Die Geschichte der Ehe

Die Geschichte der Ehe – ein Abriss

von Daniela Schmohl

Dass die Ehe als dauerhafte Lebensgemeinschaft zweier Menschen verschiedenen Geschlechts bereits seit Jahrhunderten existiert, ist bekannt. Im Laufe der Zeit entwickelte sich die Ehe von einer Schutz- und Zwangsgemeinschaft zu einer eher individuell begr�ndeten Lebens- und Liebesgemeinschaft. In den letzten Jahrzehnten ist eine starke Zunahme der nichtehelichen Lebensgemeinschaften zu beobachten – die Zahl der Eheschlie�ungen ist seit Jahren stark zur�ckgegangen, w�hrend die Zahl der Scheidungen zugenommen hat.

Die Ehe wird auch nicht mehr als Vorform der Familie angesehen. Auch die patriarchale Gattenbeziehung, das hei�t die Vorherrschaft des Mannes in der Ehe, sollte dem heutigen Selbstverst�ndnis und dem hiesigen Gesetzestext nach der Vergangenheit angeh�ren. Das Ideal einer gleichberechtigten und partnerschaftlichen Beziehung wird hochgehalten, aber keineswegs immer praktiziert. Immerhin ist inzwischen die �konomische Unabh�ngigkeit der Frauen von ihrem Ehegatten m�glich geworden.

Trotz der eher pers�nlichen Bedeutung f�r ein Ehepaar hat die Institution Ehe auch immer eine wichtige gesellschaftliche Rolle gespielt. Menschen, deren Partnerschaften nicht der gesellschaftlichen Norm entsprechen, wurden und werden von der Gesellschaft – wenn auch in unterschiedlichem Ma�e – ausgeschlossen: ausgegrenzt, diskriminiert, wirtschaftlich benachteiligt oder sogar verfolgt. In der Vergangenheit beispielsweise ledige M�tter im Mittelalter, im nationalsozialistischen Deutschland j�dische und �nicht-arische� Ehepartner. Bis heute werden homosexuelle Lebensgemeinschaften und binationale Paare, bei denen ein Partner oder eine Partnerin keinen eigenen Aufenthaltsstatus besitzt, gesetzlich und gesellschaftlich nicht gleichgestellt.

Dieser Artikel versucht die unterschiedlichen Funktionen der Ehe im Laufe der Zeit darzulegen, die Einfl�sse von Kirche und Staat auf diese weit verbreitete und oft einzige gesellschaftlich akzeptierte Form des Zusammenlebens aufzuzeigen und die Verbindung zwischen Diskriminierung und gesellschaftlicher Norm darzulegen.

Dossier #13: Ehe und Migration. Der privilegierte Status, den eine Ehe gew�hrt, geht einher damit, ihn nicht jedem und jeder einzur�umen bzw. einigen den Zugang zu erschweren. In Deutschland betrifft dies vor allem Partnerschaften, in denen einer der Partner nicht den deutschen Pass besitzt.

  1. Ehe und Migration
  2. Die Geschichte der Ehe
    (Daniela Schmohl)
  3. Heirat zwischen Arrangement und Zwang
    (Siri Pahnke)
  4. Eine Form der Zwangsheirat: Die Imamehe
    (Daniela Schmohl)
  5. Binationale Ehe: Scheinehe – Schutzehe – Zweckehe?
    (Clara K�c�k)
  6. Schutzehe.de – ein Kunstprojekt
  7. Interview mit einem so genannten �Scheinehepaar�
  8. Rezension: Antje Dertinger: �Schenk mir Deinen Namen.�
    (Katja Brunsch)
  9. Solidarity with Women in Distress
  10. ROSA e.V.
  11. Weiterf�hrende Materialien

Normen als Grundlagen der Ehe

Die Ehe wird durch verschiedene rechtliche, soziale und religi�se Normen geregelt.(1) Die rechtlichen Normen regeln z.B. Fragen der Ehem�ndigkeit, der Ehescheidung und des Erbrechts. Die sozialen Normen spiegeln sich in der Partnerwahl, die auch heute noch oft durch Konfessions-, Rang- und Besitzgesichtspunkte bestimmt ist. Auch wenn das Recht der meisten Staaten eine Einschr�nkung nicht vorsieht, ist in einzelnen Schichten oder L�ndern durchaus noch das Einspruchsrecht von Eltern und Familien eher die Regel als die Ausnahme. Voraussetzung f�r eine Eheschlie�ung ist gemeinhin auch eine gewisse wirtschaftliche Sicherheit. Einfluss auf das sexuelle Verhalten, die Haltung zur Scheidung oder die Kinderzahl nehmen religi�se Normen (z.B. das Verbot der Anwendung von empf�ngnisverh�tenden Mitteln durch die katholische Kirche).

(1) Ehe kommt von dem althochdeutschen Wort ewe und hei�t Gesetz oder Gewohnheitsrecht.

Man geht davon aus, dass die Ehe zun�chst einem Friedens- und B�ndnisvertrag zwischen Sippen gleichkam. Sie verband unterschiedliche Clans oder Familien und sicherte so beiderseitiges �berleben. Bereits seit der Antike ist die Ehe als Bedingung f�r die Gr�ndung einer Familie und damit als Grundlage von Gesellschaft angesehen.

Von Anfang an erf�llte die Institution der Ehe sowohl Ordnungs- als auch Schutzfunktionen. Sie sicherte in fr�hen Zeiten das �berleben einer Familie durch Erbfolge, regelte Geburten und Kindererziehung, kontrollierte das Verhalten junger Frauen, sie war eine Gemeinschaft, die lange vor dem Sozialstaat Ern�hrung und Unterst�tzung ebenso verbindlich machte, wie sie die Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau in einer Ehe klar reglementierte und die Rollen in der Partnerschaft festschrieb.

Eine Ehe sicherte auch die in ihr geborenen Kinder ab – uneheliche Kinder wurden nicht anerkannt und erhielten oft genug keinerlei Unterst�tzung oder gar gleichberechtigte Behandlung von ihren V�tern und anderen Familienangeh�rigen. Im Laufe der Zeit �nderten sich nicht nur die Bedeutung der Ehe sondern auch die Regeln des Zusammenlebens.

Die Ehe im Christentum – das mittelalterliche Z�libat und Ehesakrament

Das Christentum gab der europ�ischen Ehe ihre spezielle Pr�gung. Im Vordergrund standen Monogamie, Unaufl�slichkeit und der eigentliche Zweck der Ehe, die Zeugung von Kindern. Zwar sollte die Ehe auch das �berleben einer bestimmten Linie (Erbfolge) sichern, aber die Ehe betonte in erster Linie die Zweierbeziehung zwischen den Eheleuten und nicht die Beziehung zum Clan oder der Familie (im weiteren Sinne) wie in verschiedenen au�ereurop�ischen Kulturen. Mit dieser Betonung wurde die Entwicklung zur Kernfamilie (Kinder, Eltern, evtl. noch Gro�eltern) gef�rdert.

Die Ehe galt gegen�ber einem keuschen Leben als minderwertig. Das Pflichtz�libat(2) wurde im 12. Jahrhundert eingef�hrt und manifestierte die Aufteilung der mittelalterlichen Gesellschaft in den ehelosen Stand der Kleriker (M�nchen, Nonnen und Priester) und den minderwertigeren Stand der Laien.

(2) Vom lateinischen Wort caelibatus abgeleitet, das Ehelosigkeit hei�t. Das Z�libat ist die dauernde (oder zeitweilige) selbst gew�hlte Lebensform der Ehelosigkeit und der geschlechtlichen Enthaltsamkeit bei katholischen Priestern.

Gleichzeitig wurde die Ehe mit der Formel �…bis dass der Tod Euch scheidet…� als Sakrament definiert und der kirchlichen Gerichtsbarkeit unterstellt. Bereits seit dem 9. Jahrhundert wurde die Forderung nach der alleinigen Akzeptanz der kirchlichen Eheschlie�ung verst�rkt. Das kirchliche Eherechtsmonopol und die christliche Heirat setzten sich aber erst im 12. Jahrhundert gegen lokale Traditionen durch.

Die katholische Kirche hat bis heute nicht nur die Teilung in Kleriker und Laien beibehalten, sondern auch das Prinzip der Unaufl�slichkeit der Ehe und die alleinige G�ltigkeit der kirchlichen Verm�hlung.
Eine weitere wichtige �nderung gegen�ber den vorher verbreiteten Eheschlie�ungen setzte sich im fr�hen Mittelalter durch: die Ehe nach dem Konsensprinzip. Die Verlobung markierte den Beginn der Ehe und beide Ehepartner hatten in die Eheschlie�ung einzuwilligen. Innerhalb ihres Standes war damit eine relativ freie Wahl des Partners oder der Partnerin m�glich. Das bedeutete aber noch lange nicht die heutige Freiheit, sich f�r oder gegen eine Ehe zu entscheiden. Die materielle Absicherung war weiterhin das ausschlaggebende Argument.

Auch lokale Traditionen wie die Heirat unter Blutsverwandten oder der Brautkauf hatten weiterhin Bestand und wurden besonders von der katholischen Kirche bek�mpft.

Wegen der geringen Lebenserwartung durch Krankheiten, harter k�rperlicher Arbeit und anderer Entbehrungen waren Ehen oft von kurzer Dauer und Wiederverheiratung an der Tagesordnung. Gerade f�r Frauen war die Ehe oft die einzige wirtschaftliche Absicherung, zumal sie keineswegs gleichberechtigt an Handel und Wirtschaft teilnehmen durften. So schrieben die deutschen Z�nfte des 13. und 14. Jahrhunderts den Witwen der Handwerksmeister eine Wiederverheiratung innerhalb der eigenen Zunft vor – und oft war dies wiederum f�r Gesellen der einzige Weg einen Meisterbrief zu erhalten.

Am Ende des Hochmittelalters hatte sich das kanonische Eherecht mit der Ehe als unaufl�sbares Sakrament und dem kirchlichen Heiratsmonopol durchgesetzt.

Die Reformation brachte auch f�r die Ehe neue Impulse. In der protestantischen Kirche wurde das Z�libat von vornherein abgelehnt und der sakramentale Status verneint. Die Priesterehen wurden zum Vorbild der christlichen Ehef�hrung. Zwar lockerte sich damit das kirchliche Verh�ltnis zur ehelichen Sexualit�t, die bis dahin verp�nt und lediglich zur Kinderzeugung akzeptiert wurde – was sich auch in der abwertenden Haltung gegen�ber der Frau �u�erte. Andererseits versch�rfte sich damit aber die Diskriminierung nichtehelicher Kinder und vor allem ihrer M�tter.

Der institutionelle Charakter der Ehe blieb jedoch gleich. Hauptzweck der Ehe waren die Sicherung der Nachkommenschaft. Mit der religi�sen Aufwertung der Familie wurde v.a. die patriarchale Stellung des Ehemanns und Hausvaters gest�rkt. Bis zur Einf�hrung eines partnerschaftlichen Eherechts im 20. Jahrhundert sollte sich auch nichts an der Aufteilung – Mann ern�hrt die Familie mit seiner Arbeit und Frau ist f�r Kinder und Haushalt verantwortlich – �ndern. (Was allerdings nicht hei�t, dass heutzutage keine Ehe oder Partnerschaft mehr diesem Schema entspricht.)

Romantik und B�rgertum erfinden die Liebesehe – S�kularisierung und Kulturkampf

Die �Liebesehe� ist eine Sch�pfung des aufstrebenden B�rgertums im 18. Jahrhundert. Bis zu diesem Zeitpunkt waren Liebe und Sexualit�t eher au�ereheliche Angelegenheiten. Ehen wurden geschlossen, um aristokratische Dynastien abzusichern oder auszubauen. Bei den st�dtischen wie b�uerlichen Unterschichten blieb die Ehe eine wirtschaftliche Zwangsgemeinschaft. Die Romantik gab dem B�rgertum das Ideal von der Vereinbarkeit von Liebe, Sexualit�t und der Ehe. Damit verbunden war die Betonung der gutb�rgerlichen Sittlichkeit durch das h�usliche Ehe- und Familienleben. Die Kleinfamilie stand fortan im Mittelpunkt – einhergehend mit der Reduzierung der Frauen auf ihre reine Hausfrauenrolle und der Disziplinierung der M�nner durch die Verp�nung von Schankwirtschaft und Prostitution.

Trotz dieses Ideals dauerte es einige Zeit, bevor sich das b�rgerliche Modell durchgesetzt hatte. Nicht nur die schlechte wirtschaftliche Lage von gro�en Teilen der Bev�lkerung stand dem entgegen – Standesschranken, Wohnungsnot, Niedergang der Handwerke oder das Warten auf das v�terliche Erbe waren nur einige weitere Hindernisse. Oft genug waren in St�dten Ehen mit Ortsfremden verboten oder eine Heirat vom Nachweis eines Mindestverm�gens abh�ngig. Nicht zuletzt unterlag auch die eheliche Liebe dem patriarchalen Ehevollzug und einer strengen moralischen Ordnung.

In Deutschland war die Eheschlie�ung bis Ende des 18. Jahrhunderts eine kirchliche Angelegenheit. Mit dem Einfluss des franz�sischen Rechts(3) wurde die Zivilehe beg�nstigt. Auf diesem Weg heirateten zun�chst vor allem diejenigen Menschen, die keiner der gro�en Konfessionen angeh�rten und denen deswegen die kirchliche Trauung bisher verwehrt worden war.

Als Folge des Kulturkampfes(4) wurde das Zivilehegesetz 1874 als preu�isches Landesgesetz und 1875 als Reichsgesetz eingef�hrt. Damit konnte die Ehe durch die staatlichen Standes�mter und unabh�ngig vom Glaubensbekenntnis geschlossen werden. Eine kirchliche Eheschlie�ung konnte zus�tzlich nach der b�rgerlich-rechtlichen Eheschlie�ung erfolgen.

Mit der Durchsetzung der Liebesehen gingen mehrere Konsequenzen einher. Zum einen nahm der Einfluss der Familie auf die Partnerwahl zusehends ab. Zum anderen musste nun auch die Legitimit�t einer Scheidung akzeptiert werden.

(3) Der Code civil oder Code Napol�on von 1804 sah in Anlehnung an die Ideale der Franz�sischen Revolution nicht nur die Gleichheit vor dem Gesetz oder die Eigentumsfreiheit, sondern auch die Zivilehe vor.
(4) Auseinandersetzung zwischen Reichskanzler Otto von Bismarck und Papst Pius IX. bzw. dessen Nachfolger Leo XIII. in den Jahren 1871-1887 – Ausl�ser des Konflikts war die Weigerung der preu�ischen Regierung, Religionslehrer, Priester und Professoren, die in Diensten des Staates standen, aufgrund eines innerkirchlichen Lehrzuchtverfahrens zu entlassen. Hintergrund war hier die Unfehlbarkeitserkl�rung des Papstes. Einw�nde der Zentrumspartei als katholischer Interessenvertretung im protestantischen deutschen Kaiserreich beantwortete Bismarck, der f�r eine strikte Trennung von Staat und Kirche eintrat, mit zahlreichen gesetzlichen Repressionen. So wurden u.a. mit dem �Kanzlerparagraph� Geistliche, die sich �ffentlich gegen staatliche Politik aussprachen mit bis zu zwei Jahren Haft bestraft, die diplomatischen Beziehungen zum Vatikan und alle staatlichen Zahlungen an die Kirche eingestellt.

Funktionalisierung im Nationalsozialismus und die Ehe in der zweiten H�lfte des 20. Jahrhunderts

Im Nationalsozialismus wurde die b�rgerliche Ehe den Zielen des Staates unterworfen. Die so genannten �N�rnberger Gesetze�(5) verboten Eheschlie�ungen zwischen �Juden und Staatsangeh�rigen deutschen oder artverwandten Blutes� (sog. �Rassenschande�). Die N�rnberger Gesetze verbreiterten die juristische Basis f�r die Diskriminierung und Verfolgung der Juden in Deutschland.

(5) genauer: das �Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre� vom 15. September 1935

Durch das Erbgesundheitsgesetz sollte die �reinrassige Reproduktion� f�r �Volk und F�hrer� gew�hrleistet werden.
Nach dem Ende des 2. Weltkrieges erlie� der Alliierte Kontrollrat am 20. Februar 1946 ein eigenst�ndiges Ehegesetz, das die oben genannten nationalsozialistischen Gesetze aufhob. Die neuen gesetzlichen Regelungen kamen dem alten Rechtszustand des B�rgerlichen Gesetzbuches nahe. Damit wurden auch Fragen geregelt, die infolge der Kriegsereignisse entstanden waren.

Die besondere Stellung der Ehe regelt zudem Artikel 6 des Grundgesetzes: Die Ehe steht unter dem besonderen Schutz des Staates, doch ihr Kern wird dessen direktem Zugriff entzogen.

Nach Gr�ndung der DDR wurde f�r deren Gebiet das Ehegesetz durch die �Verordnung �ber Eheschlie�ung und Eheaufl�sung� vom 24. November 1955 abgel�st und diese 1965 in das neu geschaffene Familiengesetzbuch integriert.

Der wirtschaftliche Aufschwung der 50er Jahre brachte es mit sich, dass bereits junge Menschen finanziell eigenst�ndig leben konnten und sich damit fr�her f�r eine Ehe entscheiden konnten. Allerdings war dies nicht nur eine Chance, sondern auch ein gesellschaftlicher Druck zu heiraten. Denn die Ehe blieb zun�chst weiterhin die einzig akzeptierte Form heterosexuellen Zusammenlebens, au�erdem war sie f�r Frauen beinahe die einzige Gelegenheit von den Eltern weg in einen eigenen Haushalt zu ziehen. Die klassische Arbeitsteilung – Mann sichert den Unterhalt und Frau k�mmert sich um �Heim & Herd� und die Kinder – wurde in den F�nfziger Jahren nicht hinterfragt.

Mit der sexuellen Revolution(6) verlor auch die b�rgerliche Ehe zunehmend an Bedeutung. Gesetzlich wurde dies vor allem durch die Gleichstellung ehelicher und nichtehelicher Kinder manifestiert.
In den 70er Jahren fanden nichteheliche Lebensformen weite Verbreitung und die Scheidungsraten stiegen an.

(6) Bezeichnung f�r das Aufbegehren gegen die �berkommenen restriktiven Sexualnormen vor allem in den 1960er und 70er Jahren und die Befreiung von ihnen sowie f�r die relativ schnellen Ver�nderungen in der Einstellung und im sexuellen Verhalten in der Bev�lkerung. Einige Kinofilme, die sexuelle Tabus brachen, der Rock’n'Roll mit seinen Festivals ab den 50er Jahren, die schnelle Verbreitung der �Antibabypille�, die vor allem von den politisch linken Studenten und Sch�lern ausgehenden politischen Unruhen, der Ruf nach freier Liebe, Bikini und Minirock in den 60er Jahren, die heftigen und anhaltenden �ffentlichen Diskussionen um Pornographie und Abtreibung (Schwangerschaftsabbruch) mit dem �ffentlichen Bekenntnis vieler auch prominenter Frauen: �Wir haben abgetrieben�, die Erlaubnis von �einfacher� Pornographie einschlie�lich Sexshops, Sexkinos und Liveshows durch �nderung des � 184 des deutschen Strafgesetzbuchs Anfang der 70er Jahre u.a. waren Zeichen einer schnellen Ver�nderung, wie es sie nie zuvor gegeben hatte.

Das Eherecht wurde auch in den 80er und 90er Jahren weiter ausgebaut. Mittlerweile werden Ehegatten �konomische Vorteile wie zum Beispiel das Ehegattensplitting bei der Berechnung der Einkommensteuer einger�umt. Allerdings bringt das vor allem dann �konomische Vorteile, wenn die Einkommen der Ehepartner sich deutlich voneinander unterscheiden – diese Regelung ist als Anreiz zur �Hausfrauenehe� in die Kritik geraten.

Seit dem 1. August 2001 ist eine �eingetragene Lebenspartnerschaft� gleichgeschlechtlicher Paare in der BRD m�glich. Diese so genannte Homoehe bringt fast alle rechtlichen und sozialen Pflichten einer Ehe mit sich, bietet aber nur wenige ihrer Vorteile. Und sie ist bisher keineswegs bev�lkerungs�bergreifend akzeptiert.

Heute heiraten immer weniger Paare. 1950 wurden 750.000 Ehen geschlossen, aber diese Zahl nahm kontinuierlich ab. 1970 heirateten nur noch 575.000 Paare und im Jahr 2003 etwa noch 383.000.(7) Dass die Ehe auch eine politische Funktion haben und in gewisser Weise Schutz bieten kann, gerade f�r von Verfolgung bedrohte Menschen, wie in der Zeit des Nationalsozialismus oder f�r Migrantinnen und Migranten ohne Asyl, wird in den folgenden Artikeln dargelegt.

(7) Quelle: Bundesamt f�r Statistik Deutschland, �bersicht Eheschlie�ungen, Ehescheidungen ab 1946 (Excel / 120 KB)

Daniela Schmohl, Historikerin.

Literatur zur Geschichte von Ehe und Familie:

  • Ari�s, Philippe: Die Geschichte der Kindheit, M�nchen 1977.
  • Ari�s, Philippe; B�jin, Andr�; Focault, Michael (Hrsg.): Die Masken des Begehrens und die Metamorphosen der Sinnlichkeit. Zur Geschichte der Sexualit�t im Abendland, Frankfurt 1984.
  • Hareven, Tamara K.: Familiengeschichte, Lebenslauf und sozialer Wandel, Frankfurt/M. 1999.
    Mitterauer, Michael; Sieder, Rolf: Vom Patriarchat zur Partnerschaft. Zum Strukturwandel der Familie, M�nchen 1991.
  • Mitterauer, Michael: Ledige M�tter. Zur Geschichte illegitimer Geburten in Europa, M�nchen 1983.
  • M�hle, Sylvia: Nichteheliche Lebensgemeinschaften in historischer Perspektive, in: Thomas Klein, Wolfgang Lauterbach (Hrsg.) Nichteheliche Lebensgemeinschaften. Analysen zum Wandel partnerschaftlicher Lebensformen, Opladen 1999, S. 183-204.
  • Pfister, Ulrich: Die Anf�nge der Geburtenbeschr�nkung. Eine Fallstudie (ausgew�hlte Z�rcher Familien im 17. und 18. Jahrhundert), Bern 1985.
  • Schnell, R�diger: Sexualit�t und Emotionalit�t in der vormodernen Ehe, K�ln 2002.
  • Sieder, Rolf: Sozialgeschichte der Familie, Frankfurt/ M. 1987.

N�chster Artikel: Heirat zwischen Arrangement und Zwang