Brief an Hersh Goldberg-Polin | Jüdische Allgemeine

Berlin/Gaza

Brief an Hersh Goldberg-Polin

Lieber Hersh, wir kennen uns nicht – und doch sind unsere Lebenswege verbunden ...

von Ruben Gerczikow  26.04.2024 11:56 Uhr

Ruben Gerczikow Foto: Rina Gechtina

Lieber Hersh, wir kennen uns nicht – und doch sind unsere Lebenswege verbunden ...

von Ruben Gerczikow  26.04.2024 11:56 Uhr

Lieber Hersh,

wir kennen uns nicht, und doch sind unsere Lebenswege verbunden. Du und deine Geschichte sind mir unglaublich nah geworden. Letzten Oktober habe ich von dir erfahren. Du warst am 7. Oktober 2023 mit deinem besten Freund Aner Shapira auf dem Nova-Festival in Re’im, als die Terrororganisation Hamas angriff.

In den Morgenstunden überfielen die Terroristen das Gelände und ermordeten, vergewaltigten und entführten die feiernden Menschen. Du und Aner suchten mit weiteren Besuchern Schutz in einem Unterschlupf. Die Terroristen warfen Granaten hinein, die Aner versucht hat hinauszuwerfen, um die anderen Menschen zu schützen.

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Ich bewundere diesen selbstlosen Mut deines Freundes. Es gelang auch, bis eine Granate Aner tötete und du am linken Arm verletzt wurdest. Danach haben sie dich in den Gazastreifen verschleppt. Das Video, wie die Terroristen dich auf einem Pick-up mitnehmen, ging um die Welt.

Unermüdlicher Kampf

Dass ich deine Geschichte so detailliert kenne, hat zwei Gründe. Der erste sind deine Eltern Jon Polin und Rachel Goldberg, denen du vor deiner Entführung noch zwei Nachrichten schicken konntest: »I love you« und »I’m sorry«. Vor allem deine Mutter kämpft unermüdlich für deine Freilassung.

Du bist israelischer und amerikanischer Staatsbürger. Deine Mutter traf daher unter anderem den US-Präsidenten Joe Biden sowie Papst Franziskus. Zudem wurde sie vom »Time«-Magazine als eine der 100 einflussreichsten Personen des Jahres 2024 ausgewählt. Du kannst stolz auf diesen von Liebe erfüllten und so unendlich starken Menschen sein.

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Zum anderen teilen wir eine gemeinsame Leidenschaft: die Faszination für das runde Leder. Unsere beiden Vereine tragen die Farbe Rot in ihrem Wappen. Du bist Fan vom israelischen Erstligisten Hapoel Jerusalem und Mitglied der Ultra-Gruppierung »Brigade Malcha«. Ich unterstütze seit meiner Kindheit den 1. FC Köln.

Gemeinsame Bekannte

Im Dezember 2019 waren zwei Freunde und ich bei eurem Heimspiel im Teddy-Kollek-Stadion gegen den FC Bnei Sakhnin. Zuvor waren wir mit anderen Hapoel-Fans in eurer Stammkneipe. Wir fragten uns fünf Jahre später, ob du an diesem Tag vielleicht neben uns ein Bier getrunken hast. Außerdem warst du mehrmals bei deinen Bremer Freundinnen und Freunden bei Werder-Spielen. Wir teilen uns sogar einige Bekannte in der Weserstadt.

In Florida demonstriert ein Mitglied der jüdischen Community für eine Freilassung von Hersh Goldberg-Polin und der anderen Geiseln des palästinensischen Terrors.Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com

Deiner Gruppe und vor allem ihrer Fanfreundschaft zu »Infamous Youth«, der führenden Ultra-Gruppe des SV Werder Bremen, ist es zu verdanken, dass dein Schicksal in Deutschland so bekannt ist. Im Weserstadion prangte ein »Bring them home now«-Banner in der Ostkurve.

Es zierte ein rotes Herz mit deinem Namen sowie ein grünes Herz für die inzwischen für tot erklärte Geisel und enges Mitglied der Fanszene von Maccabi Haifa, Inbar Haiman, die freundschaftlich mit den »Ultra Boys Bremen« verbunden ist. Die Gruppe »Caillera« zeigte ein Spruchband mit der Aufschrift: »Bring back our friends. Bring back all hostages. Never again is now!«

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Berührt und solidarisch

Außerdem organisierten die Werder-Fans mehrere Kundgebungen in der Hansestadt. Und jedes Spiel hängt eine rote Zaunfahne mit deinem Namen im Bremer Block. Auch der SV Werder Bremen erzählte deine Geschichte in den sozialen Medien und auf der Anzeigetafel.

Fans anderer deutscher Vereine waren berührt und zeigten sich solidarisch mit dir, deiner Familie und den verbliebenen Geiseln. Ob bei 1860 München, dem SV Babelsberg, Tennis-Borussia Berlin oder dem SV Linden. Fußball ist mehr als die 90 Minuten am Spieltag. Es ist Freundschaft und Zusammenhalt. Das wird über Israels Landesgrenzen hinweg sichtbar.

Über 200 Tage haben deine Familie und die ganze Welt kein Lebenszeichen von dir erhalten. Bis zum 24. April 2024. Die Hamas veröffentlichte ein Video von dir. Dein wuschiges Haar wurde dir abrasiert und Teile deines linken Arms sowie deiner Hand wurden durch die Explosion der Granate abgetrennt.

Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen, dass du aller Voraussicht noch am Leben bist. Der jamaikanische Reggae-Sänger Bob Marley sagte einmal: »Football is freedom«, und wenn ich mir das Engagement so vieler Fans für dich anschaue, dann hat er recht!

Ich bete dafür, dass du diese Freiheit im Stadion bald wieder erleben kannst: die Fahne zum Takt der Trommel zu schwenken, bis zur Heiserkeit das Team nach zu vorne peitschen oder den Sieg mit einem kühlen Bier zu feiern. Wer weiß, vielleicht besuchen wir bald gemeinsam ein Fußballspiel.

Abschließen möchte ich diesen Brief mit den Worten deiner Eltern: »We are telling you. We love you. Stay strong. Survive.«

Liebe Grüße aus Berlin,

Ruben

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