Im Jahr des Herrn 1241 tat sich die Hölle auf. Kurzbeinige Reiter auf struppigen Pferden erschienen an den östlichen Grenzen der Christenheit. „Es tartaro“ – aus der Unterwelt schienen sie zu kommen, was schon der Name „Tataren“ zu beweisen schien, aus dem die Überlebenden „Tartaren“ machten. Warum, erklärte ein Chronist: „Wir fanden nichts als menschliches Gebein und Flecken christlichen Blutes auf den Palastwänden und den Wänden der Kirchen.“
Die Tataren – oder besser: Mongolen –, die damals das Abendland auszulöschen drohten, hatten bereits weite Teile Asiens von China bis in den Iran und den Süden Russlands überrannt. Ihr berühmt-berüchtigter Führer Temudschin hatte als „Dschingis Khan“ 1206 die mongolischen Stämme geeinigt und begonnen, ein Weltreich zu errichten. Nach seinem Tod 1227 und den anschließenden Kämpfen um die Nachfolge setzte sein Sohn Ögedei das Projekt fort. Er gab einem Mitglied seines Klans, Batu, 1235 den Auftrag, Russland endgültig zu unterwerfen und von da die mongolische Herrschaft bis in den fernen Westen zu tragen.
Mit einem riesigen Heer, zu dem auch Frauen, Kinder und vor allem Herden gehörten – jeder Krieger verfügte über mehrere Pferde – zog Batu los. Die Wolgabulgaren und Bashkiren wurden unterworfen, bis 1240 wurde Russland erobert. Dann teilte Batu sein Heer in zwei Keile: Mit dem größeren wollte er selbst über Siebenbürgen nach Ungarn vorrücken, der andere unter Baidar sollte durch Litauen und Polen ziehen.
Nicht nur ihr Erscheinungsbild brach jeglichen Widerstand. Die mongolischen Heere waren extrem diszipliniert und hoch mobil. Im Gefecht konnten sie taktische Befehle ausführen und damit Lücken in den Reihen ihrer Gegner ausnutzen. Mit dem Reflexbogen verfügten sie über eine Fernwaffe, die sie unter beinahe jeder Bedingung bedienen konnten. Den Rest besorgten die Pyramiden aus den Köpfen der getöteten Gegner. Um ihre Herrschaft zu sichern, wurden große Teile der geschlagenen Eliten gezielt umgebracht.
Die unangenehme Aufgabe, sich diesem Heer entgegenzustellen, fiel dem Piastenherzog Heinrich II. von (Nieder-)Schlesien (ca. 1196–1241) zu. Denn Kaiser Friedrich II. und Papst Gregor IX. rieben sich in ihren Machtkämpfen auf. Viel zu spät kam aus dem Vatikan ein Aufruf zu einem Kreuzzug, während es der Staufer bei guten Ratschlägen an seinen Sohn Konrad IV. beließ, der seit 1237 als König die Geschäfte im Reich führte. Daran änderte auch das Angebot des ungarischen Königs Bela IV. nichts, der bereit war, den Kaiser als Lehnsherrn anzuerkennen, wenn er ihm nur mit einem Heer zu Hilfe kam.
Heinrich II., der sich den Beinamen „der Fromme“ verdient hatte, blieb weitgehend auf sich allein gestellt. Da sein Land über die größten Ressourcen Polens verfügte, konnte er immerhin einige tausend Panzerreiter zusammenziehen, darunter auch einige Templer und Deutschordensritter. Das Fußvolk bestand aus dem Anhang der Reiter und städtischen Milizen – Chronisten berichten von 40.000 Mann, die es mit 100.000 Mongolen zu tun hatten, was sicherlich völlig übertrieben ist.
Auf der Wahlstatt bei Liegnitz (Legnica), nordwestlich von Breslau (Wroclaw), stellte er sich am 9. April 1241 unter dem Zeichen des Kreuzes zur Schlacht. Die Überlieferung ist verworren. Offenbar setzte Heinrich auf die übliche Taktik und versuchte, mit einer Attacke seiner schwer gepanzerten Reiterei die gegnerischen Linien zu durchbrechen, was im ersten Ansturm wohl auch gelang. Aber die Mongolen waren geübt darin, sich erneut zu sammeln und den Kampf aus der Distanz weiterzuführen, während die Ritter zum ehrenhaften Einzelkampf übergingen. Dabei wurden sie niedergemacht, die Waffenfähigen ganzer Familien ausgelöscht.
„Sie sind tierisch und unmenschlich, mehr Ungeheuer, die nach Blut dürsten und es trinken, als Menschen“, fasste ein Chronist das Entsetzen der Überlebenden zusammen. Herzog Heinrich soll beim Erheben des Schwertes eine Lanze in die linke Achselhöhle gefahren sein. Das „warf ihn sterbend vom Pferd. Mit ihm ging alles zu Ende.“ Seinen Kopf steckten die Sieger auf eine Lanze.
Nur zwei Tage später erlitten König Bela IV. und sein Heer am Fluss Sajó ein ähnliches Schicksal. Ungarn wurde von den Mongolen besetzt, die bis Wiener Neustadt vorrückten. Mitteleuropa lag offen vor ihnen. Dass sie die Chance nicht nutzten, schrieben die verschreckten Zeitgenossen dem Wirken Gottes zu. Historiker halten zwei andere Gründe für wahrscheinlicher.
Großkhan Ögedei starb im Dezember 1241. Die Nachricht wird Batu über das ausgebaute Botennetz des Mongolischen Weltreichs schnell erreicht haben. Um seine Ansprüche bei der Wahl eines Nachfolgers anzumelden, zog er mit seinem Heer nach Osten. Zwar konnte er sich nicht durchsetzen, machte aber die südrussische Steppen zum Zentrum eines eigenen Herrschaftsgebiets, das als Goldene Horde bekannt wurde.
Ein zweiter Grund, den Vorstoß nach Europa aufzugeben, waren die ökologischen Rahmenbedingungen, die die Mongolen für ihre Expansion benötigten. Denn die riesigen Herden, die aus Hunderttausenden Pferden und Schafen bestanden, waren von entsprechend großen Weidegründen abhängig, die es in Europa nicht gab.
Für Schlesien bedeutete die Niederlage von Liegnitz einen schweren Einschnitt. Das Land, das bis dahin in Polen eine Führungsrolle eingenommen hatte, wurde unter den vier Söhne Heinrichs aufgeteilt. Sie holten zunehmend deutsche Siedler ins Land, um die Bevölkerungsverluste auszugleichen.
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