Oktoberlied Der Nebel steigt, es fällt das Laub; Schenk ein den Wein, den holden! Wir wollen uns den grauen Tag Vergolden, ja vergolden! Und geht es draußen noch so toll, Unchristlich oder christlich, Ist doch die Welt, die schöne Welt, So gänzlich unverwüstlich! Und wimmert auch einmal das Herz – Stoß an und laß es klingen! Wir wissen's doch, ein rechtes Herz Ist gar nicht umzubringen. Der Nebel steigt, es fällt das Laub; Schenk ein den Wein, den holden! Wir wollen uns den grauen Tag Vergolden, ja vergolden! Wohl ist es Herbst; doch warte nur, Doch warte nur ein Weilchen! Der Frühling kommt, der Himmel lacht, Es steht die Welt in Veilchen. Die blauen Tage brechen an, Und ehe sie verfließen, Wir wollen sie, mein wackrer Freund, Genießen, ja genießen!
Theodor Storm (1817 - 1888), Hans Theodor Woldsen Storm, deutscher Jurist, Dichter und Novellist
Als Muschelschale Kommt aus den Bergen heraus Der Mond des Herbstes!
Kobayashi Issa (1763 - 1827), eigentlich Kobayashi Noboyuki, japanischer Bauer und Dichter, verfasste Haikus von großer Eigenart
Blätterfall Leise, windverwehte Lieder, mögt ihr fallen in den Sand! Blätter seid ihr eines Baumes, welcher nie in Blüte stand. Welke, windverwehte Blätter, Boten, naher Winterruh, fallet sacht!… ihr deckt die Gräber mancher toten Hoffnung zu.
Heinrich Leuthold (1827 - 1879), Schweizer Dichter und Epiker, Mitglied des Münchner Dichterkreises und Übersetzer französischer Lyrik
Späte Rosen im Garten lassen den Winter noch warten.
Sitzt im Oktober das Laub noch fest am Baum, fehlt ein strenger Winter kaum.
Fällt das Laub zu bald, wird der Herbst nicht alt.
Nicht jeder Herbst füllt die Vorratsspeicher.
Es gibt eine Stille des Herbstes bis in die Farben hinein.
Hugo von Hofmannsthal (1874 - 1929), österr. Lyriker, Dramatiker, Erzähler; gilt als einer der wichtigsten Repräsentanten des deutschsprachigen Fin de Siècle und der Wiener Moderne, Mitbegründer der Salzburger Festspiele; Librettist für Richard Strauss' Opern
Quelle: Hofmannsthal, Buch der Freunde, 1922
Verstreute Blüten Jagt vor sich her und holt ein Der jähe Sturmwind.
Fujiwara-no-Sadaie (1162 - 1242), japanischer Dichter
Der Sommer räumt dem Herbst das Feld und der Herbst dem Sommer die Felder.
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