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1 Einleitung

Wovon hängt der berühmte „erste Eindruck“ ab, wenn wir das erste Mal einem Menschen begegnen? Dies ist eine Frage, die uns nicht nur im Alltag beschäftigt, wenn wir beispielsweise auf eine Feier mit vielen unbekannten Personen eingeladen sind und wir uns selbst fragen, wie wir wahrgenommen werden, sondern auch im professionellen Kontext, wenn es um Bewerbungssituationen geht.

Die psychologische Forschung hat bereits zahlreiche Faktoren identifiziert, die den ersten Eindruck beeinflussen. Am häufigsten werden die Gegebenheiten der sozialen Situation, in der eine Begegnung stattfindet (z. B. privater oder professioneller Kontext), sowie die Merkmale der wahrnehmenden Person (Perceiver) und die Eigenschaften der wahrgenommenen Person (Target) thematisiert (z. B. Tagiuri und Petrullo 1958).

In der Vergangenheit hat sich die Forschung besonders der Bedeutung des Aussehens von Targets gewidmet. Verschiedene Studien haben dabei gezeigt, dass das Aussehen einen erheblichen Einfluss auf den ersten Eindruck hat (z. B. Agthe, et al., 2023; Ritchie et al. 2017; Vernon et al. 2014; Weisbuch und Ambady 2011).

Eine ganz besondere Bedeutung wird dabei dem Gesicht zugeschrieben, welches im Mittelpunkt der Forschung der letzten Jahre stand. Aus den Eigenschaften des Gesichts einer Person können wir insbesondere drei Dimensionen identifizieren, die zur Bildung des ersten Eindrucks beitragen (Sato et al. 2013; Sutherland et al. 2013; Todorov 2008). Die relevanten Dimensionen umfassen Eigenschaften der Vertrauenswürdigkeit/Valenz, Dominanz/Kompetenz sowie Jugendlichkeit und Attraktivität (z. B. Sutherland et al. 2013, 2016). Aus einer evolutionären Perspektive nach Oosterhof und Todorov (2008) sind diese Dimensionen essenziell, da sie mit der Einschätzung von Bedrohungen für das Individuum assoziiert sind. Die Domäne der Vertrauenswürdigkeit/Valenz gibt einen Hinweis darauf, ob die Target-Person die Intention haben könnte, dem Perceiver zu helfen oder zu schädigen. Die Dominanz/Kompetenz-Domäne dient der Einschätzung, ob die Target-Person potenziell dazu in der Lage ist, die jeweils verfolgte Intention auch tatsächlich auszuführen (Sutherland et al. 2013). Das Erkennen der Vertrauenswürdigkeit und der Fähigkeit, bedrohliche Absichten in die Tat umzusetzen, sind ebenso entscheidend für das Überleben (Oosterhof und Todorov 2008). Merkmale der physischen Attraktivität sind z. B. Symmetrie des Gesichts, Hautgesundheit und Farbe sowie Durchschnittlichkeit. Sie spiegeln Informationen über das wider, was im weitesten Sinne als Gesundheit einer Person definiert wird (Thornhill und Gangestad 1999). Auch wenn die Zusammenhänge zwischen tatsächlicher Gesundheit und Aussehen eher schwach und inkonsistent sind (z. B. Henderson und Anglin 2003; Kalick et al. 1998), zeigen sich sehr hohe Zusammenhänge zwischen der wahrgenommenen Gesundheit und der wahrgenommenen physischen Attraktivität von Targets. Je attraktiver eine Person wahrgenommen wird, desto gesünder wird sie demnach auch eingeschätzt (Rhodes et al. 2007).

2 Die drei Domänen im Kontext der Partnerwahl

Die drei Domänen Vertrauenswürdigkeit/Valenz, Dominanz/Kompetenz sowie Jugendlichkeit und Attraktivität lassen sich mit ähnlicher Konnotation als zentrale Domänen in der Partnerwahl identifizieren. In diesem Kontext werden sie als Vertrauenswürdigkeit, Status und Ressourcen sowie physische Attraktivität und Jugendlichkeit bezeichnet (Fletcher et al. 1999).

Alle drei Domänen sind über den generellen ersten Eindruck hinaus relevant, da sie Informationen über die Eigenschaften einer potenziellen Partnerin oder Partners für eine Beziehung liefern. Eine hohe Ausprägung von Vertrauenswürdigkeit suggeriert im Rahmen der Partnerwahl, dass die emotionale und soziale Unterstützung bereitgestellt wird, die für die Gründung und Aufrechterhaltung einer Familie nötig sind (Fletcher et al. 2004; Gangestad und Simpson 2000). Die Verfügbarkeit von materiellen und Status-bezogenen Ressourcen sichert das Überleben der Familie, insbesondere der eigenen Nachkommen. Die physische Attraktivität einer Partnerin oder eines Partners liefert hier Hinweise auf die Überlebensfähigkeit der Nachkommen (für einen Überblick s. Rhodes 2006). Im Sinne der Entwicklungsstabilität signalisiert sie die Fähigkeit des Organismus, sich im Laufe der Entwicklung gegen Widrigkeiten (insbesondere durch Krankheiten, Toxine, parasitären Befall o. ä.) zur Wehr zu setzen und einen gesunden Phänotypus hervorzubringen (Little et al. 2011; Wade 2010). Somit ist die physische Attraktivität nicht nur bei kurzfristigen Interaktionen hilfreich, um zu erkennen, ob jemand in diesem Moment gesund (und somit potenziell ansteckend ist), sondern auch langfristig im Kontext der Partnerwahl, wenn es um die Gesundheit möglicher Nachkommen geht.

Besonders erwähnenswert ist, dass es auch im Kontext der Partnerwahl nicht zwangsweise zu einer mehrmaligen Beobachtung des Verhaltens kommen muss, um ein Urteil über die Eigenschaften dieser drei Domänen zu treffen. Alle drei Domänen können ebenfalls durch das Gesicht vermittelt werden (z. B. Sutherland et al. 2013). Eine Einschätzung der Person vor dem ersten persönlichen Kontakt wird somit ermöglicht.

3 Die Relevanz von Target- und Perceiver-Effekten bei der Partnerwahl

Um den Wert einer Person als Partnerin oder Partner zu bestimmen ist nicht allein die Ausprägung der Target-Person bezüglich dieser drei Domänen ausschlaggebend. Eine größere Rolle spielt die Ausprägung der Eigenschaften der Target-Person in den drei Domänen in Abhängigkeit der Eigenschaften des Perceivers (Hassebrauck und Schwarz 2016). Ein prominentes und gut untersuchtes Perceiver-Merkmal ist das Geschlecht der betrachtenden Person. Vergleicht man die Bewertungen potenzieller Partner und Partnerinnen zwischen Männern und Frauen, legen diese im Durchschnitt unterschiedlichen Wert auf die Ausprägung der drei Domänen. Diese Unterschiede lassen sich aus einer evolutionär-psychologischen Perspektive heraus mit unterschiedlichen evolutionären Kosten erklären.

Die Partnerwahl stellt entsprechend der Sexual Strategy Theory (SST, Buss und Schmitt 1993) ein komplexes Set an psychologischen Adaptationen dar, die zur Lösung adaptiver Probleme von Männern und Frauen vorhanden sind. Eines dieser Probleme ist die Steigerung der individuellen Fitness, also das Sichern des eigenen Überlebens und die Weitergabe des genetischen Materials. Daher ist die Partnerwahl durch ein integriertes Set an Adaptationen (= Sexuelle Strategien) gekennzeichnet, die sich entwickelt haben, um den individuellen reproduktiven Erfolg sicherzustellen (Kern der SST; Buss und Schmitt 1993). Diese sexuellen Strategien lassen die Ressourcen und Energie des Individuums in bestimmte Taktiken fließen. Daher kann eine Partnerwahlstrategie sich in den Einstellungen und dem Verhalten in vielerlei Hinsicht äußern (Gangestad und Simpson 2000). Die SST beschreibt, dass Männer und Frauen mit unterschiedlichen adaptiven Problemen konfrontiert wurden, die insbesondere durch eine Asymmetrie des minimalen elterlichen Investments bedingt sind (Trivers 1972). Das elterliche Investment ist jener für die Nachkommen getätigte Aufwand, dessen Überlebenswahrscheinlichkeit zu steigern, zu Lasten weiterer möglicher Nachkommen. Aufgrund ihres geringen minimalen elterlichen Investments ist der reproduktive Erfolg von Männern vorrangig durch den Zugang zu fortpflanzungsfähigen Partnerinnen determiniert. Für Frauen ist die minimale Investition, rein biologisch gesehen, mit mehr Aufwand und Kosten verbunden. Sie sollten daher wählerischer und kritischer in der Partnerwahl sein (Buss und Schmitt 1993). Hieraus resultieren Geschlechtsunterschiede in diversen Einstellungs- und Verhaltensweisen bezüglich der Partnerwahl.

Wie bereits ausgeführt, besitzt jede Domäne der Personenwahrnehmung einen spezifischen adaptiven Nutzen, um das eigene Überleben und die Überlebenswahrscheinlichkeit der Nachkommen sicherzustellen. Der adaptive Nutzen der Eigenschaften des Targets ist in Abhängigkeit des Geschlechts des Perceivers unterschiedlich stark ausgeprägt. Diese Vorhersagen aus der SST zu geschlechtlichen Unterschieden in der Bedeutung der drei Domänen können durch Ergebnisse aus der bisherigen Forschung empirisch unterstützt werden.

3.1 Die Domäne der physischen Attraktivität

Bei Betrachtung der heterosexuellen Partnerwahl aus einer evolutionären Perspektive zur Steigerung des Reproduktionserfolges, ist es für männliche Personen relevant, Hinweise auf eine hohe Reproduktionsfähigkeit bei einer potenziellen Partnerin zu erkennen. Die weibliche Reproduktionsfähigkeit hängt stark mit der physischen Attraktivität zusammen (Symons 1979). Männer geben im Vergleich zu Frauen im Durchschnitt eine höhere Relevanz der physischen Attraktivität einer Partnerin an (Schwarz und Hassebrauck 2012; Schwarz et al. 2020). Müssen Männer sich entscheiden, was ihnen besonders wichtig bei der Partnerwahl ist und welche Aspekte sie vernachlässigen können, dann gewichten sie die physische Attraktivität einer Partnerin noch stärker (Li und Kenrick 2006; Li et al. 2011). Diese Präferenzen zeigen sich über mehrere Jahrzehnte und unterschiedlichen Kulturen hinweg (Thomas et al. 2020; Walter et al. 2020).

3.2 Status und Ressourcen

Für Frauen sind zur Erhöhung ihres Reproduktionserfolges Eigenschaften eines Partners wichtig, die das Vorhandensein von Status und Ressourcen und die Bereitschaft des Partners signalisieren, diese in die Frau und die Nachkommen zu investieren. Frauen messen Eigenschaften eines potenziellen Partners, welche Status und Ressourcen signalisieren konsistent über die Zeit und verschiedene Kulturen hinweg mehr Bedeutung zu. Es zeigt sich eine erhöhte Präferenz für damit verbundene Eigenschaften wie Ambitioniertheit, Durchsetzungsfähigkeit, Intelligenz und Selbstsicherheit (Buss und Schmitt 1993; Schwarz und Hassebrauck 2012; Schwarz et al. 2020; Wang et al. 2018).

3.3 Vertrauenswürdigkeit

Die Domäne Vertrauenswürdigkeit wird mit kooperativem Verhalten und guten elterlichen Qualitäten assoziiert (Buckels et al. 2015). Zum Beispiel geben Personen an, dass sie eine/n hoch vertrauenswürdige potenzielle Partnerin/Partner attraktiver finden. Die Zufriedenheit in einer bestehenden Beziehung hängt ebenfalls vom Grad der Vertrauenswürdigkeit ab (Valentine et al. 2020). Im Gegensatz zu den anderen beiden Domänen zeigt sich, dass die Vertrauenswürdigkeit sowohl bei Frauen als auch bei Männern als gleich wichtig eingestuft wird (Fletcher et al. 2004). Allerdings hat diese Domäne relativ zu den beiden anderen weniger Aufmerksamkeit in der empirischen Forschung erhalten (Fletcher et al. 1999; Valentine et al. 2020).

4 Jenseits des Selbstberichts: Die automatische Verarbeitung von partnerbezogenen Merkmalen

Die drei Domänen der Personenwahrnehmung und insbesondere die Bedeutung eines langfristigen, romantischen Partners haben eine zentrale Bedeutung für das physische und psychische Wohlbefinden (z. B. Braithwaite und Holt-Lunstad 2017) sowie das Überleben (Holt-Lunstad et al. 2010). Es liegt nahe, dass sich die beschriebenen geschlechtlichen Unterschiede in den Partnerpräferenzen ebenfalls in kognitiven Prozessen der Informationsverarbeitung auf basalerer Ebene, adaptiv in Bezug auf für die Partnerwahl relevante Aspekte, niederschlagen.

Von besonderer Bedeutung für die evolutionären Sozialwissenschaften ist diese Perspektive aus unserer Sicht aus zwei Gründen. Zum einen basieren die bisher dargestellten Befunde ausschließlich auf dem Selbstbericht und beschreiben daher kognitive Prozesse höherer Ordnung (Partnerpräferenzen). Diese Befunde dominieren die Literatur. Der Selbstbericht einer Person kann allerdings zahlreichen Urteilsverzerrungen (Biases) unterliegen (Paulhus und Vazire 2007). Von daher eignet sich der Selbstbericht weniger, um zu untersuchen, inwieweit die psychologischen Prozesse beispielsweise durch kulturelle Unterschiede moduliert werden. Mit einer systematischeren Untersuchung der automatischen Verarbeitung von partnerbezogenen Merkmalen können wir besser verstehen, ob und wie wir Personen ohne zusätzlichen kognitiven Aufwand wahrnehmen.

Zudem könnte eine automatische Verarbeitung von Partnermerkmalen auf eine „hard-wired“ Prädisposition in der Personenbeurteilung hindeuten. Man weiß beispielsweise aus der Angstforschung, dass Rhesusaffen (und andere Primaten) eine Prädisposition haben, eine gelernte Angstreaktion auf Schlangen zu entwickeln. Diese entwickelt sich selbst dann, wenn kein bisheriger Kontakt mit Schlangen stattfand, zum Beispiel weil sie entweder im Labor aufgezogen wurden oder auf Madagaskar lebten, wo es keine Schlangen gibt. Beobachten diese „Labor-Primaten“ allerdings andere Primaten, die eine Angstreaktion auf Blumen zeigen, lernen sie diese Angstreaktion nicht (z. B. Cook und Mineka 1989). Daraus wird gefolgert, dass Primaten eine Prädisposition haben, eine Angstreaktion auf Schlangen, aber nicht unspezifisch auf andere Stimuli zu erlernen. Analog dazu ist heutzutage eine spezifische Phobie gegenüber Schlangen in unseren Breitengraden sehr weit verbreitet. Eine spezifische Phobie gegenüber Autos, die in unserer aktuellen Umwelt viel gefährlicher sind, sind nicht bekannt („preparedness“ im Sinne von Seligman 1971). Ähnlich könnte auch die Personenwahrnehmung domänen- und womöglich geschlechtsspezifisch eine Prädisposition aufweisen, automatisch verarbeitet zu werden. Ein tiefer gehendes Verständnis der zugrunde liegenden kognitiven Prozesse könnte uns helfen, besser zu verstehen, auf welchen Ebenen der Verarbeitung wir das Wirken von kulturellen Unterschieden erwarten könnten.

4.1 Die Bedeutung der Automatizität kognitiver Prozesse

Ein wichtiges Merkmal kognitiver Prozesse ist das Ausmaß an Automatizität (z. B. Bargh 1994; Moors und De Houwer 2006; Posner und Snyder 1975), das ebenfalls als ein Kriterium für eine evolutionär-psychologische Adaptation diskutiert wird (für eine kurze Diskussion s. Jung et al. 2012).

Um einen kognitiven Prozess als automatisch zu charakterisieren und von kontrollierten Prozessen zu unterscheiden, werden in der Literatur unterschiedliche Kriterien vorgeschlagen (Moors und de Houwer 2006). Zu den häufigsten genannten Kriterien gehören Kontrolle oder Intentionalität, Bewusstheit und Effizienz (Kapazitätsbedarf).

Das Merkmal der Kontrolle oder Intentionalität besagt, dass ein automatischer Prozess keine entsprechende Intention voraussetzt, um ausgelöst zu werden, und – wenn einmal durch den entsprechenden Reiz in Gang gesetzt – nur noch schwer gestoppt werden kann. Das Merkmal der Bewusstheit beschreibt, dass automatische Prozesse unbewusst ablaufen (können), während kontrollierte Prozesse immer bewusst sind. Das Merkmal der Effizienz besagt, dass automatische Prozesse keine begrenzten Verarbeitungskapazitäten (z. B. Aufmerksamkeit, Arbeits- bzw. Kurzzeitgedächtnis) benötigen, während kontrollierte Prozesse diese begrenzten kognitiven Ressourcen brauchen (z. B. Bargh 1994; Jonides 1981; Neumann 1984; Schneider und Shiffrin 1977).

4.2 Die automatische Verarbeitung der physischen Attraktivität

Es gibt erste empirische Studien, die Hinweise liefern, dass die Verarbeitung von Eigenschaften aus der Domäne der physischen Attraktivität einem automatischen Prozess unterliegt. Zum Beispiel läuft die Verarbeitung mühelos, unbewusst und schnell ab (z. B. Olson und Marshuetz 2005; Werheid et al. 2007). Allerdings konzentrieren sich diese und andere Studien zum Teil nur auf die Eigenschaften der Targets und vernachlässigen mögliche Target x Perceiver Interaktionen, die durch Forschungsergebnisse zur Partnerwahl nahegelegt werden. Erste Hinweise auf Interaktionseffekte zeigen, dass Männer und Frauen die weibliche, nicht aber die männliche physische Attraktivität schnell verarbeiten können (Maner et al. 2003). Ebenso zeigt sich ein Aufmerksamkeitsbias bezüglich der weiblichen physischen Attraktivität bei männlichen und weiblichen Perceivern (Maner et al. 2005; Duncan et al. 2007).

Einen Hinweis auf geschlechtliche Unterschiede beim Perceiver legen neurowissenschaftliche und kognitionspsychologische Untersuchungen nahe. Bei Männern, aber nicht bei Frauen, aktivieren attraktive Gesichter Bereiche im anterioren cingulären Kortex (Winston et al. 2007) und nur bei Männern steigt die Aktivität im orbitofrontalen Kortex, wenn attraktive Gesichter präsentiert werden (Cloutier et al. 2008). Dabei werden attraktive weibliche Gesichter bei Männern in Bereichen verarbeitet, die ebenfalls mit dem Belohnungssystem assoziiert werden. Diese Bereiche werden hingegen nicht bei männlichen oder unattraktiven Gesichtern angesprochen (Aharon et al. 2001).

In Bezug auf das Effizienz-Kriterium der Automatizität haben sich bislang erst drei empirische Studien der Frage angenommen, ob die Verarbeitung der physischen Attraktivität zentrale Aufmerksamkeitsressourcen benötigt. Rellecke et al. (2011) fanden bei männlichen und weiblichen Perceivern Hinweise auf einen automatischen Prozess, wohingegen Jung et al. (2012) bei einer rein weiblichen Stichprobe keine Kapazitätsfreiheit feststellen konnten. Beide Studien betrachteten nur die physische Attraktivität des Targets, wobei die Eigenschaften des Perceivers und mögliche Interaktionen vernachlässigt wurden. In einer kürzlich veröffentlichten Studie (Klümper et al. 2020) wurden zur Aufklärung der uneinheitlichen Ergebnisse mittels des Psychologischen Refraktärperioden Paradigmas (PRP) die Vorhersagen zur kapazitätsfreien Verarbeitung aus dem Flaschenhals-Modell (Posner und Snyder 1975) durch Vorhersagen zu intersexuellen Unterschieden in der Relevanz der physischen Attraktivität bei der Partnerwahl (Buss und Schmitt 1993) ergänzt. Demnach werden weibliche Targets nur von männlichen (und nicht weiblichen) Perceivern automatisch verarbeitet, wobei männliche Targets weder von männlichen noch weiblichen Perceivern automatisch verarbeitet werden. Dieses Ergebnismuster spricht dafür, dass die physische Attraktivität von weiblichen Targets für männliche Perceiver eine besondere Stelle in der kognitiven Verarbeitung einnimmt.

4.3 Die automatische Verarbeitung von Status und Ressourcen sowie Vertrauenswürdigkeit

Die Befundlage zur automatischen Verarbeitung von Merkmalen aus den Domänen Status und Ressourcen sowie Vertrauenswürdigkeit ist deutlich übersichtlicher. Ergebnisse deuten allerdings darauf hin, dass Hinweise auf Status und Ressourcen sowie Vertrauenswürdigkeit sehr schnell und ohne bewusste Aufmerksamkeit vom Gesicht eines Targets abgelesen werden können (Todorov et al. 2009; South Palomares et al. 2018).

Studien legen nahe, dass Menschen den sozialen Status anderer Personen sehr schnell anhand deren Gesichter einschätzen können (South Palomares et al. 2018). Weitere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Personen mit einem hohen Status schneller erkannt werden, mehr Aufmerksamkeit erhalten und besser erinnert werden (Ratcliff et al. 2011; Cheng et al. 2013; Dalmaso et al. 2012). Zudem verschieben Perceiver ihre Aufmerksamkeit hin zu Targets mit hohem Status (Dalmaso et al. 2012). Hierbei finden sich zum Teil Perceiver × Target Interaktionen, sodass auf männliche Targets mit hohem Status oder hoher Dominanz sowohl durch Männer als auch durch Frauen mehr Aufmerksamkeit gerichtet wird (DeWall und Maner 2008; Maner et al. 2008). Problematisch ist allerdings die uneinheitliche Operationalisierung der Domäne Status und Ressourcen (z. B. physische Dominanz, Jobposition, Kompetenz oder agentische Eigenschaften, Carrier et al. 2014; Mattan et al. 2017). Insbesondere in dieser Domäne fehlen methodisch einheitliche Ergebnisse, die sich auf ein repräsentatives Merkmal fokussieren. Zudem fehlt die empirische Basis, um bei dem entsprechenden Merkmal über eine automatische Verarbeitung (insbesondere Kapazitätsfreiheit und Interferenz) sprechen zu können.

Bezüglich der Domäne Vertrauenswürdigkeit zeigen Studien, dass die Amygdala automatisch durch unterschiedlich vertrauenswürdige Gesichter aktiviert wird, unabhängig davon, ob der Perceiver diese in Gesichtern aktiv beachtet (Engell et al. 2007; Winston et al. 2002). Hinweise hierauf werden im Gesicht sehr schnell erkannt und eingeschätzt (Kovács-Bálint et al. 2014; Yang et al. 2011) und spontan im Gedächtnis enkodiert (Klapper et al. 2016). Urteile über Vertrauenswürdigkeit können auch getätigt werden, wenn Perceiver die Bilder von Personen mit einer sehr kurzen Dauer (ca. 100 ms) präsentiert bekommen oder die Perceiver sich nicht bewusst darüber sind, dass die Bilder anwesend sind (Todorov et al. 2009; De Neys et al. 2017).

Einen ersten Hinweis auf Kapazitätsfreiheit im engeren Sinne liefern Befunde, die zeigen, dass Intelligenzunterschiede zwischen Personen oder die Belastung des Arbeitsgedächtnisses keinen Effekt auf die Einschätzungen der Vertrauenswürdigkeit haben (Bonnefon et al. 2013). Allerdings betrachten auch hier nur wenige Studien explizit die Target × Perceiver Interaktionen. Vor allem bezüglich des Geschlechts gibt es nur wenige Studien, die die Effekte explizit empirisch testen. Zum Beispiel schätzen Frauen die Vertrauenswürdigkeit eines Targets anhand des Gesichts schneller und korrekter ein als Männer (Dzhelyova et al. 2012). Zudem zeigen weibliche Perceiver typische Adaptationseffekte (adaptation aftereffects) in Abhängigkeit der Vertrauenswürdigkeit des Targets, wobei männliche Perceiver diesen Effekt nicht zeigen (Wincenciak et al. 2013). Jedoch ist ungeklärt, ob bei Frauen oder Männern von einem automatischen oder kontrollierten Verarbeitungsprozess im Sinne der Effizienz und Interferenz gesprochen werden kann.

5 Fazit und Ausblick

Die Forschung konnte auf theoretischer und empirischer Ebene zeigen, dass die drei Domänen Vertrauenswürdigkeit/Valenz, Dominanz/Kompetenz sowie Jugendlichkeit und Attraktivität (Sutherland et al. 2013; Sutherland et al. 2016) nicht nur im interpersonalen Kontext, sondern auch bei der Partnerwahl im Speziellen relevant sind (Fletcher et al. 1999).

Zudem zeigen sich zeitlich und interkulturell robuste geschlechtliche Unterschiede hinsichtlich der physischen Attraktivität der Partnerin (für Männer wichtiger als für Frauen), als auch hinsichtlich des Status und der Ressourcen potenzieller Partner (für Frauen wichtiger als für Männer). Bezüglich der Vertrauenswürdigkeit deuten sich im Selbstbericht keine geschlechtlichen Unterschiede an, wobei auf basalerer kognitiver Ebene Unterschiede zu finden sind.

Obwohl bereits die wechselseitige Bereicherung von evolutionspsychologischen mit kognitiven Theorien zur Untersuchung Partnerwahl-relevanter Merkmale hervorgehoben wurde (z. B. Maner et al. 2003), fehlt es an systematischer Forschung zu den basaleren kognitiven (z. B. perzeptuellen) Prozesse in den drei Domänen der Partnerwahl. Die meisten Befunde basieren auf dem Selbstbericht von Personen, wobei die Ausgestaltung grundlegenderer kognitiver Prozesse ebenfalls von großer Bedeutung ist, um die Befundmuster aus dem Selbstbericht zu reflektieren.

Ein besonderes Merkmal dieser grundlegenden kognitiven Prozesse ist das Ausmaß an Automatizität, wobei insbesondere das Kriterium der Effizienz im Vordergrund steht. Kognitive Prozesse, die der Verarbeitung der physischen Attraktivität unterliegen, sind relativ gut erforscht. Deutlich weniger empirische Arbeiten untersuchen die Verarbeitungsprozesse, die die Domänen Status und Ressourcen sowie Vertrauenswürdigkeit betreffen. In allen drei Domänen fehlt es an stabilen Befunden. Überwiegend liegen nur Ergebnisse für ein Kriterium der Automatizität vor. Aufgrund unterschiedlicher methodischer Vorgehensweisen (Stimuli und Durchführung) mangelt es an Replikationen und Generalisierungen. Zudem fokussieren sich die meisten Studien primär auf die Eigenschaften der Targets und vernachlässigen die Perceiver und die Target × Perceiver-Interaktionen, die besonders vor dem Hintergrund der Partnerwahlforschung relevant sind. Bislang existiert kein einheitliches Forschungsprogramm, in dem systematisch geprüft wird, ob und wann kognitive Prozesse von Perceiver- und Target-Effekten unter besonderer Berücksichtigung derer Interaktion bei den drei Domänen der Partnerwahl automatisch (insbesondere effizient) ablaufen. Solche Ergebnisse würden nicht nur auf theoretischer Ebene die Befunde aus den Selbstberichten sinnvoll ergänzen, sondern würden auch Rückkopplungen auf das Verständnis von kognitiven Prozessen als adaptive Reaktion auf unsere soziale Umwelt mit sich bringen.

Insbesondere für die evolutionären Sozialwissenschaften könnte ein systematisches Forschungsprogramm, das sich gleichwohl den drei Domänen der Partnerwahl, als auch den Target-, Perceiver- und Target × Perceiver-Interaktionen widmet, hilfreich sein. So könnte man die Hypothese ableiten, dass sehr basale automatische kognitive Prozesse auf der Ebene der Wahrnehmung und der Aufmerksamkeitszuwendung beispielsweise eher Kulturinvarianz zeigen, während kognitive Prozesse höherer Ordnung (wie der Selbstbericht) sehr stark durch kulturelle Einflüsse überformt sein sollten. Zudem könnte eine evolutionspsychologische Perspektive neue Impulse liefern, welche Merkmale der Umwelt, die das Erleben und Verhalten steuern können, potenziell relevant sein könnten. Zum Beispiel konnte bereits gezeigt werden, dass für Menschen, die in Regionen mit einer hohen Belastung von krankheitserregenden Pathogenen leben (wie eine hohe Prävalenz des Lepra auslösenden Mycobacterium leprae), die Bedeutung des Aussehens von potenziellen Partnerinnen und Partnern wichtiger ist als für Menschen in Regionen mit relativ geringer Pathogenbelastung (Gangestad und Buss 1993; s. zusammenfassend Schwarz 2015). Eine sehr interessante, aber offene Frage wäre hier, ob solche lang- oder kurzfristigen Häufungen von Krankheitserregern in verschiedenen Populationen ebenfalls die automatische Verarbeitung von Targets modulieren könnten. Dies könnte uns Auskunft darüber geben, inwiefern die Steuerung des berühmten ersten Eindrucks kulturinvariant (und vielleicht eher „hard-wired“) ist oder eben nicht. Die kognitive Psychologie hält in diesen (und anderen) Fällen auf jeden Fall die richtigen Paradigmen bereit, um auf solche Fragen jenseits des Selbstberichts Antworten zu geben. Man muss sich nur wagen, solche Fragen zu stellen.