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Geschichte „Berliner Illustrirte Zeitung“

Diese Bilder öffneten den Blick auf die Welt

Mit einem völlig neuen Umgang mit Fotos wurde die „Berliner Illustrirte“ ab 1894 zum auflagenstärksten deutschen Medium. Wie sie die Pressefotografie prägte, zeigt jetzt eine Ausstellung in Berlin.
Freier Autor Geschichte
Ebert, Friedrich *04.02.1871-28.02.1925+ Politiker, D (SPD) Reichspraesident 1919/25 - mit Gustav Noske beim Bad in Haffkrug bei Travemünde (Ausschnitt Bild #44279). Vorn Josef Rieger, Vorstandsmitglied von PRO (E. war nach Haffkrug gekommen, um ein Kinderheim einzuweihen.) - Titelseite Berliner Illustrirte Zeitung 34/1919 - 1919 - 01.07.1919-31.07.1919 Es obliegt dem Nutzer zu prüfen, ob Rechte Dritter an den Bildinhalten der beabsichtigten Nutzung des Bildmaterials entgegen stehen. Friedrich, Ebert - Politician, SPD, Germany *04.02.1871-28.02.1925+ - President of the Reich 1919-25 - with Gustav Noske (l.) and Josef Rieger (in the water) the beach in Haffkrug near Travemuende, Germany; - 1919 - Photographer: Wilhelm Steffen - 01.07.1919-31.07.1919 It is in the duty of the user of the image to clear prior to usage if any Third Party rights preclude the intended use. Ebert, Friedrich *04.02.1871-28.02.1925+ Politiker, D (SPD) Reichspraesident 1919/25 - mit Gustav Noske beim Bad in Haffkrug bei Travemünde (Ausschnitt Bild #44279). Vorn Josef Rieger, Vorstandsmitglied von PRO (E. war nach Haffkrug gekommen, um ein Kinderheim einzuweihen.) - Titelseite Berliner Illustrirte Zeitung 34/1919 - 1919 - 01.07.1919-31.07.1919 Es obliegt dem Nutzer zu prüfen, ob Rechte Dritter an den Bildinhalten der beabsichtigten Nutzung des Bildmaterials entgegen stehen. Friedrich, Ebert - Politician, SPD, Germany *04.02.1871-28.02.1925+ - President of the Reich 1919-25 - with Gustav Noske (l.) and Josef Rieger (in the water) the beach in Haffkrug near Travemuende, Germany; - 1919 - Photographer: Wilhelm Steffen - 01.07.1919-31.07.1919 It is in the duty of the user of the image to clear prior to usage if any Third Party rights preclude the intended use.
Der berühmte "BIZ"-Titel mit Friedrich Ebert und Gustav Noske beim Baden vor Travemünde (1919)
Quelle: ullstein bild

1883 erlebte Deutschland eine Revolution. In der Leipziger „Illustrirten Zeitung“ erschien die Darstellung eines Gralsbechers – als Foto. Bis dahin hatten Zeitungen oder Zeitschriften die Wirklichkeit in Holzschnitten oder Zeichnungen wiedergegeben, von nun an übernahm ihr Spiegelbild diese Aufgabe.

Der Siegeszug der Fotografie war unaufhaltsam. Die Möglichkeit der Autotypie, des Rasterdrucks von Fotos, ließ aus Illustrationen Fotos werden und aus Illustrierten Fotomagazine.

Eines dieser Blätter war die „Berliner Illustrirte Zeitung“ (BIZ). Da ihre Macher den Herausforderungen der medialen Revolution nicht gewachsen waren, verkauften sie das Blatt 1894 an den Berliner Ullstein-Verlag.

Aus einer Auflage von 23.000 Exemplaren pro Woche wurden zur Jahrhundertwende 52.000, 1913 700.000 und 1915 eine Million.

1931 waren es schließlich 1,95 Millionen Exemplare und eine mehrfache Zahl von Lesern, denen die „BIZ“ die große Welt nach Hause brachte.

Damit war die „BIZ“ die reichweitenstärkste und einträglichste deutsche Zeitschrift. Sie machte Ullstein zu einem Großkonzern und die Fotografie zu einer Kunstform, die auf diesem Forum ihre Ästhetik und Arbeitsweisen erprobte und vor großem Publikum zur Schau stellte.

Diese Dimensionen erklären, warum der Titel keine Hochstapelei ist, die das Deutsche Historische Museum seiner neuen Ausstellung „Aus der Sammlung Ullstein 1894–1945“ gegeben hat: „Die Erfindung der Pressefotografie“.

Denn die Auswahl an Fotos, die das Berliner Haus in Zusammenarbeit mit der Axel Springer Syndication zeigt (der Archiv- und Recherchedienst gehört wie die WELT zu Axel Springer), darf für sich durchaus in Anspruch nehmen, die Entwicklungsgeschichte des Fotojournalismus in Deutschland zu repräsentieren. Durch einen glücklichen Zufall hat das Ullstein-Bildarchiv mit fünf Millionen Fotos den Bombenkrieg in weiten Teilen überlebt, während die dazugehörende Ausschnittsammlung den Flammen zum Opfer fiel. Um welchen kunst- und kulturgeschichtlichen Schatz es sich dabei handelt, wollen Ausstellung und Katalog verdeutlichen.

Briand, Aristide; franz. Politiker. 1862–1932. / Bankett im Quai d’Orsay zu Ehren der dt. Delegation während der bilaterale Verhandlungen, 19. Juli 1931: Der franz. Außen-Min. Briand entdeckt den Fotografen Erich Salomon (v. l. n. r. P.Reynaud, Briand, A.Champetiers de Ribes, E.Herriot u. L.Berard. Foto, 1931: Erich Salomon (1886–1944). |
Der französische Außenminister Aristide Briand entdeckt Erich Salomon mit der Kamera (1931)
Quelle: picture alliance / akg-images

Schon die Namen der Fotografen, die über Jahrzehnte hinweg die „Berliner Illustrirte“ prägten, liest sich wie eine Bestenliste ihrer Kunst: die Brüder Otto und Georg Haeckel, die aus Berlin oder Afrika berichteten, Erich Salomon, der als „König der Indiskreten“ Politiker aus nächster Nähe in den Blick nahm oder Martin Munkácsi , dessen große Fotoreportagen auch in anderen Ullstein-Blättern erschienen.

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Sie alle waren von Aufträgen der Redaktion abhängig und den Vorstellungen der Fotoredakteure unterworfen. Dass sie dennoch mit Perspektiven und Technik experimentieren und damit ihre Profession zur Kunst ausfeilen konnten, verdankten sie dem Credo der Chefredaktion der „BIZ“: „Die Zeitschriften der früheren Jahrzehnte brachten im Wesentlichen mehr oder minder ausführliche Texte, die durch Bilder illustriert wurden. Aber erst in einer Zeit, in der das Leben ,durch das Auge‘ eine stärkere Rolle zu spielen anfing, war das Bedürfnis nach visueller Anschauung so stark geworden, dass man dazu übergehen konnte, das Bild selbst als Nachricht zu verwenden“, erklärte Kurt Korff das Erfolgsrezept der „Berliner Illustrirten“, der er von 1905 bis 1933 vorstand.

1876 - 1938 Journalist, D Chefredakteur der Berliner Illustrierten Zeitung (Ullstein Verlag) - 1927 - 01.01.1927-31.12.1927 Es obliegt dem Nutzer zu prüfen, ob Rechte Dritter an den Bildinhalten der beabsichtigten Nutzung des Bildmaterials entgegen stehen.
Kurt Korff (eigentlich Karfunkelstein; 1876-1938), war von 1905-1933 Chefredakteur der "Berliner Illustrirten Zeitung"
Quelle: ullstein bild

Dazu gehörte auch eine Themenpalette, die ganz auf die Interessen des Publikums zugeschnitten war. Es war eine Mischung aus Politik, Wissenschaft, Abenteuer, Tratsch, Sport, Sensationen, Romanen, Preisausschreiben und Rätseln, viel Boulevard, aber auch Literatur und – vor allem – Bilder. An zahlreichen Beispielen kann die Ausstellung zeigen, wie die Suche der Fotografen nach dem überwältigenden Blick die Sehgewohnheiten der Zeitgenossen prägte und mithin ihre Vorstellung von Ästhetik. Immer kürzere Verschlusszeiten kamen zum Einsatz, sodass Schnappschüsse vom Tanz in einem Strandbad möglich wurden oder Frauen beim Hindernislauf. Erich Salomon machte seine Leica-Kleinbildkamera zum „Auge“ auf die große Politik.

Ein wichtiger Verbündeter der „BIZ“ wurde das Kino. Als Themenlieferant wie Bahnbrecher für die neue Sicht auf Bilder gleichermaßen. Aufnahmen von Dreharbeiten, Szenenbilder und natürlich Stars fanden die Ausstellungsmacher in nahezu jeder Ausgabe der „Berliner Illustrirten“, die die Ullsteins beizeiten – auch eine wichtige Innovation – einzeln am Kiosk vertrieben und nicht mehr im Vierteljahresabonnement. Damit aber war der Zwang gegeben, die Leser Woche für Woche mit einem bunten Strauß zu gewinnen, der die journalistische Fantasie stets aufs Neue herausforderte. Es war kein Zufall, dass sich das Kino und die „BIZ“ parallel entwickelten, bekannte Korff einmal.

Ebert, Friedrich *04.02.1871-28.02.1925+ Politiker, D (SPD) Reichspraesident 1919/25 - mit Gustav Noske beim Bad in Haffkrug bei Travemünde (Ausschnitt Bild #44279). Vorn Josef Rieger, Vorstandsmitglied von PRO (E. war nach Haffkrug gekommen, um ein Kinderheim einzuweihen.) - Titelseite Berliner Illustrirte Zeitung 34/1919 - 1919 - 01.07.1919-31.07.1919 Es obliegt dem Nutzer zu prüfen, ob Rechte Dritter an den Bildinhalten der beabsichtigten Nutzung des Bildmaterials entgegen stehen. Friedrich, Ebert - Politician, SPD, Germany *04.02.1871-28.02.1925+ - President of the Reich 1919-25 - with Gustav Noske (l.) and Josef Rieger (in the water) the beach in Haffkrug near Travemuende, Germany; - 1919 - Photographer: Wilhelm Steffen - 01.07.1919-31.07.1919 It is in the duty of the user of the image to clear prior to usage if any Third Party rights preclude the intended use.
Der berühmte "BIZ"-Titel mit Friedrich Ebert und Gustav Noske beim Baden vor Travemünde (1919)
Quelle: ullstein bild

Die Ausstellung führt ihre Besucher durch drei elegant verbundene Kapitel. Im Kaiserreich (da trug Korff noch seinen bürgerlichen Namen Karfunkelstein) dominierten Bilder aus der feinen Gesellschaft, fernen Welten und dem ungeheuren Alltag das Blatt. Mit dem Weltkrieg erhielten Politik und Tristesse Einzug. Die Weimarer Republik eröffnete Korff (der sich seit Anfang 1919 so nannte) geradezu programmatisch mit seinem berühmtesten und umstrittensten Titelbild: Reichspräsident Friedrich Ebert und Reichswehrminister Gustav Noske in Badehose bei Travemünde im August 1919. Das offizielle Berlin war empört.

Während in der Ausstellung vor allem die Fotografie im Mittelpunkt steht, liefert der Katalog Hintergründe zu ihrer dialektischen Entwicklung. So nahm Korff nicht nur mit seinen lukrativen Aufträgen Einfluss auf die Arbeit der Fotografen, sondern griff mit seiner Marktmacht auch in ihr weit gespanntes Netzwerk ein. So kaufte er ganze Serien für das Archiv auf, selbst wenn er nur ein Foto abdruckte. Stars wie Erich Salomon band er mit Exklusivverträgen an sich, auf deren Einhaltung er mit aller Strenge achtete: „Sie vergessen immer … dass Sie einen Vertrag mit uns geschlossen haben, nach dem Sie uns alle Ihre Bilder vorlegen werden“, mahnte er Salomon, um ihn kurz darauf zu hätscheln, er habe bei ihm ein „moralisches Guthaben“, weil er einige Fotos aus Rom doch recht kleinformatig abgedruckt hätte.

Damit war es 1933 vorbei. Korff wurde entlassen und emigrierte in die USA, wo er seine Erfahrung in die Entwicklung des Magazins „Life“ einbrachte. Viele seiner zumeist jüdischen Fotografen erhielten Berufsverbot, andere versuchten, sich mit den Nazis zu arrangieren und weiterzumachen. 1934 wurde das Haus Ullstein arisiert. Wie die NS-Propaganda das Erbe korrumpierte, zeigt das dritte Kapitel der Ausstellung. Themen und Ästhetik wurden äußerlich beibehalten, aber mit dem Geist der neuen Zeit aufgeladen. Noch als die russischen Panzer 1945 den Ullstein-Turm in Berlin-Tempelhof ins Visier nahmen, umgarnten Goebbels’ journalistische Büttel mit der „Berliner Illustrierten“ (jetzt mit ie) ihre traumatisierten Leser. So bietet denn die Ullstein-Sammlung auch ein Zeugnis für Größe und Hybris der Fotografie.

Die Erfindung der Pressefotografie. Aus der Sammlung Ullstein 1894-1945“, Deutsches Historisches Museum, Berlin; vom 23. Juni bis 31. Oktober 2017

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