Was die DDR-Designerin des Mitropa-Geschirrs in Wien macht

Was die DDR-Designerin des Mitropa-Geschirrs in Wien macht

Ein Geschirr von Margarete Jahny, das aus der DDR seinen Siegeszug antrat, ist in einer Ausstellung des Möbelmuseums Wien präsent.

Der Deckel bleibt zuverlässig auf der Kanne beim DDR-Gastronomiegeschirr „Rationell“. Hier in den Varianten „Centrum“ für die Warenhäuser und „Mitropa“ für Gaststätten in Zügen und Bahnhöfen.
Der Deckel bleibt zuverlässig auf der Kanne beim DDR-Gastronomiegeschirr „Rationell“. Hier in den Varianten „Centrum“ für die Warenhäuser und „Mitropa“ für Gaststätten in Zügen und Bahnhöfen.Bernd Friedel

In der Fremde Vertrautes entdecken: In Wien traf ich auf die Designerin Margarete Jahny (1923–2016) und ihr Geschirr, das mir seit Jugendzeiten von Besuchen im Osten Deutschlands vertraut ist. In der Ausstellung „Here we are! Frauen im Design 1900“ des dortigen Möbelmuseums ist auch das Gastronomiegeschirr „Rationell“ ein Thema.

Ob bei Mitropa in der Bahn oder in den Restaurants der Interhotels, in Werkskantinen und Cafés, von Rügen bis ins Erzgebirge – überall in der DDR war das gut stapelbare und robust-stabile Porzellan von der Tasse bis zum Teller unermüdlich im Einsatz. Bei einem Besuch des Restaurants hoch oben im Fernsehturm begegnete ich ihm erstmals, wenn ich mich recht erinnere. Oder geschah es im Fischrestaurant Gastmahl des Meeres an der Ecke Spandauer Straße, Karl-Liebknecht-Straße, ebenfalls in Mitte? Das waren neben den Wurstständen auf dem Alexanderplatz die Orte, an denen ich meinen Mindestumtausch verfutterte.

Warum mir das Kännchen wohl ebenso von Restaurant- und Cafébesuchen im Westen vertraut war, erfahre ich bei meiner Recherche. „Einen deutsch-deutschen Wirtschaftskrimi“ nennt Matthias Kanter auf der Website formost.de die Geschichte „des meistverkauften Gastronomiegeschirrs der Welt“.  Er erzählt vom Plagiieren, ein „sehr, sehr ähnliches Produkt“ sei bei Seltmann Weiden in Franken hergestellt worden. Die Westler und die Ostler hätten einander fortwährend kopiert. 

„Die Anmut des Rationalen“ so beschreibt Günter Höhne, zu DDR-Zeiten Chefredakteur der Zeitschrift form+zweck und Sammler der DDR-Designgeschichte, treffend Jahnys Kunst. Er ordnet die damalige Wirkung von Designerinnen und Designern als „öffentlich kaum sichtbar“ ein. „Designer konnten sich dort überhaupt keinen eigenen Namen machen: Über 95 Prozent der Gestalterinnen und Gestalter waren als Kollektivmitglieder in den Betrieben angestellt.“

Ich bewunderte stets, dass der Deckel nicht vom Kännchen fiel, was zu Hause am Kaffeetisch oft der Fall war, wenn man die Kanne zu steil hielt. Zumindest anfangs wurde die Künstlerin unterschätzt. Das schnörkellose Design bewertete, so berichtet formost.de, die Staatliche Porzellan-Manufaktur Meißen als „zu modern, zu riskant für einen erfolgreichen Absatz im Handel“. Und über ihre weißen Vasen habe es zu Beginn der 1960er-Jahre geheißen: „kalter Funktionalismus und hinter dem Leben zurück“.

Jetzt soll aber nicht geschehen, was den Frauen oft passiert. Also, nichts wird verschwiegen: Frau Jahny entwarf das Geschirr im Jahre 1969 gemeinsam mit dem Designer Erich Müller (1907–1992). Der sei ein „vortrefflicher Form-Systematiker“ gewesen, urteilt Günter Höhne.