Fragen an Anna Bachmann

Caro vor dem Spiegel
"Sie fühlt sich mitschuldig daran, wie sie behandelt wird und dass sie schließlich auf dem Strich landet." | Bild: WDR

War dir vor dem Dreh zu "Ich gehöre ihm" bewusst, dass es ein solches Phänomen gibt? Konntest du mit dem Begriff "Loverboy" vor dem Dreh etwas anfangen?

Ich habe den Begriff "Loverboy" vor dem Dreh schon einmal gehört und wusste was er bedeutet. Allerdings war mir sehr wenig darüber bekannt und in der Schule wurde das Thema leider auch nicht behandelt.

Wie ging es dir, als du das Drehbuch gelesen hast?

Zunächst war ich ziemlich schockiert über die Gewalt und über die Tatsache, dass Caro immer wieder zu Cem zurückkehrt. Natürlich hatte ich sehr viel Respekt vor der Rolle. Aber beim Casting fühlte ich mich gleich gut aufgehoben. Während des Drehs war das Team sehr sensibel und umsorgend, sodass ich mich am Set sicher fühlen konnte.

Wie hast du dich auf die schwierige Rolle vorbereitet?

Wir hatten das Glück, mit einer Betroffenen in direktem Kontakt zu stehen und mit ihr habe ich sehr offen über alles sprechen können. Ich habe recherchiert und mich intensiv mit dem Drehbuch auseinandergesetzt, um Caros Entscheidungen nachvollziehen zu können.

Haben dich die Dreharbeiten und das Thema auch nach Feierabend beschäftigt oder konntest du das gut abschütteln?

Da ich genau wusste – all das, was ich spiele und in einem gut geschützten Raum erlebe, erfahren die Mädchen in Wirklichkeit – war es schwer, das Thema nicht mit nach Hause zu nehmen.

Caro vertraut sich ihren Eltern nicht an, zieht sich in sich zurück und isoliert sich so immer mehr von ihrem "normalen" Leben. Wie erklärst du dir ein solches Verhalten?

Ihre Scham ist viel zu groß, der Schmerz viel zu stark sich ihrer Familie, ihrem "normalen" Umfeld öffnen zu können. Sie fühlt sich mitschuldig daran, wie sie behandelt wird und dass sie schließlich auf dem Strich landet. Also zieht sie sich in sich selbst zurück. Ihre Realität verschwimmt und verschiebt sich, um das tägliche Leid ertragen zu können.

Es gibt einige Szenen im Film, die dem Zuschauer lange Zeit nicht mehr aus dem Kopf gehen. Was war für dich die schwierigste Szene?

Ich kann das gar nicht so genau sagen. Relativ schwierig aber war die Szene, in der Caro ihren ersten Freier empfängt und ihm einfach nur gegenüber steht. Er zieht sich aus, spricht zu ihr wie zu einem Kind, kommt langsam auf sie zu und sagt: "Hast du ihn schon mal in den Mund genommen?". Caro weicht zurück bis sie an der Wand nicht mehr weiter kann. Dies ist ihr erster Schritt in die Prostitution.

Kannst du die emotionale Abhängigkeit, in die Caro gerät, irgendwie nachvollziehen?

Ich kann ihre Abhängigkeit nachvollziehen. Caro wird durch den Loverboy in das Wechselspiel von Scham, Liebe und Gewalt hineingezogen. Sie verbringt viel Zeit mit Cem und verliebt sich. Direkt nachdem sie das erste Mal mit ihm schläft, wird sie von seinen Freunden vergewaltigt. Cem isoliert sie langsam aber sicher von ihrem Umfeld. Der gesamte Prozess ist schleichend und Caro hat keinerlei Wissen über Loverboys und deren Masche. Ehe sie sich versieht, ist sie bereits abhängig von ihm. Er ist der Einzige, der sie versteht und dem sie noch alles erzählen kann. Der Einzige, vor dem sie sich nicht schämen muss.

Meinst Du, dass durch den Film junge Frauen und Mädchen vielleicht für das Thema und falsche Freunde sensibilisiert werden können?

Ich denke, dass wir mit dem Film vor allem über Loverboys und Zwangsprostitution aufklären. Wir können Mädchen und ihre Eltern über die Methoden und typischen Vorgehensweisen dieser Zuhälter informieren. Ich hoffe, dass junge Frauen oder Mädchen so ihre Aufmerksamkeit in einer Beziehung erhöhen, die ähnliche Züge annimmt, wie die Beziehung zwischen Caro und Cem. Allerdings denke ich, dass "Ich gehöre ihm" ein Film ist, der jedem ins Bewusstsein rufen sollte, dass es in Deutschland mehrere Seiten der Prostitution, eben auch Zwangsprostitution, gibt und dass man Prostitution nicht einfach tabuisieren und ausblenden kann.

Wie bist du zur Schauspielerei gekommen und wie hat sich das mit der Besetzung für diese Rolle ergeben?

Meine ersten Erfahrungen mit der Schauspielerei habe ich in Theaterkursen in der Schule und dem Jungen Schauspielhaus gesammelt. Film begann mich später ebenfalls zu interessieren. Irgendwann hatte ich die spontane Idee, mich bei einer Casting Agentur zu bewerben, wurde aufgenommen und im Sommer bekam ich die erste Anfrage für ein Casting. Einige Zeit später bekam ich die Zusage für die Rolle der Caro.

Was sind deine Ziele mit der Schauspielerei? Von welcher Rolle träumst du?

Klare Ziele verfolge ich momentan noch nicht, lasse viel auf mich zukommen und bin gespannt auf alles, was mich erwartet. Ich wäre aber sehr glücklich, vielleicht irgendwann meinen Lebensunterhalt mit der Schauspielerei verdienen zu können. Ich träume davon, einmal eine Rolle mit einer multiplen Persönlichkeit zu spielen, die einen Platz in der Welt sucht.