Russlands Drohung mit Atombomben nur ein „Bluff“?
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Russlands Drohung mit Atombomben nur ein „Bluff“?

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Russland wird nicht müde, mit Atomraketen zu drohen. Doch ist das ganze nur ein Bluff? Ein Experte schätzt die Lage am „Tag des Sieges“ in Moskau ein.

Moskau – Wladimir Putin rasselt wieder mit dem Atomsäbel. Am Gedenktag zum Sieg über Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg hat der russische Präsident die Kampfbereitschaft seines Landes beschworen und auch mit Atomstreitkräften gedroht. Diese seien „immer in Alarmbereitschaft“, sagte Putin am Donnerstag zum Auftakt der jährlichen Feierlichkeiten zum 79. Tag des Sieges bei der großen Militärparade auf dem Roten Platz in Moskau.

Nachdem Wladimir Putin zu Wochenbeginn ein nukleare Übungsmanöver in Südrussland unweit der ukrainischen Grenze ankündigte, untermauerte der Putin-Verbündete Rjabkow die Möglichkeit eines Ersteinsatzes atomarer Waffen.
Eine russische Langstreckenrakete fährt bei der Militärparade anlässlich des Siegs im Zweiten Weltkrieg durch Moskau. © IMAGO/Mikhael Klimentyev

Russland werde „alles tun, um eine globale Konfrontation zu vermeiden“, hatte Putin klargestellt. „Gleichzeitig werden wir niemandem erlauben, uns zu bedrohen.“

Atomwaffendrohungen Putins „haben Tradition“, aber sind nicht ernstzunehmen

Doch wie real ist die Bedrohung wirklich? Dass Putin immer wieder mit Atomwaffen drohe, hat laut dem Moskau-Korrespondenten von ntv, Rainer Munz, seit Beginn des Krieges „schon Tradition“. Es gebe immer wieder Momente, in denen die Drohungen zurückgenommen werden und darauf hingewiesen werde, dass es nur Routineübungen seien. Auch solche Aussagen habe es während der Feierlichkeiten gegeben. Der Putin-Verbündete Rjabkow hatte jüngst die Möglichkeit eines Ersteinsatzes atomarer Waffen als Möglichkeit untermauert.

Auch in Belarus, wo russische Atomwaffen gelagert werden, werde es solche Übungen geben. Dies zeige, dass die Drohungen nichts als ein „politischer Bluff“ seien, so Munz. „Auch die Amerikaner haben ja festgestellt, dass die Atomsprengköpfe nicht aus den Arsenalen geholt werden.“ Es seien Übungen, die es auch schon früher gegeben habe. Der Bluff solle den Westen einschüchtern, vermutet Experte Munz.

Die US-Regierung dagegen nimmt die russischen Drohungen ernst. Sie hat die russische Ankündigung von Atomübungen als „unverantwortlich“ angeprangert. Es handle sich um „ein Beispiel jener Art von unverantwortlicher Rhetorik“, die es von Moskau auch schon in der Vergangenheit gegeben habe, sagte der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, Pat Ryder. Angesichts der derzeitigen Sicherheitslage sei die russische Ankündigung „völlig unangemessen“.

Russlands Atomwaffen-Doktrin: Schwelle zum Einsatz niedrigerer als gedacht?

Russland besitzt eine Atomwaffen-Doktrin. In dieser ist festgelegt, dass das Land Atomwaffen lediglich als Reaktion auf massive Angriffe mit nuklearen und anderen Massenvernichtungswaffen einsetzen soll, außerdem bei konventionellen Angriffen, sofern sie die Existenz des russischen Staates gefährden. Putin entscheidet als Oberbefehlshaber der russischen Streitkräfte, wann diese Bedingungen zutreffen. Russische Hardliner forderten bereits, die Schwelle abzusenken.

Die Financial Times berichtete auf geleakten Dokumenten der russischen Armee, dass die Schwelle weit niedriger sein als öffentlich verkündet – etwa wenn „Staaten militärische Konflikte eskalieren“ wollen. Dieser Fall könnte laut dem Nuklearexperten Nikolai Sokolov vom Vienna Center for Disarmament and Non-Proliferation eintreten, wenn die Nato direkt im Ukraine-Krieg beteiligt wäre. Dies äußerte er gegenüber Welt.

Militärparade in Russland ohne moderne Panzer

Dass die russische Stärke bröckelt, wird auch an anderer Stelle offensichtlich. Die ukrainischen Drohnenangriffe auf russische Öllager fanden ebenjenem Tag statt, an dem Russland eigentlich bewusst Stärke demonstrieren will. Laut ntv suchte man bei der Parade moderne Panzer vergeblich, nur ein Modell aus dem Zweiten Weltkrieg rollte über den Roten Platz. Im Ukraine-Krieg erleidet Russland herbe Verluste.

Bei der Parade zum Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkriegs marschieren traditionell tausende Soldaten über den Roten Platz, begleitet von Panzern, Kampfjets und Raketenwerfern. Laut russischen Medien nahmen mehr als 9000 Soldaten an der Parade teil. Auch in diesem Jahr steht die traditionelle Militärparade im Zeichen des russischen Militäreinsatzes in der Ukraine, den Putin im Februar 2022 angeordnet hatte.

Drohnenangriffe auf Raffinerien „können für Russland zum Problem werden“

Der Zweite Weltkrieg war vor 79 Jahren durch die Kapitulation der deutschen Wehrmacht zu Ende gegangen. In Westeuropa wird des Ereignisses am 8. Mai gedacht, in Russland und anderen ehemaligen Staaten der Sowjetunion am 9. Mai.

RUSSIA, MOSCOW - MAY 9, 2024: Russia s President Vladimir Putin speaks during a Victory Day military parade in Red Squar
Russlands Präsident Wladimir Putin während der Militärparade zum Tag des Sieges auf dem Roten Platz (Archivbild). © IMAGO/Sergei Karpukhin

Ukraine greift am „Tag des Sieges“ in Russland Ölraffinieren mit Drohnen an

Die Ukraine führt aktuell vermehrt Drohnenangriffe auf Raffinerien durch – so auch am „Tag des Sieges“. Kiew hat nach eigenen Angaben eine fast 1200 Kilometer von der Grenze entfernte russische Ölraffinerie angegriffen. Aus ukrainischen Verteidigungskreisen hieß es am Donnerstag (9. Mai 2024), bei dem Angriff auf die Raffinerie in der teilautonomen Republik Baschkortostan sei eine „Rekordreichweite“ erzielt worden. Insgesamt sei die Drohne 1500 Kilometer weit geflogen. Ziel war demnach eine Gazprom-Raffinerie in der Stadt Salawat. Der Angriff sei vom ukrainischen Geheimdienst SBU ausgeführt worden.

Zudem habe es einen Angriff auf zwei Öllager in der Region Krasnodar im Süden Russlands gegeben, hieß es. Russische Rettungsdienste erklärten, es sei zu Schäden an der Pumpstation der Salawat-Raffinerie in Baschkortostan gekommen. „Es gibt kein Feuer, keine Opfer“, erklärte das lokale Katastrophenschutzministerium in Onlinediensten. Örtliche Behörden gaben an, nach dem Drohnenangriff sei Rauch über der Raffinerie aufgestiegen, sie funktioniere aber normal weiter. (cgsc mit afp)

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