Am Montag vor 25 Jahren wurde der damalige Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) mit einem Farbbeutel beworfen. Die Aktion während eines Sonderparteitags in Bielefeld sollte demonstrieren, dass an Fischers Händen Blut klebt seit dem Einsatz der Bundeswehr im Kosovo-Krieg. Mit geplatztem Trommelfell eilte Fischer ans Rednerpult: „Frieden setzt voraus, dass Menschen nicht ermordet, nicht vertrieben werden…nie wieder Krieg!“
Sie ahnen, weshalb ich an die Attacke erinnere – deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine werfen auch heute die Frage auf, wie einem Aggressor – damals Serbien, heute Russland – zu begegnen ist. Ein Vierteljahrhundert später findet der deutsche „Frieden schaffen ohne Waffen“-Pazifismus nicht mehr bei den Grünen statt, sondern in der SPD und der Linken. Der SPD-Fraktionsvorsitzende im Deutschen Bundestag, Rolf Mützenich, dachte laut über ein „Einfrieren des Krieges“ nach.
Zweck-Pazifismus von AfD und Bündnis Sahra Wagenknecht
Neu ist eine Art Zweck-Pazifismus, für den die AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht stehen. Ihre Botschaft lautet: Wir denken auch in der Außenpolitik völlig anders als der Mainstream. Dabei sind die Motive meines Erachtens nicht politisch, sondern persönlich – AfD-Politiker lassen sich in Russland gern hofieren. Sahra Wagenknecht inszeniert sich im laufenden Wahlkampf als Friedensbringerin.
Der „Umzug“ des pazifistischen Denkens in andere Parteien zeigt mir, wie unübersichtlich deutsche Politik in einem Vierteljahrhundert geworden ist. Und dass heute politische Heuchlerinnen wie Sahra Wagenknecht und Heuchler wie Tino Chrupalla unterwegs sind. Das belastet die politische Debatte. In der Sache hat für mich Joschka Fischers Wutrede nichts von ihrer Überzeugungskraft verloren.