Werner Herzog zum 80., �Fitzcarraldo� zum 40. Geburtstag: Selbst Herz�ge haben klein angefangen
ArchivDeutsches �rzteblatt PP9/2022Werner Herzog zum 80., �Fitzcarraldo� zum 40. Geburtstag: Selbst Herz�ge haben klein angefangen

KULTUR

Werner Herzog zum 80., �Fitzcarraldo� zum 40. Geburtstag: Selbst Herz�ge haben klein angefangen

Britten, Uwe

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In diesem Monat feiert der Regisseur Werner Herzog seinen 80. Geburtstag, vor 40 Jahren erschien sein �Fitzcarraldo� mit Klaus Kinski, und das gegen alle Widerst�nde.

Wenn Werner Herzog �ber seine Filme spricht, dann klingt das zuweilen so, als seien seine Ideen zuvor geradezu essenziell vorhanden gewesen, irgendwo, als h�tten sie au�erhalb von ihm existiert und als sei es lediglich seine Aufgabe gewesen, sie Realit�t werden zu lassen. Wer seine eigenen Sch�pfungen so betrachtet, der kommt dann eben auch auf die Idee, ein riesiges Schiff von 300 Tonnen Gewicht �ber einen H�gel mitten in peruanischen Urwald ziehen zu lassen. Das Schiff muss nun mal da r�ber, �ber den H�gel.

Oper im peruanischen Urwald

Der Film �Fitzcarraldo� von Herzog erschien vor 40 Jahren und hat selbst eine Geschichte, die abenteuerlicher kaum sein k�nnte und die der Regisseur sogar im gewissen Sinn mitgefilmt hat: Herzog hatte es sich in den Kopf gesetzt, eine Figur zu erfinden, die ein absoluter Opernfan ist und mitten im peruanischen Urwald eine Oper bauen will. Um an den entsprechenden Ort zu gelangen, m�ssen zwei gro�e Schiffe erworben und �ber 2 000 Kilometer mehrere Fl�sse hinuntergefahren und manchmal sogar von Land aus gezogen werden � nicht im Film, sondern wirklich.

Wer so etwas nicht mit allen Hilfsmitteln und Tricks im Studio entstehen lassen, sondern tats�chlich im realen Urwald mit historischen Schiffen drehen will, der hat sich etwas vorgenommen. Schon das Kaufen und Herrichten nicht eines, sondern gleich dreier alter Schiffe war aufwendig, die Restaurationsarbeiten m�hevoll. Dann zog die ganze Entourage los, tiefer in Urwald hinein, um an eine Stelle heranzukommen, an der der Fluss schwer zu befahren war und eines der Schiffe �ber besagten H�gel zur anderen Seite auf einen anderen Fluss gezogen werden musste. Daf�r brauchte Herzog die dort lebenden M�nner der indigenen Bev�lkerung. Es entstand ein riesiges Filmcamp mit Frauen, Kindern, Tieren (zur Ern�hrung) und gro�en Versorgungseinheiten.

Trotz massenhafter Probleme waren nach einiger Zeit rund 40 Prozent der Szenen im Kasten, da trat eine nicht nur filmische Katastrophe ein: Der Hauptdarsteller, der zu dem Zeitpunkt noch Jason Robards war, erkrankte so schwer, dass er so schnell wie m�glich in die USA zur�ckgeflogen werden musste. Nach der Diagnose riet der Arzt entschieden davon ab, dass er wieder in den Dschungel zur�ckkehrte, das k�nne ihm das Leben kosten.

Herzog stand also da mit seinem bisherigen Filmmaterial und dem Verlust eines Gro�teils seines Budgets. Was tun? Er brach auf, um sechs Wochen lang in Deutschland neues Geld aufzutreiben und um auch einen neuen Hauptdarsteller zu finden, einen, der zuf�llig gerade hinreichend Zeit ohne absehbares Engagement hatte, um in Peru einen Film zu drehen, von dem niemand wusste, wann er fertig werden w�rde. Herzog bekam das Geld und als er nach Peru zur�ckkehrte, wo die gesamte verbliebene Filmcrew auf ihn gewartet hatte, stand fest, dass es Klaus Kinski war, der nun den Fitzcarraldo spielen w�rde. Auf den im Film psychisch kranken Gehilfen wollte Herzog im neuen Dreh verzichten, das n�mlich war Mick Jagger gewesen, der sich aber bereits wieder f�r eine Tournee zur�ck in England befand und deshalb seinen Vertrag nicht hatte verl�ngern k�nnen.

Nun denn, alles von vorne! Herzog wird am Ende fast vier Jahre in Peru zugebracht haben, zwei Jahre allein f�r die Filmaufnahmen, denn es entstanden immer neue Probleme. In Interviewaufnahmen vom Ende der Dreharbeiten wirkt er trotz des Abschlusses zutiefst resignativ und niedergek�mpft.

Werner Herzog hat diese besonderen Herausforderungen f�r das Filmen offenbar immer gebraucht, es hat f�r ihn einen starken Reiz gehabt, beim Filmen auch noch gleich ein Abenteuer zu erleben, H�rden zu �berwinden, �Tr�ume�, wie er sagt, zu verwirklichen, und zwar in m�glichst entlegenen Gegenden unseres Planeten. Schon seine fr�hen Filme wie �Auch Zwerge haben klein angefangen� spielen in unwirtlichen Gegenden und bestehen aus skurrilen Handlungen.

�berragende Figur: Kinski

Dass Klaus Kinski, 17 Jahre �lter als Herzog, in f�nf Filmen Herzogs zur alles �berragenden Figur wird, ist auf der einen Seite gar nicht �berraschend (er war wohl �hnlich besessen von solchen Herausforderungen) und hat zudem eine auch wieder kuriose biografische Vorgeschichte: Als Kinski in jungen Jahren nach M�nchen kam, um Theaterschauspieler zu werden, und ein Zimmer suchte, da fand er eins bei: Familie Herzog. Da war Werner Herzog aber noch ein Bub und von Kinskis �Auftritten� in der elterlichen Wohnung reichlich befremdet. Einmal zertrat Kinski die Badezimmert�r und der kleine Werner stand erschrocken und sprachlos vor diesem tobenden jungen Mann.

Kinski war ein Mensch, der Herzog�sche Hauptrollen umsetzen konnte. Dieser Mann, der sich im wei�en Anzug in den Schlamm fallen lassen konnte ebenso wie er liebevoll charmant war, genau so einen hat Herzog f�r seine Filmhandlungen gebraucht, einen, der in seiner Rolle auch toben und Speichel spuckend br�llen konnte.

Dass Herzog in so manchem seiner Filme der mittleren Jahre eigentlich immer auch die Entstehung des Films mitgedreht hat, ist eine Besonderheit der Herzog�schen Film�sthetik, denn das, was er dreht, ger�t ob der filmischen Herausforderungen gleich zur Dokumentation dessen, was n�tig ist, um diese Aufnahmen machen zu k�nnen. Wer eine gro�e Karawane mit Menschen beim Abstieg eines steilen Berghanges zeigt und dabei sogar ein Mann auf einer S�nfte hinuntergetragen wird, der zeigt eben auch, was es hei�t, so etwas zu tun und zu riskieren. So dokumentiert Fitzcarraldo eben auch ganz real, wie m�hsam es ist, ein riesiges Schiff �ber einen zuvor erst frisch gerodeten Urwaldh�gel zu ziehen � dass es am Ende doch eines Hilfsmittels bedurfte, spielte schon gar keine Rolle mehr.

Einer wie Kinski hat dem Regisseur Herzog sp�ter zweifelsohne gefehlt. Aber Herzog konnte immer auch mit Laien und gro�en Laiengruppen arbeiten, ebenso mit Laienhauptdarstellern, wie etwa am Beispiel von Bruno S. in �Stroszek� zu sehen ist. Die unvorstellbare Menge an Filmen, die Werner Herzog gedreht hat, enth�lt nicht zuf�llig auch eine F�lle von Dokumentationen. Sein Blick auf menschliche Handlung und Kultur ist ein ganz besonderer. Er lenkt unseren Blick wirklich auf das, was gerade passiert und was er uns im Bild zeigt, zwingt uns, hinzusehen und den Film zu beobachten. Zwar will man immer auch wissen, wohin die Geschichte f�hrt, aber eine Spannungserzeugung mit jenen narrativen Mustern, wie sie uns heute massenhaft in popul�ren Filmen begegnen, gibt es in Herzogs Filmen kaum mal. Nein, in diesen Filmen m�ssen wir hin-sehen.

Das Spiel mit dem Dokumentarischen hat er sp�ter auch einmal umgekehrt: In dem viel zu selten gezeigten und sehr raffinierten Film �Zwischenfall am Loch Ness� wandelt er subtil eine Dokumentation um. Herzog selbst spielt einen Regisseur, der endlich herausfinden und filmisch festhalten will, was es mit dem Ungeheuer auf sich hat. Mit einem kleinen Fischerboot tuckert die Crew auf den See. Es geschieht nicht viel und doch bleibt die Spannung hoch, denn man fragt sich, was sich denn wohl noch ereignen mag, denn irgendwas wird der Film ja zeigen m�ssen. Es beginnt das Warten im Team. Dann kippt die Stimmung, es wird immer aggressiver und es ereignet sich das Unfassbare: Die M�nner gehen aufeinander los, es gibt einen Toten.

Fassungslos sieht man dem Treiben zu und fragt sich zun�chst, warum denn niemand eingreift, warum all das denn einfach weiter gefilmt wird. Ist der Herzog jetzt v�llig verr�ckt geworden?

Manchmal ger�t er an Grenzen

Manchmal sind die Herzog�schen Ideen und seine besondere Herangehensweise an filmische Narration allerdings auch an ihre Grenzen geraten. Der Film �K�nigin der W�ste� zum Beispiel, der auf der arabischen Halbinsel spielt, ist strukturell recht herk�mmlich und bleibt wirkungsschwach. Beim Film �Salz und Feuer�, der in der bolivianischen Salzw�ste spielt, fehlt jeder Konflikt in der Handlung, weshalb man sich am Ende des Films fragen kann, warum man das alles denn hat ansehen sollen.

Herzog hat einmal spekuliert, dass nach seinem Tod seine B�cher vermutlich eine l�ngere Lebenszeit beschieden sein w�rde als seinen Filmen. Das w�re schade, verdammt schade, denn besonders seine Filme aus den fr�hen und mittleren Jahren zeigen, dass es auch in unserer Zeit noch ein anderes filmisches Erz�hlen gegeben hat, als es uns in Krimis, Thriller, Kom�dien oder im �gro�en Gef�hlskino� gezeigt wird. Manchmal fragt man sich allerdings doch, wie es Herzog von Mal zu Mal geschafft hat, Geld f�r seine zuweilen skurrilen Filmideen aufzutreiben, aber das wird an seiner pers�nlichen �berzeugungskraft gelegen haben: Wenn das Schiff nun mal �ber den H�gel muss � Uwe Britten

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