Das Wasserstoffatom ist ein klassisches Zwei-Körper-Problem, bei dem ein Elektron und ein Proton sind durch das Coulomb-Potenzial

$$\begin{aligned} V(r) = \frac{1}{4 \pi \epsilon _0} \frac{q_e q_K}{r} = -\frac{1}{4 \pi \epsilon _0} \frac{e^2}{r}, \end{aligned}$$
(11.1)

gebunden sind. Dieses ist nur abhängig vom Kern-Elektron-Abstand r und den Ladungen des Elektrons \(q_e\) und des Protons \(q_K\) (Abb. 11.1a). Das Potenzial ist attraktiv, da Elektron und Proton jeweils eine negative und positive Elementarladung e tragen.

Wie bewegt sich das Elektron nun um den Kern? Dies wollen wir herausfinden, und der Weg ist die Berechnung der Wellenfunktion und Energie mit Hilfe der Schrödinger-Gleichung. Wir haben schon die Bohr’schen Quantisierungsbedingungen kennengelernt (Abschn. 3.2.2). Es sind nicht alle Bahnen möglich, sondern nur bestimmte, die als stehende Wellen des Elektrons interpretierbar sind.Footnote 1 Die Rede von Bahnen macht in der Quantenmechanik keinen Sinn mehr, wir erhalten die Orbitale als Lösungen der Schrödinger-Gleichung. Da diese eine Wellengleichung ist, können die Orbitale als stehende Wellen angesehen werden. Ok, aber was macht das Elektron, wie kann man die Bewegung des Elektrons im Wasserstoffatom verstehen? Die Rede von Bahn, Bewegung etc. ist eine klassische Beschreibung und ist in der Quantenmechanik offensichtlich nicht mehr anwendbar, was in Kap. 13 besprochen wird.

Abb. 11.1
figure 1

a Proton und Elektron in Abstand r. b Bewegung auf der Kugelschale

Zur Lösung brauchen wir drei Elemente:

  • Relativkoordinaten Streng genommen rotieren Proton und Elektron um den gemeinsamen Schwerpunkt, man muss also Relativkoordinaten verwenden, wie für zweiatomige Moleküle hergeleitet (Abschn. 1.3.1). Damit transformieren wir auf das Problem eines Teilchens, das sich um den Koordinatenursprung bewegt. Die sogenannte reduzierte Masse

    $$ \mu = \frac{m_e m_K}{m_e+m_K} \approx m_e $$

    weicht nicht stark von der Masse des Elektrons \(m_e\) ab, da die Masse des Atomkerns \(m_K\) wesentlich größer als die des Elektrons ist. Daher werden im Folgenden mit \(m_e\) in der kinetischen Energie weiterrechnen, r gibt den Abstand Kern-Elektron an, der Schwerpunkt liegt daher in sehr guter Näherung im Proton. Dieses sei in Ruhe, daher betrachten wir die kinetische Energie des Protons nicht.

  • Kugelkoordinaten und Separationsansatz Dieses Problem wird am einfachsten in Kugelkoordinaten beschrieben, wie in Abb. 11.1b gezeigt. Eine spezielle Koordinatenwahl hat den folgende Gründe:

    • Bei der Behandlung der Rotation in der Ebene und auf der Kugeloberfläche haben wir gesehen, dass dadurch die Dimension des Problems reduziert wurde, statt zwei/drei Koordinaten (xy) bzw. (xyz) mussten wir nur eine \(\phi \) bzw. zwei (\(\phi ,\theta \)) betrachten.

    • Separation der Variablen Zudem, und das war das Wichtige bei der Lösung, wurde die Bewegung in diesen Koordinaten entkoppelt. Am Beispiel des Kastenpotenzials haben wir gesehen, wie eine Funktion \(\Psi (x,y,z)\) von drei Variablen in ein Produkt von Funktionen einer Variable zerfällt. Für jede dieser Variablen

      $$\begin{aligned} \Psi _{nml}(x,y,z)= & {} \phi _n(x)\phi _m(y)\phi _l(z) \qquad \mathrm {Kastenpotenzial},\\ \Psi _{lm}(\theta ,\phi )= & {} Y_{lm}(\theta ,\phi ) = \Theta _l(\theta )\Phi _m(\phi ) \qquad \mathrm {Rotor}. \end{aligned}$$

      erhalten wir dann eine Differentialgleichung, die isoliert gelöst werden kann. Das Gleiche haben wir beim Rotor in Kugelkoordinaten gesehen, die Transformation auf Kugelkoordinaten erlaubte ebenfalls einen solchen Produktansatz für die Wellenfunktion. Als Ergebnis haben wir also gewöhnliche Differenzialgleichungen für die einzelnen Variablen erhalten, die sich analytisch lösen lassen, und die Gesamtlösung ist ein Produkt der separierten Lösungen.

      Beim Rotor haben wir den Abstand r zunächst festgehalten, wir haben die Rotation eines starren Rotors betrachtet. D. h., wir haben schon die Bewegungen auf der Kugelschale in Abb. 11.1b gelöst. Nun lassen wir zusätzlich eine Bewegung der Koordinate r zu, das Elektron hat nun einen weiteren Freiheitsgrad, es kann sich auch an verschiedenen Abständen r vom Kern aufhalten. In Kugelkoordinaten können wir also einen Separationsansatz für die Wellenfunktion

      $$ \Psi (r,\theta , \phi ) = R(r) Y(\theta ,\phi ). $$

      machen. Analog erhalten wir nun eine Differentialgleichung nur für R(r), die wir in diesem Kapitel lösen wollen. Wir haben also die Bewegung in r-Richtung absepariert, und lösen diese getrennt von der Bewegung auf der Kugelschale, welche durch \(Y(\theta ,\phi )\) beschrieben wird.

  • Freiheitsgrade und Quantenzahlen Die Bewegung entlang der unabhängigen Koordinaten wird Freiheitsgrad genannt. Für das Kastenpotenzial haben wir gesehen, dass für jeden Freiheitsgrad (xyz) eine Quantenzahl auftritt. Beim starren Rotor treten zwei Quantenzahlen l und m auf, für die Koordinate r erwarten wir daher noch eine zusätzliche Quantenzahl n, die Bohr schon postuliert hatte.

  • Gute Nerven Da das Problem für \( Y_{lm}(\theta ,\phi )\) schon gelöst ist, werden wir auf eine Differentialgleichung für R(r) geführt, den Radialteil der Wellenfunktion. Die Lösung ist etwas langwierig, ist aber wieder ein eindimensionales Problem, und die Lösung ist analog zu der des harmonischen Oszillators. Man findet einen exponentiellen Abfall der Wellenfunktion für große Abstände und Oszillationen im Potenzialbereich, die durch Polynome, die Laguerre-Polynome, dargestellt werden.

Die Lösungen führen auf die Orbitale des Wasserstoffatoms, für die man wieder bestimmte Observablen berechnen kann, nämlich E, \(L^2\) und \(L_z\) als Eigenwerte, sowie beispielsweise \(\langle x\rangle \) als Erwartungswerte. Die räumliche Wahrscheinlichkeitsverteilung erhält man aus dem Quadrat der Wellenfunktion.

Der Lösungsweg für dieses Potenzial ist noch etwas komplizierter als beim harmonischen Oszillator, daher werden hier wieder verschiedene Wege A-C vorgeschlagen:

  • A: Lesen Sie Abschn. 11.1, um zu verstehen, wie die Schrödinger-Gleichung nach Einführung von Kugelkoordinaten aussieht, wie die Separation der Variablen funktioniert und gehen Sie dann zu Abschn. 11.4, wo die Lösungen für die Energie und die Wellenfunktionen diskutiert werden.

  • B: Lesen Sie Abschn. 11.1 und 11.2, um den Ansatz für die Wellenfunktion zu verstehen. Die Wellenfunktion besteht aus einem Teil \(r^l\), der die Wellenfunktion für kleine Abstände beschreibt und gegen null führt, einem exponentiell abfallenden Teil \(\mathrm {e}^{-\kappa r}\), der wie beim harmonischen Oszillator die Wellenfunktion im ‚Tunnelbereich‘ der Barriere für große Abstände beschreibt. Und ein Polynom P(r), das die Oszillationen der Wellenfunktion im Coulomb-Potenzial beschreibt, analog zum Kastenpotenzial (Sinus-/Kosinusfunktionen) oder harmonischen Oszillator (Hermite’sche Polynome). Gehen Sie dann zu den Lösungen in Abschn. 11.4.

  • C: Volles Programm. Lesen Sie auch die Herleitung der Lösungen und verstehen sie, wie die Quantisierung aus dem Abbruch der Polynomreihe entsteht und welche Form die Polynome P(r) (zugeordnete Laguerre-Polynome) haben.

1 Hamilton-Operator und radiale Schrödinger-Gleichung

Wir gehen von der Schrödinger-Gleichung in drei Dimensionen mit dem Coulomb-Potenzial aus und kommen dann durch den Separationsansatz für die Wellenfunktion auf eine Differentialgleichung für den Radialteil R(r), da wir den Winkelanteil für den Rotor schon gelöst haben.

1.1 Hamilton-Operator in Kugelkoordinaten

Wir starten mit der klassischen Energie des Problems,

$$\begin{aligned} E = (p_x^2 + p_y^2 + p_z^2)/2m_e - \frac{1}{4\pi \epsilon }\frac{Ze^2}{r}, \end{aligned}$$
(11.2)

der Abstand vom Kern im Koordinatenursprung ist durch r gegeben, die Masse durch \(m_e\), und wir haben die Kernladungszahl \(Z=1\) für das H-Atom. Wir behalten aber Z in der Formel, da wir das später nochmals brauchen können.

Den Hamilton-Operator in drei Dimensionen haben wir oben bei der Drehbewegung (Abschn. 10.2) kennengelernt. Daher wissen wir schon, wie die kinetische Energie aussieht, die Coulomb-Wechselwirkung kürzen wir nun einfach durch das Coulomb-Potenzial V(r) ab und erhalten:

$$\begin{aligned} \hat{H} = - \frac{\hbar ^2}{2m_e} \left( \frac{\partial ^2}{\partial x^2} + \frac{\partial ^2}{\partial y^2} + \frac{\partial ^2}{\partial z^2}\right) +V(r). \end{aligned}$$
(11.3)

Die 2. Ableitungen schreiben sich in Kugelkoordinaten (Gl. 10.17) als:

$$\begin{aligned} \nabla ^2 = \Delta = \left( \frac{\partial ^2}{\partial x^2} + \frac{\partial ^2}{\partial y^2}+\frac{\partial ^2}{\partial z^2}\right) = \frac{\partial ^2}{\partial r^2} + \frac{2}{r}\frac{\partial }{\partial r} + \frac{1}{r^2}\Lambda ^2 \end{aligned}$$
(11.4)

mit

$$\begin{aligned} \Lambda ^2 = \frac{1}{\sin ^2\theta }\frac{\partial ^2}{\partial \phi ^2} + \frac{1}{\sin \theta }\frac{\partial }{\partial \theta } \sin \theta \frac{\partial }{\partial \theta } . \end{aligned}$$
(11.5)

Mit dem Drehimpulsoperator (Abschn. 10.3)

$$\begin{aligned} \hat{L}^2 = -\hbar ^2 \Lambda ^2 \end{aligned}$$
(11.6)

sieht die Schrödinger-Gleichung wie folgt aus:

$$\begin{aligned} \left[ - \frac{\hbar ^2}{2m_e} \left( \frac{\partial ^2}{\partial r^2} + \frac{2}{r}\frac{\partial }{\partial r} \right) + \frac{\hat{L}^2}{2m_e r^2} +V(r) \right] \Psi (r,\theta ,\phi ) = E \Psi (r,\theta ,\phi ). \end{aligned}$$
(11.7)

1.2 Separationsansatz

 Als Ansatz für die Wellenfunktion in Gl. 11.7 wählen wirFootnote 2

$$\begin{aligned} \Psi (r,\theta ,\phi ) = R(r)Y(\theta ,\phi ), \end{aligned}$$
(11.8)

und erhalten durch Einsetzen (Beweis 11.8, Anhang 11.7.2):

$$\begin{aligned} \left[ - \frac{\hbar ^2}{2m_e} \left( \frac{\partial ^2}{\partial r^2} + \frac{2}{r}\frac{\partial }{\partial r} \right) + \frac{ l(l+1)\hbar ^2}{2m_e r^2} +V(r) \right] R(r) = E R(r). \end{aligned}$$
(11.9)

Wichtig:

Nun haben wir also eine Differentialgleichung für den Radialteil R(r), in dem die anderen Variablen \(\theta \) und \(\phi \) nicht mehr vorkommen.

Effektives Potenzial

Gl. 11.9 sieht nun wie eine Differentialgleichung für ein Teilchen in einem effektiven Potenzial aus,

$$\begin{aligned} V_\mathrm {eff}(r) = V(r) + \frac{ l(l+1)\hbar ^2}{2m_e r^2} = V(r) + V_l(r). \end{aligned}$$
(11.10)

\(V_l(r) = E_l\) ist schlicht die Energie des Rotors im Quantenzustand l bei einem Abstand r, siehe Gl. 10.40.

  • Für \(l=0\) ist dies das gewöhnliche Coulomb-Potenzial, \(E_l\) verschwindet (Abb. 11.2a). Bitte beachten Sie Gl. 11.1, V(r) ist negativ.

  • Für \(l\ge 1\) kommen repulsive Beiträge hinzu, es ist die Fliehkraft, die das Potenzial effektiv moduliert, wie in Abb. 11.2b skizziert. Die Fliehkraft führt dazu, dass bei kleinen Abständen die Energie stark ansteigt, d. h., dass das effektive Potenzial hier stark repulsiv wird. Je größer l, desto größer die Fliehkraft und desto stärker die repulsive Flanke. Für jedes l erfährt das Elektron demnach eine unterschiedliche effektive Anziehungskraft.

  • Wir erwarten nun, dass für die Bewegung entlang des Freiheitsgrades r ebenfalls eine Quantisierung eintritt, d. h., es sind nicht alle Energien erlaubt. Es ist also, analog zum Kastenpotenzial und dem Potenzial des harmonischen Oszillators, zu erwarten, dass diskrete Energiezustände auftreten, wie in Abb. 11.2 durch die gestrichelten Linien angedeutet.

  • Nach den Ausführungen in Abschn. 3.2.1 zu den Spektrallinien des Wasserstoffatoms und dem Bohr’schen Atommodell ist zudem zu erwarten, dass für die Energieniveaus \(E_n \sim \frac{1}{n^2}\) gilt (Gl. 3.17).

Abb. 11.2
figure 2

\(V_\mathrm {eff}(r)\) für a \(l=0\) und b \(l \ge 1\). Eingezeichnet sind die Energien der Quantenzustände, die im Folgenden berechnet werden

Radiale Schrödinger-Gleichung

Mit \(V_\mathrm {eff}(r) \) vereinfacht sich Gl. 11.9 zu:

$$\begin{aligned} \left[ - \frac{\hbar ^2}{2m_e} \left( \frac{\partial ^2}{\partial r^2} + \frac{2}{r}\frac{\partial }{\partial r} \right) + V_\mathrm {eff}(r) \right] R(r) = E R(r). \end{aligned}$$
(11.11)

Die Lösungen dieser Gleichung werden in Abschn. 11.4 diskutiert, in Variante (A) können Sie nun direkt in dieses Kapitel springen.

1.3 Effektive Schrödinger-Gleichung

Gl. 11.11 hat noch komplizierte Ableitungen nach r, man kann die Gleichung nochmals wesentlich vereinfachen, wenn man die Funktion \(u(r) = rR(r)\) verwendet, man erhält (Beweis 11.9 in Anhang. 11.7.2)

$$\begin{aligned} \left[ - \frac{\hbar ^2}{2m_e} \frac{\mathrm {d}^2}{\mathrm {d} r^2} + V_\mathrm {eff}(r) \right] u(r) = E u(r). \end{aligned}$$
(11.12)

Dies sieht nun nach einer einfachen Schrödinger-Gleichung für ein Teilchen aus, welches sich in dem effektiven Potenzial \( V_\mathrm {eff}(r)\) befindet. Diese werden wir jetzt lösen.

2 Ansatz für die Wellenfunktion

Vorgehensweise

Zur Lösung von Gl. 11.12 geht man so ähnlich vor wie beim harmonischen Oszillator: Dort hatten wir zunächst (i) die Lösung für große y betrachtet und (ii) diese dann mit einem Polynom multipliziert. (iii) Hier werden wir zudem die Lösung für kleine r betrachten, der Ansatz für die Wellenfunktion besteht dann aus drei Anteilen, der sich aus diesen Überlegungen ergibt.

Betrachtung der Grenzfälle:

  • \(\boldsymbol{r\rightarrow 0}\): In diesem Fall überwiegt in \(V_\mathrm {eff}\) der Fliehkraftanteil, V(r) und E können vernachlässigt werden, und wir können für Gl. 11.12 schreiben:

    $$ \left[ - \frac{\hbar ^2}{2m_e} \frac{\mathrm {d}^2}{\mathrm {d} r^2} + \frac{ l(l+1)\hbar ^2}{2m_e r^2} \right] u(r) = 0. $$

    Diese Differentialgleichung hat die beiden Lösungen

    $$ u_1(r) \sim r^{l+1} \qquad u_2(r) \sim r^{-l}.$$

    Normierbarkeit: l ist positiv, daher divergiert \(u_2(r)\) für kleine r (wird unendlich), und ist damit nicht normierbar. Deshalb wird \(u_2\) ausgeschlossen, und für kleine r wird \(u_1\) den Verlauf der Wellenfunktion bestimmen.

  • \(\boldsymbol{r\rightarrow \infty }\): Jetzt verschwindet \(V_\mathrm {eff}\) und wir haben:

    $$ \left[ \frac{\hbar ^2}{2m_e} \frac{\mathrm {d}^2}{\mathrm {d} r^2} +E \right] u(r) = 0. $$

    Die Energie E ist negativ, wir betrachten gebundene Zustände in Abb. 11.2, und diese DGL kennen wir schon vom endlichen Potenzialtopf (Abschn. 7.3), sie hat mit der Definition

    $$ k^2 = \frac{2m_e}{\hbar ^2}(-E), \qquad \kappa = \sqrt{2m_e|E|/\hbar } $$

    die beiden Lösungen:

    $$ u_1(r) \sim \mathrm {e}^{-\kappa r} \qquad u_2(r) \sim \mathrm {e}^{+\kappa r}.$$

    \(u_2\) divergiert für große r, ist damit nicht normierbar, und daher kommt nur \(u_1\) in Frage.

  • Für den Bereich ‚dazwischen‘ wird wieder, wie beim harmonischen Oszillator, ein Polynomansatz gemacht,

    $$\begin{aligned} P(r) = \sum _{\nu } a_{\nu } r^{\nu }. \end{aligned}$$
    (11.13)

Ansatz für die Wellenfunktion

Wir haben nun den Verlauf der Funktion für drei Bereiche bestimmt, nun setzen wir das zusammen:

  • Für \(r\rightarrow 0\) ist die Lösung durch \( r^{l+1}\) dominiert, denn es gilt \(\mathrm {e}^{-\kappa r} =1\) und ein Polynom wird in diesem Fall durch den ersten Summanden \(a_0r^0 = a_0\) bestimmt.

  • Für \(r\rightarrow \infty \) wird \(\mathrm {e}^{-\kappa r}\) dominieren, es fällt schneller ab als \( r^{l+1}\) und das Polynom, d. h., für große Abstände wird die Wellenfunktion exponentiell verschwinden.

  • In dem Zwischenbereich, d. h., in dem Bereich, in dem gebundene Zustände im effektiven Potenzial Abb. 11.2 auftreten können, wird die Wellenfunktion durch das Polynom P(r) dominiert sein. Hier werden wir Oszillationen finden, wie z. B. im Potenzialbereich des harmonischen Oszillators.

Wir machen daher den Ansatz:

$$\begin{aligned} u(r) = r^{l+1} P(r) \mathrm {e}^{-\kappa r}. \end{aligned}$$
(11.14)

Als Nächstes werden wir den Ansatz Gl. 11.14 in die Differentialgleichung 11.12 einsetzen, was uns, wie beim harmonischen Oszillator, auf eine Rekursionsformel führt. Diese hat nur Lösungen für bestimmte Polynome P(r) mit diskreten Energien, d. h., man bekommt eine Energiequantisierung, wie in Abb. 11.2 angedeutet.

Radialteil der Wellenfunktion

Die Lösung, d. h., der Radialteil der Wellenfunktion

$$\begin{aligned} R(r) = u(r)/r = r^{l} P(r) \mathrm {e}^{-\kappa r} \end{aligned}$$
(11.15)

und die quantisierten Energien \(E_n\) werden in Abschn. 11.4 diskutiert (Variante (B)). Den qualitativen Verlauf von R(r) kann man aber schon anhand des Ansatzes verstehen:

  • \(l=0\) Hier verschwindet der Drehimpulsanteil, d. h., das Coulomb-Potenzial wird unendlich tief für \(r\rightarrow 0\) (Abb. 11.2a). \(R(r)= P(r) \mathrm {e}^{-\kappa r}\) besteht nur aus dem Polynom und der Exponentialfunktion. Man wird daher exponentiell abfallende Funktionen als Lösung finden, die, je größer \(E_n\) wird, vermehrt Nulldurchgänge aufweisen. Dies sind die 1s, 2s, 3s ... Funktionen, wie in Abb. 11.4 dargestellt. Beachten sie die Analogie zum Kastenpotenzial bzw. harmonischen Oszillator. Die Oszillationen finden im Potenzialbereich statt, in der Barriere finden wir den exponentiellen Verlauf.

  • \(l\ge 1\) Der Drehimpulsanteil führt zu einem starken Anstieg des Potenzials für kleine r. Es entsteht also ebenfalls eine Potenzialbarriere für kleine r, nun haben wir eine analoge Situation wie beim harmonischen Oszillator. Daher wird die Wellenfunktion für \(r\rightarrow 0\) nun ebenfalls verschwinden. Im Potenzialbereich finden wir dann Oszillationen der Wellenfunktion, die durch durch das Polynom P(r) beschrieben werden, in der Barriere verschwindet die Wellenfunktion für \(r\rightarrow \infty \). Ein Beispiel für eine solche Wellenfunktion ist die 3p Wellenfunktion, wie in Abb. 11.4 gezeigt.

3 Lösung der Differentialgleichung

Nun zu den Details der Lösung (Variante C):

  • Zunächst werden atomare Einheiten eingeführt, was die DGL 11.12 vereinfacht.

  • Dann werden die Koeffizienten \(a_{\nu }\) des Polynoms P(r) (Gl. 11.13) bestimmt, man erhält eine Rekursionsformel. Die Reihendarstellung von P(r) divergiert, um Normierbarkeit zu gewährleisten, muss die Reihe abbrechen: Das führt zur Quantisierung der Energie.

  • Die DGL hat die Form der sogenannten zugeordneten Laguerre-Gleichung, deren Lösungen die zugeordneten Laguerre-Polynome sind. Damit hat man die Polynome P(r) explizit dargestellt.

  • Dann wird das Ganze normiert.

3.1 Atomare Einheiten

Nun wollen wir die Differentialgleichung Gl. 11.12 so umformen, dass die Konstanten wegfallen. Das Gleiche haben wir beim harmonischen Oszillator mit der Koordinate \(y=bx\) gemacht.

Hier führen wir die neue Koordinate \(\rho \) ein und drücken damit Abstände in Einheiten des Bohr’schen Radius \(\boldsymbol{\mathrm {a_B}}\) aus (siehe Gl. 3.14),

$$ \rho = Z \frac{r}{\mathrm {a_B}}, \qquad \mathrm {a_B} = \frac{4\pi \epsilon _0 \hbar ^2}{m_e e^2} = 0.529\, \text {\AA } . $$

Dies ist eine sinnvolle Längeneinheit im Atomaren, so ist z. B. der H-H-Bindungsabstand etwa 0.7 Å, d. h., die Ausdehnung des Wasserstoffatoms liegt im Bereich von einem \(\mathrm {a_B}\). Die Energie wird in Einheiten der Rydberg-Energie (siehe Gl. 3.17)

$$ \mathrm {E_R} = \frac{\hbar ^2}{ 2m_e\mathrm {a_B}^2} = 13.6\,\mathrm {eV} $$

angegeben. Wir betrachten gebundene Zustände, d. h., \(E<0\) und \(\mathrm {E_R}\) ist positiv, daher können wir mit der Definition (\(-E\) ist positiv!)

$$\begin{aligned} \epsilon = \frac{1}{Z}\sqrt{\frac{-E}{\mathrm {E_R}}} \end{aligned}$$
(11.16)

die Differentialgleichung 11.12 wie folgt schreiben (Beweis 11.10 in Anhang 11.7.2):

$$\begin{aligned} \left[ \frac{\mathrm {d}^2}{\mathrm {d}\rho ^2} + \frac{2}{\rho } - \frac{l(l+1)}{\rho ^2} -\epsilon ^2 \right] u(\rho ) = 0. \end{aligned}$$
(11.17)

Diese DGL entspricht Gl. 11.12, nun sind die ganzen Konstanten verschwunden, der zweite und dritte Term ist das effektive Potenzial mit Koordinate \(\rho \), und \(\epsilon ^2\) entspricht der Energie E. D. h., als Lösungen werden wir \(\epsilon \) erhalten, und können daraus E einfach mit Gl. 11.16 berechnen. Entsprechend Gl. 11.14 verwenden wir nun den LösungsansatzFootnote 3:

$$\begin{aligned} u(\rho ) = P(\rho ) \rho ^{l+1} \mathrm {e}^{-\epsilon \rho }, \qquad P(\rho ) = \sum _{\nu } a_{\nu } \rho ^{\nu }. \end{aligned}$$
(11.18)

Nun werden wir die \(a_{\nu }\) bestimmen, dann haben wir die Lösung.

3.2 Rekursionsformel: Zugeordnete Laguerre-Polynome

Rekursionsformel

Einsetzen von Gl. 11.18 in Gl. 11.17 führt zu einer DGL für \(P(\rho )\),

$$\begin{aligned} \rho \; \frac{\mathrm {d}^2 P(\rho )}{\mathrm {d}\rho ^2} + \frac{\mathrm {d} P(\rho )}{\mathrm {d}\rho } \left( 2\,l+2 - \epsilon \right) + P(\rho ) [2-\epsilon (2\,l+2)]=0. \end{aligned}$$
(11.19)

Durch Einsetzen des Polynoms

$$\begin{aligned} P(\rho ) = \sum _{\nu } a_{\nu } \rho ^{\nu } \end{aligned}$$
(11.20)

erhält man eine Rekursionsformel für die Koeffizienten (Beweis 11.11 in Anhang 11.7.2),

$$\begin{aligned} a_{\nu +1} = 2\frac{\epsilon (l+\nu +1) -1 }{(\nu +1)(\nu +2\,l+2)}a_{\nu }. \end{aligned}$$
(11.21)

Damit kann man das Polynom im Prinzip explizit berechnen. Die Koeffizienten bilden eine unendliche Reihe, die entsprechende Funktion \(P(\rho )\) wächst exponentiell an, wir finden dasselbe Problem wie beim harmonischen Oszillator: Die Wellenfunktion ist für beliebige Polynome \(P(\rho )\) nicht normierbar. Polynome mit endlich vielen Koeffizienten kann man aber normieren, daher muss man eine Bedingung finden, wie beim harmonischen Oszillator, die zum Abbruch der Reihe führt.

Abbruch der Reihe

Die Reihe bricht ab, wenn der Zähler von Gl. 11.21 verschwindet, d. h., wenn

$$\begin{aligned} \epsilon = \frac{1}{\nu + l +1} = : \frac{1}{n} \end{aligned}$$
(11.22)

gilt. l ist die Quantenzahl des Bahndrehimpulses, es ist eine ganze Zahl. \(\nu \) ist als Grad des Polynoms auch eine ganze Zahl, damit ist die Zahl n, definiert durch \(n := \nu + l +1\) ebenfalls eine ganze Zahl. Gl. 11.22 bedeutet also, dass man normierbare Polynome erhält, wenn die Energie \(\epsilon \) ganz bestimmte Werte annimmt.

Zugeordnete Laguerre-Polynome \(\boldsymbol{P(\rho )}\)

 Praktisch muss man nun nicht die Rekursionsformel Gl. 11.21 lösen, die Polynome Gl. 11.20 sind durch relativ einfache Formeln darstellbar. Dazu wollen wir Gl. 11.19 nun auf die Form der zugeordneten Laguerre-Gleichung bringen. Wir teilen Gl. 11.19 durch \(2 \epsilon \), definieren

$$\begin{aligned} K= 2\,l+1, \qquad x = 2 \epsilon \rho , \qquad N = \frac{1}{\epsilon } - l - 1 = n - l -1, \end{aligned}$$
(11.23)

und erhalten schließlich

$$\begin{aligned} x \; \frac{\mathrm {d} P(x)}{\mathrm {d}x^2} +(K+1-x) \frac{\mathrm {d} P(x)}{\mathrm {d} x} + N P(x) =0. \end{aligned}$$
(11.24)

Dies ist eine bekannte Differentialgleichung, deren Lösungen gut charakterisiert sind. Die Lösungen sind Polynome, zugeordnete Laguerre-Polynome genannt, sie hängen von den Werten N und K ab,

$$ P(x) = L_N^K(x), $$

und sehen so aus:

$$\begin{aligned} L_0^K= & {} 1 \\ L_1^K= & {} -x+K+1 \nonumber \\ L_2^K= & {} \frac{1}{2} x^2 - (K+2)x + \frac{1}{2} (K+1)(K+2) \nonumber \\ L_3^K= & {} ... \nonumber \end{aligned}$$
(11.25)

Wir finden hier wieder, was oben bei den Rekursionsformeln diskutiert wurde: Die Polynome \(L_N^K\) sind durch die Werte von N und K bestimmt, es gibt nur für bestimmte Werte von N und K Polynomlösungen, die mit den Rekursionsformeln oben konsistent sind. K und N sind durch die Definitionen in Gl. 11.23 gegeben, man kann also schreiben:

$$\begin{aligned} L_N^K(x) = L_{n-l-1}^{2\,l+1}(x). \end{aligned}$$
(11.26)

Diese Polynome kann man, wie auch bei den Hermite’schen Polynomen des harmonischen Oszillators, über Rekursionsformeln darstellen,

$$ (N+1) L_{N+1}^K(x) = (2N+1+K-x) L_{N}^K(x) - (N+K)L_{N-1}^K(x). $$

Darstellung der Polynome

Man kann diese Polynome auch explizit darstellen, dazu gibt es folgende Formel:

$$\begin{aligned} L_N^K = \frac{\mathrm {e}^x x^{-K}}{N!}\frac{\mathrm {d}^N}{\mathrm {d}x^N}\left( \mathrm {e}^{-x} x^{N+K} \right) . \end{aligned}$$
(11.27)

Damit hat man also für jedes N und K, bzw. für jedes n und l, das Polynom gegeben, probieren Sie es aus!

3.3 Energiequantisierung

Um Konvergenz zu erzwingen mussten wir die Potenzreihe \(P(\rho )\) abbrechen, wir erhalten als Abbruchbedingung Gl. 11.22. Wenn wir hier die Definition von \(\epsilon \) Gl. 11.16 einsetzen, erhalten wir die Energie \(E_n\):

$$\begin{aligned} \epsilon = \frac{1}{\nu + l +1} = \frac{1}{n} \qquad \rightarrow \qquad E_n = -\frac{Z^2 \mathrm {E_R}}{n^2} \qquad n = 1, 2, 3, ... \end{aligned}$$
(11.28)

Die Energie des Elektrons im Coulomb-Potenzial kann also keine beliebigen Werte annehmen, sie ist quantisiert. Dies resultiert direkt aus der Abbruchbedingung für das Polynom: Für Energien, die nicht den Werten \(E_n\) folgen, kann man keine Wellenfunktionen finden, die normierbar sind. Man erhält keine physikalischen Lösungen.

Quantenzahlen

\(n= \nu + l +1\) setzt sich aus \(\nu \) und l zusammen. Es sind nun also verschiedene Polynome möglich, die sich durch den Grad des Polynoms, wir nennen diesen nun \(\nu _0\), unterscheiden.

  • Hauptquantenzahl \(\boldsymbol{n}\): Tab. 11.1 macht deutlich, dass verschiedene Kombinationen dieser Parameter zu demselben n und damit zur selben Energie \(E_n\) führen.

  • Nebenquantenzahl l: Aus \(n-1 = \nu _0 +l\) sieht man, dass für \(\nu _0 = 0\) die Bedingung \(l = n-1\) gilt, für \(\nu _0 = n-1\) erhält man \(l=0\). Je nach Grad des Polynoms kann l für ein festes n die Werte

    $$ l = 0, ... , n-1 $$

    annehmen. Die Energie \(E_n\) hängt nicht von l ab, ist also für alle l bei festem n gleich.

Die Lösungen erhält man dann wie folgt: Man wählt ein \(\nu _0\) und ein l, dann ist dadurch die Energie \(\epsilon \), bzw. die Energie \(E_n\), eindeutig bestimmt. Mit dieser Wahl der Energie bricht die Reihe nach \(\nu _0\) ab, da der Zähler zu null gesetzt wird,

$$ a_{\nu _0} \ne 0, \qquad a_{\nu _0 +1 } = a_{\nu _0 +2 } = ...= 0, $$

und \(\nu _0\) kann die ganzzahligen Werte \(\nu _0 = 0, 1, 2,3 \qquad ...\) annehmen. Für solche Werte kann man die Wellenfunktion dann normieren. Das Polynom ist durch die Rekursionsformel bestimmt, d. h., man hat einen expliziten Ausdruck für den Ansatz in Gl. 11.18 und damit für die Radialfunktion R(r). Praktisch muss man aber nur für die verschiedenen n und l ein zugeordnetes Laguerre-Polynom Gl. 11.26 auswählen.

Mit der Abbruchbedingung haben wir also von allen mathematisch möglichen Lösungen diejenigen herausgefiltert, die normierbar sind und damit physikalisch interpretierbar. Wir erhalten also eine Quantisierung der Energie, nur solche Lösungen führen zu normierbaren Funktionen, die bestimmte Energiewerte annehmen, für beliebige Energien existieren keine Lösungen. Dies kann man mit dem Fall des Kastenpotenzials oder des harmonischen Oszillators vergleichen. Die Lösungen müssen stehende Wellen sein, als Resultat ist die Energie quantisiert.

Tab. 11.1 Kombination der Quantenzahlen

3.4 Normierung der Wellenfunktion

Nun bauen wir das alles wieder zusammen: Wir hatten den Ansatz Gl. 11.14

$$\begin{aligned} u(\rho ) = P(\rho ) \rho ^{l+1} \mathrm {e}^{-\epsilon \rho }, \end{aligned}$$
(11.29)

wobei nun die Polynome

$$ P(\rho , \nu _0,l) = L_{n-l-1}^{2\,l+1}[x],$$

die zugeordneten Laguerre-Polynome in Gl. 11.26 sind. Die \(L_{n-l-1}^{2l+1}[x]\) sind Funktionen von \(x = 2 \epsilon \rho \) (s. o.), daher schreiben wir:

$$\begin{aligned} u_{n,l}(\rho ) = L_{n-l-1}^{2\,l+1} [ 2 \epsilon \rho ] \rho ^{l+1} \mathrm {e}^{-\epsilon \rho } . \end{aligned}$$
(11.30)

Wir setzen den Radius in atomaren Einheiten \(\rho = Z \frac{r}{\mathrm {a_B}}\) ein, verwenden \(u(r) = r R(r)\) und erhalten mit \(\epsilon = 1/n\) (Gl. 11.19):

$$\begin{aligned} R_{n,l}(r) = D_{n,l} \boldsymbol{L_{n-l-1}^{2\,l+1}}\left[ \frac{2Zr}{\mathrm {a_B}n} \right] \left( \frac{Zr}{\mathrm {a_B}n} \right) ^{l} \mathrm {e}^{-\frac{Zr}{n\mathrm {a_B}}} . \end{aligned}$$
(11.31)

Hier haben wir noch zusätzlich eine Normierungskonstante \(D_{n,l}\) eingeführt, für \(Z=1\), den Fall, den wir unten betrachten wollen, hat diese die Form (ohne Beweis):

$$\begin{aligned} D_{n,l} = \sqrt{\frac{(n-l-1)!}{2n(n+l)!}} \left( \frac{2}{n\mathrm {a_B}}\right) ^{3/2}. \end{aligned}$$
(11.32)

4 Energie und radiale Wellenfunktion

Der Hamilton-Operator für das Coulomb-Problem in kartesischen Koordinaten Gl. 11.3 wurde in Kugelkoordinaten transformiert, was auf die DGL Gl. 11.7 führte. Der Separationsansatz (Gl. 11.8)

$$\Psi (r,\theta ,\phi ) = R(r)Y(\theta ,\phi )$$

führte dann auf eine DGL (Gl. 11.11 ) für R(r), da das Problem für \(Y(\theta ,\phi )\) schon in Kap. 10.2 gelöst wurde.

Im Folgenden wurde daher die radiale Schrödinger-Gleichung Gl. 11.11 gelöst, in der die Drehimpulsquantenzahl l auftritt. Diese tritt deshalb auf, da für jeden Drehimpulszustand l des Elektrons ein anderes effektives Potenzial \( V_\mathrm {eff}(r)\) vorliegt. Die Lösung von Gl. 11.11 führt zu einer Quantisierung der Bewegung in r-Richtung, mit den radialen Wellenfunktionen \(\boldsymbol{R_{nl}(r)}\) und der Hauptquantenzahl \(\boldsymbol{n}\).

Die radialen Wellenfunktionen hängen von den Quantenzahlen n und l ab, die Kugelflächenfunktionen von l und m, insgesamt können wir damit schreiben:Footnote 4

$$\begin{aligned} \Psi _{n,l,m}(r,\theta ,\phi ) = R_{n,l}(r)Y_{l,m}(\theta ,\phi ), \end{aligned}$$
(11.33)

In Abschn. 11.3.3 haben wir gefunden, dass die Hauptquantenzahl n eine natürliche Zahlen sein muß.

$$ n = 1, 2, 3, ... $$

Für die Nebenquantenzahl l gilt

$$\begin{aligned} l = 0, 1, 2, 3 ,... ,n-1. \end{aligned}$$
(11.34)

Die Werte für m, magnetische Quantenzahl genannt, wurden in Kap. 10.2 abgeleitet,

$$\begin{aligned} m =-l, -(l-1), ..., 0, 1 ,... ,(l-1), l. \end{aligned}$$
(11.35)

4.1 Energieeigenwerte

 Die Energie \(E_n\) hängt nur von der Hauptquantenzahl ab (Abschn. 11.3) und wird (Gl. 11.28) bestimmt als

$$\begin{aligned} E_n = -\frac{Z^2 \mathrm {E_R}}{n^2}. \end{aligned}$$
(11.36)

\(E_R=13.61\) eV ist die Rydberg-Konstante, wie in Abschn. 3.2.1 eingeführt. Zwischen der Energie des Grundzustandes mit \(n=1\), \( E_1 = -Z^2 \mathrm {E_R}, \) und dem Kontinuum \(E=0\) liegen unendlich viele Energien, deren Abstand mit wachsendem n kleiner wird. Die Energie ist also für alle Neben- und magnetischen Quantenzahlen gleich, die Energie ist bezüglich l und m entartet. Die Hauptquantenzahl definiert die sogenannte SchaleFootnote 5 und die Drehimpulsquantenzahlen \(\boldsymbol{l = 1, 2, ..., n-1}\) definieren die s-, p-, d-, f-...-Orbitale, wie in Abb. 11.3 skizziert. Diese Zustände entsprechen den Energiezuständen, wie schon in Abb. 11.2 durch die gestrichelten Linien angedeutet. Es gibt also auch in dem unendlich tiefen Potenzial für \(l=0\) eine untere Grenze für die Energie. Der Zusammenhang mit der Unbestimmtheitsrelation wird in Abschn. 12.3.4 diskutiert.

Abb. 11.3
figure 3

Energiespektrum des H-Atoms. Bitte beachten Sie, dass die Energien ein negatives Vorzeichen haben, das Elektron ist im Atom gebunden. \(E_R\) ist die Energie, die aufgewendet werden muss, um ein Elektron aus dem 1s-Orbital zu entfernen (Ionisierungsenergie)

Übergänge zwischen den Energieniveaus erklären die in Abschn. 3.2.1 diskutierten Spektralserien (Lyman, Paschen, Balmer etc.), da sich die Energiedifferenzen berechnen zu:

$$\begin{aligned} \mathrm {h}\nu = E_n -E_m = -Z^2 \mathrm {E_R}\left( \frac{1}{n^2} - \frac{1}{m^2} \right) . \end{aligned}$$
(11.37)

Beachten Sie den Unterschied von \(E_n\) in Abb. 11.3 zum Teilchen im Kasten, wo die Energieabstände für wachsende n größer werden, und für den harmonischen Oszillator, bei dem sie gleich bleiben.

4.2 Radiale Wellenfunktion

In Abschn. 11.3 haben wir die radiale Wellenfunktion

$$\begin{aligned} R_{n,l}(r) = D_{n,l} \left( \frac{2Zr}{n\mathrm {a_B}} \right) ^l L_{n-l-1}^{2\,l+1}\left[ \frac{2Zr}{n\mathrm {a_B}} \right] \mathrm {e}^{-\frac{Zr}{n\mathrm {a_B}}}. \end{aligned}$$
(11.38)

abgeleitet, \(D_{n,l}\) ist die Normierungskonstante. Die Energie \(E_n\) hängt nur von n ab, d. h., die Funktionen \(R_{nl}\) für ein bestimmtes n und verschiedene l sind Eigenfunktionen zur gleichen Energie, siehe Abb. 11.3. Die Funktionen haben drei Beiträge, die von dem Kernabstand r abhängen. Diese drei Beiträge resultieren aus dem Ansatz für die Wellenfunktion (Abschn. 11.2):

  • Der zweite Term auf der rechten Seite \(\sim r^l\) ist der dominierende Term für kleine Kernabstände \(r\rightarrow 0\) (Fliehkraftanteil).

  • Der vierte Term auf der rechten Seite \(\sim e^{-ar}\) beschreibt den exponentiellen Abfall der Wellenfunktion für große Abstände, die Dämpfung der Wellenfunktion in der Barriere. Einen solchen Term haben wir für die anderen Potenziale (endlicher Kasten, harmonischer Oszillator) ebenfalls gefunden.

  • Die Funktionen \( L_{n+l}^{2l+1}[br]\) (\(b = 2Z/n\mathrm {a_B}\)) sind Polynome, Laguerre-Polynome genannt, und beschreiben die Oszillationen der Wellenfunktion im Bindungsbereich des Elektrons. Sie sind oszillierende Funktionen mit \((n-l-1)\) Nullstellen (Knoten) entlang der r-Achse.Footnote 6

Die Polynome sind einfach Potenzreihen \(P(r) = \sum _{\nu =0,_0} a_\nu r^{}\) mit einer endlichen Anzahl von Summanden, im einfachsten Fall ist \(P(r) =1\) für das 1s-Orbital, hier ein paar Beispiele:

$$\begin{aligned} R_{10}(r)= & {} \boldsymbol{2 \left( \frac{Z}{\mathrm {a_B}}\right) ^{3/2}} \mathrm {e}^{-Zr/\mathrm {a_B}}, \end{aligned}$$
(11.39)
$$\begin{aligned} R_{20}(r)= & {} \boldsymbol{2 \left( \frac{Z}{2\mathrm {a_B}}\right) ^{3/2} }\left[ { 1- \frac{Zr}{2\mathrm {a_B}} }\right] \mathrm {e}^{-Zr/2\mathrm {a_B}}, \end{aligned}$$
(11.40)
$$\begin{aligned} R_{21}(r)= & {} \boldsymbol{\frac{1}{\sqrt{3}} \left( \frac{Z}{2\mathrm {a_B}}\right) ^{3/2} } \left( \frac{Zr}{\mathrm {a_B}}\right) \mathrm {e}^{-Zr/2\mathrm {a_B}}, \end{aligned}$$
(11.41)
$$\begin{aligned} R_{30}(r)= & {} \boldsymbol{2\left( \frac{Z}{3\mathrm {a_B}}\right) ^{3/2}} \left[ {1- \frac{2Zr}{3\mathrm {a_B}} + \frac{2(Zr)^2}{27\mathrm {a_B}^2} }\right] \mathrm {e}^{-Zr/3\mathrm {a_B}}, \end{aligned}$$
(11.42)
$$\begin{aligned} R_{31}(r)= & {} \boldsymbol{\frac{4\sqrt{2}}{3} \left( \frac{Z}{3\mathrm {a_B}}\right) ^{3/2} } \left( \frac{Zr}{\mathrm {a_B}} \right) \left[ { 1- \frac{Zr}{6\mathrm {a_B}}} \right] \mathrm {e}^{-Zr/3\mathrm {a_B}}, \end{aligned}$$
(11.43)
$$\begin{aligned} R_{32}(r)= & {} \boldsymbol{\frac{2\sqrt{2}}{27\sqrt{5}} \left( \frac{Z}{3\mathrm {a_B}}\right) ^{3/2} } \left( \frac{Zr}{\mathrm {a_B}}\right) ^2 \mathrm {e}^{-Zr/3\mathrm {a_B}}. \end{aligned}$$
(11.44)

Zur Identifikation der Terme ist die Normierung \(D_{nl}\) fett gedruckt, die [Laguerre-Polynome] durch eckige Klammern gekennzeichnet, der (\(r^l\)) Term ist in runden Klammern eingefasst. Abb. 11.4 zeigt eine grafische Darstellung der Radialteile. Der Verlauf kann schon anhand des Ansatzes für die Wellenfunktion Gl. 11.15 qualitativ diskutiert werden, beachten sie bitte die Diskussion am Ende von Abschn. 11.2.

Abb. 11.4
figure 4

Radialteil der Wellenfunktion \(R_{nl}\) und radiale Aufenthaltswahrscheinlichkeit P(r) (Gl. 11.45) für die 1s-, 2s-, 3s- und 3p-Orbitale. Der Radialteil kann positive und negative Werte annehmen, die radiale Aufenthaltswahrscheinlichkeit nur positive

4.3 Radiale Aufenthaltswahrscheinlichkeit

 Die Wahrscheinlichkeit, das Elektron im Volumenelement \(\mathrm {d}^3r=\mathrm {d}V\) zu finden, ist

$$ |\Psi _{nlm}|^2\mathrm {d}V.$$

Da die Wellenfunktion normiert ist, erhalten wir

$$ \int \int \int |\Psi |^2\mathrm {d}V=1.$$

Das Volumenelement \(\mathrm {d}V =\mathrm {d}x\mathrm {d}y\mathrm {d}z\) lässt sich, wie in Bd. I (Abschn. 16.1) schon verwendet, in Kugelkoordinaten umschreiben:

$$ \mathrm {d}V = \mathrm {d}^3r = r^2 \sin \theta \mathrm {d}r\mathrm {d}\theta \mathrm {d}\phi , $$

und damit ergibt sich:

$$ |\Psi _{nlm}|^2\mathrm {d}V = |R_{nl}|^2 |Y_{lm}|^2 r^2 \sin \theta \mathrm {d}r\mathrm {d}\theta \mathrm {d}\phi .$$

Wollen wir nun die Wahrscheinlichkeit \(P(r)\mathrm {d}r\) wissen, mit der sich das Elektron in einem Intervall \([r,r+\mathrm {d}r]\) vom Kern aufhält (d. h. für beliebige Winkel \(\phi \), \(\theta \)), so müssen wir einfach über die Winkel integrieren:

$$\begin{aligned} P(r) \mathrm {d}r= & {} |R_{nl}|^2r^2 \mathrm {d}r \int \int |Y_{lm}|^2 \sin \theta \mathrm {d}\theta \mathrm {d}\phi \nonumber \\= & {} |R_{nl}|^2r^2 \mathrm {d}r. \end{aligned}$$
(11.45)

Der Winkelanteil integriert sich zu ‚1‘ aufgrund der Orthonormalität der Kugelflächenfunktionen. Dies ist ein wichtiges Ergebnis: Nicht \(|R_{nl}|^2\), sondern \( |R_{nl}|^2r^2\) ergibt die radiale Aufenthaltswahrscheinlichkeit. So hat z. B. \(R_{10}\) ein Maximum am Kernort, die radiale Aufenthaltswahrscheinlichkeit nicht, wie in Abb. 11.4 gezeigt. Bei einer symmetrischen Verteilung (z. B. Gauß-Funktion) ist der mittlere Abstand \(\boldsymbol{\langle r\rangle }\) mit dem Maximum der Aufenthaltswahrscheinlichkeit identisch, bei einer unsymmetrischen aber nicht. Er berechnet sich i. A. zu:

$$\begin{aligned} \langle r\rangle = \int \Psi ^* r \Psi \mathrm {d}^3r = \int r |R_{nl}|^2r^2 \mathrm {d}r = \int |R_{nl}|^2r^3 \mathrm {d}r. \end{aligned}$$
(11.46)

Für das 1s-Orbital erhält man

$$\begin{aligned} \langle r\rangle = \frac{3\mathrm {a_B}}{2Z}, \end{aligned}$$
(11.47)

und allgemein kann man für beliebige n, l zeigen:

$$\begin{aligned} \langle r_{nl}\rangle = n^2 \left[ 1+ \frac{1}{2}\left( 1-\frac{l(l+1)}{n^2} \right) \right] \frac{\mathrm {a_B}}{Z}. \end{aligned}$$
(11.48)

Der wahrscheinlichste Radius errechnet sich aus dem Maximum der radialen Aufenthaltswahrscheinlichkeit, d. h.

$$\begin{aligned} \frac{\mathrm {d}P(r)}{\mathrm {d}r} = 0. \end{aligned}$$
(11.49)

Für das 1s-Orbital ist das \(\frac{\mathrm {a_B}}{Z}\). Beachten Sie, dass wir dieselbe Analyse für die Maxwell-Boltzmann-Verteilungsfunktion durchgeführt haben (Bd. I, Kap. ).

5 Wellenfunktion des Wasserstoffatoms

 Die Gesamtwellenfunktion setzt sich dann aus Radial- und Winkelanteil zusammen:

$$\begin{aligned} \Psi _{nlm}(r,\phi , \theta ) = R_{nl}(r)Y_{lm}(\phi , \theta ). \end{aligned}$$
(11.50)

Die einfachsten \(Y_{lm}\) sind in Gl. 10.40 angegeben, für \(l=0\) sind sie konstant, \(Y_{00} = \frac{1}{\sqrt{4\pi }}\), für \(l=1\) \(\sim \cos \theta \) etc.

Orbitale werden Wellenfunktionen genannt, die sich auf ein Elektron in Atomen und Molekülen beziehen, es sind Einelektronenwellenfunktionen.

Es sind also Funktionen einer Elektronenkoordinate. Das Wasserstoffatom enthält nur ein Elektron, daher sind dessen Wellenfunktionen natürlicherweise Orbitale.

Abb. 11.5
figure 5

Darstellung der Eigenfunktionen des Wasserstoff-Hamilton-Operators. Angegeben sind die Quantenzahlen n, l und m. Für \(n=4\)–6 sind jeweils nur die Orbitale mit \(m=0\) gezeigt

5.1 Grafische Darstellung der Orbitale

Nun ist das Orbital eine Funktion von drei Variablen, wir hatten in Kap. 10 schon das Problem der Darstellung besprochen. Die Funktion \(\Psi _{nlm}(r,\phi , \theta )\) hat also in jedem Punkt des Raumes einen Wert, das kann man nicht ohne Weiteres darstellen.

  • Daher visualisiert die grafische Darstellung in Abb. 11.5 ein Volumen, auf dessen Oberfläche die Aufenthaltswahrscheinlichkeitsdichte \(|\Psi (r,\phi , \theta )|^2\) konstant ist.

  • Für \(l=0\) sind die s-Funktionen durch Schnitte dargestellt. Abb. 11.4 zeigt, dass die s-Funktionen mit dem Abstand r ihr Vorzeichen wechseln: Je größer die Hauptquantenzahl n, desto häufiger passiert dies (Knoten). Dieses Vorzeichen ist in Abb. 11.5 durch die unterschiedliche Einfärbung angezeigt.

  • Für \(l\ge 1\) und \(m=0\) wird für \(n=2,3\) dieses Vorzeichen auch für die p-Funktionen durch unterschiedliche Grautöne dargestellt, bitte beachten Sie, dass für \(n\ge 4\) darauf verzichtet wird.

  • Die \(m\ne 0\)-Funktionen sind komplex (siehe Gl. 10.40), in einer Farbabbildung kodieren die Farben die komplexe Phase \( \mathrm {e}^{\pm \mathrm {i}\phi }\) der Wellenfunktion, das kann in der Abb. 11.5 durch verschiedene Grautöne auf dieser Oberfläche nur angedeutet werden.

Wenn wir die Funktionen in Abb. 11.5 betrachten, so sehen die Funktionen für \(m=0\) vertraut aus. D. h., dies ist die übliche Darstellung von p- und d-Funktionen, also z. B. des p\(_z\)-Orbitals, nicht jedoch die Funktionen für \(m \ne 0\). Dies sind keine p\(_x\)- und p\(_y\)-Orbitale (bzw. entsprechende d-Orbitale). Für \(m \ne 0\) gilt:

  • Die Funktionen sind komplexwertig und daher schlecht darzustellen. Es gilt jedoch für eine komplexe Zahl z (\(\bar{z}\): komplex konjugiert):

    $$ z+\bar{z} = 2 \mathrm {Re}(z),\qquad z-\bar{z} = 2\mathrm {i}\mathrm {Im}(z).$$

    Sowohl \(\mathrm {Re}(z)\) als auch \(\mathrm {Im}(z)\) sind reelle Zahlen. Wir erhalten also aus der Summe und der Differenz von den beiden Funktionen mit \(+m\) und \(-m\) jeweils eine reelle Funktion, die sich dann grafisch darstellen lässt. Wir nehmen daher, am Beispiel der 2p-Orbitale, die Kombinationen

    $$\begin{aligned} \Psi _{2p_x} \!=\! -R_{2,1}\frac{1}{\sqrt{2}}( Y_{2,1} - Y_{2,-1}) \qquad \Psi _{2p_y} \!=\! R_{n,l}\frac{i}{\sqrt{2}}( Y_{2,1} + Y_{2,-1}) . \end{aligned}$$
    (11.51)

    Diese Funktionen sind in Abb. 11.6 dargestellt. Sie sind eine Linearkombination von Lösungen der Schrödinger-Gleichung, welche wiederum Lösungen sind (Kap. 5). Aus der ± Kombination der beiden Donuts in Abb. 11.5 werden die beiden Hanteln in Abb. 11.6, so wie wir die p-Orbitale schon aus anderen Darstellungen kennen.

    Allerdings sind diese Linearkombination nicht mehr die Eigenfunktion von \(L_z\). Man kann zeigen, dass die beiden Linearkombinationen jeweils die Eigenfunktionen von \(L_x\) und \(L_y\) sind. Wir haben nun also, am Beispiel der p-Funktionen, drei Funktionen, die jeweils Eigenfunktionen des entsprechenden Drehimpulsoperators sind.

  • Man kann die Sache auch von einer anderen Seite betrachten. Für \(m \ne 0\) haben die Elektronen einen Drehimpuls, d. h., sie ‚rotieren‘ um den Kern, sie bewegen sich. Damit sind sie keine stehenden Wellen mehr. Wenn wir nun, wie gerade gemacht, zwei Orbitale mit gegenläufigem z-Drehimpuls überlagern, also die Funktionen mit \(m=+1\) und \(m=-1\) kombinieren, erhalten wir den Drehimpuls 0. Dies ergibt die jeweiligen p\(_x\)- und p\(_y\)-Orbitale. Für die d-Orbitale bildet man dann dementsprechend die Linearkombinationen von \(m=+2\) und \(m=-2\).

Abb. 11.6
figure 6

Darstellung der Linearkombinationen der Eigenfunktionen des Wasserstoff-Hamilton-Operators. Hier werden nun nicht mehr die Zustände \(m=0,\pm 1,\pm 2\) gezeigt, sondern die p\(_x\)-, p\(_y\)-, p\(_z\)-Orbitale, für die d-Orbitale entsprechend

5.2 Gemeinsame Eigenfunktionen

Diese Funktionen sind Eigenfunktionen des Hamilton-Operators,

$$\begin{aligned} \hat{H}\Psi _{nlm}(r,\phi , \theta ) = Y_{lm}(\phi , \theta ) \hat{H}R_{nl}(r) = E_n \Psi _{nlm}(r,\phi , \theta ) \end{aligned}$$
(11.52)

des Quadrats des Drehimpulsoperators,

$$\begin{aligned} \hat{L}^2 \Psi _{nlm}(r,\phi , \theta ) = R_{nl}(r) \hat{L}^2 Y_{lm}(\phi , \theta ) = l(l+1) \hbar ^2 \Psi _{nlm}(r,\phi , \theta ) \end{aligned}$$
(11.53)

und Eigenfunktion der z-Komponente des Drehimpulsoperators,

$$\begin{aligned} \hat{L}_z \Psi _{nlm}(r,\phi , \theta ) = R_{nl}(r) \hat{L}_z Y_{lm}(\phi , \theta ) = m_l \hbar \Psi _{nlm}(r,\phi , \theta ). \end{aligned}$$
(11.54)

Dies liegt daran, dass wir die \(Y_{lm}(\phi , \theta )\) verwendet haben, die ja schon Eigenfunktionen von \(L^2\) und \(L_z\) sind. Dies ist jedoch eine willkürliche Wahl. Man könnte genauso gut \(L_y\), \(L_z\) oder eine beliebige Kombination der Drehimpulskomponenten verwenden.

5.3 Anwendung

Atomorbitale spielen eine wichtige Rolle beim Verständnis der chemischen Bindung, das zentrale Konzept der Chemie. Dieses kann am einfachsten Molekül \(H_2^+\) demonstriert werden, sie können Kap. 16 direkt im Anschluss an dieses Kapitel lesen. Wir haben nicht nur die Orbitale des Wasserstoffs berechnet, sondern durch Mitnahme der Kernladungszahl Z haben wir Lösungen für alle wasserstoffähnlichen Atome. Diese werden wir in Kap. 24 bei der Analyse der elektronischen Struktur der Atome nutzen.

6 Zusammenfassung und Fragen

In diesem Kapitel haben wir die Lösungen der Schrödinger-Gleichung

$$ \Psi _{nlm}(r,\phi , \theta ) = R_{nl}(r)Y_{lm}(\phi , \theta ) $$

für ein Elektron in einem Coulomb-Potenzial erhalten.

n wird Hauptquantenzahl, l Nebenquantenzahl, m magnetische Quantenzahl genannt:

$$\begin{aligned} n= & {} 1, 2, 3, ... \end{aligned}$$
(11.55)
$$\begin{aligned} l= & {} 0, 1, 2, 3 ,... ,n-1\end{aligned}$$
(11.56)
$$\begin{aligned} m= & {} -l, -(l-1), ..., 0, 1 ,... ,(l-1), l. \end{aligned}$$
(11.57)

Der Trick der Lösung besteht darin, Koordinaten zu wählen, für die das Problem separierbar ist, d. h., man eine Funktion R(r) erhält, die unabhängig von den Winkeln ist. Daher wurde das Problem in Kugelkoordinaten gelöst.

Die \(Y_{lm}(\phi , \theta )\) sind die Kugelflächenfunktionen, die in Kap. 10 für den starren Rotor erhalten wurden, im Wasserstoffatom kommt noch ein Bewegungsfreiheitsgrad, der Abstand r zum Kern, hinzu. Dieser wird durch die Quantenzahl n beschrieben. Die Lösungen der Schrödinger-Gleichung sind komplexwertig, dargestellt wird daher meist eine Kombination der Lösungen, die reell sind und die bekannten Hantelformen haben.

Die Energie ist quantisiert und hängt nur von der Hauptquantenzahl ab,

$$ E_n \sim - \frac{1}{n^2}, $$

bezüglich der anderen Quantenzahlen ist die Energie entartet. Für \(n=0\) wird das gebundene 1s-Elektron beschrieben, die Energieabstände werden zum Kontinuum hin kleiner.

Die Wellenfunktionen \(R_{nl}(r)\) zeigen einen exponentiellen Abfall der Wellenfunktion für große r und die typische Knotenstruktur im Potenzialbereich, ähnlich der Lösungen für den harmonischen Oszillator. Die radiale Aufenthaltswahrscheinlichkeit ergibt sich als

$$ P(r) \mathrm {d}r = |R|^2 r^2 \mathrm {d}r, $$

unterscheidet sich daher signifikant von R(r). Die s-Orbitale haben Drehimpuls \(l=0\). D. h., man kann die Bewegung der Elektronen nicht als Rotation um den Kern beschreiben.

Fragen

  • Erinnern: (Erläutern/Nennen)

    • Zeichnen Sie die Energiezustände und Wellenfunktionen für den Potenzialtopf, harmonischen Oszillator und des 1/r-Potenzials. Erläutern Sie den Verlauf der Wellenfunktionen.

    • Skizzieren Sie einige der komplexen und realen s-, p- und d-Orbitale.

    • Welche Observablen erhält man als Lösung der Schrödinger-Gleichung? Geben Sie die Ausdrücke für die Energieeigenwerte und Drehimpulseigenwerte an.

    • Zeichnen Sie R(r) und die radiale Aufenthaltswahrscheinlichkeit für 1s, 2s, 3s, erläutern Sie die Unterschiede. Woher kommt die Knotenstruktur der Lösungen?

  • Verstehen: (Erklären)

    • Wie kann man das gemessene Emissionsspektrum des Wasserstoffatoms mit Hilfe der \(E_n\) erklären?

    • Erläutern Sie den Separationsansatz.

    • Erklären Sie, welchen Ansatz man für R(r) macht. Aus welchen Teilen besteht dieser, wie kommt man darauf?

    • Woher kommt die Energiequantisierung?

    • Was sind atomare Einheiten?

7 Anhang

7.1 Motivation des Separationsansatzes

Warum kann man die Funktion \(\Psi (r,\theta ,\phi )\), die von drei Variablen abhängt, mit dem Separationsansatz Gl. 11.8 als Produkt von drei Funktionen schreiben, die jeweils nur von einer Variablen abhängen?

Mit diesem Ansatz wählen wir Koordinaten, die unabhängig voneinander sind, wie z. B. beim 3-dimensionalen Kastenpotenzial. Wenn man die Wellenfunktion quadriert, erhält man die Aufenthaltswahrscheinlichkeit. Bei dem Quadrieren werden die einzelnen Funktionen des Produkts quadriert,

$$ |\Psi (r,\theta ,\phi )|^2 = |R(r)|^2|Y(\theta ,\phi )|^2.$$

D. h., die Aufenthaltswahrscheinlichkeit entlang der Koordinate r ist unabhängig von den Winkeln, die Bewegung entlang der drei Freiheitsgrade sind unabhängig voneinander. Die Wahrscheinlichkeit, ein Teilchen an einem bestimmten Abstand r zu finden, hängt nicht davon ab, welchen Wert die Winkel gerade haben, und umgekehrt. Dies liegt schlicht daran, dass die Koordinaten die Symmetrie des Systems wiedergeben. Die Wahrscheinlichkeit, ein Teilchen an einem Abstand r zu finden, darf nicht davon abhängen, ob man das System in einem Koordinatensystem einfach um die Winkel verdreht.

7.2 Beweise

Beweis 11.8

  • Gl. 11.8 in 11.7 einsetzen

  • und ausnutzen, dass wir das Problem der Rotation schon gelöst haben,

    $$\begin{aligned} \hat{L}^2Y(\theta ,\phi )= l(l+1)\hbar ^2 Y(\theta ,\phi ), \end{aligned}$$
    (11.58)
  • und durch \(Y(\theta ,\phi )\) dividieren

ergibt die Radialgleichung Gl. 11.11.

Beweis 11.9

von Gl. 11.12

Diese erhält man aus Gl. 11.11 wegen

$$ \frac{\mathrm {d}^2 u(r)}{\mathrm {d} r^2} = 2 \frac{\mathrm {d} R(r)}{\mathrm {d} r} + r \frac{\mathrm {d}^2 R(r)}{\mathrm {d} r^2} = r \left( \frac{\mathrm {d}^2 R(r)}{\mathrm {d} r^2} + \frac{2}{r} \frac{\mathrm {d} R(r)}{\mathrm {d} r} \right) , $$

d. h., man hat Gl. 11.11 effektiv mit r multipliziert, um Gl. 11.12 zu erhalten.

Beweis 11.10

Wir definieren

$$ b_1 = \frac{\hbar }{\sqrt{m}}, \qquad b_2 = \frac{e^2}{4 \pi \epsilon _0}. $$

Das wird in Gl. 11.12 eingesetzt,

$$ \left[ - \frac{b_1^2}{2} \frac{\mathrm {d}^2}{\mathrm {d} r^2} + \frac{ b_1^2\,l(l+1)}{2r^2} - b_2 \frac{Z}{r} - E \right] u(r) =0, $$

wir teilen durch \(b_1^2\), multiplizieren die Gleichung mit dem Faktor 2 und definieren \(\mathrm {a_B}= b_1^2/b_2\),

$$ \left[ - \frac{\mathrm {d}^2}{\mathrm {d} r^2} + \frac{ l(l+1)}{r^2} - \frac{2Z}{\mathrm {a_B} r} - \frac{2E}{b_1^2} \right] u(r) =0. $$

Wir definieren die Variable

$$ \rho = Z\frac{r}{\mathrm {a_B}}, $$

und setzen \(r = \rho \mathrm {a_B}/Z\) und \(\mathrm {d}r^2 = \mathrm {d}\rho ^2 (\mathrm {a_B}/Z)^2\) ein,

$$ \left[ - \left( \frac{Z}{\mathrm {a_B}} \right) ^2 \frac{\mathrm {d}^2}{\mathrm {d} \rho ^2} + \left( \frac{Z}{\mathrm {a_B}} \right) ^2 \frac{ l(l+1)}{\rho ^2} - \left( \frac{Z}{\mathrm {a_B}} \right) ^2 \frac{2}{ \rho } - \frac{2E}{b_1^2} \right] u(r) =0. $$

Nun teilen wir durch \(\left( \frac{Z}{\mathrm {a_B}} \right) ^2\), führen die Energie \(\mathrm {E_R} = b_1^2/2\mathrm {a_B}^2\) ein und multiplizieren mit (\(-1\)), um die folgende Gleichung zu erhalten:

$$ \left[ \frac{\mathrm {d}^2}{\mathrm {d} \rho ^2} - \frac{ l(l+1)}{\rho ^2} + \frac{2}{ \rho } + \frac{E}{Z^2\mathrm {E_R}} \right] u(r) =0. $$

Mit

$$ \epsilon = \frac{1}{Z}\sqrt{\frac{-E}{\mathrm {E_R}}} $$

ergibt das Gl. 11.17.

Beweis 11.11

von Gl. 11.21

Wir setzen

$$ P(\rho ) = \sum _{\nu } a_{\nu } \rho ^{\nu }$$

in Gl. 11.19 ein, sortieren das nach Potenzen von \(\rho \) und erhalten eine Reihe, ähnlich wie beim harmonischen Oszillator,

$$\begin{aligned} \sum _{\nu } \left[ a_{\nu +1} (\nu +1) [\nu +2(l+1)] +2 a_{\nu }[1-\epsilon (\nu + l + 1)] \right] \rho ^{\nu -1} =0. \end{aligned}$$
(11.59)

Diese Beziehung wird erfüllt, wenn jeder Summand für sich verschwindet, dies ergibt die obige Rekursionsformel für die Koeffizienten \(a_{\nu }\):

$$ a_{\nu +1} = 2\frac{\epsilon (l+\nu +1) -1 }{(\nu +1)(\nu +2\,l+2)}a_{\nu }. $$