Ihr Mann hat sie schon vor vier Jahren verlassen; jetzt verliert die Hauptfigur in der ZDF-Dram�die „Es kommt noch besser“ auch noch ihre gute Stellung als Chefsekret�rin. Mitte f�nfzig, 30 Jahre nur ein Arbeitgeber – damit ist sie auf dem Arbeitsmarkt so gut wie unvermittelbar. Ein Weiterbildungskurs im Jobcenter soll das Unm�gliche m�glich machen. Regisseur Florian Froschmayer & Drehbuchautorin Birgit Maiwald gelingt ein Feelgood-Film mit starker realistischer Grundierung. Sie verzichten auf die g�ngige Eine-Frau-k�mpft-sich-hoch-Dramaturgie, daf�r r�cken drei starke Charaktere in den Fokus. Und was Sawatzki & Zirner da so alles an Zwischent�nen spielen, ist noch mal eine Sache f�r sich.
Foto: ZDF / Britta KrehlDie eine lacht, die andere nicht. Freundschaft ja, aber die Kontrolle �ber sein Leben zu behalten, ist f�r Ina Becker das Wichtigste. Andrea Sawatzki & Runa Greiner
Ihr Mann hat sie schon vor vier Jahren verlassen; jetzt verliert Ina Becker auch noch ihre Stellung. „Mode Pirsch“ war ihr Leben – in 30 Jahren hat sie sich bis zur Chefsekret�rin hochgearbeitet. Jetzt mit Mitte 50 hat sie im Kurs beim Berliner Jobcenter die denkbar schlechteste Prognose f�r die sogenannte „Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt“ – zu alt, zu teuer, keine Fachausbildung. „Gehen Sie in den Fr�hruhestand“, r�t ihr der Seminarleiter. Aber Ina, bei der sich nach der Scheidung �ber 12.000 Euro Schulden angeh�uft haben, will sich beweisen, dass sie noch „dazugeh�rt“. Sie will endlich wieder Boden unter die F��e kriegen – und sie will es aus eigener Kraft schaffen. Dass sie sich als etwas Besseres sieht und die anderen Kursteilnehmer ein bisschen von oben herab behandelt – diese Haltung treibt ihr insbesondere Enno bald aus, eine 18j�hrige werdende Mutter, f�r die Ina bald so etwas wie eine Ersatzmama ist. Etwas viel wird es ihr aber schon, dass auch ihr fr�herer Chef auff�llig ihre N�he sucht (und sogar im Jobcenterkurs auftaucht) und ihr sch�chtern zwar, aber unmissverst�ndlich Avancen macht. Mit Gef�hle zeigen hat es diese Frau nicht so.��
Foto: ZDF / Britta KrehlDie arbeitslose Sekret�rin (Sawatzki) hat Probleme mit dem Selbstwertgef�hl. Auch wenn sie es sonst durch �bereifer zu �berspielen versucht, auf dem Arbeitsamt gelingt ihr das nicht. Keiner will gesehen werden. Am besten einfach wegducken.�
F�r die anderen hat diese Ina Becker in dem ZDF-Fernsehfilm „Es kommt noch besser“ immer einen guten und vor allem pragmatischen Rat zur Hand, ihre eigenen Chancen auf dem Arbeitsmarkt wei� sie dagegen weitaus weniger realistisch einzusch�tzen. Nach 90 Filmminuten jedenfalls ist sie sich noch nicht sicher, was f�r sie beruflich das Richtige w�re. Ein Job im Call-Center ist es jedenfalls eher nicht, wie zwei tragikomische Probe-Minuten mit Headset, Computer und Loriot-gef�rbten Versprechern gezeigt haben. Diese Frau will noch etwas in ihrem Leben ver�ndern. Aber sie erkennt auch, dass Wollen allein (und es vermeintlich besser wissen) nicht gen�gt. Von wegen: Geht nicht gibt’s nicht! Gut, dass die Drehbuchautorin Birgit Maiwald („Herzt�ne“) der mit mehr Hang zum Drama als zur schr�gen Comedy-Nummer anr�hrend von Andrea Sawatzki verk�rperten Hauptfigur nicht allzu sch�nf�rberisch auf die Spr�nge hilft – und dass das Ende f�r den Zuschauer durchaus Feelgood-Qualit�ten besitzt, f�r die Hauptfigur dagegen angenehm offen & realistisch bleibt.
Soundtrack: The Shins ("New Slang"), Green Day ("21st Century Breakdown"), Bobby Darin ("Beyond The Sea"), Oakenfold ("Dread Rock")
Foto: ZDF / Britta KrehlNochmal die Schulbank dr�cken. "Weiterbildung, Neuorientierung und Marktwert". F�r einen, der gerade noch mit der Anleitung "Wie erh�nge ich mich richtig?" in seinem B�ro auf der Leiter stand, klingt das wie eine Erleuchtung. Und weil seine ehemalige Sekret�rin ihm durch einen gl�cklichen Zufall das Leben gerettet hat, ist er nun v�llig auf Ina Becker fixiert (um nicht zu sagen konditioniert). Sawatzki & Zirner
"Es kommt noch besser" ist eine Produktion der Ninety Minute Film (Produzentin: Alicia Remirez). Weitere Produktionen der Firma waren zuletzt "Mona kriegt ein Baby", "Schw�gereltern" und�"Die Ungehorsame".
Es sind die kleinen (Fort-)Schritte, die z�hlen – das mag der (ideologische) Tenor dieser nachdenklichen Kom�die aus der Welt von ALG II oder Hartz IV sein; vor allem aber betrifft das Pl�doyer f�r die kleinen Schritte auch die Dramaturgie des Films. Hier geht eine Frau nicht unaufhaltsam ihren Weg, sondern sieht sich einem permanenten Lernprozess ausgesetzt. Vielleicht lautet ja auch die Botschaft dieses sympathischen Films: Erst die Abkehr von verinnerlichten Regeln („Man muss an seinem Marktwert arbeiten“) und Verdr�ngungs-Mechanismen („So eine Luftver�nderung erweitert ja auch den Horizont“), erst die emotionale �ffnung und die Erweiterung der sozialen Kompetenz sind die Voraussetzungen f�r den Neuanfang. Ina Becker, dieser tragikomische Fremdk�rper im Jobcenter-Kurs (wer k�nnte das besser spielen als Sawatzki mit ihrer K�rperpr�senz & Kantigkeit?!), muss erst ihre Vorurteile abbauen und andere Prinzipien des Lebens an sich herankommen lassen – das Selbstbewusst-Rebellische ihrer Mitbewohnerin & das Lustbetonte ihres ehemaligen Chefs.
Foto: ZDF / Britta KrehlKursleiter Sven Selig (Maximilian Br�ckner) ist der Einzige, der einen Job hat. Besonders gl�cklich aber ist er damit nicht – und gut macht er ihn auch nicht.
Diese mehr oder weniger offenen Subtexte werden in „Es kommt noch besser“ nur beil�ufig zum Schwingen gebracht und werden nur selten von den in Sozialkom�dien g�ngigen, gern �berzuckert dargereichten Wohlf�hldramaturgieversatzst�cken bestimmt. Das hat auch damit zu tun, wie Regisseur Florian Froschmayer („Tatort“) und die Schauspieler die Rollen interpretieren. Wie schon in der – allerdings kom�diantischer und skurriler angelegten – „Bella“-Reihe gelingt es Sawatzki, eine Vielzahl an Tonlagen ins Spiel zu bringen und macht so aus dieser Frau mehr als einen Prototyp der arbeitslosen „B�roperle“: da gibt es eine gro�e Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdbild; bei der Figur bricht – besonders kurz nach ihrer „Freistellung“ – auch ein gewisser Standesd�nkel durch, gepaart mit nat�rlichem Stolz als einer Art Selbstschutz. „Sie hat ein ziemlich geringes Selbstbewusstsein, das hat sie bis jetzt nur �ber ihren Job aufrechterhalten; jetzt hat sie Angst vor den Blicken der Nachbarn“, betont Sawatzki. „Scheidung, Arbeitslosigkeit, das klingt in ihren Ohren nach Erfolglosigkeit, Armut.“ Einerseits w�rde sie sich am liebsten verkriechen, andererseits ist diese Ina auch nur ein Mensch: sie m�chte gesehen werden, so wie sie ist – und sie m�chte respektiert werden. Dieses Strahlen, als ihr am Ende des Kurses der Leiter ein Kompliment macht, sagt alles.
Foto: ZDF / Britta KrehlAm Marktwert arbeiten. Walter Pirsch (Zirner) hat noch nie in seinem Leben eine Bewerbung geschrieben. Bei "Profi" und Ex-Perle Ina Becker (Sawatzki) sucht der Ex-Manager Rat. Sie hat sich immerhin vor 30 Jahren bei "Mode Pirsch" beworben.
„Es kommt noch besser“ hat noch andere starke Charaktere zu bieten. Auch August Zirners Ex-Manager Walter Pirsch, ein Mann ohne jegliches Talent f�r den Beruf, den er �ber 30 Jahre ausge�bt hat, ist keine Figur aus dem Klischee-Katalog. „Ich bin einfach nicht gut, �ber andere zu bestimmen“, bringt er es am Ende – kleinlaut wie immer – auf den Punkt. Zirner spielt diesen Anti-Chef als Verdr�ngungsk�nstler in beruflichen Fragen und als Vermeidungs-Spezialist in amour�sen Dingen (als der noch Boss war, hatte er, der viermal verheiratet war, damit weniger Probleme). Immer etwas neben der Spur, ein Leisetreter, der keinem zu nahe treten will und der Energie nur beim Tennis zeigt, so verk�rpert Zirner diesen Endf�nfziger von der melancholischen Gestalt. Als mehrfacher Kontrapunkt – jung, frech, Unterschicht – komplettiert Runa Greiners Enno das arbeitslose Trio. Sie musste fr�h auf eigenen Beinen stehen und hat so gelernt, wie man sich behauptet. Damit ist sie der genaue Gegenpart zu Zirners ewigem Juniorchef, der von seinem Vater ins Familienunternehmen gezwungen wurde. Auch wenn’s nach K�chenpsychologie klingt: eine Krise kann also doch eine Chance sein. Das zeigt sich auch bei einigen der Nebenfiguren, denen es wunderbar gelingt, trotz kom�diantischer Z�ge (Br�ckners Kursleiter, der mit Dauerallergie auf seinen Coachingjob reagiert) die Ernsthaftigkeit ihrer Charaktere nicht dem Gag zu opfern. Sie wissen am Ende, was sie wollen. Als Moral des Films ist „die Krise als Chance“ aber nicht zu verstehen.
Foto: ZDF / Britta KrehlZwei Shopping-Queens auf Second-Hand-Schn�ppchenjagd. Sawatzki & Greiner
Rainer Tittelbach arbeitet als TV-Kritiker & Medienjournalist. Er war 25 Jahre Grimme-Juror, ist FSF-Pr�fer und betreibt seit 2009 tittelbach.tv. Mehr
Sie k�nnen den fernsehfilm-beobachter unterst�tzen: Werden Sie Fan & Freund oder spenden Sie oder kaufen Sie bei amazon, indem Sie von hier, vom amazon-Button oder von jedem beliebigen DVD-Cover dorthin gelangen.