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Geschichte Billy the Kid

Er war ein hilfsbereiter Junge – und wurde zum Killer

Der Revolverheld William H. Bonney alias Billy the Kid soll in diversen Schießereien 21 Menschen getötet haben. Andere zählen nur vier. Im Juli 1881 soll er erschossen worden sein – doch bis heute gibt es erhebliche Zweifel.
Textchef ICON / Welt am Sonntag
„Pat Garrett jagt Billy the Kid“

Die beiden Banditen Billy the Kid und Pat Garrett waren früher die besten Freunde, als sie im Wilden Westen ihr Unwesen trieben. Wie Garrett als Sheriff zum unerbittlichen Gegner wird, zeigt der Kult-Western von Sam Peckinpah von 1973.

Quelle: WELT

Autoplay

Der Wirt in dem mexikanischen Saloon hatte den rotblonden Jungen gewarnt: Der „kleine Mann“ nehme besser kein Tabasco, die Soße sei zu scharf für ihn. Aber das stachelte den Jugendlichen nur noch mehr an – er goss das ganze Fläschchen über seine Tortilla. Ein paar Momente später musste ihn der Cowboy, der ihn begleitete, ermahnen: „Komm jetzt, das ist schon die dritte Viehtränke. Du hast genug getrunken.“ So verspotteten die Franzosen Morris und Goscinny im Lucky-Luke-Band „Die Eskorte“ mit Billy the Kid einen der ultimativen Revolverhelden des Wilden Westens als leicht behämmerten Rotzbengel.

Ein Comic muss sich nicht um Tatsachen scheren. Das Faszinierende am echten Billy ist allerdings: Wir wissen so wenig über ihn, dass er jeder Art von Fiktion eine großartige Projektionsfläche bietet. So legte er einer Legende nach 21 Menschen um, andere Zählungen kommen auf nur vier Todesopfer. So sagen die einen, sein ehemaliger Freund Pat Garrett habe ihn am 14. Juli 1881 durchlöchert; die anderen behaupten, er habe unter dem Namen Ollie P. Roberts bis 1950 in Texas gelebt.

Billy the Kid - oder: Ein Mann ohne Schusswaffe ist kein richtiger Mann
Ein Mann ohne Schusswaffe ist kein richtiger Mann: William H. Bonney alias Billy the Kid (1859-1881, möglicherweise) ...
Quelle: picture alliance / Everett Colle
Billy the Kid, William H. Bonney, outlaw, historical, |
... und mit Pat Garrett, der ihn zur Strecke brachte
Quelle: picture alliance / Glasshouse Im

Vermutlich macht genau das Billy the Kid, auch William H. Bonney, Henry Antrim oder Kid Antrim, bis heute so populär. Knapp zehn Millionen Treffer zeigt Google an, wenn man seinen Namen eingibt. Schon von den ersten Links führen einige zu Foren, deren User ohne Hemmungen in Cowboyromantik schwelgen – es geht um Rindviecher, Pferde und Männer im Sattel, die ihre Freiheit mit dem Colt verteidigen.

Sollte stimmen, worauf sich der Großteil der Historiker geeinigt hat, kam Billy im Jahr 1859 in einem ganz anderen Umfeld zur Welt, nämlich an New York Citys East Side. Erst 1868 zog seine Mutter Catherine McCarty mit Billy und seinem jüngeren Bruder Joseph nach Coffeyville im US-Staat Kansas um. Von dort aus ging es weiter nach Pueblo, wo sie William Antrim kennenlernte und 1873 heiratete. Schon im selben Jahr wechselte die Familie erneut den Wohnort, zuerst nach Santa Fe und wenig später nach Silver City, beides in New Mexico. Die Mutter starb 1874 an Tuberkulose.

Billy the Kid (William Bonney, 1859-1881) 'Reward for the capture, dead or alive, of one of Wm. Wright, better known as "Billy the kid" Age 18. Height, 5 feet, 3 inches. Weight, 125 lbs. Light hair, blue eyes and even features. He is the leader of the worst band of desperadoes the Territory has ever had to deal with. The above reward will be paid for his capture or positive proof of his death. Jim Dalton, Sheriff'. Typographic poster, Unites States of America, approx. 1877 (Photo by Fototeca Gilardi/Getty Images). Getty ImagesGetty Images
5000 Dollar "dead or alive": Steckbrief für Billy the Kid
Quelle: Getty Images

Billys Bekannte dieser Jahre beschreiben ihn als hilfsbereit und ehrlich. Es finden sich aber auch Berichte von einem Konflikt mit seinem Stiefvater, was ihn schon als Teenager in Saloons trieb – dort machte er wohl mit seinem Talent als Spieler auf sich aufmerksam. Billy zog weiter ins mexikanische Sonora, tat sich mit dem Spieler Melquiades Segura zusammen, soll einen anderen Spieler erschossen haben, floh nach Chihuahua, wo angeblich vier weitere Spieler verschwanden, und setzte sich an den Rio Grande ab. Hier traf er Ende 1876 auf seinen Jugendfreund Jesse Evans. Am Rio Miembres sollen die beiden eine Siedlerfamilie vor 14 Mescalero-Indianern gerettet haben.

Auch einige von Evans’ künftigen Gangmitgliedern trafen die beiden in dieser Zeit. Von einer guten Seite Billys erzählt eine Anekdote aus Mesilla: Als er hörte, dass sein Freund Segura in Elizario im Knast sitze, soll er in sechs Stunden knapp 130 Kilometer zu ihm geritten sein und Segura nach Mesilla zurückgebracht haben. Dort erhielt Billy einen Brief von Jesse Evans, der ihn nach Lincoln brachte, um sich der Gang seines Freundes anzuschließen.

PAT GARRETT AND BILLY THE KID, Kris Kristofferson, 1973 | Keine Weitergabe an Wiederverkäufer.
Der Film zum Kult: Billy the Kid alias Kris Kristofferson in "Pat Garrett jagt Billy the Kid" (1973) von Sam Peckinpah
Quelle: picture alliance / Everett Colle

Viele Dokumentationen über Billy the Kid starten erst hier, weil nun die Quellenlage etwas verlässlicher wird. In Lincoln beherrschte die Murphy-Dolan Store Company den Handel. Billy fand bei ihr Arbeit – bei einer Saloon-Prügelei im Jahr 1877 erschlug er aber einen Hufschmied und verließ den Ort. Etwa seit dieser Zeit nannte er sich William H. Bonney. Kurz darauf kehrte er nach Lincoln zurück – und es gelang ihm, seine Schläge als Notwehr darzustellen.

Doch schon bald saß er ein – er hatte sich dabei erwischen lassen, auf der Ranch des englischen Einwanderers John Tunstall Pferde zu stehlen. Es war Billys Glück, in Tunstall einen Menschenfreund gefunden zu haben, der an zweite Chancen glaubte. Er holte den Desperado aus dem Gefängnis, und fortan arbeitete Billy für ihn.

Pat Garrett & Billy the Kid, (PAT GARRETT & BILLY THE KID) USA 1973, Regie: Sam Peckinpah, KRIS KRISTOFFERSON, JAMES COBURN, Stichwort: Hut | Verwendung weltweit
In besseren Tagen: Billy the Kid mit Pat Garrett (James Coburn) in "Pat Garrett jagt Billy the Kid"
Quelle: picture alliance / United Archiv

Tunstall besaß auch ein Geschäft in der Stadt, das gerade sehr zum Ärger der Dolan-Murphy Store Company zu florieren begann. Deren Besitzer hatte den Sheriff William Brady in der Hand – der Gesetzeshüter hatte dort Tausende Dollar Schulden. Deshalb machte er auf Tunstall Druck. Der nahm das nicht sonderlich ernst, doch eines Tages tauchte Sheriff Brady mit einer Truppe von Kriminellen auf seiner Ranch auf und verwickelte Tunstalls Leute in eine Schießerei, bei der ihr Anführer starb.

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Billy schwor Rache. Der öffentliche Aufschrei war so groß, dass er nun mit Tunstalls Männern selbst ermächtigt wurde, Brady aus dem Amt zu jagen. Die Gang nannte sich die „Regulatoren“ – und Billy war dabei, als die beiden mutmaßlichen Mörder Tunstalls am 9.März 1878 in Steel Springs, New Mexico, getötet wurden. Am 1. April 1878 lockte die Gruppe Sheriff Brady und Deputy George Hindman in Lincoln in einen Hinterhalt und erschoss die beiden. Die Entscheidungsschlacht im sogenannten Lincoln-County-Krieg trugen die Parteien vom 15. bis 19. Juli in Lincoln aus, Billy überlebte.

Nachdem Lew Wallace (übrigens der Autor von „Ben Hur“) zum Ende des Konflikts zum Gouverneur von New Mexico geworden war, erließ er eine Amnestie für alle Beteiligten. Billy soll dem Mann des Staates versprochen haben, ihn für eine Aussage gegen die Mörder eines Rechtsanwaltes zu begnadigen. Der Pistolero hielt seinen Teil der Vereinbarung ein, der Gouverneur nicht – Billy musste weg aus Lincoln und schlug sich als Viehdieb durch.

Nun wiederum wurde Pat Garrett Sheriff von Lincoln, Billy soll ihn aus seiner Zeit als Spieler gekannt haben. Er jagte den Outlaw, nahm ihn fest, brachte ihn im Jahr 1881 in Lincoln vor Gericht, wo dieser entkommen konnte. Doch am Ende spürte Garrett ihn wieder auf und erschoss ihn.

Zumindest ist das die traditionelle Version der Story – doch wie erwähnt nahm ein gewisser Ollie P. Roberts aus Texas für sich in Anspruch, als Billy the Kid den Westen unsicher gemacht zu haben. Diese Aussage bestätigte in den 40er-Jahren jemand, der behauptete, Billys Freund Jesse Evans zu sein. Für den Zeugen spricht, dass er damals die Wohnorte von noch lebenden Gangmitgliedern präzise benennen konnte.

Den Mythos heizte das noch einmal an. Hollywood arbeitete mit dem Stoff; die drei Fotos, die Billy zeigen oder angeblich zeigen, sind Millionen wert. Die ganze Geschichte enthält vom Charakter des Helden bis zu gesetzlosen Gesetzeshütern einfach alle Widersprüche, die nötig sind, damit eine Legende entsteht.

Wie tief die Story in die amerikanische Psyche eingedrungen ist, beweist das Verhalten des derzeitigen US-Präsidenten. Wann immer Donald Trump unter Druck gerät, stellt er sich als Opfer von Medien und Politikern dar, die ihm zufolge vorgeben, die Wahrheit und das Gesetz zu vertreten, aber es in Wirklichkeit nur darauf abgesehen hätten, ihn durch Lügen zu vernichten – schließlich störe er als heroischer Einzelkämpfer ihre korrupte Kungelei. Seine Klientel glaubt ihm aufs Wort. Bei allem historischen Nebel um Billy the Kid lässt sich sagen: Dafür dereinst auch noch verantwortlich zu sein, hätte seine Vorstellungskraft zu Lebzeiten garantiert überstiegen.

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