Heute vor 30 Jahren: Der Warschauer Pakt ist Geschichte
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Heute vor 30 Jahren: Der Warschauer Pakt ist Geschichte

Heute vor 30 Jahren: Der Warschauer Pakt ist Geschichte

Datum:
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Deutschland
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Das Brandenburger Tor in Berlin

Am 9. November 1989 öffnet die DDR ihre Grenze nach Westberlin und zur Bundesrepublik; nach 28 Jahren fällt die Mauer. Damit wird auch das Ende des Warschauer Paktes eingeläutet.

Bundeswehr/Klaus Lehnartz

Der 1. war für den Warschauer Pakt der Letzte. Am 1. Juli 1991 verließ das Militärbündnis die Weltbühne. Keiner weinte ihm eine Träne nach. Denn mit dem Kalten Krieg endeten auch Schreckensszenarien wie das folgende.

1985. Norddeutschland. Die Besatzung im Jagdbomber Tornado sieht auf ihre grünen Displays. Eindeutig identifiziert sie eine russische Flugabwehrraketen-Stellung, die den strategisch bedeutsamen Elbübergang bei Wittenberge in der DDR schützt. Der Waffensystemoffizier Hauptmann Jens Müller gibt knappe Anweisungen an seinen Piloten Major Rüdiger Emscher und schaltet die AGM-88 HARM, eine Rakete zur Bekämpfung von Radar-Stellungen, auf das erkannte Ziel – dann drückt er auf den roten Knopf … Nur Stunden vorher, mit dem ersten Büchsenlicht überschritten Panzerspitzen der sowjetischen Armee, unterstützt durch Brückenbau-Pioniere der NVANationale Volksarmee die Elbe und stießen schnell nach Westen in die Lüneburger Heide vor. Der Dritte Weltkrieg beginnt.


Ein Kampfflugzeug wirft Bomben ab

Das zweisitziges Mehrzweckkampfflugzeug Panavia Tornado bildete den Kern der sogenannten Vorwärtsverteidigung der Nato und sollte feindliche Raketenstellungen und Panzerspitzen noch auf feindlichem Gebiet bekämpfen

Bundeswehr/Marcus Rott

Kalter Krieg war unerwartet zu Ende

So oder ähnlich sahen die Szenarien in West und Ost aus, mit denen sich die Militärplaner auseinandersetzten, folgt man den Strategie-Konzepten des Kalten Krieges, die in den letzten Jahrzehnten nach und nach der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. Auch den Menschen in Ost wie West saß die Angst eines plötzlichen Krieges, einschließlich des Einsatzes von Atomwaffen, ständig im Nacken und das Schreckgespenst eines Krieges in Zentraleuropa flackerte als Schatten an der Wand.

Doch damit war überraschend Schluss. Nachdem 1989 in den meisten der Warschauer-Pakt-Staaten wie Ungarn, der damaligen Tschechoslowakei (CSSR) und Polen die sozialistischen Regierungen von demokratischen abgelöst worden waren, begann die Diskussion über Sinn, Zweck und Zukunft jenes Militärbündnisses, das den sogenannten Kalten Krieg wie kein anderes repräsentierte.

Mitglieder wollen nicht mehr

Mit dem Austritt der DDR im September 1990 zeichnete sich die Auflösung des unbeliebten Militärbündnisses ab – Polen, Ungarn und die CSSR gaben den Anstoß. Das hatte seine Gründe: Denn der Pakt diente nicht nur der Verteidigung gegen den „kapitalistischen Feind aus dem Westen“, sondern Moskau wollte damit in erster Linie Kontrolle über die sozialistischen „Bruderstaaten“ ausüben. Der Einmarsch 1956 in Ungarn und die Niederschlagung des „Prager Frühlings“ im August 1968 untermauerten diese Auffassung. Die Regierungen in Prag, Warschau und Budapest wollten den Bund mit der UdSSRUnion der Sozialistischen Sowjetrepubliken jetzt nicht mehr.

Ein Wandbild mit einer roten Fahne und drei Köpfen

Mosaik mit Marx, Engels und Lenin im Foyer des Zentrums Informationsarbeit Bundeswehr in Strausberg. Hier befand sich das Tagungszentrum des Warschauer Paktes.

Bundeswehr/Marco Parge

Ein Begräbnis zweiter Klasse

So verschwand fast auf den Tag genau vor dreißig Jahren eines der mächtigsten Militärbündnisse, die es je in der Weltgeschichte gegeben hat. Sang- und klanglos erfolgte die Auflösung der militärischen Strukturen zum 31. März 1991. Zuvor unterzeichneten am 24. Februar die Außen- und Verteidigungsminister Polens, Ungarns, der CSSR, Rumäniens, Bulgariens und der Sowjetunion in Budapest ein Protokoll, das eben diese Auflösung des Warschauer Paktes einleitete. Beobachter, die den Hergang des Sterbens „der größten Bedrohung der freien Welt“ kommentierten, fassten es kurz und bündig zusammen – es war ein Begräbnis zweiter Klasse. Weitere drei Monate vergingen, bis am 1. Juli 1991 in Prag das endgültige Aus vollzogen wurde. Ein Relikt aus dieser Zeit: Die Überprüfung der Sirenen in vielen Ortschaften der Bundesrepublik jeden Mittwoch um 15 Uhr. Sie sollte die Alarmierung der Bevölkerung sicherstellen.

Quer durch Europa – bis an die Zähne bewaffnet

Acht Staaten des sogenannten Ostblocks gründeten den Pakt am 14. Mai 1955 in Warschau: Albanien (trat 1968 wieder aus), Bulgarien, die DDR, die Tschechoslowakei, Ungarn, Polen, Rumänien und die UdSSRUnion der Sozialistischen Sowjetrepubliken. Offiziell war die Gründung eine Reaktion auf die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik Deutschland und ihre Aufnahme in die Nato fünf Tage zuvor. So standen sich im Laufe der Jahrzehnte bis 1991 zwei hochgerüstete Militärbündnisse gegenüber, die sich von der Barentssee bis zur Adria misstrauisch beobachteten, von kurzen Phasen der Entspannung einmal abgesehen. Allein die „Westgruppe der Truppen“, also die sowjetischen Soldaten in der DDR, umfasste 1991 mehr als 330.000 Soldaten in 24 Divisionen mit 4.200 Kampfpanzern, 3.600 Geschützen und 1500 Kampflugzeugen und Hubschraubern. Die gesamte Nationale Volksarmee der DDR mit ihren 180.000 Soldaten mit ihrer ebenfalls stattlichen Militärtechnik stand ebenfalls unter der Führung des Pakts. Das machte die DDR zum eigentlichen Frontstaat im Kalten Krieg, wie der Politologe und Historiker Frank Umbach vom Centre for European Security Strategies in München sagt.

DDR steigt zuerst aus dem Pakt aus

Und dieser Frontstaat war es, der nach dem Fall der Mauer das Bündnis als erster verließ. Obwohl der Warschauer Vertrag gar keine Austrittsregelung enthielt, schied die DDR schon am 24. September 1990 aus dem Pakt aus, nur wenige Tage vor der deutschen Einheit. Die Zusammenarbeit mit der russischen Armee erfolgte weiterhin, besonders in der Luftraumüberwachung und dem geplanten Abzug der sowjetischen Streitkräfte bis 1994.

Zu sehen ist ein Mann vor einem Radar-Bildschirm

Noch vor der Wiedervereinigung arbeiteten die Luftwaffen beider deutscher Staaten mit den russischen Streitkräften zusammen, unter anderem bei der Sicherung des Luftraumes. Die Kooperation mit den Russen endete mit deren Abzug aus Deutschland 1994.

Bundeswehr/Stefan Gygas

NATO als Garant jetzt auch für den Osten

Seitenwechsel – 1999 traten Tschechien, Polen und Ungarn der NATO bei, weitere osteuropäische Staaten folgten. Doch Russland fordert gegenwärtig wieder ein Mitspracherecht, vor allem in der Außen- und Sicherheitspolitik seiner Nachbarn. Sie sieht deren Länder als ihren Vorhof, in dem die USA und ihre Verbündeten nichts zu suchen haben.

Schwarz-weiß-Foto: Hubschrauber fliegt schräg durch die Luft. Am Boden sind Soldaten zu sehen.

Hubschrauber vom Typ CH-53 beim Tiefflug über einen Fluss beim Manöver TRUTZIGE SACHSEN in Niedersachsen im September 1985. Solche Übungen finden unter dem Dach der NATO auch in Osteuropa statt.

Bundeswehr/Matthias Zins

NATO hat an Bedeutung gewonnen

Letztlich haben sich die Konfliktlinien von der Mitte Europas in Richtung Osten verschoben, siehe Ukraine-Konflikt oder die immer wiederkehrenden Provokationen in Richtung der drei baltischen Staaten oder aktuell im Schwarzen Meer. Hier zeigt sich, dass die Nato auch nach dreißig Jahren Friedensdividende nach wie vor ihre Bedeutung nicht verloren hat ­- als der Schutzschild der westlichen Staatengemeinschaft, zur Vereidigung demokratischer Werte und als Garant von Frieden und Stabilität weltweit.

von Thomas Skiba