„Wir im Osten“
In Potsdam kommt die DDR wieder hoch
Ein Teil der Rudolf-Breitscheid-Straße ist mit Schlaglöchern übersät, die nun die Vergangenheit zutage befördern.
Kennen Sie die schlimmste Straße des Ostens? Ich glaube, ich habe sie jetzt entdeckt. Die Rudolf-Breitscheid-Straße, die von der Berliner Stadtgrenze durch Babelsberg an der Uni Potsdam und den weltberühmten Filmstudios vorbei hinein in die schöne Landeshauptstadt von Brandenburg führt. Seit Jahren ist ihr Zustand erbärmlich. Ein Teil der Straße ist inzwischen wie ein Schweizer Käse mit Schlaglöchern durchsiebt. Wo einst noch Asphalt war, kommt jetzt die DDR wieder hoch.
Ich spreche von den alten Pflastersteinen, die in jener Zeit die Fahrbahn der Rudolf-Breitscheid-Straße zierten und nun in den Kratern der Schlaglöcher wieder sichtbar werden. Diese Löcher sind so tief und breit, dass man darin Blumen pflanzen könnte, wie ein Kollege einer anderen Zeitung scherzhaft schrieb.
Die Kraterpiste von Babelsberg: Wenn ich mit dem Auto nach Potsdam will, meide ich sie, suche mir inzwischen lieber andere Wege, als noch einen Schaden am Wagen zu riskieren. Auch für Radfahrer ist die Strecke zwischen Landesgrenze und August-Bebel-Straße nahe der Uni und den Filmstudios hochgefährlich.
Nun fragen Sie bestimmt, warum die Stadt Potsdam nichts gegen die Schlaglochpiste unternimmt, die doch für die Sicherheit der Straßen verantwortlich ist. Ich habe nachgefragt und erfahren, dass in den Jahren 2012, 2013, 2014 und 2021 punktuell Reparaturen in der Rudolf-Breitscheid-Straße durchgeführt wurden.
Flickschusterei nannte man so etwas in der DDR. Gebracht hat sie nichts – bis auf eine Ausnahme, als in einem kleinen Teilbereich mithilfe eines Energieunternehmens der Fahrbahnbelag richtig erneuert wurde, als dort Rohre verlegt wurden.
Die schlimmste Straße des Ostens: Flickschusterei wie zu DDR-Zeiten
Weiter erfahre ich, dass die Schlaglöcher nicht etwa durch harte Winter entstanden sind. Denn der Asphalt, den man in den 90er-Jahren über das DDR-Kopfsteinpflaster der Rudolf-Breitscheid-Straße legte, hat nun „seine Lebenszeit inzwischen bei weitem überschritten“, wie man mir aus dem Potsdamer Rathaus schrieb. Und er löst sich auch „aufgrund des allgemein nicht vorhandenen regelkonformen Oberbaus der Straße in Schollen auf“.
Mit anderen Worten, da hat man wohl damals ordentlich gepfuscht. Einfach Asphalt auf eine alte DDR-Straße raufklatschen und fertig waren die neuen „blühenden Landschaften“, die nun recht löchrig sind.
„Eine Reparatur hat bei diesem flächenhaften Schadensbild überhaupt keine Aussicht auf Erfolg“ heißt es weiter. „Nur mit einem grundhaften Ausbau kann ein dauerhaft verkehrssicherer Zustand herbeigeführt werden.“
Doch dafür fehlt das Geld. Denn in Potsdam gibt es noch mehr Straßenlöcher zu stopfen – nicht nur in der Rudolf-Breitscheid-Straße. Dafür bräuchte man 50 Millionen Euro wären nötig, um allein die in diesem Winter entstandenen Schäden auszubessern. Doch die Stadt hat dafür nur 3,6 Millionen Euro in diesem Jahr im Etat, erklärte bereits im März die zuständige Behörde.
Nun, im Mai werden in der Rudolf-Breitscheid-Straße wenigstens „vorrangig im Bereich des Radschutzstreifens versuchsweise Ausbesserungsarbeiten mit Gussasphalt ausgeführt“, teilt man mir jetzt per Mail mit. Eine Aussicht auf einen längerfristigen Erfolg dieser Arbeiten gibt es allerdings nicht, so die Stadtverwaltung.
Mal sehen, was passieren wird. Entweder es gibt einen plötzlichen Geldregen, der für eine richtige Sanierung der Rudolf-Breitscheid-Straße sorgt, oder die DDR mit ihrem Belag kommt dort irgendwann komplett zum Vorschein.
Norbert Koch-Klaucke schreibt jeden Freitag im KURIER über Geschichten aus dem Osten. Kontakt in die Redaktion: wirvonhier@berlinerverlag.com ■