genuss. Auch Meditation und Achtsamkeit können helfen: Momente der inneren Einkehr, Entspannung, Stressreduktion.

Die Königsdisziplin jedoch ist die Verbundenheit , jene spirito-kulturelle oder „Vierte Dimension“: Wenn wir uns verbunden fühlen mit der Welt, mit den Menschen um uns herum, auch mit etwas Höherem. Wenn wir auf das „Wofür“ beim Aufstehen eine Antwort kennen. Und dann, neben dem Wofür und Warum: „Wieso gerade hier?“

Mit diesen beiden Fragen kommt man der spirituellen/Sinn- sowie der kulturellen Dimension – der Frage nach Heimaterleben und Verwurzelung – nah: Wo fühle ich mich resonant, gesehen, zu Hause und verbunden? Wohin fühle ich mich bezogen, was gibt meinem Leben eine tiefere Bedeutung? Solche Aspekte vermitteln Glückseligkeit. Und diese Dinge dann mehr zu tun, sie gut ins Leben zu integrieren, darum geht es.

Das hilft auch der Gesundheit. Wir kennen den Befund, dass Menschen, selbst wenn objektiv alles dagegen spricht und auch Gesundheit nicht mehr gegeben ist, dennoch glücklich und zufrieden sein können. Denn mit zunehmendem Lebensalter nimmt der Einfluss von Gesundheit auf das Glück ohnehin ab, wir sprechen hier auch von einer Emanzipation der Zufriedenheit von der Gesundheit, vom „Zufriedenheitsparadoxon“.

Andersherum jedoch wird ein Schuh daraus: Menschen die glücklicher sind, leben in der Regel länger - und besser.

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