Der Mord an Olof Palme im Jahr 1986 wurde nie restlos aufgeklärt.
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Wer nach tödlichen Attentaten auf europäische Staats- oder Regierungschefs nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges sucht, findet glücklicherweise nur eine kurze Liste: Olof Palme findet sich darauf, der schwedische Premier, der im Jahr 1986 unter noch immer nicht abschließend geklärten Umständen nach einem Kinobesuch in der Stockholmer Innenstadt erschossen wurde. Und der serbische Premier Zoran Đinđić, der 2003 auf offener Straße ermordet wurde. Wer genau damals warum auf den westlich orientierten, sozialdemokratisch-liberalen Regierungschef schoss, ist ebenfalls ungeklärt. Zwar wurden mehrere Mitglieder einer extremistischen Spezialeinheit namens "Rote Barette" verurteilt – über die politischen Hintergründe gibt es aber noch immer keine abschließende Klarheit.

Abseits dieser beiden Fälle ist die Zahl der Aufsehen erregenden Angriffe auf Spitzenpolitiker gering – allerdings ist es dennoch immer wieder zu Attentaten gekommen, wobei nicht alle Täter ihre Ziele erreichten. Sowohl Deutschlands Exkanzler Konrad Adenauer als auch Frankreichs weithin verehrter Expräsident Charles DeGaulle sind mehrfach ins Fadenkreuz von politischen Killern geraten, haben die Angriffe aber unbeschadet überstanden. Ähnliches gilt auch für den früheren Premier Italiens Silvio Berlusconi und seinen Konkurrenten und ehemaligen EU-Kommissionschef Romano Prodi, dem einst eine Briefbombe zugeschickt wurde.

Deutschland 1977

Als besonders aufsehenerregend gilt die Mord- und Anschlagsserie, mit der die linke Rote Armee Fraktion RAF in den 1970er- und 1980er-Jahren Deutschland überzog. Erstes Ziel im sogenannten Deutschen Herbst war 1977 der Generalbundesanwalt Siegfried Buback, der in seinem Auto an einer Kreuzung erschossen wurde. Der Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer wurde wenig später entführt, und nach einer Serie von Geiselvideos, die mit ihm aufgenommen wurden, tot im Kofferraum eines Autos gefunden.

Hanns Martin Schleyer, Präsident der Deutschen Arbeitgeberverbände, wurde 1977 entführt und ermordet.
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Im Zuge der zweiten großen Anschlagsserie der RAF in den 1980er-Jahren wurden unter anderem der Diplomat Gerold von Braunmühl (1986) erschossen und der Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen (1989) getötet, als sein Auto in eine Sprengstoff-Falle fuhr. Noch immer unklar sind die Umstände des in seinem Haus von einem Scharfschützen ermordeten Chefs der (Ex-DDR)-Treuhandanstalt Detlev Rohwedder (1991). Zu seinem Mord gibt es ebenfalls ein Bekennerschreiben der RAF, über dessen Authentizität es allerdings immer wieder Zweifel gab.

Umgekehrt wurde der linke Studentenaktivist Rudi Dutschke 1968 von einem Rechtsextremisten lebensgefährlich verletzt. Er überlebte, vorerst, war nach der Tat aber stark eingeschränkt und litt an den Folgen. 1979 starb er an Spätfolgen der Attacke.

Italien und Österreich

Ebenfalls Opfer linken Terrors wurde der mächtige Chef der italienischen Christdemokraten und mehrmalige italienische Premier Aldo Moro, der 1978 aus seinem Dienstwagen entführt wurde. Auch er wurde nach der Aufnahme von Fotos und Abfassung von Briefen von Mitgliedern der "Brigate Rosse" ermordet, seine Leiche wurde im Kofferraum eines Autos in Rom aufgefunden.

Bekanntes Opfer eines politischen Attentates in Österreich wurde 1981 der Wiener Stadtrat Heinz Nittel: Der Mitbegründer des Jewish Welcome Service Vienna wurde von Mitgliedern der palästinensischen Terrorgruppe Abu Nidal vor seinem Haus in Wien-Hietzing ermordet

Bundeskanzler Bruno Kreisky und Finanzminister Hannes Androsch bei der Parade zum 1. Mai 1975 in Wien, An seiner Seite: Heinz Nittel (re., mit Brille).
Nora Schuster / brandstaetter im

Erheblichen Schaden trugen bei Attentatsversuchen andere Führungspersönlichkeiten davon. Papst Johannes Paul II., wurde 1981 vom türkischen Rechtsextremisten Mehmet Ali Ağca angeschossen und überlebte nur knapp. Ağca, dem der Papst später öffentlich vergab, hat im Laufe der Zeit mehrere Geschichten über die Hintergrunde des Angriffes erzählt, insgesamt bleiben sie aber im Dunkeln.

1990 trugen zwei deutsche Spitzenpolitiker schwere Verletzungen bei Attentaten davon: Oskar Lafontaine, damals als Kanzlerkandidat der SPD von einer psychisch kranken Frau mit einem Messer schwer am Hals verletzt. Der CDU-Politiker Wolfgang Schäuble saß nach dem Attentat eines anderen psychisch kranken Menschen nahe seines Wahlkreisbüros in Oppenau im Rollstuhl.

Wiens Bürgermeister Helmut Zilk erlitt beim Öffnen einer vom Rechtsextremisten Franz Fuchs verschickten Briefbombe lebensgefährliche und teils bleibende Verletzungen an der linken Hand, an der er zwei Finger verlor.

Tödlich verletzt wurden der niederländische Rechtspopulist Pim Fortuyn, der 2002 in Hilversum von einem radikalen Tierschützer erschossen wurde. 2003 wurde die sozialdemokratische schwedische Außenministerin Anna Lindh in einem Einkaufszentrum erstochen. Der später festgenommene serbischstämmige Täter hatte Verbindungen ins Neonazi-Milieu, machte aber keine Angaben zu seinem Motiv. Ermittler gingen später nicht mehr von einer politischen Tat aus. Nach Lindh ist ein wichtiger Besprechungsraum im Europäischen Parlament benannt.

In Erinnerung an die schwedische Außenministerin Anna Lindh (1957–2003) wurde die belarussische Dissidentin Swetlana Tichanowskaja mit einem Preis geehrt.
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Die schlimmsten Attentate der jüngsten Zeit geschahen jeweils im Schatten großer politischer Debatten. Die britische Labour-Abgeordnete Jo Cox wurde während der Brexit-Kampagne von einem Mann ermordet, der später vor Gericht "Tod den Verrätern, Freiheit für Großbritannien" rief. Der Regionalpräsident von Kassel, Walter Lübcke, wurde 2019 auf seiner Terrasse von einem Neonazi erschossen. Der CDU-Politiker Lübcke war nach seinem Einsatz für humane Behandlung von Geflüchteten zuvor in den Medien gewesen. Die unabhängige, aber von links-liberalen Parteien unterstützte Politikerin Henriette Reker wurde 2015 während der Wahlkampagne von einem Mann lebensgefährlich am Hals verletzt, der gleichfalls ihre Einstellung zur Flüchtlingspolitik kritisierte. Die Attacke fand in Köln statt, wo sie bis heute Oberbürgermeisterin ist.

Russlands tote Opposition

Und dann ist da noch die Serie womöglich staatlich unterstützter Morde an Kritikern des russischen Präsidenten Wladimir Putin in Russland: 2004 überlebte der prowestliche ukrainische Präsidentschaftskandidat Wiktor Juschtschenko einen Anschlag mit dem Gift Dioxin im Wahlkampf nur knapp, er wurde in Österreich behandelt. Nicht überlebt haben ihren Einsatz gegen die vermeintlichen Interessen des Kreml die Journalistin Anna Politkowskaja (sie wurde 2006 in Moskau erschossen), der Ex-Geheimagent Alexander Litwinenko (er wurde 2006 in London mit radioaktivem Polonium-210 vergiftet), die 2009 erschossene Journalistin Natanja Estemirowa und der 2015 an der Kremlmauer erschossene Ex-Politiker Boris Nemzow.

Ein Giftanschlag auf den Ex-Agenten Sergej Skripal und dessen Tochter 2018 schlug letztlich fehl. Im Februar 2024 starb in einem russischen Straflager der Oppositionelle Alexej Nawalny. Er war zuvor vom russischen Staat und den Gefängnisbehörden systematisch misshandelt worden. Einen Anschlag mit dem Nervengift Nowitschok 2021 hatte er noch überlebt. (mesc, 15.5.2024)