Für erfolgreiche Panzerkämpfe ist die polnische Armee im Zweiten Weltkrieg nicht bekannt. Vielmehr hält sich der nachweislich falsche Mythos von todesmutigen Kavalleristen, die deutsche Kettenfahrzeuge 1939 angeblich mit Lanzen und blanken Säbel attackierten.
In Wirklichkeit war eine polnische Panzerdivision wesentlich beteiligt an der größten Panzerschlacht an der Westfront. Während der Schlacht um Falaise in Nordostfrankreich hielten ihre Männer gleich zwei der gefürchteten Panzerdivisionen der Waffen-SS stand.
Am 19. August 1944 war es den von Caen her angreifenden Verbänden der vorwiegend britischen 21. Army Group gelungen, bei Chambois mit den aus der Gegend um Le Mans vordringenden Einheiten der amerikanischen 12. Army Group Fühlung aufzunehmen. Gleichzeitig lief bereits die Evakuierung der deutschen Truppen aus dem sich nun rapide schließenden Kessel um Falaise.
Strategisch wichtig war östlich von Chambois vor allem die Höhe 262, auch bekannt als Mont Ormel. Eine langgestreckte und im Norden gewinkelte Geländestufe mit teilweise bewaldeten Hängen, von der aus man das Gebiet am Ostrand des Kessels überblicken konnte.
Diese bedeutsame Stellung hatte die polnische 1. Panzerdivision unter Generalmajor Stanislaw Maczek am 19. August 1944 nach harten Kämpfen genommen. Es war klar: Von hier aus konnte man den Abzug der deutschen Verbände wirksam bekämpfen.
Um diesen Rückzug zu decken, griff am folgenden Morgen, einem Sonntag, das Regiment „Der Führer“ der 2. Waffen-SS-Division „Das Reich“ mit starken Kräften die Höhe 262 an. Gleichzeitig stieß die 9. Waffen-SS-Panzerdivision „Hohenstaufen“ etwas weiter nördlich gegen die alliierten Linien vor, um die Polen auf dem Mont Ormel von Verstärkungen abzuschneiden.
Zwar konnten die Polen nach etwa einer Stunde den ersten Angriff der Waffen-SS aufhalten. Doch dann schoss sich ein einzelner Panther-Panzer auf eine Kompanie Sherman ein und schaltete binnen weniger Minuten eine ganze Reihe polnischer Kampfwagen aus.
Die Lage rund um die Höhe 262 spitzte sich zu: Aus dem Inneren des Kessels griffen Einheiten der Wehrmacht an, vor allem Fallschirmjäger zu Fuß, von außen SS-Panzergrenadiere. Teilweise mit Bajonetten kämpften Deutsche und Polen gegeneinander.
Gleichzeitig brachen die deutschen Verbände einen weiteren Korridor in den alliierten Umschließungsring. Sofort begannen weitere Einheiten aus dem Inneren des Kessels nach Osten zu entweichen – praktisch unter den Augen der Polen. Sie versuchten mit allem, was sie hatten, den Rückzug des Feindes zu verhindern.
Um das zu beenden, befahl SS-Oberstgruppenführer Paul Hausser, einer der ganz wenigen militärisch kompetenten hohen Kommandeure der Waffen-SS, einen massiven Angriff auf die Höhe 262. Er wurde zu einem der härtesten Gefechte in Nordostfrankreich überhaupt.
Den ganzen Nachmittag des 20. August 1944 über wechselten sich Attacken und Gegenattacken ab. Die polnische Panzerdivision stand Teilen der beiden Waffen-SS-Divisionen sowie der 353. Infanteriedivision und anderen kleinen Verbänden der Wehrmacht gegenüber.
Doch die Polen hielten stand. Sie zwangen den Gegner sogar, die bereits zurückeroberte südliche Hälfte der Höhe 262 wieder zu räumen. Doch allmählich ging ihnen die Munition aus.
Für 19 Uhr verabredeten beide Seiten eine 20-minütige Feuerpause, um Verwundete zu bergen. Danach aber gingen die Kämpfe mit nochmals verstärkter Härte weiter. Als es schon dunkel wurde, gab Oberstleutnant Aleksander Stefanowicz, der Kommandeur des 1. Panzerregiments der polnischen Division, vor seinen Männern eine düstere Lageeinschätzung ab: „Meine Herren, alles ist verloren. Ich glaube nicht, dass die Kanadier uns noch retten können.“
Zu dieser Zeit verfügte sein Regiment noch gerade über etwas mehr als 100 einsatzfähige Soldaten. Die wenigen noch intakten Panzer hatten gerade einmal noch jeweils ein halbes Dutzend Granaten vorrätig. „Kapitulieren vor der SS ist sinnlos“, sagte Stefanowicz und gab das Motto aus: „Kampf bis zum Ende! Heute Nacht werden wir für Polen und die Zivilisation sterben.“
Doch so weit kam es nicht. Nach einer unruhigen Nacht warfen am folgenden Morgen, dem 21. August 1944, Transportflugzeuge der US Army Container mit Munition über dem Schlachtfeld ab, um die Polen zu unterstützen. Doch die meisten davon landeten nicht auf Höhe 262, sondern versehentlich bei den Kanadiern auf der nahe gelegenen Höhe 240. Die allerdings hatten überhaupt keinen Munitionsmangel, weil sie nicht abgeschnitten waren von der Versorgung.
Inzwischen hatte sich jedoch die kanadische Artillerie eingeschossen und unterstützte die Polen massiv; auch alliierte Panzer brachen durch. Nun verbesserte sich die Lage von Stefanowicz und seinen verbliebenen Männern deutlich.
Zum Ende kam die Schlacht um den Mont Ormel mit einer direkten Konfrontation eines polnischen Sherman und eines deutschen Panzers. Nahe dem improvisierten Feldlazarett der Polen in dem winzigen Weiher Boisjos nordwestlich von Höhe 262 brachen die beiden Kampfwagen gleichzeitig durch Büsche und standen einander auf einmal direkt gegenüber – zwischen den Mündungen ihrer Kanonen lagen nur wenige Meter. Beide Kommandanten feuerten, beide trafen und zerstörten den Gegner.
Die beiden Panzerdivisionen der Waffen-SS zogen sich zurück. Mit ihrem Vorstoß war es ihnen gelungen, die alliierten Linien kurzzeitig aufzureißen und noch bis zu 10.000 schon eingekesselten deutschen Soldaten die Flucht zu ermöglichen.
Doch die polnischen Panzersoldaten hatten standgehalten. Sie erlitten schwere Verluste – 325 Tote, 114 Vermisste und 1002 Verwundete kosteten die Kämpfe am 20. und 21. August 1944: etwa jeden zehnten Mann der Division. Aber die bei allen Alliierten am meisten gefürchteten deutschen Verbände hatten sie nicht schlagen, nicht zum Aufgeben zwingen können. Vielmehr verlor die Waffen-SS 14 Panther, sechs Tiger, zwölf Panzer IV der neuesten Ausführung, fünf ältere Panzer III und 54 weitere gepanzerte Fahrzeuge, dazu 46 Geschütze verschiedener Kaliber, 207 Lastwagen und Autos. Sogar 152 Pferdegespanne gingen verloren.
Diese Zahlen zeigen: Die Schlacht um den Mont Ormel endete mit einem Sieg polnischer Panzersoldaten über die Waffen-SS.
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Dieser Artikel wurde erstmals im August 2019 veröffentlicht.