Die Arbeiten von Chris Jenks (1982) sowie von Allison James und Alan Prout (1990) gelten als zentrale Wegbereiter Kindheit als soziales Konstrukt zu verstehen. Gegen das klassische Sozialisationsparadigma argumentierend, formuliert Chris Jenks (1982) „Childhood is to be understood as a social construct, it makes reference to a social status delineated by boundaries incorporated within the social structure and manifested through certain typical forms of conduct, all of which are essentially related to a particular cultural setting“ (Jenks 1982, S. 12).Footnote 1 Ebenso prominent stellen Allison James und Alan Prout (2015b [1990]) im Zuge der konstruktivistischen Wende einen Paradigmenwechsel heraus, dessen Kern das Verstehen und Erforschen von Kindheit als soziale Konstruktion bildet. „First, and of prime importance, childhood is, within this paradigm, to be understood as a social construction“ (James und Prout 2015b [1990], S. 3).

Kindheit als soziales Phänomen zu konzeptionalisieren, verweist darauf, dass unter Kindheit mehr zu verstehen ist als individuelle Prozesse des Aufwachsens. „Kinder führen ihr Leben unter historisch spezifischen sozialen, kulturellen und ökonomischen Bedingungen, die ihnen Chancen eröffnen und Zwänge auferlegen, unter denen sie Erfahrungen machen und Beziehungen aushandeln. ‚Kindheit‘ bildet den materiellen und symbolischen Kontext des Kinderlebens. Sie ist ein Produkt von Modernisierungsprozessen und ein Strukturelement moderner Gesellschaften“ (Honig 1999, S. 85). Mit dem Topos von Kindern und Kindheit als Konstrukt sind sozial organisierte Bedeutungszuschreibungen angesprochen, welche in der Regel von Erwachsenen vorgenommen werden und auch Deutungen und Legitimationen liefern, um das Leben von Kindern zu gestalten. So sedimentieren sich sowohl im Alltagsbewusstsein über Kinder und Kindheiten wie in den Konstrukten der Kindheitsforschung unterschiedliche „Traditionen von Kindheitskonzeptionen und Kindheitsbildern, von erziehungsphilosophischen, literarischen, politischen oder auch alltagskulturellen Reflexionsformen, zum Teil vormoderne Denkfiguren“ (Honig 1999, S. 175). Insofern sei von Kind und Erwachsenen immer nur perspektivisch zu sprechen. Kindheit als Konstrukt zu denken, verweist insofern nicht zuletzt darauf, das Soziale als konstruiert zu verstehen und lässt – methodologisch gewendet – Kindheit „als reflexives Element historisch spezifischer Generationenverhältnisse erkennbar werden“ (Honig 1999, S. 184).

Kindheit als soziale Konstruktion zu verstehen, kann vor diesem Hintergrund als eine zentrale Grundlage sozialwissenschaftlicher Kindheitsforschung verstanden werden (auch: Klinkhammer 2014, S. 32). Da sich diese Perspektive als anschlussfähig an vielfältige Kontexte erweist, wird sie im Folgenden als übergeordneter Rahmen verstanden. Im weiteren Verlauf wird intendiert, Elemente einer Arbeit an und mit Kindheitskonstruktionen zu identifizieren um diese anschließend in ihrer Relevanz für einen explizit diskursanalytischen Zugang zu reflektieren.

Kindheitsbilder und Vorstellungen von Kindern und Kindheiten sind zumeist Konstruktionen erwachsener PersonenFootnote 2. An die Erläuterung der Implikationen dieser adultistischen Perspektive wird die Konstruktion von Kindheiten im Spannungsfeld normativer Ansprüche und disziplinärer Interessen angeschlossen, wobei besonderes Augenmerk auf den Zuschreibungen zur Ausgestaltung der Phase der Kindheit und dem individuellen Kindsein liegt.

1 Kindheit als Konstrukt – eine adultistische Perspektive

Kindheiten als konstruiert zu betrachten, legt den Fokus auf Vorstellungen, die Erwachsene über Kinder und Kindheiten entwerfen und betont darüber das Moment der Kommunikation. Grischa Müller (2005) folgend, lässt sich zunächst festhalten, dass Kindheit von der Kommunikation über Kindheit nicht zu trennen ist. „Die Frage nach einer Kindheit jenseits von Kommunikation macht keinen Sinn, denn das soziale Konstrukt Kindheit ist nur als Kommunikation erfahrbar“ (Müller 2005, S. 156, Hervorhebung im Original). Kersten Reich (2002) spricht von Kindheit als kommunikativem „Verhandlungskonstrukt“ (Reich 2002, S. 255) um die Aushandlungsprozesse zu betonen über welche Kindheit konstruiert wirdFootnote 3. Das Reden und Schreiben über Kinder und Kindheiten lässt sich dabei durch mindestens drei Aspekte charakterisieren. So ist zum einen von einer Vielfalt der „Verständigungsgemeinschaften“ (Reich 2002, S. 251) auszugehen, die versuchen Kinder und Kindheiten begrifflich zu fassen, welche zweitens im Rahmen unterschiedlicher theoretischer und disziplinärer Perspektiven Bilder von Kindern und Kindheiten modellieren, in welchen immer auch „historische und biographische, klassen-, milieu- und schichtenspezifische, ethnizitäts- und geschlechtsspezifische wie auch kulturelle und soziale Erfahrungen und Reflexionen“ (Thole et al. 2013, S. 23) mitschwingen. Die hierüber entstehenden Vorstellungen und Bilder von Kindheit werden drittens stetig bearbeitet und modifiziert und sind damit als Momentaufnahmen zu verstehen, die sich mehr oder weniger schnell verändern (Zeiher 2013, S. 34). Das, was über Kinder gedacht, gesagt oder geschrieben wird, rekurriert also auf die historisch verorteten, biografisch erfahrenen und kulturell gegebenen Vorstellungen erwachsener Personen über Kinder. Aus erziehungswissenschaftlicher Perspektive bleibt Kindheit damit „als gesellschaftliche Entwicklungstatsache im Sinne Siegfrieds Bernfelds das, was sie eben auch ist: Erziehungskindheit, die maßgeblich durch das jeweils gesellschaftliche Bild von Erwachsenen über Kindheit geprägt und mitbestimmt wird“ (Bock 2013, S. 28–29).

Verbunden mit der adultistischen Orientierung ist der doppelte Blick, den Erwachsene auf Kindheit haben und der sich sowohl auf die Kindheit gegenwärtiger Kinder bezieht als auch vergleichend auf die eigene, vergangene Kindheit rekurriert. Erinnerungen an die eigene Kindheit sind aber nicht nur individuelle biographische Entwürfe, sie sind auch Bestandteil einer Erinnerungskultur, wie sie unter anderem durch Familiengeschichten weitergegeben werden. Gleichzeitig ist Kindheit Teil einer kollektiven Erzählkultur, die Bilder von Kindheiten beispielsweise in Büchern oder Liedern entwerfen (Fuhs 2006, S. 273). Nachdrücklich weist Meike Sophia Baader (2004) darauf hin, dass indirekte Selbstthematisierung auch beim wissenschaftlichen Nachdenken über Kindheit eine Rolle spiele und daher zu reflektieren sei (Baader 2004, S. 427–428).

In Auseinandersetzung mit (pädagogischen) Kinderbildern hebt Jürgen Oelkers (1998) deren Widersprüchlichkeit hervor, welche sich sowohl auf gemalte Bilder als auch auf die erziehungswissenschaftliche Sprache beziehe. Kinderbilder von Erwachsenen enthalten pädagogische Bedeutungen und signalisieren Normen, Absichten und Gefährdungen der Erziehung. Über die Geschichte der pädagogischen Bilder arbeitet Jürgen Oelkers (1998) letztlich ein verallgemeinertes, ästhetisch ansprechendes Kind heraus, ohne welches Erziehungsdiskurse nicht möglich wären. Da reale Kinder die Situation und die Form der Darstellung ständig wechseln und allein deshalb als Adressat*innen von Erziehung ausfallen, gelänge es über die Konstruktion von Bildern ein abstraktes wie gleichzeitig konkretes Kind zu entwerfen. Daneben spiegeln Kinderbilder nicht eine Kultur der Kinder wider, sondern zeigen eine normative Einzigartigkeit, die zugleich beliebig reproduziert werden kann. „In diesem Sinne sind Kinderbilder Vorschriften, Kind zu sein aus der Sicht von Erwachsenen, die auf der anderen Seite ‚vom Kinde aus‘ erziehen wollen und so eine Autonomie unterstellen, die mit ihren Kinderbildern bestritten wird“ (Oelkers 1998, S. 653, Hervorhebung im Original).

Pädagogische Ideen von Kindheit stimmten ohnehin nicht unbedingt mit der Lebenswirklichkeit der Kinder zum selben historischen Zeitpunkt überein, so Franz-Michael Konrad und Klaudia Schultheis (2008). Jedoch sei es wichtig über eine Utopie von Kindheit zu verfügen, da diese erst eine Wertschätzung der Kinder sowie eine Verbesserung der Lebensumstände ermögliche (Konrad und Schultheis 2008, S. 20–21). Wenngleich idealisierte Fiktionen nötig seien, um Kindheit zu einem besseren Leben hin zu denken, müsse aber gleichzeitig berücksichtigt werden, dass hiermit auch Illusionen erzeugt werden, welche eine Realität von Kindheit verschwinden lassen (Reich 2002, S. 254). Insofern dienen Kinder und Kindheiten auch immer wieder als Projektionsfläche (Baader 2004, S. 428). Kersten Reich (2002) und Meike Sophia Baader (2004) machen auf eine Gefahr aufmerksam, die mit expliziter normativ orientierter Arbeit an den Kindheitskonstruktionen einhergeht: Auf Kinder und Kindheiten werden Phantasien, Wünsche und Hoffnung projiziert, die es stets zu reflektieren gilt (auch: Bischoff und Knoll 2015, S. 420). Insofern werden im Folgenden zunächst eher allgemeine Fragen der Normativität bei der Konstruktion von Kindheiten und Vorstellungen von Kindern in den Blick genommen. Dem schließt sich die Fokussierung auf Zuschreibungsprozesse an Kinder und Kindheiten an, die auf unterschiedlichen Ebenen auch, möglicherweise sogar insbesondere, in den kindbezogenen Wissenschaften erkennbar werden.

2 Eine Frage des Maßstabes? Zum Verhältnis von Normativität und Konstruktion

Indem ein sozialkonstruktivistischer Zugang in besonderer Weise dafür sensibilisiert, Lebensphasen nicht in alleiniger Abhängigkeit vom biologischen Alter zu denken (Marotzki et al. 2006, S. 79–80) und damit die an das jeweilige biologische Alter gebundenen sozialen und kulturellen Zuschreibungen zu berücksichtigen, werden normative Fragen virulent. Über die Unterscheidung zwischen einer biologischen und sozialen Kindheit materialisiert sich in bisweilen durchaus kritischer Rezeption die Frage nach dem Verhältnis von Leiblichkeit und Konstruktion (bspw. Honig 1999, S. 177–181; Neumann 2016; Prout und James 2015 [1990]). Wenn Alan Prout und Allison James (2015 [1990]) in diesem Zusammenhang vorschlagen, die unproduktiven Gegenpositionen „biologisch“ und „sozial“ zu überwinden, verweist dies auf den Aspekt normativer Modellierungen, welcher Kindheitskonstruktionen inhärent zu sein scheint: „But if we are to see childhood as both biological and social […] what weight should be given to each factorFootnote 4“(Prout und James 2015 [1990], S. 22, Hervorhebung im Original)?

Wenn Kindheit auf verschiedene Weise konstruiert wird, so eröffnet dies einen Spielraum für die Frage danach, wie Kindheit konstruiert werden sollte (Giesinger 2017, S. 208). Welche Aspekte in den Vordergrund rücken, erscheint dabei auch als eine Frage des Maßstabes. Illustriert werden soll dies an der Geschichte der Kindheit die – folgt man Dieter Lenzen (2004) – selbst als Konstrukt betrachtet werden kann, da historische Gegebenheiten der Deutung unterliegen (Lenzen 2004, S. 344). Gerade mit dem Fokus der sozialkonstruktivistischen Perspektive kommt den Arbeiten Philippe Ariès (1978) zum einen ein Pioniercharakter zu, da in seiner Geschichte der Kindheit diese als historisch entstanden und spezifisch gestaltet entworfen wirdFootnote 5 (hierzu beispielsweise: Honig 1999) zum anderen verdeutlicht eine Kontrastierung mit der Arbeit von Lloyd deMause (1979), die in eine konstruktivistische Perspektive eingelagerten normativen Tendenzen.

Die Autoren Philippe Ariès (1978) und Lloyd deMause (1980) rekonstruieren eine Geschichte der Kindheit und konstatieren dabei einen Wandel dieser, welcher jedoch unterschiedlich beurteilt wird (vgl. auch Kaul et al. 2018; Thole 2017). Die psychoanalytisch inspirierte Untersuchung von Lloyd deMause (1980) betont die sich positiv entwickelnden Beziehungsformen zwischen Erwachsenen und Kindern im historischen Verlauf. „Die Geschichte der Kindheit ist ein Alptraum, aus dem wir gerade erst erwachen. Je weiter wir in der Geschichte zurückgehen, desto unzureichender wird die Pflege der Kinder, die Fürsorge für sie, und desto größer die Wahrscheinlichkeit, daß Kinder getötet, ausgesetzt, geschlagen, gequält und sexuell mißbraucht wurden“ (deMause 1980, S. 12). Im Gegensatz dazu eröffnet Philippe Ariès (1978) eine andere Perspektive auf die Geschichte. Als mit dem Ende des 19. Jahrhunderts die Schule zum festen Bestandteil der Lebensverhältnisse wurde, wird das Kind von den Erwachsenen getrennt. „Damit beginnt ein langer Prozess der Einsperrung der Kinder […], der bis in unsere Tage nicht zum Stillstand kommen sollte und den man als ‚Verschulung‘ (scolarisation) bezeichnen könnte“ (Ariès 1978, S. 48). Dieter Lenzen (2004) verweist in diesem Zusammenhang auf den angelegten Bewertungsmaßstab, mit welchem sich die Geschichte der Kindheit somit entweder als Verfallsgeschichte (Ariès) oder aber als Fortschrittsgeschichte (deMause) lesen lässt. Dabei ist auch das Moment der Kontingenz in Rechnung zu stellen, worüber die Geschichte des Konstruktes Kind nicht nur konstruiert erscheint, sondern auch selbst Bestandteil der Geschichte ist (Lenzen 2004, S. 344–346).

Explizit wird die Auseinandersetzung mit der Normativität von Kindheitskonstruktionen im Rahmen der ethisch-philosophischen Debatte um die „Goods of Childhood“ und den Wert der Kindheit geführt. Es geht dabei um die spezifischen Besonderheiten von Kindheit, ihre Bewertung sowie Fragen danach, ob Kindheit in sich selbst wertvoll ist und ob es bestimmte „Güter“ gibt, die für Kinder als Kinder wertvoll sind und das Wohlbefinden von Kindern beeinflussen, um darüber auch die Unterschiede zwischen Erwachsenen und Kindern sowie die Verhältnisbestimmung von Erwachsenheit und Kindheit zu diskutieren (Brennan 2014; Gheaus 2015a, 2015b; Giesinger 2017). Besonders interessant ist ein Gedankenexperiment von Samantha Brennan (2014), welches als Heuristik intendiert, die Bewertung der Phase der Kindheit zu reflektieren. Kern dieses Gedankenspiels ist eine Pille, die bei Einnahme ein Überspringen der Kindheit ermöglicht: Würde man Kindern eine solche Pille geben, wenn diese das Überspringen der Kindheit bewirkt und damit direkt das Leben eines Erwachsenen geführt werden kann?Footnote 6 „One way to test one´s intuitions about whether one thinks the negative or the prospective conception is correct is to ask whether one would, if one could, simply give children a pill to have them grow up“ (Brennan 2014, S. 37)Footnote 7.

Während hier explizit der Aspekt der Normativität verhandelt wird, erscheinen normative Aspekte aber auch implizit vor allem im Rahmen von Zuschreibungen an die Lebensphase Kindheit sowie in Zuschreibungen an das individuelle Kindsein.

3 Konstruktion von Kindheiten – Zuschreibungen an Kindheit und Kindsein

Der folgende, eher eklektizistische Überblick über Kindheitskonzeptionen intendiert, deutlich zu machen, dass Vorstellungen von Kindern und Kindheiten mit Zuschreibungen an die Kindheitsphase und das Kindsein verbunden sind. In den Blick genommen werden hier im Anschluss an die Forschungsperspektiven und Gegenstandszugänge der sozialwissenschaftlichen Kindheitsforschung im Wesentlichen pädagogische und soziologische Konstruktionen und die hierin mehr oder weniger deutlich durchscheinenden Zuschreibungsprozesse.

Meike-Sophia Baader (2004) entfaltet die These, dass das jeweilige Kindheitsbild funktional für die jeweiligen gesellschaftlichen KontexteFootnote 8 sei. Während das Kind um 1800 vor allem aufgrund seiner Phantasie zum Ideal erhoben wurde, da es zur Poetisierung der Welt beitragen sollte, wurde es ab 1900 als ein heiliges Wesen betrachtet, weil es durch das Neue zur evolutionären Höherentwicklung der Menschheit beitragen sollte. In der Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts steht das Lernen des Kindes bzw. das lernende Kind im Mittelpunkt (Baader 2004, S. 422).

Doris Bühler-Niederberger (2020) rekonstruiert Kindheit als Konstruktion sozialer Ordnung, wobei das aktuelle Kindheitsmuster auf die zentralen Probleme moderner sozialer Ordnung ausgerichtet ist, nämlich auf „die Herstellung des erwünschten Verhältnisses zwischen Individuum und Gesellschaft – und dies in einer gesellschaftlichen Ordnung, die zunehmend auf den Einzelnen und seine innere Disziplin setzt“ (Bühler-Niederberger 2020, S. 131). Aus historischer Perspektive arbeitet sie dabei eine lange und behütete Kindheit in Elternhaus und Schule als normatives Muster heraus, welches Bewertungen in „gute“ und „schlechte“ Kindheiten speist, Handeln anleitet, sich in Institutionen niederschlägt und als Legitimationsmuster in gesellschaftlichen Diskursen und Kriterium für Entscheidungen dient (Bühler-Niederberger 2020, S. 131).

Moderne Kindheit als Familien- und Schulkindheit, gekennzeichnet über die Freisetzung von Kindern von der Erwerbsarbeit und der Durchsetzung der allgemeinen Schulpflicht, wird im Sinne einer Zeit des Lernens und der Entwicklung als Moratorium konzipiert (hierzu auch: Sager 2008). Kindheit wird als Schutz- und Schonraum eingerichtet und die Idee der Entwicklungskindheit angelegt. Im 20. Jahrhundert sei es zu einer Selbstverständlichkeit geworden, die Kindheit als Lebensphase der Entwicklung und Vorbereitung zu verstehen, so Michael-Sebastian Honig (1999). Vor allem die Entwicklungspsychologie und „klassische“ Sozialisationsansätze formulierten in den Anfängen das Entwicklungsparadigma aus. Im Kern wurden Kinder dabei – je nach Ausformung – als Aufwachsende konzipiert, deren psychologische Entwicklung als Wachstums- und Reifungsprozess verstanden wird oder als zu sozialisierende Wesen mit Blick auf das Ziel eines vollständig handlungsfähigen Erwachsenen. Michael-Sebastian Honig (1999) verdeutlicht an dem Normkomplex der Bedürfnisse von Kindern die Funktionsweise des Entwicklungsparadigmas, das auch als Beispiel für die Universalisierung pädagogischen Wissens gelesen werden könne. „Das Konzept der kindlichen Bedürfnisse bildet das Passepartout eines Kindheitsdiskurses, das die psychologische ‚Natur‘ von Kindern präskriptiv, als universell gültigen Maßstab für den Umgang Erwachsener mit Kindern entwirft“ (Honig 1999, S. 60). Dabei sage es aber nicht in erster Linie etwas über Kinder aus, sondern vielmehr über das organisierte Verhältnis der Generationen. Mit Martin Woodhead (2015 [1990]) können vier Bedeutungsebenen des Bedürfnisbegriffs unterschieden werden, wobei häufig eine Vermischung dieser Ebenen zu konstatieren ist. So kann der Begriff Bedürfnis erstens die psychologische Verfassung von Kindern beschreiben, die als Bedürfnis nach etwas, beispielsweise nach Anerkennung, formuliert wird. Zweitens kann mit Bedürfnis ein Konstrukt für die Erklärung von Zusammenhängen zwischen kindlichen Erfahrungen und späterer Entwicklungen gemeint sein, wie es etwa in Bindungskonzepten angelegt ist. Die Rede von kindlichen Bedürfnissen kann drittens ein Werteurteil darüber implizieren, welche Kindheitserfahrungen aktuell „normal“ oder erwünscht sind, wobei viertens diese Normierungen als intrinsische Merkmale der kindlichen Psyche ausgegeben werden können (Woodhead 2015 [1990]; S. 57–64; Honig 1999, S. 60). Martin Woodhead (2015 [1990]) betont, dass kindliche Bedürfnisse oftmals als universelle Objektivität erscheinen. Die Rede von den Bedürfnissen der Kinder verleihe Autorität, vor allem wenn die Kriterien für eine Entscheidung auf das Kind projiziert wird. Insofern erweisen sich die kindlichen Bedürfnisse als wichtiges rhetorisches Hilfsmittel, um Bilder von Kindheit zu konstruieren, Bildungs- und Betreuungsmöglichkeiten zu legitimieren und die Qualität von Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern zu beurteilen (Woodhead 2015 [1990], S. 63–66). Entwicklung kann mit einer kindheitssoziologisch inspirierten Perspektive auch als gesellschaftliches Produkt dekonstruiert werden, „das nicht einfach Wesensmerkmale von Kindern beschreibt, sondern diese als soziomateriales Phänomen überhaupt erst in bestimmter Weise hervorbringt“ (Bollig 2013, S. 101). Indem nicht nur reguliert wird, wer (wie lange) Kind ist, sondern auch das Sorgeverhältnis zueinander bestimmt wird, verweist dies auf ein relationales Verhältnis von Kindheit und Erwachsenheit im Rahmen der generationalen Ordnung (Bollig 2013, S. 101; ausführlich zum Konzept des generationalen Ordnens: Abschnitt 3.2).

Kindheit als einen besonderen Strukturzusammenhang einzurichten, in welchem Kinder geschützt sind, und auf das Erwachsensein vorbereitet werden, ist, so Heinz Hengst und Helga Zeiher (2005), ein großes und weitgehend erfolgreiches Gesellschaftsprojekt der Moderne (Hengst und Zeiher 2005, S. 9). Allerdings könne aus einer „Binnenperspektive des Schutz- und Vorbereitungsraums“ (Zeiher 1996, S. 13) eine Eigendynamik in der Wahrnehmung von Kindern und Kindheit entstehen, die mit Zuschreibungen von Kindern als schwach, verletzlich und wehrlos oder auch als defizitär, d. h. mit fehlenden Kompetenzen ausgestattet, woraus sich dann wiederum besondere Maßnahmen für Kinder ableiten. Damit sei zwar eine große Ausdifferenzierung geeigneter Unterstützungsmaßnahmen für Kinder zu konstatieren, hierin gelte es aber die Abhängigkeiten der Generationen voneinander, insbesondere in Bezug auf Asymmetrien, Machtaspekte und Interessenspositionen zu reflektieren (Zeiher 1996, S. 10–13).

Die Auffassung von Kindheit als Phase des Lernens und der Entwicklung macht somit zwar darauf aufmerksam, dass Kindheit für Kinder speziell auszugestalten ist, geht jedoch gleichzeitig mit zum Teil nicht intendierten Auswirkungen auf ihre strukturelle und soziale Position einher. Der Versuch ihre spezielle Bedürftigkeit zum Ausdruck zu bringen, bestätigt ihre untergeordnete Position in der Gesellschaft. Je deutlicher Kinder als ‚spezielle Personen‘ konzipiert werden, desto stärker rückt auch die (strukturelle wie positionale) Unterscheidung zu Erwachsenen in den Vordergrund und separiert die Welt der Erwachsenen und die der Kinder (Giesinger 2017).

Neben dem Konstrukt von Kindheit als Schutz- und Schonraum, ist auch das Agency-Konzept zu nennen. Im Fokus dieser Betrachtungsweise steht die Akteurschaft und die Eigenständigkeit des Kindes sowie die Auseinandersetzung mit den Aktivitäten von Kindern in deren Alltag. Im Rahmen der Betonung der Eigenständigkeit des Kindes liegt – allgemein betrachtet – der Fokus darauf, Kinder als Personen zu verstehen, die sich eigenständig und kompetent ihre Welt aneignen. Das einzelne Kind wird in dieser Perspektive als ein individuelles Gegenüber modelliert, dem ein eigener Status zugeschrieben wird und die Phase der Kindheit als eine selbstständige Lebensphase akzentuiert. Unter anderem Doris Bühler-Niederberger (2020) verweist darauf, dass die zum Teil advokatorische Ausrichtung, die darauf zielt(e), die Position der Kinder in der Gesellschaft zu verbessern, ebenso wie der Wandel und die aktuellen Weiterentwicklungen dieses Konzeptes zu reflektieren seien (Bühler-Niederberger 2020, S. 196–200, 207–216). Interessant ist in diesem Zusammenhang ebenfalls, inwieweit Kindheiten und Kinder in die gesellschaftlichen Individualisierungsprozesse nicht nur als autonom agierende Akteur*innen eingebunden sind, sondern inwieweit sie zudem eigenständige wie eigensinnige Kinderkulturen herausbilden (Kaul et al. 2018, S. 6–7).

Eine pädagogische Ausformung dieser Sichtweise auf Kinder findet sich bereits im romantischen Kindheitsbild grundgelegt, welches die kindlichen Kräfte und die Eigentätigkeit des Kindes betont. Meike Sophia Baader (2004) arbeitet die beständige Aktualisierung des romantischen Kindheitsbildes heraus und resümiert: „Dass wir es auch heute in der Pädagogik immer weiter mit Kontinuitäten des romantischen Kindheitsbildes zu tun haben, ist evident und hängt mit folgenden Faktoren zusammen: mit der romantischen Kritik an tabula-rasa-Vorstellungen, der hohen Wertschätzung kindlichen Eigensinns und kindlicher Selbständigkeit sowie dem angenommenen Antagonismus zwischen Individuum und Gesellschaft“ (Baader 2004, S. 427).

Frithjof Grell (2010) führt aus, dass die kindliche Selbststätigkeit sowie die Idee der Selbstbildung auch den Ausgangspunkt moderner elementarpädagogischer Selbstbildungskonzepte der Pädagogik der frühen Kindheit darstellen. Die modernen Selbstbildungsansätze, wie sie u. a. in unterschiedlichen frühpädagogischen Überlegungen und Konzepten sowie einigen Bildungsplänen angelegt sind, betonen eine aktiv-aneignende Selbsttätigkeit des Kindes als handelndes, sich selbst bildendes Subjekt. Allerdings verweist er darauf, dass das Verhältnis von Eigenaktivität und Selbsttätigkeit zu Umweltanregungen durch Erziehung genau und kritisch zu reflektieren sei, da eine ausschließliche Fokussierung auf in der Natur des Kindes liegende Entwicklungstendenzen und Selbstbildungspotentiale elementarpädagogische Problemstellungen, theoretische Aufgaben und praktische Herausforderungen verkürze. „Während die klassische Elementarpädagogik die aktive Selbstbildung des Kleinkindes jedoch als ein schwerwiegendes Problem identifiziert, auf das eine theoretisch begründete und praktisch befriedigende Antwort gefunden werden muss, betrachten modernde Selbstbildungsansätze die unbestreitbare Tatsache der aktiv-aneignenden Selbsttätigkeit des Kindes offenbar schon selbst als Antwort auf das Problem der frühkindlichen Bildung“ (Grell 2010, S. 162, Hervorhebung im Original). Insofern verfügen Kinder zwar über die Fähigkeit, Umwelterfahrungen aktiv zu verarbeiten, diese seien jedoch durch Erwachsene zu rahmen, vorzubereiten und zu gestalten, wenn das Kind nicht nur ein Produkt der zufälligen Umstände seiner Lebenswelt werden soll (Grell 2010).

Sascha Neumann (2014) verweist darauf, dass der Bildungsbegriff in der frühen Kindheit zu einem zentralen Leitbegriff avanciert sei, der die vielfältigen Erwartungen an die Leistungen von Kindertageseinrichtungen sowohl vereint als auch verschleiert. In öffentlichen Diskussionen sei er weder per se erziehungswissenschaftlich ausgerichtet noch beinhalte er allein pädagogische oder humanistisch-kindbezogene Motive. Gerade in politischen Dokumenten werden Kindertageseinrichtungen „volkswirtschaftliche, arbeitsmarkt- und gleichstellungspolitische Funktionen“ (Neumann 2014, S. 146) zugeschrieben. Im Rahmen einer sozialinvestiven Logik kommt der frühkindlichen Bildung auch deshalb Bedeutung zu, da sie als Leistung frühpädagogischer Institutionen betrachtet wird, die sich auf Kompetenzen, Schulerfolg und employability der nachfolgenden Generation auswirkt. Die bildungsprogrammatische Rekodierung des frühpädagogischen Feldes beeinflusst damit auch die Lebensphase der frühen Kindheit: „Kindheit wird insgesamt institutionell neu geordnet: Zur privaten Familienkindheit und Schulkindheit tritt eine außerfamiliale und außerschulische Bildungskindheit in Institutionen der frühkindlichen Betreuung und Erziehung hinzu“ (Neumann 2014, S. 148, Hervorhebung im Original). An der Expansion und Verallgemeinerung von Bildung wird deutlich, so Sascha Neumann (2014), dass der Lebensabschnitt der frühen Kindheit nicht nur eine Phase der Entwicklung darstellt. Es handelt sich auch um einen Kontext der Vergesellschaftung, in welchem sich das Aufwachen als Kind in je historisch spezifischer Weise ereignet (Neumann 2014, S. 148–149).

4 Kindheitskonstruktionen als Legitimation von Interessen? Kindheitsbezogene Wissenschaften und Expertisierung

Konstruktionsprozesse von Kindern und Kindheiten finden nicht immer unabhängig von den Interessen unterschiedlicher Akteur*innen stattFootnote 9. Helga Zeiher (1996) formuliert einen Zusammenhang zwischen der Normierung von Kindheit mit einer Expertisierung und Professionalisierung. „Je mehr die Kinder als gesellschaftlichen Anforderungen nicht gewachsen wahrgenommen werden und je mehr solche Differenzen als Defizite definiert und von Experten bearbeitet werden, ein desto gewichtigerer Bestandteil der Arbeitsgesellschaft der Erwachsenen wird Kindheit“ (Zeiher 1996, S. 14).

Werner Thole und Dorothea Witt (2006) weisen mit einer historischen Perspektive auf eine Interdependenz zwischen der Konstituierung der Lebensphase Kindheit und der sozialpädagogischen Beobachtung hin. Zum einen trug die Sozialpädagogik maßgeblich dazu bei, Kindheit als eine von der Erwachsenenwelt differente Lebensphase auszubuchstabieren. Zum anderen war damit ein spezifischer Fokus verbunden, denn erst über die Formulierung einer Defizithypothese konnte Kindheit als eigenständige Lebensphase entdeckt sowie die an diese Phase adressierte Aufmerksamkeit legitimiert werden. Die Konstituierung von Kindheit mit zu fundieren und darüber zugleich ein gesellschaftlich notwendiges disziplinäres wie professionelles System zu begründen, lässt sich insofern als doppelte Perspektive des sozialpädagogischen Blicks bezeichnen. Vor diesem Hintergrund und der aufmerksamen Beobachtung und Reflexion gesellschaftlicher Veränderungen ergibt sich für die Sozialpädagogik die Aufgabe, die Modernisierungen der Kindheitsphase kritisch zu kommentieren. Als Kern einer theoretischen Kodierung des Verhältnisses von Kindheit und Sozialpädagogik sowie einer darauf bezogenen Handlungspraxis identifizieren Werner Thole und Dorothea Witt (2006) die empirische Ortung und reflexive Durchdringung der Ambivalenzen des Wegs durch die Phasen des Heranwachsens sowie die punktgenaue Abwägung der Optionen „zwischen einem starren erzieherischen, ‚sozial-disziplinären‘ und einem den Eigensinn und Autonomie achtenden Blick“ (Thole und Witt 2006, S. 24).

Sozialwissenschaftliche Disziplinen sind auch an der Erschaffung neuer Formen des Kindseins beteiligt und verändern sich dadurch (Lange 2013, S. 77). Beispielsweise stellen Philipp Sandermann, Bernd Dollinger, Brit Heyer, Heinz Messmer und Sascha Neumann (2011) eine Überlagerung sozialpädagogischer Praxis mit bildungs- und sozialpolitischen Programmatiken für den Bereich der Kindertagesbetreuung heraus. Betrachte man bildungspolitische Programmatiken, die auf Einrichtungen der Kindertagesbetreuung zielen, so spielten dort Bildungs- und Erziehungspläne der jeweiligen Bundesländer eine entscheidende Rolle. Die Konstruktion des Kindes und die Auslegung des Bildungsbegriffs würden systematisch und funktional miteinander verknüpft. „Das Kind dient dabei als ontologischer Rückhalt, um das jeweilige Bildungsverständnis und die sich daraus ergebenden Imperative für die Ausgestaltung der frühpädagogischen Praxis zu plausibilisieren“ (Sandermann et al. 2011, S. 45). Über die Eigenaktivität des Lernens und der damit in Zusammenhang gebrachten Betonung der Selbstbildung und des Gelegenheitslernens, ist das Kind sowohl Adressat*in als auch Legitimationsressource von Pädagogik.

Mit Blick darauf, wie kindliche Bildungsprozesse in Kindertagesstätten beobachtet und dokumentiert werden, lasse sich nachvollziehen, „wie es der sozialpädagogischen Praxis gelingt, die Verwirklichung von Selbstbildungsprozessen – gleichsam paradox – als ihre eigene Leistung zur Darstellung zu bringen, und dem Geschehen somit eine sozialpädagogische Relevanz bzw. eine Bildungsbedeutsamkeit einzuschreiben“ (Sandermann et al. 2011, S. 45). Gerade Verfahren der Beobachtung und Dokumentation erlauben es, Veränderungen sichtbar zu machen, ohne sie selbst unmittelbar hervorbringen zu müssen und gewinnen somit den Status einer sozialpädagogischen Methode. Gerade die Portfolioarbeit sei sowohl Bestandteil des Bildungsprozesses als auch Mittel zu dessen Dokumentation mit der Funktion, das gebildete Kind als sich-bildendes Kind sichtbar werden zu lassen. Es geht also nicht nur um die pädagogische Begleitung individueller kindlicher Bildungsprozesse, sondern es handelt sich immer auch um Formen der Selbstbeobachtung bei der Verwirklichung des eigenen Anspruchs. Soziale Arbeit konstruiert dabei das sich-selbstbildende Kind als Antwort auf die aktuellen bildungspolitischen Herausforderungen und vergegenwärtigt sich damit gleichzeitig ihre eigene Wirksamkeit. „Damit ist Soziale Arbeit aber nicht wie das Einzelwesen Kind, auf das sich Programmatik und Praxis beziehen, bloß ein ‚Objekt‘ sozial- und bildungspolitischer Effektivierungsstrategien. Sie ist vielmehr aktiver Teil jenes wohlfahrtssystematischen Effektivierungsprozesses, den sie einerseits bedient und andererseits dazu nutzt, um ihre gesellschaftliche Reputation zu steigern“ (Sandermann et al. 2011, S. 46).

5 Konstruierte Kindheit(en) – Zusammenfassende Überlegungen

Eine (sozial-)konstruktivistische Sichtweise auf Kindheit sensibilisiert zum einen dafür – historisch betrachtet – von einer Variabilität bezüglich der Altersgrenze anhand derer Kinder als Kinder bezeichnet werden, auszugehen und zum anderen dafür, die Vorstellungen von Kindheit nicht in einer präzisen zeitlichen Abfolge zu denken. Dass durchaus mehrere Kindheitsmodelle zum selben Zeitpunkt koexistieren, Kindheit selbst sowie auch ihre Geschichte nicht als Konstante betrachtet werden kann, verweist auf ein komplexes Verhältnis von Kontinuität und Wandel (Baader 2004) innerhalb dessen Kindheit prozesshaft (re-)produziert und darüber mitunter auch transformiert wird. Ebenso liegt kein einheitliches Verständnis vor, was Kindheit letztlich kennzeichnet. Kindheit wird von unterschiedlichen Disziplinen durchaus heterogen (Thole et al. 2013) sowie über spezifische Interessen motiviert, entworfen. Entsprechende Konstruktionen formulieren zum einen mehr oder weniger stark normativ aufgeladene Anforderungen an verschiedene Akteur*innen. Zum anderen erscheinen Prozesse der Herstellung von Kindheit auch mit einer disziplinären Konstituierung, Transformation sowie der Legitimation verwoben.

In diesem Kapitel wurden insbesondere die mit den unterschiedlichen Vorstellungen von Kindern und Kindheiten einhergehenden Zuschreibungen herausgearbeitet, die sich in stetigem Wandel und kontinuierlicher Bearbeitung befinden. Damit lässt sich mit Elisabeth von Stechow (2004) an dieser Stelle vorläufig zusammenfassen, dass durch veränderte Kindheitsräume und Kindheitszeiten Bilder von Kindern und Kindheiten zu neuen Wirklichkeitskonstruktionen werden, die wieder in den (kulturellen) Prozess eingehen, aus dem sie hervorgegangen sind. „Bildern von Kindern liegen Vorstellungen zugrunde, die kennzeichnen, was wir ‚eigentlich‘ von Kindern denken, d. h. was wir als ihre fundamentalen Eigenschaften annehmen, welche Bedürfnisse wir ihnen zubilligen, welche Handlungstendenzen und Ziele wir ihnen zuschreiben und welche Erwartungen wir an sie stellen können“ (Stechow 2004, S. 62).

Bilder von Kindern und Kindheiten, als sich innerhalb von Gesellschaften konstituierende Wissensformen und Denkkonzepte, sind also Aushandlungsprozessen unterworfen und können in einem Spannungsfeld unterschiedlicher Interessen verschiedener gesellschaftlicher Gruppen situiert werden. Wenngleich zu berücksichtigen ist, dass diese Aushandlungsprozesse sowohl auf öffentlich-medialen, politischen und wissenschaftlichen Ebenen wie auch in alltäglichen Kontexten innerhalb pädagogischer Institutionen und Familien stattfinden (Bischoff und Knoll 2015, S. 416), wird in dieser Arbeit eine Fokussierung auf die diskursive Konstruktion von Kindheit in öffentlichen Diskursen vorgenommen.