ARD-Doku über Christian Schertz: So kommen Till Lindemann und Jan Böhmermann zu ihrem Recht

ARD-Doku über Christian Schertz: So kommen Till Lindemann und Jan Böhmermann zu ihrem Recht

In einer Doku wird der Medienanwalt Christian Schertz porträtiert. Sie zeigt, warum man zwischen Moral und Recht trennen muss.

Der Medienanwalt Christian Schertz vertrat schon Promis wie Till Lindemann.
Der Medienanwalt Christian Schertz vertrat schon Promis wie Till Lindemann.Gerald Matzka/dpa

Christian Schertz ist einer der prominentesten Medienanwälte Deutschlands. Er hat Jan Böhmermann vertreten, als er eine Staatskrise auslöste, nachdem er ein Schmähgedicht auf Kosten des türkischen Staatschefs Recep Tayyip Erdogan vorgetragen hatte. Schertz hat Missbrauchsopfer vertreten, die gegen Übergriffe des Regisseurs Dieter Wedel vorgegangen sind. Außerdem kämpft Schertz für Prominente wie Günther Jauch und geht mit aller Kraft vor, wenn die Presse ihre Privatsphäre verletzt. Er vertritt auch Till Lindemann, Frontsänger der Band Rammstein, gegen die Anschuldigungen, dass der Künstler Frauen nach seinen Shows mit K.o.-Tropfen gefügig gemacht haben soll. Der Medienanwalt Christian Schertz ist weder ein Ideologe noch ein Moralist. Für ihn gilt das Recht. Die Interessen seiner Klienten vertritt er rigoros.

In den vergangenen Jahren ist Schertz selbst zu einer Art Celebrity geworden. Nun hat die ARD die Dokumentation „Der Star-Anwalt: Christian Schertz und die Medien“ herausgebracht, die den beruflichen Ehrgeiz von Schertz und seine innersten Überzeugungen an die Oberfläche holt. Das Thema ist gut gewählt. Denn wer sich schon einmal mit Christian Schertz unterhalten hat, der weiß, dass es kaum einen interessanteren Gesprächspartner in der Medienwelt gibt.

Durch die vielen juristischen Prozesse, die Schertz geführt (und für seine Mandanten gewonnen) hat, durch die vielen menschlichen Begegnungen in Ausnahmesituationen weiß er wie kein Zweiter, was die Medienwelt im Innersten zusammenhält. Schertz hat Kenntnisse über Dinge, für die die Klatschpresse Millionen zahlen würde.

War mal ein Klient von Christian Schertz: Jan Böhmermann.
War mal ein Klient von Christian Schertz: Jan Böhmermann.Rolf Vennenbernd/dpa

Journalisten müssen sauber recherchieren

Der Zeitpunkt der Ausstrahlung der Doku von Nora Binder wirkt ebenso passend. Sie könnte eine Debatte anstoßen über die Grenzen von Moral und Recht, insbesondere wenn es um das Thema Verdachtsberichterstattung geht. Mit Blick auf Till Lindemann ist diese Fragestellung besonders virulent. Die Berliner Kanzlei Schertz Bergmann wurde öffentlich dafür geschmäht, dass sie die Interessen von Lindemann vertritt. In der Doku sagt der Medienanwalt Schertz sehr klar, dass außer Frage steht, dass Lindemann nach seinen Shows mit Fans Sex hatte. Doch jegliche Rechtsverletzungen, die ihm Frauen etwa im Spiegel vorgeworfen haben, streiten seine Medienanwälte ab. K.o.-Tropfen seien nie zum Einsatz gebracht worden, um Frauen gefügig zu machen. Der Rest sei Rock ’n’ Roll.

Till Lindemann weiß sich zu wehren. Er hat die finanziellen Ressourcen. Rein juristisch ist er unschuldig. Für moralische Diskussionen ist Christian Schertz nicht zu haben. Eher im Gegenteil: Im Film macht Schertz klar, dass die Moralisierung in der Gesellschaft gerade mit Blick auf Verdachtsberichterstattung und MeToo destruktive Wege beschreiten würde. In der Doku gelingt es dem Anwalt, verständlich zu machen, dass Journalisten die Macht haben, mit Berichten die Existenz von Menschen zu zerstören.

Das Besondere daran ist, dass diese zerstörerische Kraft nicht nur Boulevardblättern obliegt, sondern insbesondere auch seriösen Medien wie Zeit und Spiegel. Umso mehr wirken die Statements von Christian Schertz wie ein Appell an Journalisten, besonders gründlich und gewissenhaft zu arbeiten. Karl-Theodor zu Guttenberg erscheint als Zeuge in der Doku und sagt einen Satz, der nachhallt: Journalisten, die sauber recherchieren, müssten sich vor Christian Schertz nicht fürchten.

Till Lindemann, Frontsänger der Band Rammstein
Till Lindemann, Frontsänger der Band RammsteinMalte Krudewig/dpa

Die Presse als Waffe

Diese Aussage ist wahr und unwahr zugleich. Mit zu einer komplizierten Wahrheit gehört auch, dass Schertz journalistische Berichte zerstören und nachträgliche Schwärzungen durchsetzen kann, auch wenn Berichte im Kern stimmen. Bei sexueller Gewalt ist es ungeheuer schwierig, Täter zu überführen und Aussagen von Opfern gerichtsfest zu machen. Für Schertz gilt die Unschuldsvermutung; die Form der Verdachtsberichterstattung widerspricht diesem juristischen Grundsatz. Ein unauflösbares Dilemma.

Die Presse fungiert also in vielen Fällen als Waffe, um Anklagen, die vor der Justiz keinen Bestand haben, im presseöffentlichen Bereich wie im Faustrecht zu vollstrecken. Nicht selten sind Berichte über sexuelle Gewalt als Strafe von Opfern an Tätern zu verstehen, da es im juristischen Raum oft keine Möglichkeit gibt, Gerechtigkeit zu finden. Das Problem ist nur: Wer kann wissen, welche Berichte stimmen und welche frei erfunden sind? Nicht selten vertun sich Journalisten und publizieren Texte, die sich im Nachhinein als falsch herausstellen.

Die Doku zeigt dieses Dilemma auf, ohne zu urteilen. Das ist die Stärke des Films. Es kommen Journalisten wie Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo zu Wort, die das Talent von Christian Schertz preisen, ohne die Fallstricke des Medienrechts zu verschweigen. Auch der Schriftsteller Benjamin von Stuckrad-Barre spricht in die Kamera. Er ist nicht nur der Klient von Christian Schertz, sondern auch ein Freund. In der Doku sagt er süffisant, warum man Schertz nicht zum Gegner haben möchte. Auch deshalb dürfte die Freundschaft unerschütterlich sein.

Die ARD-Dokumentation „Der Star-Anwalt: Christian Schertz und die Medien“ läuft in der Mediathek.

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