Wolfgang Graf Berghe von Trips: Der verlorene Weltmeister | AUTO MOTOR UND SPORT

Wolfgang Graf Berghe von Trips
Der verlorene Weltmeister

1000. GP

Wolfgang Graf Berghe von Trips hatte 1961 den WM-Titel schon auf dem Fuß. Dann kam jener verhängnisvolle 10. September 1961 in Monza. Trips fand bei einer Kollision in der zweiten Runde den Tod. Und mit dem Ferrari-Piloten starben 15 Zuschauer.

Wolfgang Graf Berghe von Trips - Ferrari 156 - GP Niederlande 1961 - Zandvoort
Foto: Julius Weitmann

Wolfgang Graf Berghe von Trips war 33 Jahre alt, als er nach dem WM-Titel griff. Der Gentleman-Fahrer aus Köln fuhr in der Saison 1961 nach Siegen in Zandvoort und Aintree mit 4 Punkten Vorsprung auf Teamkollege Phil Hill zum vorletzten Lauf der Weltmeisterschaft nach Monza. Da nur die besten fünf von acht Resultaten gewertet wurden und sich Ferrari das Finale in den USA aus Kostengründen ersparen wollte, musste der Deutsche nur vor Hill ins Ziel kommen, um Weltmeister zu werden.

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Trips reiste aus Südfrankreich nach Italien. Er hatte mit Kollege Hans Herrmann ein paar unbeschwerte Tage in der Camargue verbracht. Die beiden Rennfahrer waren im Nebenberuf Autotester. Herrmann für die „Bunte“, Trips für die „Bild-Zeitung“. Herrmann erzählt von seiner letzten Begegnung mit seinem Freund: „Wir haben uns getroffen, um einen neuen Renault 4 zu testen. Aus Blödsinn sind wir mit dem Renault auf den Strand gefahren, hatten aber unterschätzt, dass irgendwann die Flut zurückkommen würde. Plötzlich standen wir alle im Wasser. Wir mussten einen Bauern holen, um das Auto wieder rauszuschleppen.“

Hassliebe zu Monza

Dann rief Enzo Ferrari an. Reifentests für das vorentscheidende Rennen in Monza standen an. Ausgerechnet Monza. Trips verband mit dem Autodrom eine Art Hassliebe. 1956 verhinderte ein schwerer Trainingsunfall in der Curva Grande nach einem Lenkhebelbruch das Formel 1-Debüt. Es wurde 1957 in Argentinien nachgeholt. 1958 fuhr Trips in der Startrunde zum GP Italien auf den B.R.M. von Harry Schell auf. Beide Autos flogen in den Wald. Trips bekam ein Jahr lang Hausverbot in Maranello.

1960 wurde Trips begnadigt. Er war wieder Werkspilot, schloss die WM mit 10 Punkten als Sechster ab. Ferrari hatte für 1960 das falsche Auto. Der Commendatore versteifte sich noch auf das gute alte Frontmotor-Prinzip, das von den Mittelmotor-Konstruktionen von Cooper, Lotus und B.R.M. längst an die Wand gefahren wurde. Dafür kam Ferrari 1961 umso stärker zurück. Für das erste Jahr der 1,5 Liter Formel hatte Maranello das perfekte Auto gebaut.

Enzo Ferrari - Wolfgang Graf Berghe von Trips - Monza 1960
Julius Weitmann
Enzo Ferrari und sein Fahrer Wolfgang Graf Berghe von Trips bei Testfahrten in Monza 1960.

Das bewährte Formel 2-Auto Tipo 156 wurde aufgemöbelt und mit einem V6 mit wahlweise 65 und 120 Grad Zylinderwinkel bestückt. Sie gaben zwischen 180 und 190 PS ab. Der Ferrari 156 wurde zum dominierenden Auto der Saison, weil die Engländer sich aus Abneigung gegen die Hubraumreduzierung viel zu spät mit dem Bau von 1,5 Liter Motoren befasst hatten. Fünf der acht Grand Prix gingen nach Maranello. Lotus hatte die Erfolge in Monte Carlo und am Nürburgring der fahrerischen Extraklasse von Stirling Moss zu verdanken. Innes Ireland siegte beim Finale in Watkins-Glen, weil Ferrari gar nicht antrat.

Auch bei dem Test vor dem Unglücksrennen gab es wieder Ärger mit der Lenkung. Diesmal in einer der Steilkurven. Trips brachte den Ferrari 156 unbeschadet zum Stehen. Der Grand Prix sollte 1961 wieder auf dem kombinierten Kurs von Rennstrecke und Oval stattfinden. Stirling Moss sagte einst über die insgesamt 10 Kilometer lange Hochgeschwindigkeitsstrecke: „Monza war schrecklich. Die Kombination von zwei unterschiedlichen Streckentypen machte es schwierig, die optimale Fahrzeugabstimmung zu finden. Damit das Auto in den Steilkurven nicht aufsetzte, musste man harte Dämpfereinstellungen fahren. In den langsamen Kurven des Straßenkurses war das eher hinderlich.“

Zum ersten Mal auf der Pole Position

Für Trips lief beim wichtigsten Rennwochenende des Jahres zunächst alles nach Plan. Er stand zum ersten Mal bei seinen 27 GP-Starts auf der Pole Position. Um ihn herum vier Ferrari-Teamkollegen und ein B.R.M. WM-Rivale Phil Hill startete nur von Platz 4. Doch dann führte das Schicksal grausame Regie. Ein schlechter Start, nur Platz 6 am Ende der ersten Runde. Hill führte zu allem Überfluss. Trips musste schnell an dem Cooper von Jack Brabham und dem Lotus von Jim Clark vorbei, um nicht den Anschluss an die Spitzengruppe zu verlieren.

Die Verkettung unglücklicher Umstände verdichtete sich auf der Anfahrt zur Parabolica bei Tempo 240 zur Katastrophe. Trips zog rechts an Clark vorbei, scherte aber so früh wieder auf die Ideallinie ein, das sich das linke Hinterrad des Ferrari und das rechte Vorderrad des Lotus verhakten. Möglicherweise unterschätzte Trips, dass Clark mit dem um 20 Kilogramm leichteren Lotus eine Spur später bremsen konnte.

Was dann passiert ist, wurde tausendfach dokumentiert und wurde auf Youtube insgesamt 615.419 Mal geklickt. Es gibt Fotos und Filme aus mehreren Blickwinkeln. Ein Film wurde tragischerweise aus einer Gruppe Schweizer Rennfans heraus gedreht, die später zu den Opfern des Unfalls gehörten. Man sieht den roten Ferrari noch auf den Kameramann zufliegen. Dann enden die Aufnahmen.

Wolfgang Graf Berghe von Trips - Ferrari 156 - GP Italien 1961 - Monza
Picture Alliance
Der Tod statt die Krönung: Trips stürzt in Monza 1961 in den Tod.

Der Ferrari bog im 45 Grad-Winkel nach links ab und raste eine Böschung hinauf. Ein Zaun federte das rote Auto ab, ließ ihn wie einen Kreisel in der Luft drehen und warf ihn auf den Grünstreifen neben der Strecke zurück. Trips wurde beim ersten Überschlag aus dem Auto geschleudert. Der Aufprall auf dem Boden brach ihm das Genick. Der Graf war sofort tot. Er lag am Pistenrand, während sich seine Kollegen den Weg durch das Trümmermeer auf der Strecke bahnten. Jim Clark konnte unverletzt seinem Lotus entsteigen. Hinter den Absperrungen das blanke Entsetzen. 15 Zuschauer starben, 60 wurden verletzt.

Ein liebenswerter Kerl

Die Menschen zuhause an den Radiosendern ahnten noch nicht, was sich da in der 2. Runde abgespielt hatte. Hans Herrmann erinnert sich, dass die Unglücksmeldung erst mit Verzögerung über den Äther lief. „Die Stimme von Reporter Günther Jendrich höre ich heute noch, wie er plötzlich sagt: Ich muss Ihnen folgende Mitteilung machen. Graf Berghe von Trips hatte einen Unfall. Ohne zu wissen, was genau passiert ist, hatte ich gleich eine böse Vorahnung. Ich dachte, oh Mensch, der Wolfgang.“

Der deutsche Graf, den sie Taffy nannten, genoss im Kollegenkreis hohes Ansehen. Sein Image als Crashpilot hatte er längst abgestreift. „Taffy war ein Gentleman im wahrsten Sinne des Wortes.Er kam aus einer guten Familie, war aber kein Snob“, erinnerte sich Stirling Moss einmal. Hans Herrmann ergänzte: „Er war ein liebenswerter, gut erzogener Kerl. Der Adelsstand gab ihm das gewisse Etwas. Ein echtes Idol, das damals die Massen begeistert hat.“ Auch Enzo Ferrari mochte den Grafen. Vielleicht auch deshalb, weil Trips 1957 bei der Mille Miglia seinem Markenkollegen Piero Taruffi den Sieg überließ. Es war Taruffis letztes Rennen. Der Sieg bei der Mille Miglia sollte die Krönung seiner Karriere werden. Doch dann machte das Getriebe schlapp. Trips hätte den Italiener locker überholen können, doch er bot ihm Geleitschutz bis ins Ziel.

Phil Hill gewann den Unglücks-Grand Prix in Monza und war damit Weltmeister. Der erste Amerikaner auf dem Thron des Automobilrennsports. Jim Clark wurde angeklagt und über Jahre hinweg immer mal wieder von der italienischen Justiz ins Verhör genommen. Am Ende kam heraus, was in solchen Fällen immer herauskommt. Es war ein Rennunfall.

Die Deutschen GP-Sieger der Formel 1
FahrerGP-StartsWM-TitelGP-Siege Pole Positions Punkte
Michael Schumacher307791681.566
Sebastian Vettel 219452552.745
Nico Rosberg 206123301.594,5
Ralf Schumacher 180-66329
Heinz-Harald Frentzen167-32174
Wolfgang Graf Berghe von Trips 27-2156
Jochen Mass 105-1-71

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