Die Hohenzollern: Wie eine spielsüchtige Königin Preußen prägte - WELT
WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Geschichte
  3. Die Hohenzollern: Wie eine spielsüchtige Königin Preußen prägte

Geschichte Die Hohenzollern

Wie eine spielsüchtige Königin Preußen prägte

Sophie Dorothea von Hannover war 19 Jahre alt, als sie Friedrich Wilhelm, den späteren Soldatenkönig, heiratete. Ein neues Buch beschreibt die Schwierigkeiten, an Preußens Hof glücklich zu werden.

Der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. (1688–1740) und seine Frau Sophie Dorothea von Hannover (1687–1757) müssen zusammen ein groteskes Bild abgegeben haben: „Auf der einen Seite der zornige, hässliche König, sparsam bis an den Rand des Geizes und nur bereit, Geld für Soldaten auszugeben. Auf der anderen Seite die unermesslich dicke Königin mit ihren zehn Kindern und ihrem feinen, von Schmuck und Kunstgegenständen überbordenden Schlösschen.“

Dieser Ansicht ist Christine von Brühl, die in ihrem Buch „Anmut im märkischen Sand“ die Frauen der Hohenzollern porträtiert und ihren Einfluss auf den Aufstieg Preußens beleuchtet hat. Die in der Geschichtsschreibung meist als Fußnote behandelten Ehefrauen hatten keine geringe Bedeutung für die Gestaltung der Schlösser und Parkanlagen, die noch heute das Bild dieser Zeit prägten.

Christine von Brühl: „Anmut im märkischen Sand. Die Frauen der Hohenzollern“. (Aufbau, Berlin. 462 S., 22,95 Euro)
Christine von Brühl: „Anmut im märkischen Sand. Die Frauen der Hohenzollern“. (Aufbau, Berlin. 462 S., 22,95 Euro)
Quelle: Aufbau

In Abwesenheit der Könige konnten sie als Verwalterinnen des Landes fungieren – wie zeitweilig Sophie Dorothea –, oder sie machten sich durch die Förderung der Künste und Wissenschaften verdient, wie beispielsweise Preußens erste Königin Sophie Charlotte (1668–1705), die in Charlottenburg ihren legendären Musenhof etablierte.

Die Herrscherinnen bereicherten durch ihre Herkunft die höfischen Sitten. Insbesondere der Soldatenkönig hatte diesen Gegenpol bitter nötig und schätzte das Bestreben seiner Frau, eine zweite feinere Hofhaltung in dem Berliner Schloss Monbijou (Französisch für „Mein Schmuckstück“) aufzubauen, das ihr ihr Schwiegervater Friedrich I. übertragen hatte. Während Friedrich Wilhelm I. und der restliche Hof sich mit Tellern aus Zinn begnügten, waren bei ihr die Teller aus Gold.

Friedrich Wilhelms und Sophie Dorotheas Ehe war Teil der dynastischen Heiratspolitik ihrer gemeinsamen Welfen-Großmutter. Trotz stetiger Zankereien gestaltete sich das Eheleben des späteren Königspaares durchaus positiv: „Er ein Choleriker, sie eine Spielsüchtige – dabei sich in Liebesbriefen gegenseitig die zärtlichsten Töne zuflötend“, überspitzt von Brühl das Verhältnis des Paares zueinander.

Sophie Dorotheas Zuneigungsbekundungen waren dabei durchaus Taktik, die der Durchsetzung ihrer eigenen Interessen diente. Als sie mit 19 Jahren den Kronprinzen Friedrich Wilhelm heiratete, war ihre Herkunft durch die Skandale ihrer Eltern überschattet. Ihr Vater Georg Ludwig (1660–1727) wurde 1714 als George I. König von England. Mit nach England nahm er auch seine Mätresse Ehrengard Melusine von Schulenburg (1667–1743), die er Kraft seines Amtes mit zahlreichen Titeln ausstattete. Seine Ehefrau ließ er auf dem Kontinent zurück. Bald wurde sie ihrerseits einer Affäre bezichtigt, von ihm geschieden und nach Schloss Ahlden in die Lüneburger Heide verbannt.

Sophie Dorothea war zu diesem Zeitpunkt sieben Jahre alt. Ihren zukünftigen Mann, der gleichzeitig ihr Cousin war, kannte sie von Kindheitstagen an. Sein schwieriger und jähzorniger Charakter zeigte sich schon früh. Auch mit seiner Frau, „seinem Fiekchen“, das ihn wiederum „Wilcke“ nannte, zankte er sich in den Ehejahren häufig.

Die Königin, die von Pockennarben gezeichnet war, hatte durch die Geburten immer weiter an Leibesfülle zugenommen (ihr Mann wog allerdings bei der Hochzeit bei einer Größe von 1,60 bereits über zwei Zentner). So ist die Anmut, mit der Sophie Dorothea Preußen bereicherte, eher in den opulenten Festen und der höfischen Etikette zu sehen, die sie der strengen Haushaltung ihres Mannes entgegensetzte.

Dafür ließ sie Schloss Monbijou direkt an der Spree umbauen und erneuern. Die ausländischen Gesandten, welche die Königin empfing, berichteten von der Eleganz des Schlosses. Mit einer Aneinanderreihung von Pavillons strahlte der Bau eine besondere Leichtigkeit und Transparenz aus, die ihn von dem benachbarten Berliner Stadtschloss grundlegend unterschied. Die Entwürfe für den Umbau stammten von Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff (1699–1753). Bei Ausstattung und Inneneinrichtung wurde Sophie Dorothea selbst tätig und sammelte neben Kunsthandwerk auch Porzellan, Glasobjekte und Goldschmiedearbeiten – so wurde das Schloss, ganz seinem Namen entsprechend, zu Sophie Dorotheas eigener Schatzkammer.

Schloss Monbijou in Berlin, 1703 erbaut von Eosander von Goethe
Schloss Monbijou in Berlin, 1703 erbaut von Eosander von Goethe
Quelle: picture-alliance / akg-images
Anzeige

In ihrem Rückzugsort Schloss Monbijou gab sich Sophie Dorothea auch dem Glücksspiel hin, das zu den Lieblingsbeschäftigungen der Zeit zählte. Sie war dem Spiel derart ergeben, dass es sie teilweise in schwere finanzielle Bedrängnis brachte. Friedrich I., der die Hofhaltung der zukünftigen Königin durchaus schätzte, zeigte sich großzügig und ließ ihre Schulden oftmals begleichen.

Mit dem Regierungsantritt ihres eigenen Mannes jedoch kamen schwierigere Zeiten auf sie zu – jetzt musste Dorothea vor Friedrich Wilhelm sowohl ihre Spielsucht als auch ihre Schulden verbergen. Dabei musste sie immer auf der Hut sein, nicht von den Spionen ihres Mannes überführt zu werden. Eine List der Königin ist überliefert: Neben den Goldtalern, um die gespielt wurde, hatte man immer Kaffeebohnen zur Hand, die sie Friedrich Wilhelm als symbolischen Einsatz des Kartenspiels präsentierte, sobald er in Schloss Monbijou erschien.

Das Schmuckstück wäre jedoch im Jahre 1717 fast einem Staatsbesuch zum Opfer gefallen. Friedrich Wilhelms Leidenschaft war sein Riesenregiment, genannt die „Langen Kerls“. Keiner der Soldaten durfte unter 1,90 Meter groß sein, und sie mussten mit größter Anstrengung und finanziellem Aufwand aus der ganzen Welt beschafft werde.

Sophie Dorothea mit ihrem ältesten Kind, das überlebte: Friedrich II., der Große
Sophie Dorothea mit ihrem ältesten Kind, das überlebte: Friedrich II., der Große
Quelle: picture alliance / akg-images

So hatte Friedrich Wilhelm dem russischen Zaren Peter I. (1672–1725) das Bernsteinzimmer gegen 55 Leihsoldaten mit überdurchschnittlicher Körpergröße übereignet. Als Zar Peter sich in Berlin ankündigte, beschloss Friedrich Wilhelm, ihn mit seinem Hofstaat in Monbijou unterzubringen. An Europas Höfen war das unzivilisierte Verhalten des Gefolges bereits legendär. Auch wenn alle beweglichen Gegenstände in Sicherheit gebracht wurden, bot sich nach den nur zwei Tagen, die der Zar im Schloss verbracht hatte, ein Bild schlimmster Zerstörung. „Es war alles derart verwüstet, dass die Königin gezwungen war, fast das ganze Haus wiederaufbauen zu lassen“, schrieb ihre Tochter Wilhelmine von Bayreuth.

Die letzten baulichen Veränderungen des Schlosses fielen in die Zeit nach dem Ableben des Soldatenkönigs 1740. Zuletzt hielt die „Königinmutter“ von Friedrich II., die erst 1757 verstarb, sich fast nur noch in Monbijou auf. Durch ihr Übergewicht war sie unbeweglich geworden. Zu sehen ist von ihren Spuren heute in Berlin kaum mehr etwas, Schloss Monbijou gibt es nicht mehr.

1958 ließ die DDR die Kriegsruine des Schlosses abtragen, ein öffentlicher Park entstand. Im Rahmen der Ausstellung „Frauensache. Wie Brandenburg Preußen wurde“, weist die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten mit leeren rosa Denkmalsockeln auf die vergessenen Frauen der Hohenzollern hin. An Sophie Charlottes ehemaliger Wirkstätte fehlt ein solches Denkmal.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema