Vor dem Hintergrund einer nahezu inflationären Nutzung des Begriffs „Krise“ erscheint eine eindeutige Kennzeichnung gerade auch des Phänomens der Unternehmenskrise unabdingbar. Unter einer „Krise“ versteht die Wissenschaft im Allgemeinen die drohende Existenzgefährdung eines Individuums (z. B. Medizin und Psychologie), einer Organisation (z. B. Soziologie und Wirtschaftswissenschaften) oder eines Systems (z. B. Ökologie und Systemtheorie). Es ist der Höhepunkt – und oftmals auch der Wendepunkt – einer gefährlichen Konfliktentwicklung in der jeweiligen Analyseeinheit. Es liegt in der Regel eine Funktionsstörung vor, die zu einer Entscheidungssituation drängt, welche einerseits Chancen der Konfliktlösung mit sich bringen kann, andererseits aber auch eine weitere Verschärfung der Situation. Nimmt die Entwicklung einen nachhaltig negativen Verlauf, so führt dies unausweichlich zu einer Katastrophe. Ein solcher Ausgang ist vergleichbar mit dem Schicksal der klassischen Heldenfigur in der antiken Tragödie (vgl. hierzu das tragische Ende von König Ödipus in der Tragödie von Sophokles: als er sich seiner Schuld bewusst wird, sticht er sich die Augen aus). In den jeweiligen Wissenschaftstraditionen haben sich von dieser gemeinsamen Sichtweise aus unterschiedliche Forschungsstränge entwickelt. Quasi wie Scheinwerfer strahlen sie aus ihrer jeweiligen Richtung auf dasselbe Phänomen.

Im vorliegenden Buch wird der Fokus auf die Krise von Banken gerichtet. Diese Anwendung auf eine spezifische Branche sollte aber nicht ausgeführt werden, ohne allgemeine Erkenntnisse aus dem Bereich der Unternehmenskrisen voranzustellen.

3.1 Unternehmenskrisen

Unternehmenskrisen sind existenzbedrohende Phasen, welche im Extremfall die Insolvenz des Unternehmens zur Konsequenz haben – spätestens, wenn Tatbestände der Zahlungsunfähigkeit und/oder der Überschuldung drohen. Es lassen sich in diesem Zusammenhang latente Krisen (das bestandsgefährdende Risiko ist unternehmensintern angelegt) und manifeste Krisen (die Krisensituation ist auch externen Interessenten, z. B. Banken bekannt) unterscheiden. Von Krisenmanagement lässt sich sprechen, wenn durch Professionalisierung und Reflexion im Unternehmen Einheiten entstehen, die den Krisenzustand so schnell wie möglich erfassen (Krisendiagnose) und Maßnahmen ergreifen, welche die Krise abwenden können. Wichtig ist dabei eine hohe Handlungsflexibilität, um von ursprünglichen Plänen schnell und effektiv abweichen zu können. Je früher das Krisenmanagement aktiv werden kann, desto größer sind dessen Erfolgschancen. Genau darin liegt auch die fundamentale Aufgabe der Krisendiagnose: sie muss das Unternehmen permanent daraufhin untersuchen, ob sich erste Hinweise auf bestandsgefährdende Risiken zeigen (vgl., hierzu auch die Anforderungen des KonTraG an ein entsprechendes Risikomanagement).

Witte und Krystek haben sich in den 1980er Jahren stark mit der Etablierung einer Theorie der Unternehmenskrise beschäftigt, um damit das Auftreten, den Verlauf und den finalen Ausgang von Unternehmenskrisen erklären zu können.Footnote 1 Das Auftauchen einer Krise ist nach Meinung dieses Forscherteams verknüpft mit der drohenden Existenzgefährdung eines Unternehmens. Sie liegt in aller Regel dann vor, wenn (strategische) Planung andeutet, dass der Bestand des Unternehmens gefährdet ist. Von einer „latenten“ Ausprägung einer Krise spricht man bereits, wenn das bestandsgefährdende Risiko aus interner Quelle stammt und möglicherweise noch nicht einmal den Organisationsteilnehmern bewusst ist. Die „manifeste“ Ausprägung einer Krise bedeutet hingegen, dass die Gefährdungspotentiale sowohl intern als auch extern – hier v. a. den Banken als Fremdkapitalgebern – bekannt sind. Schließlich wird die Krise beendet, wenn sie sich in der sog. Insolvenz, also der Zahlungsunfähigkeit, auflöst. In Abschn. 3.3. werden wir sehen, dass es in erster Linie darauf ankommt, mögliche Krisenanzeichen wahrzunehmen und deren Bewältigung zeitnah in die Wege zu leiten. In diesem Zusammenhang wird auch klar werden, dass die Wahrnehmungen solcher Signale nicht einheitlich, sondern eher idiosynkratisch erfolgen. Das bedeutet, dass zur Implementierung gemeinsamer Maßnahmen zunächst ein gemeinsames Wahrnehmungsfeld geschaffen werden muss. Dabei ist nicht zwangsläufig anzunehmen, dass sich nur interne und externe Wahrnehmungen konterkarrieren, sondern auch interne und externe in sich selbst. Die Wahrnehmungskomplexität wird dadurch freilich erhöht. Es stellt sich also gleichermaßen die Frage, wie diese Wahrnehmungskomplexität gehandhabt werden kann. Ein möglicher Ansatz besteht wohl darin, ein Spannungsfeld der Begriffe Strategie und Krise aufzumachen und die darin befindlichen Bezüge zu sortieren (vgl. hierzu Abschn. 3.2). Wir werden dabei feststellen, dass sich sowohl die Theorie also auch die Praxis des Krisenmanagements erheblich weiterentwickelt haben. Das pure Erklären von Kausalitäten und isolierten Ansätzen, welches viele Jahre vorherrschte, wurde sukzessive abgelöst und schließlich einem Paradigmawechsel unterzogen. Dies wurde möglich durch eine Vielzahl von empirischen Erkenntnissen aus der Organisationsforschung und völlig veränderten Rahmenbedingungen für die jeweiligen Unternehmen.Footnote 2 Im Ergebnis unterliegt das Krisenmanagement heute dem Postulat der Machbarkeit (Krisenmanagement im Sinne der Mobilisierung operativen HandelnsFootnote 3), einem Postulat des Sinnmodells (Krisenmanagement als regulative LeitideeFootnote 4), einem Postulat von Diskontinuitäten (Formulierung von Neuem) und schließlich einem Postulat der Potenzialorientierung (Krisenmanagement nicht als starrer, sondern als flexibler Mechanismus zum Abwägen von spontan auftretenden Potenzialen).Footnote 5

3.2 Banken im Spannungsfeld von Strategie und Krise

Im Folgenden wird ein Schwerpunkt der Betrachtung auf den Sektor der Geschäftsbanken in Deutschland gelegt. Verschiedene Krisen sind über die Banken seit dem zweiten Weltkrieg hinweggefegt und jedesmal tauchte ex post die Frage auf, ob man mit entsprechenden Strategien rechtzeitig hätte gegensteuern können. Die emergente Frage lautet also, ob es einen Zusammenhang zwischen Strategien und Krisen gibt. Ulrich Cartellieri (* 21. September 1937 in Erfurt), ehemals Vorstandsmitglied der Deutschen Bank, prägte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts den bedrohlichen Ausblick, dass es in naher Zukunft eine Stahlkrise der Banken geben werde. Doch die Banken selbst feierten zu diesen Zeiten ihre goldgeränderten Bilanzen und ließen sich in ihren strategischen Ausrichtungen vom Wort der Krise nicht beirren. Doch zu diesem Zeitpunkt waren durchaus Anzeichen ersichtlich, die langfristige Folgen aufzeigten. So war beispielsweise zu antizipieren, dass der ewige Filialaufbau der Banken nicht weiter anhalten konnte – und dies obwohl zu diesem Zeitpunkt noch keiner die mächtigen Konsequenzen der Digitalisierung ernsthaft vor Augen hatte.

Insgesamt waren in deutschen Banken im Jahre 2020 – trotz verschiedener Personalabbauprogramme – immer noch mehr als eine halbe Million Mitarbeiter beschäftigt. Gegenüber den goldenen Jahren der Banken (1980–2000) ist diese Zahl schon deutlich geringer, sie beeinflußt aber immer noch den deutschen Arbeitsmarkt deutlich.

Um krisenhafte Einflüsse im Bankensektor besser verstehen und einordnen zu können, wollen wir nun das Grundmodell einer deutschen Geschäftsbank anhand der Wertschöpfungskette nach Porter veranschaulichen (vgl. Abb. 3.1).Footnote 6 Nach Porter ist jedes Unternehmen die Summe aller produktorientierten Tätigkeiten. Als Wertschöpfung wird die Differenz zwischen den vom Unternehmen erbrachten Leistungen und den in Anspruch genommenen Vorleistungen definiert. Einen Teil der Wertschöpfungskette bilden die primären Aktivitäten: der Produktentwurf, die Herstellung, den Vertrieb sowie die Auslieferung des Produktes. Hinzu kommen nachgelagert Funktionen des Kundensupports.

Abb. 3.1
figure 1

(Eigene Darstellung in Anlehnung an Porter, M. E., 2014)

Geschäftsbank – ein Grundmodell.

In Analogie könnten die primären Aktivitäten einer Geschäftsbank wie folgt unterteilt werden: Marketing und Produktkonzeption, Kundenakquisition und –betreuung, Kundenberatung, Abwicklung und Backoffice sowie Strategie- und Risikomanagement. Ebenfalls in Anlehnung an Porter können die unterstützendenden Aktivitäten definiert werden: Unternehmensstrategie und -infrastruktur (zentrale Organisationseinheiten), Technologieentwicklung (Digitalisierung einzelner Aktivitäten oder ganzer Abläufe), Human-Resource-Management (unternehmens-weite Personalbetreuung und – entwicklung) mit der Zusatzfunktion der Mobilisierung (Motivation auf kollektiver Basis). Die Wertekette einer spezifischen Geschäftsbank ist dabei eingebettet in ein Netzwerk verschiedener Werteketten von Lieferanten und Abnehmern bzw. Kunden. Wir können feststellen, dass in einer solchen Wertekette bereits zwei Stellen identifizierbar sind, die auf den Begriff der Strategie verweisen: innerhalb der Primäraktivitäten ist dies das kundennächste Segment, die „Strategie und das Risikomanagement“. Demgegenüber ist bei den Sekundär- bzw. Unterstützungsaktivitäten der Begriff in der „Unternehmensstrategie und – infrastruktur“ immanent. Hier begleitet die „Frage nach der richtigen Strategie“ den gesamten Wertschöpfungsprozess und darüber hinaus.

Häufig werden in der Literatur Strategien als mögliche Handlungspfade zu konkreten Unternehmenszielen bezeichnet. Diese Sichtweise erweist sich aber schnell als zu engführend, insbesondere wenn man eine Philosophie des strategischen Managements unterstellt.Footnote 7 So führt Werner Kirsch zum Beispiel einen Bezugsrahmen zur Analyse von Strategien ein, der zwischen einer Außenperspektive und einer Binnenperspektive unterscheidet. Diese steht in einem engen Zusammenhang mit der Erklären- und Verstehen-Kontroverse in den Sozialwissenschaften.

Das Erklären eines sozialen Zusammenhangs kann sich auf die Außenperspektive beschränken. Das Verstehen setzt dagegen die Einnahme einer Binnenperspektive voraus. Die hier vorliegende Sichtweise ist dadurch gekennzeichnet, dass beide Perspektiven als relevant angesehen werden. Hieran knüpft auch die Unterscheidung von strategischen Manövern und Strategien an. Strategische Manöver sind aus der Außenperspektive beobachtbare Verhaltensweisen bzw. Entwicklungsmuster von Unternehmen, wobei offen bleibt ob diese Manöver Ausfluss von hierauf gerichteten Strategien sind. Strategien sind demgegenüber nur aus der Binnenperspektive zu verstehen und zu rekonstruieren.

Abb. 3.2 gibt einen einfachen Bezugsrahmen für die Analyse der Zusammenhänge zwischen (aus der Außenperspektive zu beobachtenden) strategischen Manövern und (aus der Binnen-pserspektive zu rekonstruierenden) Strategien wieder. Auch interne Akteure eines Unternehmens können die methodologische Außenperspektive einnehmen und strategische Manöver ihres Unternehmens beobachten. Schließlich gibt es noch die Ebene der strategischen Konzepte, die über die Wissenschaft in die jeweilige Betrachtungsweise einfließen (können). Hierbei handelt es sich um eine Teilmenge des strategisch relevanten Wissens, welches das Unternehmen im Zuge der Zeit angesammelt haben mag. Im Mittelpunkt der Abbildung steht „Performance“: viele theoretische und empirische Untersuchungen bringen die interessierenden Zusammenhänge mit Fragen des Erfolgs oder Misserfolgs in Verbindung. Hierbei wird zumeist auf relativ klassische, ökonomische Erfolgsmaßstäbe Bezug genommen. Die Möglichkeit, dass im Zuge der Auseinandersetzung mit dem Strategischen in der Unternehmung die jeweilige Erfolgsdefinition selbst zur Disposition steht, wird noch selten beobachtet.

Abb. 3.2
figure 2

(Eigene Darstellung in Anlehnung an Kirsch et al. (2009), S. 235)

Strategische Manöver vs. Strategie.

Dies gilt auch für einen weiteren Zusammenhang, den wir an dieser Stelle untersuchen wollen: den Zusammenhang von Strategie und Krise. Performance könnte dann unter Umständen bedeuten, dass man mit geeigneten Strategien Unternehmenskrisen vermeiden kann.

Wir erreichen damit die zentrale Frage dieses Abschnitts: das Agieren von Unternehmen bzw. Banken im Spannungsfeld von Strategie und Krise. Wir wollen uns einigen ausgewählten Zusammenhängen widmen. In Fortschreibung von Abb. 3.2 zeigt Abb. 3.3 einen äußeren Bezugs-rahmen, der von latenten Krisen, seien diese unternehmensintern oder –extern, geprägt ist. Mögliche Krisen sind hier also als Normalfall anzunehmen. Es ist sicher eine der ersten Aufgaben für das Unternehmen, diesen Normalfall als Realität zu begreifen.

Abb. 3.3
figure 3

(Eigene Darstellung in Anlehnung an Kirsch et al. (2009, S. 231 ff.))

Strategie und Krise.

Performance bekommt dadurch für alle Beteiligten im Unternehmen eine andere Bedeutung: es geht um den Entwurf geeigneter Strategien, mit denen die Krisen antizipiert und bewältigt werden können. Ausgangspunkt ist also die Annahme, dass Krisen der Normalfall einer jeden Unternehmung sind – und zugleich genuiner Topos jeder Strategiearbeit.Footnote 8 Ob implizit oder explizit: Organisationsentwicklung gibt es nicht ohne Krise. Angenommen, Strategiearbeit in Unternehmen will einen Unterschied zugunsten ihrer selbst herbeiführen. Mit ihr soll eine Differenzierung am Markt der Produkte oder Meinungen gelingen und nachhaltige Vorteile oder sogar der Sieg auf einem Geschäftsfeld errungen werden. Immer ist eine Strategie mit hoher Wahrscheinlichkeit vollkommen wirkungslos, wenn sie nicht durch Krisen veranlasst ist oder auf Auslösung einer organisationalen Krise zielt- unabhängig welches Verständnis von Strategie in einer Organisation geteilt wird. Wir halten an dieser Stelle fest: Krise wie Strategie führt zu Differenzierung – unabhängig davon, welche Aktivitäts- oder Passivitätsgrade der Organisation oder welche Kontingenzaspekte dem Ereignis zugeschrieben werden.Footnote 9

Kommen wir also nochmals zu dem Verhältnis von Strategien und strategischen Manövern zurück: es mag immer wieder auch Teilnehmer der Organisation geben, die begnadet an Strategien arbeiten und diese sogar beschließen, aber umgekehrt nicht realisieren, dass diese Strategien gar nicht umgesetzt werden – mithin die strategischen Manöver in eine ganz andere, ja ungewollte, Richtung gehen. Aber auch ein anderer Fall ist möglich: Im Aussenverhältnis beobachtet man bei Unternehmen A ein sehr schlaues strategisches Manöver, um einer latenten Krise zu begegnen (emergente Strategie). Im Innenverhältnis lässt sich jedoch feststellen, dass sich keiner mit einer entsprechenden (intendierten) Strategie beschäftigt hat. In diesem Fall mag sich im entsprechenden Unternehmen ein umfangreiches Wissen zu Krisen und deren Abwehr angesammelt haben – sie liegen quasi systemisch abgespeichert vor. Und so sehen wir im Aussenverhältnis nur das „schlaue“ strategische Manöver, welches aber von ein paar klugen Führungskräften abgekupfert bzw. reproduziert wurde.

Gerade in machtbewussten Unternehmen wie Banken ist die Aussenkommunikation immer auf Erfolg bzw. Performance trainiert. Dies lässt vermuten, dass gerade in der Auseinandersetzung mit Strategie und Krise nicht oft die Realität abgebildet wird, sondern ein binnenperspektivisches Wunschszenario. Oder umgekehrt: das Bild einer bevorstehenden Krise wird unterbewertet bzw. der sich daraus ergebende Veränderungsbedarf wird gescheut. Diese Erkenntnisse stammen zumeist aus der Organisationspsychologie und sind empirisch gut belegt.

Wenn es in Unternehmen operationale Funktionen gibt, welche die Strategie und die Krise im Kern verbinden, welche quasi die Medaille – das Metall zwischen beiden Seiten – selbst sind, dann handelt es sich um Veränderung und um Kommunikation. Strategie wird im Wesentlichen durch kommunikatives Handeln in Gang gesetzt. Organisationale Krisen treffen zuerst als Information ein, ihre substantiellen Wirkungen in der Gesellschaft entfalten sie in der Regel ebenfalls durch Kommunikationsgeschehen, das verstärkend, entschärfend, durch kritische Potenziale latent oder akut werden kann.

Abb. 3.4 symbolisiert den Aufbau einer Unternehmung in Schichten. Hier läßt sich das Thema Kommunikation vergleichsweise gut darstellen: die unterste Ebene sei die sog. „Basisor-ganisation“, die den laufenden Geschäftsbetrieb verkörpert. Darüber liegen, quasi wie Klarsichtfolien, die Ebenen der Führung – das operativen Managements (auch Middle Management) einerseits und das strategischen Managements andererseits. Bekanntlich ist insbesondere das operative Management gefordert, Kommunikation zwischen der Leitung des Unternehmens und der Basisorganisation zu ermöglichen. Dies gilt freilich in beide Richtungen. Umgekehrt wir dem operativen Management oftmals vorgeworfen, wie eine Lehm- bzw. Lähmschicht zu wirken und keine notwendigen Kommunikationsformen zu ermöglichen. An dieser Stelle wird evident, dass Krisen und Strategien im Unternehmen nur gesehen und gehandhabt werden können, wenn es Kommunikationskanäle auf und zwischen allen Ebenen eingerichtet sind und auch verwendet werden. Vereinfacht könnte man horizontaler, vertikaler und lateraler Kommunikation sprechen, die möglichst hierarchiefrei verläuft.

Abb. 3.4
figure 4

(Eigene Darstellung in Anlehnung an Kirsch (2001, S. 197))

Schichtenmodell.

In diesem Verständnis haben die Faktoren Zeit und Entwicklung eine besondere Bedeutung. Strategien entstehen in seltensten Fällen ad hoc, sondern formieren sich erst im Laufe der Zeit (formierte Strategien). Im Anschluss daran müssen sie noch (aus-)formuliert werden (formulierte Strategien), um nach innen und aussen kommunizierbar zu sein. Oftmals helfen dabei ritualisierte Formate (formatierte Strategien).

In derselben Weise lässt sich auch die Genese von Krisen erläutern: weder interne noch externe Krisen entstehen von heute auf morgen. Im Gegenteil – Krisen „schwelen“ gerne vor sich hin, werden von einem zum anderen Male verdrängt und somit in das Stadium „latent“ gebracht. Spätestens jetzt müssten in der Basisorganisation an der entsprechenden Stelle die Glocken läuten. Die Krise wird damit evident gemacht und entwickelt sich im weiteren Zeitverlauf in Richtung „manifest“. Wenn das Krisenfrühwarnsystem bis jetzt nichts erfaßt hat, so muss spätestens jetzt eingespielter Kommunikationsablauf in Gang gesetzt werden. Jetzt müssen alle Kräfte gebündelt werden, um – quasi aus den Schubladen – schnelle Gegenstrategien einzusetzen bzw. zu entwickeln. Das operative Management ist nun in doppelter Verantwortung unterwegs: es regelt die Krisenkommunikation bottom-up und top-down. In dieser Phase steigt der Handlungsdruck permanent an, die Handlungsalternativen werden zunehmend eingeschränkt.

Fragen wir abschließend nach der Verbundenheit der hier dargelegten Schichten. Alleine die Regeln zur Kommunikation legen nahe, dass eine gewisse Nähe der Schichten zueinander hilfreich ist. Umgekehrt wird Kommunikation schwieriger, je größere Distanzen zu überwinden sind. Werner Kirsch spricht in diesem Zusammenhang von drei Relationen der dargestellten Schichten: Adsorption (pure Anlagerung), Absorption (Verschlingung) und Resorption (Verschmelzung).Footnote 10 Im letzten Falle sind die Schichten ggf. so verschmolzen, dass nur die Konfiguration der Basisorganisation zu erkennen ist.

Für die Betrachtung der Bankenbranche haben wir jetzt eine Menge Vorarbeit geleistet. Wir haben ein Sprachspiel entwickelt, mit dem wir den Begriff „Krise“ beschreiben können. Ferner haben wir festgestellt, dass Krisen und Strategien in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen und quasi zwei Seiten einer Medaille sind. Und zuletzt haben wir gefragt, wer denn eigentlich Krisen erkennen kann im Unternehmen und wie dies anschließend zu kommunizieren ist. Aus der eigenen Erfahrung der Autoren wissen wir, dass Banken hierarchisch aufgestellte Unternehmen sind und das operative Management zuweilen völlig überfordert ist, wenn es in seiner „Sandwichposition“ hilflos zwischen den geschilderten Schichten hängt und selbst zur Lähmschicht von Strategie- und Krisenprozessen wird. Allzu schnell verliert das Strategische Management die Geduld und steuert nur noch mit top-down-Maßnahmen – und dies über viel zu weite Strecken, weil Banken aus der Außenperspektive maximal das Stadium der Adsorption ihrer Managementschichten attribuiert werden kann.

3.3 Krisenwahrnehmung und -bewältigung

Wir haben festgestellt, dass Krisen Unternehmen oftmals unerwartet ereilen und massive Auswirkungen bis hin zur Existenzbedrohung entfalten können. Ein professioneller Umgang mit krisenhaften Situationen gehört daher zu den zentralen Anforderungen an eine erfolgreiche Unternehmensführung. Ist die Krise als solche erkannt, müssen kurzfristige und strukturelle Schritte zu deren Bewältigung ergriffen werden, wesentlich sind dabei Rückgriffe auf eine breite Basis der Krisenursachen. Nur so können künftige Krisen vermieden oder zumindest abgeschwächt werden, wenn sie denn darüber hinaus mit präventiven Maßnahmen als Fortsetzung der Krisenbewältigung versehen werden.

Wir haben bereits angedeutet, dass ganz bestimmte Phänomene vorliegen müssen, damit Akteure des Unternehmens eine Krise wahrnehmen bzw. perzipieren. Dies ist in aller Regel dann der Fall, wenn 1) unverhofft ein großer Schaden droht, 2) eine hohe Wahrscheinlichkeit gesehen wird, dass dieser Schaden auch tatsächlich eintritt und 3) ein großer Zeitdruck erlebt wird. Im Folgenden sei dies näher erläutert.

„Perceived value of possible loss“: ob eine Situation als krisenhaft eingestuft wird, hängt stark mit dem Ereignis zusammen, das seine solche Wahrnehmung auslöst. Einige Autoren postulieren, dass solche „triggering events“ im Wesentlichen mit perzipierten Lücken oder Diskrepanzen gleichzusetzen sind. Ein „großer Verlust“ wird dann wahrgenommen, wenn eine Diskrepanz zwischen einem erwarteten Soll-Zustand und dem ermittelten Ist-Zustand auftritt. Allerdings wird nicht jede Abweichung als Problem wahrgenommen, sondern nur eine solche die deutlich jenseits eines akzeptierten Abweichungsniveaus liegt. Handelt es sich darüber hinaus bei dem betreffenden Ziel um ein als besonders wichtig erachtetes, so wird der potenzielle Schaden als gravierend und damit als krisenhaft wahrgenommen.

„Perceived probability of loss“: die Wahrscheinlichkeit, mit der der mögliche Schaden tatsächlich eintritt, bestimmt sich danach, wieviel Vertrauen die Wahrnehmenden in korrekte Ermittlung der Diskrepanz haben, also in das Ausmaß, in dem glaubwürdige Alternativerklärungen für die wahrgenommene Diskrepanz vorhanden sind, und das Ausmaß, in dem Unsicherheit über die Wirksamkeit von möglichen Gegenmaßnahmen eine Rolle spielt.

„Perceived time pressure“: der wahrgenommene Zeitdruck bestimmt sich aus dem wahrgenommen Unterschied zwischen effektiv verfügbarer und zur Problemlösung als benötigt veranschlagter Zeit.

Insgesamt handelt es sich bei dem hier skizzierten Modell um eine sehr rational-bestimmte Perspektive der Krisenwahrnehmung. Inzwischen bezieht die Krisenforschung eine ganze Reihe weiterer verhaltenswissenschaftlicher Erkenntnisse zu Wahrnehmungsverzerrungen und –beeinträchtigungen auf individueller wie auch kollektiver Ebene mit ein – freilich mit der Folge, dass sich die Frage nach der Krisenwahrnehmung nicht mehr so dichotom (Ja/Nein-Entscheidungen) verdichten läßt.

Wir kommen mit der aufgezeigten Argumentation zwangsläufig zu einem in der Betriebswirtschaftslehre neueren und gleichermassen anerkannten Zugang: der „Behavirol Economy“. Die Forschungen auf diesem Gebiet wurden vor allem von den beiden US-Psychologen Daniel Kahnemann und Amos Tversky geleistet. Daniel Kahnemann erhielt im Jahre 2002 den Nobelpreis im Bereich Wirtschaftswissenschaften für das Einführen von Einsichten der psychologischen Forschung in die Wirtschaftswissenschaften, besonders bezüglich Beurteilungen und Entscheidungen bei Unsicherheit.Footnote 11

Ein Großteil der Forschungen von Kahneman/Tversky beschäftigen sich mit der Frage, wie Menschen Problementscheidungen treffen, wenn diese komplex sind und nicht „so einfach“ rational zu lösen sind. Annahme ist dabei, dass der Mensch nur über bestimmte (Problemlösungs-)Ressourcen verfügt und bei Vorliegen von Unsicherheit nicht optimal entscheiden kann. In diesen Fällen bedient sich der Mensch automatisch sogenannter Heuristiken. Eine Heuristik bezeichnet die Fähigkeit, mit begrenztem Wissen und wenig Zeit dennoch zu wahrscheinlichen oder praktikablen Lösungen zu kommen. Gerade im Hinblick auf das Thema Krisen(-früherkennung) könnte man formulieren, dass es sich um ein analytisches Vorgehen handelt, bei dem mit begrenztem Wissen über ein System mit Hilfe von Schlußfolgerungen Aussagen über dieses System getroffen werden. Die damit gefolgerten Aussagen weichen oftmals von der optimalen Problemlösung ab. Durch einen ex post Vergleich mit einer optimalen Problemlösung kann die Güte der Heuristik bestimmt werden.

Fassen wir zusammen: das Wort Heuristik kommt aus dem Griechischen und bedeutet „finden“ bzw. „entdecken“. Es sind also quasi Faustregeln (Algorithmen), die immer dann eingesetzt werden, wenn es entweder unmöglich ist oder zu aufwendig/langsam erscheint, eine wohlfundierte Entscheidung auf der Basis aller vorliegenden Informationen zu treffen. Manche Heuristiken wenden wir intuitiv an: wer einen Ball fangen will, der rechnet nicht die Flugbahn des Balles aus, sondern fixiert das bewegte Objekt und passt die eigene Reaktion so an, dass der Blickwinkel gleich bleibt (Blickheuristik). Die meisten Menschen können das intuitiv, ohne sich jemals bewusst zu machen, wie sie den Ball eigentlich gefangen haben.

Heuristiken können aber auch als Verfahrensweisen nachvollzogen werden, bewußt gemacht und schließlich gezielt eingesetzt werden. Dann sind sie gerade nicht identisch mit Intuition.Footnote 12 Versuch und Irrtum ist z. B. eine bewußt eingesetzte Heuristik, die v. a. genutzt wird, wenn es um Innovationen geht. Auch Produktentwicklungen laufen häufig nach diesem Schema ab. Einfache Regeln zur Beantwortung schwieriger Fragen sind im Alltag der Betriebswirtschaftslehre weit verbreitet. Eine gute Anlagestrategie kommt z. B. mit wenigen solcher Regeln aus: setze nie alles auf eine Karte, kaufe nur Aktien von Dir bekannten Unternehmen. Habe Geduld, kaufe Aktien nie auf Kredit! Dazugehörige Experimente haben herausgefunden, dass Laien, die nach den einfachen Heuristiken verfahren, erfolgreicher sind als Professionelle, die nach komplizierten Modellen verfahren. Nicht immer sind Heuristiken besser als komplexe Entscheidungsmodelle, aber sie sind schneller, weniger aufwendig und häufig gut genug.

Eine einfache Heuristik im Zusammenhang mit der Krisenfrüherkennung wäre z. B. „höre auf die Kassandrarufe in Deinem Unternehmen. Nicht selten gibt es Individualisten in Ihrem Unternehmen, die aufgrund Ihrer Ausbildung oder auch Intuition gleichermaßen Warnsignale empfangen und auch senden können. Sie können einzeln oder auch im Kollektiv auftreten. Nicht immer erheben sie ihre Stimme laut, sondern anfangs bewußt auch leise. Ab einer bestimmten Frequenz und Lautstärke sind sie wahrnehmbar und das müssen wir nutzen, um Aktivitäten gegen eine mögliche Krise zu entfalten.Footnote 13 Bei dieser Gelegenheit sollten wir Kassandrarufe nicht mit „Unkenrufen“ verwechseln. Unken sind eher pessimistisch und destruktiv. Ihre Vorhersagen sind nicht lösungsorientiert.

Sehen wir uns im folgenden einige Heuristiken näher an, welche für die (subjektive) Wahrnehmung von Krisen von Bedeutung sind (Abb. 3.5).

Abb. 3.5
figure 5

(Eigene Darstellung)

Heuristiken – eine Auswahl.

Repräsentativitätsheuristik: Wir alle haben für bestimmte Ereignisse und auch für Personen sogenannte Muster oder auch Idealtypen im Kopf, und schließen dann aus einzelnen Merkmalen auf dieses Muster. Wir ergänzen sozusagen in unserem Kopf(-kino) das Bild, das wir vor Augen haben. Wir übertragen ein oder wenige Merkmale als repräsentativ auf eine bestimmte Grundgesamtheit. Die Einschätzung, dass nur wenige Merkmale repräsentativ sind für einen bestimmten Typus, macht uns quasi blind für andere Informationen, die sich eigentlich auf eine realistische Wahrscheinlichkeitsschätzung auswirken sollen. So mag es beispielsweise vorkommen, dass sich die Führung eines Unternehmens blenden läßt durch die Einführung eines neuen Managementsystems. Dies ist v. a. angeschafft worden, um die Wirtschaftsplanung des Unternehmens zu optimieren. Die angebliche Perfektion dieses Systems, verbunden mit den entstandenen Kosten, vermittelt der Führung ein „sicheres“ Gefühl und vermittelt im Hinblick auf vorliegende oder auch erst hereinbrechende Krisen ein intuitives Verdrängungsgefühl. Umgekehrt kann in einem Unternehmen die Wahrnehmung von Krisen auch durch die Vergangenheit geprägt bzw. verzerrt sein. Beispielsweise dann, wenn sich bestimmte Merkmale wiederholen. Es mag in einem Unternehmen in der Vergangenheit ein Geränkel zwischen den Aktoren auf der zweiten Führungsebene gegeben haben mit dem Ergebnis, dass das Unternehmen in eine heftige Führungskrise gestürzt wurde. Es ist dann wohl naheliegend, dass bei jedem weiteren Führungsproblem im Unternehmen eine Krise gesehen bzw. herbeigeredet wird. Dies kann in dem Unternehmen zu einer gewissen Vorsicht führen oder auch zu einer übertriebenen Hysterie.

Verfügbarkeitsheuristik: Kahneman (2011) definiert die Verfügbarkeitsheuristik als den Prozess der Einschätzung von Häufigkeit anhand der Leichtigkeit, mit der Beispielsfälle erinnert werden. Einschlägige Experimente zeigten, dass man die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses höher einschätzt, wenn man schnell ein Beispiel präsent hat. Das ist a priori keine schlechte Heuristik, da ja etwas häufig Vorkommendes auch schnell präsent ist. Andererseits haben wir etwas vielleicht nur deshalb im Kopf, weil es gerade von den Medien getrieben wird. Es konnte ferner festgestellt werden, dass Ereignisse, die mit starken Emotionen aufgeladen waren, stärker präsent blieben als andere. Wer selbst einen Unfall hatte, überschätzt regelmäßig die Wahrscheinlichkeit von Unfällen. Die beeinflussenden Komponenten sind dabei die Aktualität (sog. Recency-Effekt) und die Anschaulichkeit (sog. Vividness-Effekt). Besonders anfällig sind Unternehmen für die Wahrnehmung und Evaluation von externen Krisen. Als aktuellstes Beispiel kann hier sicherlich die Corona-Krise genannt werden, deren „Vermarktung“ in den Medien zum Zeitpunkt der Auflage dieses Buches sicher immer noch anhält. Es ist zu befürchten, dass durch die übermässige mediale Durchdringung der Gesellschaft auch und insbesondere die Unternehmen von der Krise so erfasst wurden, dass eine realistische Einschätzung der Situation für diese kaum mehr möglich war. Erst später wird man beurteilen können, welche Übertreibungseffekte durch Politik und Medien stimuliert wurden.

Ankerheuristik: In vielen Situationen nehmen wir Schätzungen vor, indem wir bei einem Anfangswert beginnen, den wir solange korrigieren, bis man die endgültige Lösung erhält. Der Anfangswert mag durch die Formulierung des Problems nahegelegt werden oder das Ergebnis einer teilweisen Berechnung sein. Beiden Fällen gemeinsam ist, dass die Korrekturen unzureichend sind. Das heisst, dass verschiedene Ausgangspunkte unterschiedliche Schätzun-en ergeben, die in Richtung der Anfangswerte verzerrt sind. Wir nennen dieses Phänomen Ankereffekt.Footnote 14 Dieser hat einen überaus großen Einfluss, weil die Anpassungen eigentlich immer zu schwach ausfallen. Grundsätzlich läßt sich festhalten: ist der Ankerwert kleiner als der wahre Wert, dann fällt die Schätzung systematisch zu klein aus. Ist der Ankerwert grösser als der wahre Wert, dann fällt die Schätzung systematisch zu hoch aus. Der Ankereffekt bezieht sich nicht nur auf die Schätzung von Wahrscheinlichkeiten. Er entspricht einer allgemeinen Tendenz, nach bestätigenden Informationen zu suchen, welche übereinstimmend sind mit schon vorhandenen Informationen und Überzeugungen (sog. Confirmation-Effekt). In Unternehmen ist es ja durchaus üblich, direkt oder indirekt über Krisen nachzudenken. Gerade dann, wenn man über Krisenprävention nachdenkt, müssen gewisse Werte/Risikobudgets eingestellt werden, die eine (herannahende) Krise ankündigen. Wie soll man z. B. bezüglich des Umsatzes vorgehen: ist die negative Abweichung von 5, 10 oder 20 % die richtige Größe? Möglicherweise bietet es sich an dieser Stelle an, nicht auf den bisherigen Ankerschätzungen zu beharren, sondern die Meinung eines professionellen Dritten einzuholen und dadurch größere Veränderungspotentiale zu erschliessen.

Status-Quo-Heuristik: die zuletzt gemachten Erkenntnisse werden in nicht unerheblichem Maße auch von der menschlichen Tendenz zum Status-Quo getragen. Bestehende Lösungen haben immer einen Bewertungsvorteil gegenüber neuen Lösungen. Die Menschen haben eine generelle Neigung, an ihrer gegenwärtigen Situation nichts zu ändern. Das Verhalten ist teilweise mit dem Unterlassungseffekt identisch, nämlich dann, wenn durch Nichtstun der Status-Quo beibehalten wird. So treffen diese Menschen quasi gar keine Entscheidung – unter Inkaufnahme, dass alles beim Alten bleibt. Untersuchungen legen nahe, dass dieses Verhalten auch mit dem sog. Besitztumseffekt, der Verlustaversion und der Scheu vor Unsicherheit zu tun haben. Man schätzt das, was man hat und kennt, besonders hoch. Die Gefahr eines Fehlers oder Verlustes wird höher geschätzt, wenn man etwas verändert. Das dürfte wohl auch Begründung des Managements in einem Unternehmen sein, welches von einer bedeutsamen Krise noch nie heimgesucht wurde. Hier wird leicht die Meinung bestehen, alles beim alten zu belassen und für Krisen keine Rückstellungen zu bilden, geschweige denn das Managementverhalten zu ändern. Auch in diesem Falle ist die vorübergehende Inanspruchnahme eines Beratungsunternehmens sinnvoll, um die verkrusteten Strukturen aufzubrechen. Zu der hier aufgezeigten Tendenz, das einmal gewählte beizubehalten, passt auch die Bestätigungstendenz (sog. Confirmation-Bias). Man legt sich auf eine bestimmte Meinung fest, und nimmt im Umfeld nur noch Informationen wahr, die die eigene Meinung bestätigen. Man sucht nach Informationen am liebsten in Quellen, welche die eigene Meinung widerspiegeln und sucht auch lieber Kontakt mit Personen, die die eigene Meinung bestätigen (selektive Wahrnehmung).

Framing: hierbei handelt es sich um einen bewusst genutzten Präsentationseffekt, der bei den handelnden Entscheidungsträgern eine Wahrnehmungsverzerrung hervorruft. Das bedeutet: die objektiv gleiche Information wird nur unterschiedlich präsentiert mit erheblichen Auswirkungen auf die Entscheidung. Das widerspricht allerdings den Rationalitätsanforderungen der normativen Theorie und lädt zu Manipulationen ein. So macht es wohl einen deutlichen Unterschied, in welchen Kontext eine Krise gestellt wird. Verkündet der CEO eines Unternehmens, man schlittere mit Sicherheit in eine Krise, wie sie im Zusammenhang mit der letzten Finanzkrise (2008) über das Unternehmen hineingebrochen sei, hat dies einen völlig anderen Charakter als der Hinweis darauf, dass die aktuelle Krise zwar schwerwiegend sei, das Unternehmen aber ausreichend finanziellen Spielraum habe, um diese mit hoher Wahrscheinlichkeit zu überstehen. Die unterschiedlichen Reaktionen der Mitarbeiter im Unternehmen können wiederum mit dem bereits dargestellten Ankereffekt in Verbindung gebracht werden. Die Begriffe „mit Sicherheit“ und „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ werden hier als Anker genutzt, um die Einschätzung der Situation zu steuern. Wissenschaftler berichten in diesem Zusammenhang, dass sich selbst Experten manipulieren bzw. täuschen lassen.

Overconfidence: es ist hinlänglich bekannt, dass Menschen viele Fehler machen bei ihren Schätzungen, Urteilen und Entscheidungen. Dennoch haben sie im Allgemeinen eine sehr hohe Meinung von ihren eigenen Fähigkeiten. Sie sind nicht nur blind, sondern oftmals auch noch noch dafür blind, dass sie blind sind. Diese Menschen verlassen sich auf ihre Urteile obwohl sie wenig fundiert sind. Sie haben ein positives Selbstbild von ihrem Können und halten sich gerne für besser als andere. Die Selbstüberschätzung gilt als eine der wichtigsten menschlichen Schwächen, weil sie den Blick auf alle anderen Fehler verstellt. Die Tendenz, sich selbst eine überdurchschnittliche Leistung(-sfähigkeit) zuzuschreiben, ist als „Above-Average-Effekt“ bekannt. Werden Unternehmen neu gegründet, so schätzen beispielsweise die Gründer ihre Erfolgsaussichten deutlich höher ein, als es die harten Zahlen der Insolvenzstatistiken nahelegen. Bezogen auf eine erste Krise im Unternehmen ist es natürlich wenig hilfreich, wenn die betreffenden Führungskräfte die Gefahr abwiegeln, weil sie doch bislang alle Schwierigkeiten mit Bravour bewältigt haben (Abb. 3.6).

Abb. 3.6
figure 6

Verlust von Kontrollgefühl. (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Nitzsch, Entscheidungslehre: Wie Menschen entscheiden und wie sie entscheiden sollten, 2019, S. 94–97)

Diese Art von Selbstüberschätzung würde sich im Ernstfall wohl zu einem kollektiven Phänomen verdichten, welches eine hohe Chance des Scheiterns impliziert. Denn je länger und stärker eine Krise andauern würde, desto mehr negative Erfahrungen würde das Management machen und dabei sukzessive sein Kontrollgefühl verlieren. Zunächst würden noch selbstwertdienliche Attributionen herbeigezogen („der Misserfolg war einfach nur Pech“) und Verdrängungsmechanismen in Gang gesetzt („das hatte ich so nicht sehen können“), aber dann kommt es sehr plötzlich und rasant zu dem prognostizierbaren Kontrollverlust. Wenn zu diesem Zeitpunkt kein „Copilot“ das Steuer übernehmen kann, stürzt das Unternehmen abrupt in eine deutlich schwerere Krise als sie ursprünglich zu bewältigen gewesen wäre.

In das thematische Umfeld der Overconfidence gehört auch die sog. „Kompetenzillusion“. Sie beschreibt die Eigenschaft von Menschen, ihre Erfolge lieber ihrem Können und Geschick zuzuschreiben als dem Glück. Ganz allgemein suchen sie Ursachen für Erfolge oder Misserfolge lieber bei Personen als bei situativen Faktoren. Dies führt letztlich zu einer Suche nach Rezepten für erfolgreiches Handeln. Empirische Untersuchungen zeigen allerdings, dass die vielen Selbstattributionen von Erfolg nicht immer auf die Handlungen der Personen zurückzuführen sind, sondern eben doch auch auf Glück und Pech. Ist eine Unternehmenskrise überstanden, werden sich wohl immer viele melden, die den Anspruch geltend machen, das „Ungeheuer“ besiegt zu haben. Zu wenig Zeit und Geduld wird darauf verwendet, ex post tatsächlich zu analysieren, durch welche strategischen Maßnahmen und welche klugen Ideen die Krise erfolgreich bekämpft werden konnte. In diesem Zuge würde dann auch evident, welche Personen daran beteiligt waren und wie man deren Aktivitäten nutzen kann, um einen ex-ante Plan zu entwickeln für zukünftige Krisen.

Herding: Menschen lassen sich bezüglich ihrer Ziele, Wahrnehmungen und Entscheidungen permanent von ihren Mitmenschen beeinflussen. Es ist in vielen Experimenten nachgewiesen worden, dass wir die Meinung einer Gruppe oder auch eines überzeugend auftretenden Meinungsführers ziemlich schnell und unkritisch übernehmen – wir folgen also der Herde. „Machen was die Mehrheit macht“ ist eine geläufige Heuristik, die so herrlich einfach ist, weil man nicht einmal das Für und Wider erwägen muss.Footnote 15 Wir müssen begreifen, dass unser Entscheidungsverhalten sehr stark verflochten ist mit den Handlungen anderer Menschen. Entscheidungen sind viel mehr ein Interaktionsphänomen als es die ökonomische Theorie proklamiert. Entscheidungen finden also immer in einem sozialen Kontext statt. Stellen wir uns vor, in einer mittelständischen Privatbank stirbt überraschend der Patriarch und Unternehmenslenker. Eine Nachfolgekrise ist vorprogrammiert, weil die beiden Söhne nicht unterschiedlicher sein könnten: der eine extrovertiert und leicht verschwenderisch, der andere eher introvertiert und sparsam. Im Testament hinterläßt der Vater die Weisung, dass seine Söhne die Bank gemeinsam weiterführen sollen. Bislang waren alle Mitarbeiter auf den Patriarchen zentriert und haben ihm „gedient“. Nun sollen es die oftmals zerstrittenen Brüder richten. In zunehmendem Maße läuft die Situation auf einen Machtkampf zu und die ersten Mitarbeiter positionieren sich für den extrovertierten Bruder: „Nur mit ihm können wir die Zukunft der Bank stemmen.“ Weitere Meinungsführer des Hauses laufen über – eine Herdenbewegung setzt sich in Gang. Nach qualvollen zwei Jahren der internen Krise gibt sich der introvertierte Bruder geschlagen und scheidet aus der Bank aus. So wurde aus dem Wunsch des Vaters ein Fiasko für das Unternehmen, welches es beinahe nicht überlebt hätte.

Sunk Costs: In der präskriptiven Entscheidungstheorie handeln Menschen nur nach den zukünftigen Auswirkungen der Alternativen. Ausschließlich diese Ergebnisse sind noch durch die Wahl zu beeinflussen, und nur diese Ergebnisse sind deshalb entscheidungsrelevant. Bereits getätigte Ausgaben sind dagegen „versunken“ und nicht mehr zurückzuholen. Eigentlich dürfen sie keine Rolle spielen bei der Entscheidung, sie sind irrelevant. Tatsächlich beobachtet man aber oft, dass Menschen sehr wohl in ihre Entscheidungen einfließen lassen, was sie bisher schon in eine bestimmte Alternative investiert haben. Das Verhalten kann gravierende Folgen haben: sehr häufig werden Projekte nicht rechtzeitig abgebrochen obwohl sich bereits ein Misserfolg abzeichnet, v. a. deshalb, weil man schon so viel investiert hat. Nicht selten führt das sogar zu einer Steigerung der bisher getätigten Investition(en). Dies lässt sich auch bei den sog. Investmentbanken nachvollziehen, die nicht selten auch „die Spielcasinos“ der Banken genannt werden. Hier werden Marktwetten auf das eigene Buch (keine Kundengelder) genommen und spekulativ gehandelt. Zumeist spielen dabei Derivate eine Rolle, um die eingesetzten Beträge zu hebeln. Im positiven Falle erwirtschaften diese Investmentbanker einen ordentlichen Ergebnisbeitrag. Das wird in den Banken hoch belohnt. Statistisch gibt es aber immer auch negative Fälle, wo Verluste erwirtschaftet werden. Unter dem Aspekt von Sunk Costs müssten hier entsprechende Investitionen abgebrochen werden. Der entsprechende Erfolgsdruck führt aber dazu, dass weitergehandelt wird und sich der Verlust vergrößert. Man nennt dieses Handeln: „gutes Geld schlechtem hinterherwerfen.“ Insbesondere in Deutschland wurde in den letzten Jahren das Investmentbanking aus Risikoüberlegungen heraus stark dezimiert. Kaum eine deutsche Bank hat heute noch ein entsprechendes Spielcasino. In Europa gibt es noch einige, in den USA die meisten.

3.4 Systemrelevanz und Banken

Als systemrelevant werden Unternehmen, v. a. aus der Finanzbranche, bezeichnet, die eine derart bedeutende volkswirtschaftliche oder gesellschaftspolitische Rolle in einem Staat spielen, dass ihre Insolvenz oder ihre Systemrisiken auf jeden Fall vermieden werden müssen. In diesem Zusammenhang ist auch das Schlagwort „too big to fail“ entstanden, welches seinen Ursprung in den USA hat. In New York wurde im August 1914 erstmals eine staatliche Rettungsaktion durchgeführt, die mit der Schließung der New York Stock Exchange begann. Die Wiedereröffnung erfolgte erst im Dezember 1914. In der Zwischenzeit klärte das US-Finanzministerium die allzu hohe Verschuldung der Stadt New York in britischen Pfund.

Eine Ausnahme kennen wir aus jüngerer Vergangenheit: im Rahmen der Finanzkrise in den Jahren 2007 und folgende wurde die Insolvenz von Lehman-Brothers in Kauf genommen. Erst als die Finanzdienstleistungsunternehmen Fannie Mae und Freddie Mac zu wackeln begannen, wurden sie im Rahmen eines „bailout“ gerettet. Seit dieser Zeit hat sich auch in Deutschland ein entsprechendes Vokabular etabliert: systemrelevant, systemtragend oder auch systemisch. Was systemrelevant konkret bedeutet, ist in Deutschland aufsichtsrechtlich durch die Deutsche Bundesbank definiert. Systemrelevant sind danach Institute, deren Bestandsgefährdung aufgrund ihrer Größe, der Intensität ihrer Interbankenbeziehungen und ihrer engen Verflechtung mit dem Ausland äußerst negative Folgeeffekte bei anderen Instituten auslösen und schließlich zu einer Instabilität des gesamten Finanzsystems führen können. Die Einstufung als systemrelevantes Institut erfolgt einvernehmlich zwischen der Deutschen Bundesbank und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Es ist verständlich, dass bei zunehmender Größe der betreffenden Institute die Wirkungen auf andere Wirtschaftssubjekte größer werden. In diesen Fällen wird es mit erhöhter Wahrscheinlichkeit zu Rettungsaktionen durch Gläubiger, Wettbewerber und v. a. den Staat kommen, um die möglichen Auswirkungen zu vermindern bzw. zu beseitigen.

Nach dieser kurzen Einführung muss uns allen klar sein, dass Banken und Krisen in einem ganz besonderen Verhältnis stehen. Anders als bei „normalen“ Unternehmen sind Krisen hier nämlich ansteckend. Erinnern wir uns an die Finanzkrise, als im Interbankenmarkt kein Institut mehr bereit war, einen Overnight-Kredit zu gewähren. Bankenkrisen bekommen sehr schnell etwas mit Angst vor der potenziellen Ansteckung zu tun. Die Reaktionsweisen führen aber zumeist zu einem „Dominoeffekt“, d. h. zu einer Verstärkung der Krise. Aus einer Institutskrise wird schnell eine Branchenkrise. Das haben wir auch erlebt, als in dem Zeitraum von 2012 bis 2013 südeuropäische Banken beinahe den Euro zerbrochen hätten. Viele deutsche Banken hatten italienische und griechische Anleihen in den Büchern und waren dadurch ebenso von der Krise erfasst worden. Hier wurde aus einer Branchenkrise sozusagen auch eine europäische Währungskrise. Im Rückblick hat man daraus lernen können, dass (systemrelevante) Banken eine stärkere Eigenkapitalquote brauchen, um derartige Krisen zu überstehen.

Nicht alle Bankenkrisen haben derartige Dimensionen und sind nicht aus dem Unternehmensumfeld induziert. Vielmehr sind wohl die meisten Krisen interner Natur. Betrachtet man den Zeitraum zwischen der Aussage von Ulrich Cartillieri zur Stahlkrise der Banken bis zum heutigen Tag, fällt auf, dass einige Banken tatsächlich verschwunden sind. In den 90er Jahren hatten wir drei Großbanken (Deutsche Bank, Dresdner Bank, Commerzbank) und zwei Regionalbanken (Bayerische Vereinsbank, Bayerische Hypotheken- und Wechsel Bank). Ferner hatten wir eine respektable Anzahl von Landesbanken. International haben wir heutzutage nur noch die Deutsche Bank im Rennen, wenn auch mit verkleinertem Geschäftsumfang. Die Dresdner Bank wurde von der Allianz in die Commerzbank integriert. Das Institut kann inzwischen aber nur noch als nationaler Player gewertet werden. Die Fusion der bayerischen Banken hielt nicht lange stand, es folgte der Verkauf an die Unicredit-Gruppe. Das Institut firmiert in Deutschland seitdem als HypoVereinsbank und sieht sich wohl am ehesten als Regionalbank. Auf dieser Ebene konkurriert sie mit den sich munter fusionierenden Sparkassen und Volksbanken, die durch ihre jeweiligen Spitzeninstitute versorgt werden. Die verbliebenen Landesbanken spielen dabei keine wesentliche Rolle mehr. Vielmehr sind es die Produktschmieden Deka-Bank für die Sparkassen und Union für die Volksbanken.

In Anbetracht dieser kurzen Skizze ist anzunehmen, dass die anfängliche These richtig ist, die den Banken eine Dauerbeschäftigung mit Krise und Strategie unterstellt. Ist z. B. das Filialsterben der Banken ein Krisenzustand oder ist er strategisch intendiert? Ist das Thema Digitalisierung der Banken eine angesteuerte Strategie oder hetzt man nur im Krisenmodus der vorgegebenen Entwicklung hinterher? Was bedeuten in diesem Zusammenhang die genannten Fusionen? Waren es strategische Antworten auf das in Deutschland diagnostizierte Phänomen „overbanking“ oder war es die Angst vor einer neuen Krise? Und schließlich die Frage nach der Deinternationalisierung. Konnte man sich der internationalen Konkurrenz nicht widersetzen oder ist man freiwillig eingeknickt, weil es schon wieder einer Krisenbewältigung oder einer eigenen (Internationalisierungs-)Strategie bedurft hätte?

Cartillieri hat sich seinerzeit nur mit dem Zeitpunkt bzw. -raum getäuscht, aber inhaltlich hat er Recht behalten: die Stahlkrise der Banken ist über Deutschland hereingebrochen. Doch offensichtlich gab es zu wenig Strategen, die Rat gewusst hätten, den Krisen zu begegnen. Es ist zu vermuten, dass einige der hier behandelten Heuristiken im Weg standen. Rationale Vorgehensweisen hätte es sicher geben können, doch die Branche ist einfach zu gemütlich geworden. Veränderungen gehen zu langsam und das Arbeiten entlang von Referenzinstituten ist offensichtlich nicht gewollt. Wie leicht wäre es, in Europa oder auch den USA Benchmarkunternehmen zu finden und sich an deren Erfolg zu orientieren. Stattdessen gefallen wir uns in dem zurückgeschnittenen Anzug der nationalen und regionalen Anbieter.

„Es ist Krise – und keiner geht hin“ – das ist eine zurückhaltende Beschreibung dessen, was wir in den letzten Jahren im Rahmen der Stahlkrise erleben konnten. Es bleibt die Hoffnung, dass die Hybris so mancher Vorstände, die Angst vor Krisen und die Erstarrung in der Gegenwart der Einsicht weicht, dass es einen kompetitiven Markt gibt und Krisen der Normalzustand sind.

3.5 Krisen und Profitabilität

Im weiteren Verlauf der vorliegenden Monographie wird nun untersucht, inwieweit die Banken durch bedeutsame Krisen im Sinne von Profitabilität gelitten haben. Seit der Finanz- und der Eurokrise haben alle Institutsgruppen Mühe, ihre Profitabilität aufrecht zu erhalten. Die Banken kämpfen seitdem mit rückläufigen Zinsüberschüssen und nahezu stagnierenden Provisionsüberschüssen. Am deutlichsten war dieser Effekt bei den Sparkassen und Genossenschaftsbanken ersichtlich. Im Immobilienbereich kam es flächendeckend zu Abschreibungsbedarf, der alle Banken stark belastete. Zu erwähnen bleibt, dass es die Commerzbank war, die ohne Hilfe des Staates nicht überlebt hätte. Die Wucht der Finanzkrise hatte das Institut so stark getroffen, dass der deutsche Staat mit einem Hilfspaket von 16,4 Mrd. Euro zu Hilfe eilen musste. Bis heute ist das Institut damit beschäftigt, die Eigenkapitalquote zu ordnen und sich sicher zu machen vor einer etwaigen nächsten Krise.

Noch machen Banken Gewinne, aber sie werden tendenziell schwächer und so muss sich auch der Anleger mit kleineren oder gar keinen Dividenden zufrieden geben. Im Gegenzug haben die Vorstände ihre Gehälter wieder nach oben geschraubt und auch die sog. „Bonis“ werden im bekannten Stile wieder an scheinbar erfolgreiche Mitarbeiter ausgezahlt. Insofern ist es kein Wunder, dass die Shareholder unzufriedener werden und auf den jeweiligen Hauptversammlungen ihren Unmut ausdrücken. Hatte nicht „Joe“ Ackermann den Anlegern der Deutschen Bank eine 25 % Rendite versprochen? Diese Latte war sicher zu hoch gesetzt, aber mit der aktuellen Situation ist sicher auch kein Anleger glücklich. Kommt also die nächste Krise von der Shareholderseite? Oder ist es die Kundenseite: immer mehr Verbraucher nutzen Onlinebanken und auch die Firmenkunden entdecken die mögliche Interaktion mit Plattformen. Welche Strategien stecken hierfür in den Schubladen? Wie positioniert man sich in einem Markt, der von Verdrängung geprägt ist? Freilich setzen dabei alle auf das bisher geltende Phlegma der Deutschen. Doch das ist gefährlich, denn die Technik 4.0 bringt die Bevölkerung sukzessive auf Trab, ganz unabhängig vom Alter.

Blicken wir nach vorne und informieren uns in den folgenden Kapiteln über den detaillierten Zusammenhang von Bankenkrisen und Profitabilität.