Die Preisträgerinnen Nicole Kampl (Menschenrechte), Anneliese Rohrer (Lebenswerk) und Colette M. Schmidt im Rahmen der Verleihung der Concordia-Preise in Wien.
Die Preisträgerinnen Nicole Kampl (Menschenrechte), Anneliese Rohrer (Lebenswerk) und Colette M. Schmidt bei der Verleihung der Concordia-Preise in Wien.
APA/EVA MANHART

Die Verleihung der Concordia-Preise am Montag im Parlament wurde zur Feier- und Mahnstunde für Pressefreiheit, Menschenrechte und Demokratie. "Wir haben ein Problem", fasste die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures die Situation der Pressefreiheit in Österreich zusammen. Im aktuellen Ranking ist Österreich mit Platz 32 auf einen historischen Tiefstand abgerutsch. "Wir sehen, dass das Vertrauen in Medien, Wissenschaft und Politik abnimmt. Dadurch gerät unsere Demokratie unter Druck", sagte Bures. "Eine liberale Demokratie braucht kritischen Journalismus als Vermittler des politischen Diskurses."

Durch den Absturz im Pressefreiheitranking sah auch Petra Stuiber, Vizepräsidentin des Presseclubs Concordia und stellvertretende STANDARD-Chefredakteurin, bei der Feier "die Stimmung getrübt". Stuiber führte Vertrauensverlust in klassische Medien, Naheverhältnisse zwischen Journalismus und Politik, persönliche Diffamierung und Attacken gegen Journalistinnen und Slapp-Klagen sowie "beunruhigende Pläne der FPÖ für den ORF" als Beispiele an, warum es genügend Gründe gebe, sich "Sorgen zu machen".

Hervorragende publizistische Leistungen

"Wann wird die Medienförderung auf tragfähige Füße gestellt, sodass sie nicht einer potenziell korrumpierenden Inseratenpolitik ausgeliefert ist?", fragte die Juryvorsitzende Heide Schmidt. Die Concordia-Preise zeichnen hervorragende publizistische Leistungen für Menschenrechte, Demokratie und Pressefreiheit aus.

STANDARD-Redakteurin Colette M. Schmidt bekam den Preis für eine Reportage über eine Demonstration gegen eine Dragqueen-Kinderbuchlesung. Die Concordia-Preisträgerin warnte in ihrer Rede vor Rechtsextremismus und zunehmenden antidemokratischen Tendenzen: "Antifaschistin zu sein ist in einer Demokratie alternativlos", sagte Schmidt und erntete im Plenarsaal des Parlaments spontanen Applaus. "Wir müssen heute ernsthaft fragen, wie lange es uns noch geben wird. Obwohl Journalismus essenziell ist, schauen wir zu, wie Journalismus stirbt", sagte Schmidt. Laudatorin Tanja Paar lobte Schmidts "Hartnäckigkeit, Zielstrebigkeit, Wissbegierde und persönlichen Einsatz" in ihren Recherchen: "Es braucht klare gesetzliche Vorgaben und Menschen wie Colette M. Schmidt, die sich dafür einsetzen, dass die Freiheit der Presse als Säule der Demokratie gewahrt bleibt."

"Woher kommt der Hass?"

Den Preis für Menschenrechte erhielt ORF-Redakteurin Nicole Kampl für ihre Schauplatz-Reportage "Woher kommt der Hass?" über den Suizid der Ärztin Lisa-Maria Kellermayr 2022. Bis heute gibt es trotz Morddrohungen und gefährlicher Drohungen im Fall Kellermayr keine Anklagen. "Umso wichtiger ist diese journalistische Beharrlichkeit, Geduld, dass man dranbleibt und nachfragt", lobte Journalistin Ingrid Brodnig in ihrer Laudatio. Kampl habe "genau das gemacht, ein Jahr nach dem Todestag der Ärztin Kellermayr nachgefragt". Hass im Netzt brauche "eine Konsequenz", sagte die Preisträgerin Kampl. "Dass man zeigt, dass man nicht alles ins Internet schreiben kann, und es passiert eh nichts." Ziel von Hasspostings seien besonders oft Frauen. "Das muss sich ändern, weil Hass im Netz kein Kavaliersdelikt ist."

Den Concordia-Preis für ihr Lebenswerk bekam die Journalistin Anneliese Rohrer. Deren "unbestechliche Haltung" lobte Presse-Chefredakteur Florian Asamer. Gleichgültigkeit könne man sich als Journalistin nicht leisten, sagte Rohrer, weil danach der Zynismus käme: "Beides können wir uns nicht leisten, deshalb rege ich mich immer noch über die österreichische Innenpolitik auf." Der Mangel an Distanz zwischen Journalismus und Politik habe zu einem "Mangel an Vertrauen" geführt: "Es muss uns etwas einfallen. Wir müssen gemeinsam etwas gegen diesen Vertrauensverlust tun", so Rohrer. "Das mag naiv sein, aber es ist alternativlos. So, wie die Situation jetzt ist zwischen Medien und Politik, kann sie auf Dauer nicht bleiben." (Doris Priesching, 14.5.2024)