Piagets Entwicklungsstufen und die kognitiven Entwicklung von Kindern

Entwicklungsstufen nach Piaget: Alles über das Modell der kognitiven Entwicklung von Kindern

   
von Ralf-Ingo S. - letzte Aktualisierung:
Piaget Entwicklungsstufen
Wie ist das Entwicklungsmodell nach Piaget aufgebaut?

Nach Piaget verläuft die kognitive Entwicklung in 4 Entwicklungsstufen.

Wann erreicht mein Kind die nächste Stufe?

Entsprechend der Stufentheorie nach Piaget können Kinder erst dann ein höheres Level des Denkens erreichen, wenn sie die jeweils vorausgehenden Stadien abgeschlossen haben.

„Man lernt nie aus“ – Was ist dran nach Piaget?

Piaget ist der Ansicht, dass Menschen in der vierten Phase zwar ihre volle Intelligenz erreichen, jedoch das gesamte weitere Leben dazulernen.

Der 1896 geborene Schweizer Biologe Jean Piaget zählt zu den angesehensten Forschern im Bereich der kognitiven Entwicklungspsychologie.
Bereits im Alter von elf Jahren verfasste der noch vor allem an Biologie interessierte Junge erste Aufsätze, die ihn schnell bekannt machten.

Im Laufe der Zeit wandte er sich jedoch zunehmend der kognitiven Entwicklung von Kindern zu und erstellte sein bis heute viel beachtetes Modell.

Prägend für die Entwicklungsstufen nach Piaget ist die elementare Verbindung zwischen Biologie, Psychologie und Philosophie.

1. Die kognitive Entwicklung umfasst laut Piaget 4 Entwicklungsstufen

Kinder unterschiedlichen Alters liegen auf einer Wiese

Kinder entwickeln sich schrittweise.

Jedes Kind durchläuft im Laufe seiner Kindheit zahlreiche unterschiedliche Phasen der Entwicklung. Im Fokus dabei steht stets das Streben nach Gleichgewicht.

Dieses Gleichgewicht, von Piaget als Äquilibration bezeichnet, erfolgt durch Akkommodation und Assimilation.

  • Die Assimilation erfolgt, indem Kinder lernen, eine neue Erfahrung in ein bereits bekanntes Wahrnehmungsschema einzuordnen. So kommt es zu einer Verallgemeinerung durch das schrittweise Kennenlernen ähnlich gelagerter Umstände.
  • Die Akkommodation kommt immer dann zur Anwendung, wenn sich eine neue Erfahrung nicht in das bisherige Verständnis der Welt einordnen lässt. In diesem Fall führt die neue Erfahrung zu einer Erweiterung und Anpassung der Weltsicht. Kinder müssen also lernen, ihr anfänglich nur sehr eingeschränktes Denkmuster stetig an die in der Umwelt gemachten Erfahrungen anzupassen.

Beide Prozesse laufen stets parallel ab. Zudem entwickeln sich auch die Sinne selbst stetig weiter, sodass eine neu gewonnene Fähigkeit entweder in bekannte Strukturen eingebettet oder in einer neuen Struktur festgehalten werden muss.

2. Piagets Entwicklungsstufen – so sieht das Modell im Detail aus

Piagets Biografie:

Möchten Sie mehr über den Jean Piaget und sein Leben erfahren, finden Sie hier eine Kurzbiografie sowie eine Liste all seiner Veröffentlichungen.

Jean Piaget teilt die kognitive Entwicklung in die vier folgenden Stufen ein:

  • sensomotorische Intelligenz (0 bis 2 Jahre)
  • präoperationale Intelligenz (2 bis 7 Jahre)
  • konkret-operationale Intelligenz (7 bis 11 Jahre)
  • formal-operationale Intelligenz (ab 11 Jahren)

In den folgenden Abschnitten möchten wir Ihnen die einzelnen Entwicklungsstufen nach Piaget kurz vorstellen.

Ein sehr anschauliches Video zu Piagets Theorie sehen Sie hier:

2.1. Die Entwicklung der sensomotorischen Intelligenz als Baby

ein Baby streckt sich

Babys müssen erst einmal in der Welt ankommen.

Im Alter von 0 bis 2 Jahren lernen Kinder vor allem durch die Beschäftigung mit all ihren Sinnen. Jeder Gegenstand, den Babys in den Händen halten, weckt daher ganz automatisch die Neugier und wird befühlt, mit der Zunge analysiert und etwas später auch betrachtet.

Besonders viel Spaß haben Kinder dieser Zeit, wenn sich ihr Verstand im Hinblick auf die Objektpermanenz entwickelt. Alle Objekte, die kurzzeitig aus dem Sichtfeld verschwinden, sind nicht tatsächlich weg, sondern lediglich versteckt. Durch die Entwicklung des Gedächtnisses sind Kinder zunehmend in der Lage, Veränderungen im Raum wahrzunehmen.

In dieser Phase sind Kinder noch nicht in der Lage, die Welt in all ihren Facetten zu begreifen. Dementsprechend ist es ihnen auch nicht möglich, zu verstehen, dass andere Menschen die Welt anders sehen könnten. Ihre Weltsicht ist daher noch egozentrisch.

2.2. Mit zwei Jahren erreichen Kinder die präoperationale Phase

kleines Mädchen steht mit einem Fernglas im Gras

Kinder sind von vielen Dingen fasziniert.

Im Alter von 2 bis 7 Jahren, in der Kinder nach wie vor davon ausgehen, dass andere Menschen die Welt genau wie sie selbst sehen, sind Kinder unglaublich neugierig.

Alles wird hinterfragt und untersucht. Jede Blume auf der Wiese, jedes Insekt und alle Tiere im Zoo sind wahnsinnig interessant.

Zusätzlich spielt das magische Denken eine wichtige Rolle. Kinder nutzen ihre Fantasie und vermischen oftmals Realität und Fantasie miteinander.
Wichtiger als die exakte Wiedergabe der Umwelt ist vielmehr die treffende Charakterisierung.

Durch den Erwerb der Sprachfähigkeit wächst der Lernfortschritt in sämtlichen Bereichen rasant.

2.3. Die konkret-operationale Phase ist von logischen Prozessen geprägt

Kinder räumen gemeinsam die Spülmaschine aus

Organisation findet bei vielen alltäglichen Dingen statt.

Logisches Denken spielt in der präoperationalen Phase noch keine Rolle. Im Alter zwischen 7 und 11 Jahren entdecken Kinder allerdings zunehmend logische Zusammenhänge.

Die meisten Kinder ordnen Stifte nach Farben, sortieren sie nach einer bestimmten Größe oder beginnen mit der eigenständigen Organisation ihrer Schulhefte.

Mit Beginn des logischen Denkens ist auch die Fähigkeit verbunden, dass Dinge auf verschiedene Arten betrachtet werden können. Kinder sind zunehmend in der Lage, hinter die Fassade zu blicken und räumlich zu denken.
Ist beispielsweise eine Seite eines Würfels nicht sichtbar, steht dennoch fest, welche Ziffer sich dort befindet.

Die Gedanken und Gefühle anderer Menschen können zunehmend nachvollzogen werden. Das Einfühlungsvermögen verbessert sich und Kinder sind in der Lage, zu verstehen, dass ihre Sicht auf die Dinge nicht die einzige in der Welt ist.

2.4. Formal-operationale Intelligenz erlangen Kinder in der letzten der vier Entwicklungsstufen nach Piaget

Mit Erreichen der höchsten Entwicklungsstufe nach Piaget besitzen Kinder alle Fähigkeiten, um die Umwelt zu erfassen. Im Bereich der kognitiven Entwicklung bedeutet dies vor allem, dass Kinder abstrakten Gefühlen und Gedanken mehr Bedeutung beimessen.

Zunehmend entwickelt sich die eigene Identität und Kinder beginnen damit, Dinge im Hinblick auf die Wichtigkeit für ihr eigenes Leben zu kategorisieren.

Auch wenn die mentalen Fähigkeiten nun ausreichend sind, um tiefe Gefühle zu empfinden und nachvollziehen zu können, so bedarf es dennoch einer Menge an Erfahrungen, um daran zu wachsen.

Aus diesem Grund endet die formal-operationale Phase nicht, sondern besteht ein Leben lang.

3. Kritik an Piagets Stufenmodell

Auch wenn es in der Wissenschaft mehr als nur eine Adaption von Piagets Entwicklungsstufen gibt, so hinterfragen zahlreiche Forscher die Theorie.

Besondere Kritik wird dabei vor allem daran geübt, dass die Entwicklungsstufen nach Piaget starr und nicht variabel verschiebbar sein sollen.
In einigen Experimenten zeigte sich, dass Kinder bereits Fähigkeiten der dritten Stufe haben, obwohl sie die zweite Stufe noch nicht gänzlich abgeschlossen haben.

Zudem werden einige von Piagets Forschungsergebnissen in Zweifel gezogen, da diese zu unwissenschaftlich seien. Insbesondere arbeitete Piaget sehr lange mit seinen drei Kindern.

Auch wenn sicherlich nicht alle Aspekte zu 100 % heutigen Standards entsprechen, so sind Piagets Entwicklungsstufen im Hinblick auf die kognitiven Fähigkeiten von Kindern sehr hilfreich.

4. Weiterführende Literatur zu Piaget

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Bildnachweise: ra2 studio/Adobe Stock, rimmdream/Adobe Stock, olenachukhil/Adobe Stock, Maksim Kostenko/Adobe Stock, Irina Schmidt/Adobe Stock (nach Reihenfolge im Beitrag sortiert)

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