Der Traum ist aus - Die Erben der Scherben: Dokumentarfilm über Rio Reiser und Ton Steine Scherben, ihren Mythos und ihren bis heute wirkenden Einfluss.
In den Rock-Lexika der Siebziger kommen sie nicht vor, vom deutschen TV wurden sie totgeschwiegen, dennoch sind Rio Reiser (1950-1986) und die Ton Steine Scherben (TSS) ein musikalischer und politischer Mythos geworden. Viele junge Musiker entdeckten die Lieder („Land in Sicht, Wind in mein Herz“), Balladen („Halt dich an deiner Liebe fest“), Reime und Parolen („Macht kaputt, was euch kaputt macht“) der 1986 aufgelösten Gruppe, die erst in Berlin-Kreuzberg als Politrocker und Punk-Vorläufer Furore machten, bevor sie 1977 ins nordfriesische Fresenhagen zogen und als Landkommune mit Eigenlabel wirkten und an den Finanzen scheiterten, im Nachhinein.
Christoph Schuchs Dokumentation geht, mit einigen dazwischen montierten symbolischen Landschafts- und Industriegebietaufnahmen, auf Spurensuche bei Überlebenden und Freunden und stellt die Geschichte von TSS samt wenigen Konzertaufnahmen, etwas verkürzt dar. Sein eigentliches Anliegen gilt der Frage, ob es Kontinuitäten, Anschlüsse an die heutige Musikszene gibt. Da stellt sich bei Bands wie Element of Crime („besser gespielt als von den Stones“), Dritte Wahl oder Die Sterne eine teils diffuse, teils deutliche Bewunderung ein, die mehr mit dem bleibenden Musikerbe als mit den Agitationen („naiver Glaube an Weltveränderung“) zu tun hat. Gelobt werden die schönen Texte, der starke Ausdruck, „die wichtigste deutsche Platte überhaupt“ (Jorn Hedtke über „Keine Macht für Niemand!“) und die Nutzung dessen, was andere erkämpft hatten.
Auch wenn man die Lieder, vor allem die Slogans, heute nicht mehr so singen kann, ist erstaunlich, wie viele gecovert wurden und werden, von Nina Hagen (der Titelsong „Der Traum ist aus“, der nicht resignativ, sondern ein Hoffnungslied ist) bis Neues Glas, die teils aus Mitgliedern der alten TSS bestehen. Auf Rio Reisers Karriere nach 1986 (der „König von Deutschland“-Hit) wird nicht eingegangen, der Streit von TSS um das Erbe kommt nicht vor. Keine TSS-Historie und kein Konzertfilm, sondern eine Dokumentation, die die Frage nach der politischen Funktion von Musik untersucht und bei den offensichtlich über die Jahre gleichen Fragen landet, ist „Der Traum ist aus“ wichtig und spannend als Kapitel deutscher Mentalität und (Musik-)Geschichte und für jedes Programmkino Pflicht. ger.